Newsletter #LaTdH

Thoughts and Prayers? – Die #LaTdH vom 8. Oktober

Die Terrorangriffe auf Israel bewegen auch die Menschen in Deutschland. Wie reagieren Kirchen- und Religionsvertreter? Außerdem: „Weltsynode“ im Vatikan, der Papst schreibt zur Klimakrise und linke Intellektuelle.

Herzlich Willkommen!

„Wir halten die Erinnerung wach. Wir bleiben verantwortlich. Wir treten entschieden für jüdisches Leben in Deutschland ein.“

Diese Sätze hat die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, erst vor zehn Tagen in das Gästebuch der Shoah-Gedenkstätte Yad Vashem geschrieben. „Wir bleiben verantwortlich.“ Das gilt auch, wenn es um das Leben des jüdischen Staates geht. Israel ist seit gestern heftigen Angriffen ausgesetzt. Die extremistischen Terrororganisationen Hamas und Palästinensischer Islamischer Dschihad feuern tausende Raketen auf das Land ab, sind in israelische Grenzorte zum Gaza-Streifen eingedrungen, ermorden und entführen Zivilist:innen.

Die innen- und außenpolitischen Hintergründe des Angriffs bewegen in diesen Stunden viele Menschen. Wie konnte es zu dieser Eskalation am Ausgang des Sukkot-Festes kommen? Wie können die Menschen effektiv vor weiteren Angriffen geschützt werden, auch Jüdinnen und Juden sowie jüdische Einrichtungen außerhalb Israels, auch in Deutschland? Wie können und sollten die israelische Regierung und ihre internationalen Partner auf einen Terroranschlag dieses Ausmaßes reagieren, der offenbar eng mit dem Iran als selbstentworfener „Schutzmacht“ der Palästinenser koordiniert wurde?

In Deutschland schoben sich – noch während die Raketen über Jerusalem niedergehen – politische Akteur:innen unterschiedlicher Provenienz gegenseitig Schuld zu: Wer ist dafür verantwortlich, dass auch mit deutscher Entwicklungshilfe vermutlich islamistische Terroristen unterstützt werden? Wer trägt Schuld an antisemitischen Protesten von Muslimen, die in den Sozialen Netzwerken und auf den Straßen einiger Städte ihre Solidarität mit der Hamas feierten? Wer hat – oder hat nicht – den Antisemitismus innerhalb der muslimischen Communities in Deutschland verharmlost?

Hinter solchen Debatten verbirgt sich eine gewaltige Doppelmoral, nicht nur im Hinblick auf den gut dokumentierten Antisemitismus der nicht-muslimischen Mehrheitsbevölkerung. Dass muslimischer Antisemitismus in den vergangenen Jahren in Deutschland entschuldigt worden wäre, ist eine Übertreibung. Was die Palästina-Politik Deutschlands angeht, muss man sicher über Kurskorrekturen nachdenken. Aber daran, dass alle Bundesregierungen der vergangenen Jahrzehnte und alle demokratischen Parteien im Deutschen Bundestag zur Solidarität mit Israel standen und stehen, ändert eine falsch-akzentuierte Entwicklungszusammenarbeit mit palästinensischen Organisationen wenig.

Die Instrumentalisierung der israelischen Opfer ist ebenso pietätlos wie die Ausstellung der Bilder und Videos von den Gewalttaten, die ihnen angetan werden. Das gegenseitige Fingerzeigen geht an der Wahrheit vorüber, die Annette Kurschus in das Gästebuch Yad Vashems geschrieben hat: Wir bleiben verantwortlich. Zu diesem „Wir“ gehören selbstverständlich auch Muslime. Wer „Wir“ sagt, der muss vor allem auch auf sich selbst schauen. Wer „Wir“ sagt, ist nicht im Geschäft der Exklusion.

