Kolumne Gotteskind und Satansbraten

Sommer, Sonne, soziale Ausgrenzung

Die Ferien stellen Familien mit Kindern vor große Herausforderungen. Teure Urlaubsreisen und schöne Sommeraktionen können sich längst nicht alle leisten. Die Kirche könnte Teilhabe ermöglichen.

Letzte Woche war ich mit meinen Kindern in der Stadt. Wie jedes Jahr in den Sommerferien sind wir mit Materialiste bewaffnet losgezogen und haben besorgt, was eben alles so im neuen Schuljahr benötigt wird. Wenn wir zur Kasse kommen, weine ich immer heimlich ein bisschen in mein Portmonee, bevor ich mir „Was soll’s?!“ denke und meine Karte aufs Lesegerät halte. Danach habe ich die Kids zu einem Eisbecher eingeladen.

Es war mittlerweile schon früher Abend und ich habe meinem Mann ein Foto von unseren Spaghetti-Eis-Bechern gesendet und dazugeschrieben: „Spaghetti mit Tomatensoße zum Abendessen.“ Dann habe ich die Rechnung für dieses Vergnügen bezahlt und festgestellt, dass sie im Bereich eines Abendessens lag. Oder besser: In dem Bereich, in dem man vor einigen Jahren als fünfköpfige Familie hätte auswärts essen können.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass das Jammern auf sehr hohem Niveau ist, denn wir konnten ohne Probleme Schulsachen kaufen und Eis essen gehen. Ich habe mich nur ein bisschen geschüttelt. Viele andere Familien verkneifen sich den Eisbecher mittlerweile, weil er zum Luxusgut geworden ist.

Das gilt nicht nur für den Besuch in der Eisdiele, sondern auch für so einige andere Sommervergnügen. Allen voran sind natürlich Urlaubreisen zu nennen. Selbst Reisen, die früher als vergleichsweise günstiges Vergnügen galten – Camping oder Aufenthalte in Jugendherbergen – sind für immer mehr Familien nicht mehr erschwinglich. Oft setzen auch solche Unterkünfte mittlerweile auf ein anderes Publikum.

Campingplätze versuchen durch Luxusangebote eher Rentner:innen, Kinderlose oder finanziell privilegierte Familien anzusprechen, günstige Zeltwiesen oder Parzellen für einen einfachen Wohnwagen machen immer kleinere Teile von Plätzen aus. Selbst wenn man dort steht, bezahlt man Standards, nach denen man gar nicht gesucht hat, wie Sauna, Whirlpool oder eigene Badezimmer mit.

Auch Jugendherbergen haben sich in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr modernisiert, was sich ebenfalls in den Preisen widerspiegelt, die sie verlangen. Zwar ist ein Aufenthalt dort noch immer eine der günstigsten Arten, Familienurlaub zu machen, jedoch sind gerade die in attraktiven Lagen, zum Beispiel am Meer, oft ein bis eineinhalb Jahre im Voraus ausgebucht.

Urlaub auf Balkonien: Ein Teilhabeproblem für Kinder

Gerade für Kinder aus ärmeren Familien bedeutet das, dass sie die Ferien mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Hause verbringen. Wer jetzt denkt „Halb so schlimm, da kann man es sich auch schön machen“, dem sei gesagt, dass dieses „schön machen“ zu Hause mittlerweile oft auch nicht mehr erschwinglich ist (s. Spaghettieis). Am Ende bleibt dann kaum mehr als das Picknick im Wald oder im Park und vielleicht ein Freibadbesuch (und selbst da wundert man sich mancherorts, was an Eintritt verlangt wird oder für eine Portion Pommes!).

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, grenzen einige Freizeitparks, Schwimmbäder, Eisdielen und andere Anbieter von Ferienaktionen Kinder dann noch gezielt von der Teilhabe aus, indem sie beispielsweise ihre hohen Eintrittspreise für diejenigen senken, die besonders viele Einser in ihren Zeugnissen vorweisen können. Leider weiß jede:r, der sich einmal länger als eine halbe Minute mit dem deutschen Schulsystem auseinandergesetzt hat, dass dies in der Regel nicht den Kindern hilft, die sowieso schon benachteiligt sind. Denn gute Noten bekommen in deutschen Schulen überdurchschnittlich häufig die Schüler:innen, die aus einem bildungsgewohnten und oft auch finanziell besser gestellten Elternhaus kommen.

Nun könnte man meinen, dass wir Christ:innen uns hier aufschwingen, um für all diese Kinder und Jugendlichen einen entscheidenden Unterschied zu machen. Doch leider stimmt das nur sehr eingeschränkt. Denn ja – es gibt in Gemeinden, den diakonischen Werken und bei anderen christlichen Trägern eine Vielzahl von Angeboten für die Sommerferien und manche sind auch sehr günstig oder kosten gar nichts.

Doch gerade wenn man auf die Kosten für Jugendreisen blickt, stellt man schnell fest, dass es unzählige tolle Angebote und noch tollere Ziele gibt – für die Eltern dann aber oft tief in die Tasche greifen müssen. Ein Zeichen für die Milieuverengung der großen Kirchen, an die sich viele offenbar gewöhnt haben. Kostenlose oder kostengünstige Angebote findet man seltener und oft ist die Zielgruppe, die sie ansprechen, eher klein (beispielsweise Spielvormittage für Kleinkinder mit nicht berufstätige Eltern, ein Vormittagsangebot für Kinder im Kita- oder Grundschulalter, usw.). Die Ausgeschlossenen suchen sich anderswo Angebote, was nicht zuletzt auch eine politische Frage ist im Hinblick auf unsere Demokratie.

Auch fällt auf, dass solche Aktionen seit den Corona-Jahren insgesamt weniger werden. Die notwendigen Strukturen sind in dieser Zeit teilweise weggebrochen, es fehlt an Haupt- und Ehrenamtlichen, die solche Angebote stemmen. Die wenigen Kapazitäten werden dann häufig eben doch in das hochklassige Programm gesteckt.

Wo:manpower für Kinderferienangebote

Dabei wäre es gerade im Blick auf den oft beschworenen gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig, einen großen Teil der Familien in den Sommerferien nicht komplett auf dem Abstellgleis zu parken, indem man ihnen immer mehr Möglichkeiten der Teilhabe entzieht. Denn schöne Sommerferien mit einem inspirierenden Angebot zu haben, statt gelangweilt und vielleicht frustriert in den eigenen vier Wänden, die oft eben keinen Garten nebendran haben, zu sitzen, gibt Kraft für kommende Herausforderungen, schafft positive Erinnerungen und das Gefühl, dazuzugehören und eben nicht egal zu sein.

Für dieses Jahr ist es zu spät – aber vielleicht können sich Kirchgemeinden, Kirchenkreise und Hauptamtlich ja im nächsten Jahr vornehmen, mindestens genauso viel Zeit, Energie und wo:manpower in die Planung von kostengünstigen Sommeraktionen für Kinder, Jugendliche und Familien zu stecken, wie in die Vorbereitung von intellektuell hochwertigen Sommer-Predigtreihen, die vor allen Dingen auf privilegierte kinderlose Menschen abzielen.


Alle Ausgaben der Familienkolumne „Gotteskind und Satansbraten“ von Daniela Albert in der Eule.


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