Kolumne Gotteskind und Satansbraten

Überlasst die Familie nicht den Rechten!

Eine bessere Bühne als die Familienpolitik könnten sich Rechte gar nicht wünschen! Daniela Albert fordert, dass Christen den ideologischen Kampf einstellen und tun, was ihnen ins Herz geschrieben steht.

Nicht erst seit ein Mob mit Reichskriegsflagge versucht hat, den Bundestag „zu stürmen“, wissen wir, dass Rechte bestimmte Szenen gezielt unterwandern und dort Zugehörigkeit herstellen, wo Menschen sich nicht mehr wahrgenommen fühlen. Das passiert manchmal, wie in Berlin, völlig offensichtlich. Viel öfter aber tun sie es leise, langsam und kaum merklich.

Ein Beispiel ist das Thema Familie, über das Rechte in gesellschaftliche Bereiche vordringen, in denen man sie nicht sofort vermuten würde. So berichtete die Welt vor kurzem über das Nazi-Problem der bedürfnisorientierten Pädagogik. Rechte Christen bespielen das Familienthema auch in der Kirche.

Wie konnte es dazu kommen?

Ich glaube, dass wir den Rechten in den vergangenen 20 Jahren zu viel Platz bei diesem Thema gelassen haben. Wir haben uns in der gesellschaftlichen Debatte um das richtige Familienleben zerreiben lassen und es ist uns nicht mehr gelungen, alle Familien gleichermaßen abzuholen.

Die Bibel erzählt Geschichten von vielfältigsten Lebensentwürfen und Familienkonstellationen: Da gibt es alleinerziehende Mütter und große Clans. Leihmütter und solche, die Kinder von anderen Frauen aufziehen. Es gibt Mütter, die sich nie von ihren Kindern trennen und welche, die sie in den Tempel geben. Manche Frauen führen Geschäfte und töten Kriegsherren statt Kinder zu erziehen – und die berühmteste Familie der Bibel lebt Patchwork. Doch in christlichen Diskussionen über Familienfragen ist von dieser Vielfalt oft wenig zu spüren. Sie werden schwarz-weiß geführt und stoßen oft die jeweils anderen vor den Kopf.

Nehmen wir beispielsweise die Debatten um Elterngeld, Krippenbetreuung und Betreuungsgeld, die uns viele Jahre begleitet haben: Als das Betreuungsgeld 2007 eingeführt wurde, gab es zum Beispiel einige beruflich erfolgreiche Frauen aus den evangelischen Landeskirchen, die sich aktiv in die Debatte einschalteten. Leider häufig mit der gleichen abwertenden Wortwahl wie viele Vertreter*innen politischer Parteien. Herdprämie – der damalige Kampfbegriff war noch das netteste Wort, das im Umlauf war. Ich frage mich bis heute, wie keiner dieser Frauen auffallen konnte, wie sehr sie damit andere Frauen verletzt haben.

Nun ist es nicht ungewöhnlich, die Ideen des politischen Gegners ordentlich madig zu machen. In einer Welt, in der Thesen so formuliert werden müssen, dass sie medial auffallen, versucht manche*r dabei auch noch ein wenig lustig zu sein. Blöd nur, wenn die vermeintlich „lustigen“ Begriffe im Kern gar nicht den politischen Gegner treffen, sondern potenzielle Wählerinnen. Begriffe wie Schnapsgeld, Verdummungsprämie und Gluckengehalt holten das Niveau damals endgültig auf die Nulllinie.

Einfache Feindbilder

Ich kenne nicht wenige Christinnen, die das verletzt hat. Verständnis für ihren Lebensentwurf fanden sie nur in konservativen und rechten Kreisen. Diese aber haben die Frage nach frühkindlicher Betreuung und weiblichen Lebensentwürfen maßlos in die andere Richtung überspannt. Von natürlicher Bestimmung war hier die Rede und „garantierter Bindungsstörung“ von Krippenkindern.