Die Terrorangriffe auf Israel stehen am Ende einer kirchennachrichtlich außerordentlich dichten Woche: In Rom wurde die Bischofssynode zur Synodalität eröffnet. Papst Franziskus hat ein neues Schreiben zur Klimakrise veröffentlicht. Und es gibt auch Neuigkeiten zum Umgang der Kirchen mit sexuellem Missbrauch. Nicht jedes dieser Themen passt in der erforderlichen Breite in diese Ausgabe der #LaTdH, aber ich hoffe, dass wir ihnen in den kommenden Tagen in der Eule und in den #LaTdH weiter nachgehen können.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Auch in der Nacht auf Sonntag wurden die Kämpfe in Israel fortgesetzt, das Land ist noch nicht wieder unter vollständiger Kontrolle der israelischen Streitkräfte. Auch wurde ein Raketenbeschuss aus dem Libanon im Norden des Landes gemeldet. Bislang kamen in Israel Medienberichten zufolge mindestens 350 Menschen ums Leben. Rund 1.590 Menschen wurden verletzt. Die Behörden des Gaza-Streifens gaben bekannt, dort wären mindestens 232 Menschen getötet und knapp 1.700 verletzt worden.

Zusätzlich zu den stunden- und tagesaktuellen Berichten empfiehlt sich ein Update zu den Hintergründen des Israel-Palästina-Konflikts, z.B. bei den Krautreportern, und den aktuellen politischen Rahmenbedingungen des Angriffs in Israel, der muslimischen Welt und auf der Weltbühne.

Israels größtes Debakel seit 50 Jahren – Christine Kensche (WELT)

Christine Kensche, Nahostkorrespondentin der WELT, beobachtet ein Versagen der israelischen Regierung. Die Terroristen hätten Israel in einer Situation (vermeintlicher) Schwäche wahrgenommen und diese ausgenutzt. Das Land sei gespalten und mit sich selbst beschäftigt.

Auf die Frage, warum die Hamas diesen Zeitpunkt für ihren Angriff gewählt habe, antwortet der ehemalige Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrats, Generalmajor Giora Eiland vor Journalisten: „In den letzten Monaten war Israel mit inneren Angelegenheiten beschäftigt – mit dummen inneren Angelegenheiten. Israel war auf eine falsche Art abgelenkt.“

Die Absicht der Regierung Netanjahu, mit der Justizreform „das Land zu transformieren“, habe Widerstand auch innerhalb der Streitkräfte hervorgerufen, so Eiland. […] Die reale Beeinträchtigung der Verteidigungsbereitschaft sei dabei weniger bedeutend gewesen als das Bild der Schwäche, das Israel abgegeben habe.

Die zahlreichen Gruppen, die seit Monaten gegen die Reformen der rechten Regierung von Benjamin Netanjahu (LIKUD) protestieren, haben ihre Proteste unter dem Eindruck der Angriffe eingestellt und beteiligen sich nun an Hilfseinsätzen vor Ort. Die Spaltung der Gesellschaft aber geht ohnehin nicht von ihnen aus, sondern von denjenigen politischen Kräften, gegen die sie auf die Straße gehen.

Es ist die extreme politische Rechte Israels, die in den letzten Monaten nicht nur einen Angriff gegen die Architektur der einzigen Demokratie der Region führt, sondern gegen den Pluralismus im Land. Die Parteien der Mitte wurden von Netanjahu nun zu einer „Regierung der nationalen Einheit“ aufgerufen. Es bleibt abzuwarten, ob sich Netanjahu gleichzeitig von seinen Partnern abwendet, die noch weiter rechts stehen als er, z.B. von seinem Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, und seiner Partei Otzma Yehudit („Jüdische Stärke“), die für den gewaltbereiten Flügel der Siedlerbewegung spricht.

Gaza’s shock attack has terrified Israelis. It should also unveil the context – Haggai Matar (+972 Magazine, englisch)

Im israelisch-palästinensischen Magazin +972, das u.a. von der Heinrich-Böll- und der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt wird, beschreibt dessen Chefredakteur Haggai Matar die Hintergründe des Terrorangriffs. Er weist auf die eskalierende Rhetorik hin, die eine Vernichtung des Gaza-Streifens als Reaktion auf die Angriffe fordert. Und er vergleicht das Leid, das die Terroristen über Israel bringen, mit demjenigen, das durch die israelische Politik bei den Palästinensern verursacht wird. Außerdem müsse man das von Israel und Saudi-Arabien anvisierte Abkommen als einen mittelbaren Grund für den Ausbruch des Terrors verstehen.

Contrary to what many Israelis are saying, and while the army was clearly caught completely off guard by this invasion, this is not a “unilateral” or “unprovoked” attack. The dread Israelis are feeling right now, myself included, is a sliver of what Palestinians have been feeling on a daily basis under the decades-long military regime in the West Bank, and under the siege and repeated assaults on Gaza. The responses we are hearing from many Israelis today — of people calling to “flatten Gaza,” that “these are savages, not people you can negotiate with,” “they are murdering whole families,” “there’s no room to talk with these people” — are exactly what I have heard occupied Palestinians say about Israelis countless times.

Matar verwendet in seinem Artikel auch das Wort „Apartheid“, um die Besatzungspolik seines Landes zu charakterisieren. Um die Verwendung des Apartheids-Begriffs wird innerhalb der deutschen Gesellschaft und der weltweiten Christenheit heftig gestritten. Unabhängig davon, ob man sich ihn zu eigen macht oder nicht, sind Matars Argumente in diesem Artikel bedenkenswert – auch für die Formulierung einer kirchlichen oder christlichen Position. Gerade jetzt vom Frieden zu sprechen, gibt Matar zu, sei madness, Wahnsinn, aber der einzige Weg zu einer gerechten Zukunft für alle.

Reaktionen aus den Kirchen

Das Brandenburger Tor in Berlin wurde in der Nacht mit der israelischen Flagge angestrahlt, Politiker:innen aller demokratischen Parteien solidarisieren sich öffentlich mit Israel. Aber wie steht es um Religionsvertreter:innen?

Als erste maßgebliche christliche Stimme meldete sich gestern Bischof Heiner Wilmer zu Wort. Der römisch-katholische Bischof von Hildesheim ist Vorsitzender der Deutschen Kommission Justitia et Pax (gesamte Erklärung). Die „Gewaltspirale der letzten Wochen“ habe mit dem „terroristischen Angriff der Hamas“ eine „neue traurige Qualität erreicht“, die Deutsche Kommission von Justitia et Pax veruteile das Vorgehen der Hamas aufs Schärfste.

„Es trifft Unschuldige, verbreitet Angst und Schrecken und stellt die Existenz Israels in Frage. So ist die komplexe Konfliktkonstellation zwischen Israel und Palästina nicht zu lösen. Stattdessen gewinnt die Gewalt weiteren Raum und untergräbt die Perspektiven auf Frieden. Die Menschen in Israel und Palästina leiden unter dieser Entscheidung. Daher sind unsere Solidarität, Gedanken und Gebete mit all denen, die unter diesen Akten der Gewalt leiden und denen die trotzdem an der Hoffnung eines friedlichen Zusammenlebens von Israelis und Palästinensern festhalten.“

Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) und EKD-Flüchtlingsbeauftragte Christian Stäblein äußerte sich auf X zu den Angriffen:

Die Hamas führt einen furchtbaren Krieg gegen die israelische Zivilbevölkerung. Unschuldige sterben, sind verletzt, es werden Geiseln genommen. Die Bilder sind kaum zu ertragen. Wir sind an der Seite Israels. Es muss sich gegen diesen Angriff verteidigen.

Später am Tag äußerten sich auch der Vorsitzende der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Bischof Georg Bätzing (Limburg), der zur Bischofssynode in Rom weilt, und die Ratsvorsitzende der EKD, Annette Kurschus:

Bätzing: „Die feigen Attacken der #Hamas auf #Israel sind inakzeptabel. Ich verurteile sie aufs Schärfste. Einmal mehr wurde die hässliche Schraube der Gewalt weitergedreht und eine neue gefährliche Eskalation in Gang gesetzt. Der Nahe Osten braucht endlich einen echten #Friedensprozess, der die Interessen von Israelis und Palästinensern berücksichtigt. Dabei gibt es für uns keinerlei Zweifel am Existenzrecht Israels und eines palästinensischen Staates. Die Alternative heißt Gewalt, Not und Hoffnungslosigkeit ohne Ende. In diesen Stunden sind meine Gedanken und #Gebete bei allen Opfern der Gewalt. Ich trauere um die Toten.“

Kurschus: „Ich verurteile die furchtbaren terroristischen Angriffe zutiefst. Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Menschen in Israel, deren Land wir noch vor wenigen Tagen besucht haben.“