Eine bessere Bühne hätte man den rechten Christen kaum bieten können, denn sie lieben es, über ihr Kernthema, den Wert der Mutterschaft, zu sprechen. Und da sie diejenigen umarmen, die von den Liberalen zuvor vor den Kopf gestoßen wurden, geht unter, dass sie meistens mit zweifelhaften, selbsternannten Expert*innen und wenig wissenschaftlichem Fundament daherkommen. Stattdessen präsentieren sie uns als Schuldigen für den angeblichen Untergang der traditionellen, christlichen Familie die LGBTIQ-Bewegung.

Ich finde die Debattenbeiträge der letzten Jahre sowohl im konservativen als auch im liberalen Bereich größtenteils wenig hilfreich. Die einen reiten unter dem Banner der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Sonnenuntergang und übersehen diejenigen, für die dieser Entwurf nicht passt. Die anderen setzen auf Angst und Untergangsszenarien.

Du bist gesehen, Du bist wertvoll!

Dabei enthält gerade die Bibel eine Einladung an uns Christen, den Kampfplatz um das richtige Familienleben einfach zu verlassen und das zu tun, was uns ins Herz geschrieben steht. Es gibt Platz bei uns für Mütter, die sich dafür entscheiden, eine ganze Weile nicht berufstätig zu sein und stattdessen mit viel Zeit Kinder ins Leben zu begleiten. Für diese Entscheidung sprechen eine Menge guter Gründe, und sie ist wertvoll. Gerade als Christen sollten wir uns davor hüten, sie aus wirtschaftlichen, konsum- oder leistungsorientierten Gründen oder aus mangelndem Vertrauen in die Beständigkeit von Beziehungen in Frage zu stellen.

Genauso wenig müssen wir uns an Müttern abarbeiten, die berufstätig bleiben. Vielmehr sollten wir unseren Teil dazu beitragen, dass auch dieser Lebensentwurf funktioniert, ohne dass Familien auf der Strecke bleiben. Die derzeitige Betreuungslandschaft hat manchenorts noch Luft nach oben, familienfreundliche Arbeitsstrukturen sind noch immer zu selten. Dazu kommen lebensfremde Regelungen, wenn es um die Betreuung kranker Kinder geht und eine angestaubte Präsenz- und Überstundenkultur. An all diesen Stellen könnte sich jede*r engagieren, der Kinder wirklich am Herzen liegen. Das wäre hilfreicher, als unqualifiziert über Bindungsstörungen zu sinnieren.

Letztlich sollte Kirche ein Ort sein, an dem man auf verschiedenen Wegen am Reich Gottes mitarbeitet. Das kann geschehen, indem man viele Jahre eine Familie managt, aber auch, indem man einem Beruf nachgeht. „Du bist gesehen, Du bist wertvoll!“, sollte doch die Botschaft sein, die wir jede*r zusprechen, die zu uns kommt. Gerade hier dürfen wir das Feld nicht rechten Kräften überlassen!

Kolumne: Gotteskind und Satansbraten

Daniela Albert ist Erziehungswissenschafterin, Eltern- und Familienberaterin, Autorin und Referentin. Ihre Leidenschaft ist überall da, wo Familien Gott begegnen können: Zum Beispiel im Eltern-Kind-Team ihrer Gemeinde. In ihrer monatlichen Kolumne „Gotteskind und Satansbraten“ schreibt sie für Die Eule über Familie, Kinder und ihren Ort in der Kirche.

Das macht sie außerdem noch auf ihrem Blog. Daniela Albert ist bindungsorientiert mit Gott unterwegs auf Twitter, Instagram und in ihrem Podcast. Wenn sie nicht gerade ihre Kanäle füllt, füllt sie ziemlich gern die Mägen von drei Kindern, drei Katern und einem Mann, der all die Gotteskinder und Satansbraten mit ihr managed.