Buchstäblich nicht mehr als „Thoughts and Prayers“ anzubieten, ist schmal. Zu schmal für eine evangelische Kirche, die sich in der Verantwortung sieht, nicht allein für das evangelische Leben im Heiligen Land, sondern für das Leben des jüdischen Staates. Auf der Reise einer Delegation des Rates der EKD nach Israel vorvergangene Woche betonte Kurschus: „Für die Kirchen, aber auch für die Zivilgesellschaft werden die Räume eng“. Die Reise der Ratsmitglieder – wir berichteten – war dem evangelischen Leben in Jerusalem und Umgebung gewidmet, Kurschus predigte anlässlich der Feierlichkeiten zum 125. Jahrestag der Weihe der evangelischen Erlöserkirche in der Jerusalemer Altstadt. Die Delegation traf außerdem Partner aus der Ökumene und besuchte die Shoah-Gedenkstätte Yad Vashem (s.o.).

Ausführlich zu Wort meldete sich noch am Samstag der römisch-katholische Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa (gesamte Erklärung):

„Wir rufen die internationale Gemeinschaft, die religiösen Führer in der Region und in der Welt dazu auf, sich mit aller Kraft für eine Deeskalation und Beruhigung der Lage einzusetzen und daran zu arbeiten, die Grundrechte der Menschen in der Region zu wahren“ (Übersetzung von mir)

Israel, Palästina – und „wir“?

In den vergangenen Stunden wurde insbesondere in den Sozialen Netzwerken auch interessiert nach Reaktionen aus den muslimischen Communities auf die Eskalation gefragt: Neben einigen antisemitischen Kundgebungen in Berlin und weiteren Städten äußerten muslimische Politiker:innen und Aktivist:innen auch Solidarität mit Israel. Die Vertreter der (etwas) größeren Islam- und Moschee-Verbände, wie z.B. des „Zentralrat der Muslime“ (ZMD, sic!), der DITIB, der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) oder des Islamrates, schweigen entweder beharrlich oder können sich zu einer eindeutigen Verurteilung der Hamas als Terrororganisation auch jetzt noch nicht durchringen.

Alle Muslime in Deutschland unter Antisemitismus-Verdacht zu stellen und reflexhaft nach ihrer Haltung zu Hamas und Palästina zu befragen, geht an der vielfältigen Realität muslimischen Lebens in Deutschland vorbei. Die allermeisten Muslime verteilen angesichts von Terroranschlägen keine Schokolade und sind in diesen Stunden ebenso besorgt wie ihre christlichen oder agnostischen Mitbürger:innen. Aber natürlich strahlt der sog. „Nahostkonflikt“ immer wieder auf das Zusammenleben der Gesellschaft in Deutschland aus, zu der auch Menschen mit palästinensischer Herkunft zählen.

Welche Rolle kann der Glaube, den die Hamas-Terroristen zur Legitimation ihrer Gewaltakte gegenüber wehrlosen Zivilist:innen heranziehen, in dieser Situation spielen? In Deutschland stehen Synagogen, israelische und jüdische Einrichtungen unter Polizeischutz, der in diesen Stunden noch einmal verstärkt wurde. Wenn „wir“ auf dem Weg des Friedens weitergehen wollen, müssen Christen und Muslime gemeinsam vorangehen, wenn es um den Kampf gegen jeden Antisemitismus – auch in den eigenen Organisationen – geht.

nachgefasst I

Evangelische Kommunität macht Missbrauch öffentlich (epd, evangelisch.de)

In der evangelischen Kommunität der Christusträger Bruderschaft ist es viele Jahre lang zu schwerem Missbrauch durch die Gründergestalt und andere Brüder gekommen. Eine Expertengruppe hat die Vorfälle untersucht und nun einen Bericht (Download) veröffentlicht.

Bruder Christian Hauter sagte, die autoritären Strukturen in den ersten Jahrzehnten der Gemeinschaft seien ihm bei seinem Eintritt zu Beginn der 90er-Jahre durchaus kritisch aufgefallen. Weil damals nicht nur Otto Friedrich, sondern auch andere ältere Brüder dieses System gestützt hätten, habe er es akzeptiert. Dass es in der Bruderschaft sexuellen Missbrauch gegeben hat, davon habe er nichts mitbekommen. „Sexualität ist jetzt auch nicht die Kernkompetenz von Männern, die in einer zölibatären Gemeinschaft leben“, sagte er. Letztlich seien alle Christusträger-Brüder in der Person Otto Friedrichs einem Hochstapler aufgesessen.

Wird Armenien im Stich gelassen? – Brigitte Baetz (Nach Redaktionsschluss, DLF)

Im DLF-Medienpodcast „Nach Redaktionsschluss“ sprechen Expert:innen über den Bergkarabach-Konflikt und die Berichterstattung über Armenien und Aserbaidschan in Deutschland. Ein aufschlussreiches und dringend notwendiges Schlaglicht auf die aktuellen Geschehnisse und unseren medial vermittelten oder eben nicht-vermittelten Umgang mit ihnen.

Die Journalistin Anna Aridzanjan, die auch in „Nach Redaktionsschluss“ zu Wort kommt, hat beim Stern ausführlich über den aktuellen Konflikt geschrieben: „Die Geschichte Bergkarabachs geht zu Ende, eine Diktatur siegt – und der Welt ist es egal“:

All das wäre vermeidbar gewesen, hätten sich einflussreiche Staaten um eine diplomatische Lösung bemüht. Kann es sein, dass niemand mitbekommen hat, was mit den in Bergkarabach lebenden Armenien passiert? Nein. Hinweise, Warnungen und Hilferufe gab es genug. […] Doch außer vorsichtigen Worten der „Besorgnis“ und zahnlosen Appellen passierte: Nichts. Auch und gerade von Seiten der Europäischen Union. Jetzt ist es zu spät, und der Welt ist es egal.

nachgefasst II: Catholica

In der römisch-katholischen Kirche ist derzeit eine Menge los. Bekanntlich trifft sich die als „Weltsynode“ beworbene Bischofssynode, die eine weitere Station von Papst Franziskus „Synodalem Prozess“ darstellt, derzeit zu ihrer ersten Präsenztagung im Vatikan. Eine zweite Session wird sich im Herbst kommenden Jahres anschließen. Erst dann wird die Bischofssynode dem Papst ihre Ratschläge übergeben, mit denen Franziskus dann verfahren kann, wie ihm behagt. An der Bischofssynode nehmen (teilweise sogar stimmberechtigt) erstmals auch Laien und Frauen teil. Die Machtverhältnisse sind dennoch klar.

Aus der geheimen Geschäftsordnung der „Weltsynode“ berichtet Felix Neumann bei katholisch.de. Das „Regolamento“ der „Weltsynode“ hält fest, wie die Beratungen abzulaufen haben und welche Geheimhaltungspflichten bestehen.

Die Methode des „geistlichen Gesprächs“ wurde vom Generalsekretariat im Vorfeld der Synode erläutert und bereits für die vorbereitenden Phasen empfohlen. Sie basiert auf aktivem Zuhören und „Sprechen vom Herzen her“. Vor den Beratungen sollen die Teilnehmer im Gebet über die vorliegenden Fragen reflektieren. Über die Früchte dieses Gebets tauschen sich die Teilnehmenden aus. Nach jeder Diskussionsrunde folgt eine stille Phase, bevor schließlich Ergebnisse der Gruppenarbeit zusammengefasst werden.

Bereits im Vorfeld hatten fünf Kardinäle beim Papst „Dubia“ bezüglich der Bischofssynode eingereichtet, die Franziskus nicht nur untypisch ausführlich, sondern auch öffentlich beantwortete. Mehr zu diesem kirchenpolitischen Schmankerl unter Beteiligung des Verschwörungskardinals Gerhard Ludwig Müller bei katholisch.de hier & hier. Auch anderswo halten sich die Erwartungen an die Synode in engen Grenzen: Der Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun, z.B. sagt ebenfalls bei katholisch.de:

Diejenigen, die beraten, sind hauptsächlich Bischöfe, abgesehen von den paar anderen Menschen, die neuerdings dazukommen dürfen. Aber die Entscheidungsträger sind im Wesentlichen die Bischöfe – am Ende sogar ein einziger Bischof, nämlich der Bischof von Rom. Ich halte das Synodalitätsverständnis von Papst Franziskus für schwierig: Wir hören mal alle an und das muss in irgendeiner Form ein echtes Hören sein – ohne, dass dafür Kriterien festgelegt wurden – eine weitere Beteiligung im Prozess gibt es aber nicht. Natürlich können nicht alle Gläubigen jetzt in Rom beraten. Aber zumindest sollten alle an der öffentlichen Debatte darüber teilnehmen können. Das gehört zu einem demokratischen Prozess und Synodalität muss in meinen Augen auch demokratisch verstanden werden.

Mit der Desinformationskampagne von Müller und anderen Gegnern von Papst Franziskus, die vor allem vom US-Sender EWTN und seinen Dependancen betrieben wird, setzt sich Brian Fraga beim National Catholic Reporter (auf Englisch) auseinander:

„I think what it really boils down to is that this reflexive opposition, this reflexively conspiratorial thinking, this reflexively apocalyptic thinking, is their identity as Catholics. They have no other way to think about things in the church or respond,“ Gibson said.

Am Tag der Eröffnung der Bischofssynode veröffentlichte der Vatikan ein neues Apostolisches Schreiben von Papst Franziskus: „Laudate Deum“ (Lobt Gott!) zur Klimakrise. Es ist eindrücklicher, hoch-politischer Text, der noch für viele Diskussionen sorgen dürfte. Hier findet er sich in einer deutschen Übersetzung bei Vatican News. Abermals Felix Neumann von katholisch.de hat sich das Schreiben angeschaut:

Papst Franziskus setzt auf die Kraft der Vernunft, um alle Menschen guten Willens zum Einsatz für eine lebenswerte Welt zu gewinnen – nicht zuletzt Bischöfe, andere Christen und sich aufs Christliche berufende Politiker, die bislang noch fragwürdige politische Allianzen und kurzfristige Besitzstandswahrung über das Gemeinwohl stellen. Das ist ein Wagnis: Verzichtspredigten sind aus der Mode gekommen. Aufrufe zur Umkehr sind unpopulär. Und dennoch sind sie nötig.

Buntes

Jüdisches Berlin: Auf der Spur der Gemeinde Adass Jisroel – Karsten Krampitz (ND)

Immer wenn Karsten Krampitz ein Kapitel deutscher Geschichte aufschreibt, wird man klüger. Diesmal hat er nicht nur die neue Ausstellung „Jüdisch in der DDR“ im Jüdischen Museum in Berlin besucht – die DDR rühmte sich seinerzeit „den Antisemitismus mit Stumpf und Stiel ausgerottet“ zu haben, wie hier ausführlich in der Eule thematisiert wurde -, sondern ergänzt die Ausstellung mit einer (zeit-)historischen Abhandlung über die jüdische Gemeinde Adass Jisroel, die in früheren Zeiten von großer Bedeutung war – und deren jüngere Vergangenheit und Gegenwart Rätsel aufwerfen.

Die Geschichte von Adass Jisroel zeigt auch, wie das Politbüro aus jüdischer Geschichte außenpolitisches Kapital zu schlagen versuchte. Dem Gremium und eigentlichen Machtzentrum im Staat gehörten immerhin der Rabbinersohn Albert Norden und der Auschwitz-Überlebende Hermann Axen an. Über die Bedeutung von Adass Jisroel schwärmte Klaus Gysi am 15. Januar 1988 in einem Brief an Honecker: »Trotz ihrer kleinen Mitgliederzahl hat sie ziemlichen Einfluss bei den Juden in den USA, ebenso in anderen Ländern und in Israel.«

Theologie

„Die Zeit der christlichen Linksintellektuellen ist vorbei“: Tagung in Dresden – Christiane Florin (DLF)

Von einer Zeit, in der sich Intellektuelle selbstbewusst als „links und christlich“ bezeichneten, handelte eine Tagung der Akademie des Bistums Dresden-Meißen und dieser Beitrag von Christiane Florin im Deutschlandfunk. Florin spricht mit Benedikt Brunner und Sarah Jäger. Jäger ist Eule-Leser:innen von unserem Projekt „WIDERSTAND! Dorothee Sölle und der Osten“ schon bekannt. Im Gespräch bei Florin sondieren Brunner und Jäger, was heute links in der Theologie bedeuten kann.

Ein guter Satz

„Wir beten auch für all jene Menschen in den palästinensischen Gebieten, die jetzt grausam darunter leiden müssen, was andere rücksichtslos entfesselt haben.“

– Landesbischof Ralf Meister von der Hannoverschen Landeskirche, Leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD), in seinem Statement zum Angriff auf Israel