Newsletter #LaTdH

Versagt, vertan – Die #LaTdH vom 13. Februar

Ratzinger und der Synodale Weg: Wer hat gelogen – und wer muss sich in der katholischen Kirche ehrlich machen? Außerdem: Ein Bot, eine Zeitschrift und bischöfliche Haushaltstipps:

Herzlich Willkommen!

„So richtig durch mit dem Papa emeritus sind die Katholik:innen und ihre Presselandschaft noch nicht“, hatte Philipp Greifenstein (@rockToamna) in den #LaTdH vor einer Woche festgestellt. Zurecht – wird man nach der Veröffentlichung der neuerlichen Stellungnahme von Benedikt XVI. / Joseph Ratzinger am Dienstag sagen dürfen.

Auch die jüngste Vollversammlung des „Synodalen Wegs“ hat in den Medien noch nachträglich für kontroverse Kommentierungen gesorgt, die ich zur Lektüre empfehle. Und in der Rubrik „Theologie“ habe ich diesmal einen interreligiösen „Kessel Buntes“ für Sie zusammengerührt …

Wohl bekomm’s und einen guten Start in die neue Woche,
wünscht Ihnen Ihr Thomas Wystrach


Debatte

Hat der emeritierte Papst gelogen? Seine falsche Angabe in seiner umfangreichen Stellungnahme für das Münchner Missbrauchsgutachten sei bedauerlich – aber keine Lüge, betont er jetzt mit der Hilfe juristischer Berater in einem persönlichen Brief, der mitsamt eines „Faktenchecks“ u.a. bei Vatican News (@vaticannews_de) dokumentiert ist.

„Das Schmierentheater geht weiter“, so die Betroffenenorganisation „Eckiger Tisch“ (@EckigerTisch) in einer Analyse des Statements von Benedikt vom 8. Februar 2022. Während der Twitter-Account der DBK mit seiner Reaktion inhaltlich knapp an der Belanglosigkeit vorbeischrammt, ist es aber zumindest gelungen, alle Titel der relevanten Personen in 280 Zeichen unterzubringen:

Schuld ohne Verantwortung: Benedikt XVI. will ohne Fehl und Tadel bleiben – Felix Neumann (katholisch.de)

Für seine kurze Amtszeit als Erzbischof von München und Freising steht der emeritierte Papst Benedikt XVI. im Kreuzfeuer der Kritik. Zu Recht? Eine persönliche Stellungnahme sollte Klärung bringen. Doch statt einer Gewissenserforschung gibt es eine Katechese, so die Analyse von Felix Neumann (@fxneumann) bei @katholisch_de:

Schon im Münchner Gutachten hieß es, dass eine „Bereitschaft Benedikts XVI., das eigene Handeln und die eigene Rolle selbstkritisch zu reflektieren und (zumindest Mit-)Verantwortung für Unzulänglichkeiten in den Reaktionen sowohl gegenüber den Beschuldigten als auch den Geschädigten zu übernehmen“, für die Gutachter nicht erkennbar gewesen sei. Der Eindruck bleibt auch nach dem Versuch einer klärenden Stellungnahme. Und das hat das Potential, das Urteil über diesen Bischof, Papst und Theologen schwerer zu beschädigen als jedes Eingeständnis von Versäumnissen.

Die veränderliche Erinnerung des früheren Papstes Benedikt – Daniel Deckers (FAZ)

Vier „Freunde“ Benedikts versuchen, die Verantwortung für die Unwahrheit in dessen Stellungnahme zum Missbrauch in München auf sich zu nehmen. Und verstricken sich dabei in weitere Widersprüche, analysiert Daniel Deckers in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Als Dr. Korta ein „unbemerkter Arbeitsfehler“ unterlief, sei das weder dem in Rom lehrenden Kirchenrechtler Stefan Mückl vom Opus Dei, dem emeritierten Münchner Kanonisten Helmuth Pree oder dem bei der auf Äußerungsrecht spezialisierten Kölner Anwaltskanzlei Höcker tätigen Partner Carsten Brennecke aufgefallen – auch nicht Ratzinger selbst, dessen „Erinnerung an Jahrzehnte zurückliegende Sachverhalte auch heute sehr gut“ sei, wie er im Dezember 2021 an die Kanzlei „Westpfahl/Spilker/Wastl“ (WSW) schrieb. Für Deckers ist das …

… nicht die einzige Ungereimtheit bei dem Versuch, den vormaligen Papst nicht als Lügner erscheinen zu lassen. Denn Korta kennt den Fall Peter H. seit vielen Jahren in- und auswendig. Als Ordinariatsrat hatte er von 2010 bis 2012 im Auftrag von Reinhard Kardinal Marx als kirchlicher Voruntersuchungsführer im Fall H. agiert. Und nun soll der Kirchenjurist jene falsche Tatsachenbehauptung in die Stellungnahme eingeführt haben, von der die Verteidigungsstrategie Ratzingers im Fall H. ihren Ausgang nahm?

Brennecke hatte im letzten Jahr dafür gesorgt, dass im Erzbistum Köln statt eines bereits abgelieferten Gutachtens der Kanzlei WSW eine Folgeuntersuchung der Kölner Strafrechtskanzlei Gercke Wollschläger veröffentlicht wurde, kirchenrechtlich beraten von Korta und Pree.

Im Gercke-Gutachten wird der Fall eines Geistlichen geschildert, der 2003 als angeblicher „Angehöriger eines Ordens“ in den Verdacht sexueller Übergriffe geraten und nach der Einstellung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen in ein anderes Bistum versetzt worden sei. In Wirklichkeit handelte es sich nicht um einen Ordensmann, sondern um einen Priester des in Köln höchst einflussreichen Opus Dei, die als einzige Personalprälatur der römisch-katholischen Kirche eine kirchenrechtliche Besonderheit darstellt. Auch dieser Unterschied soll den Fachleuten Korta und Pree entgangen sein?

Irritierend wirkt nachträglich auch die Replik von Helmuth Pree („Rechtskultur statt Empörungskultur“) auf die in einem ZEIT-Interview erhobenen Vorwürfe der Kirchenrechtler Norbert Lüdecke und Bernhard Anuth (@AnuthBernhard). Dass Pree am 12. Januar 2022 als vermeintlich neutraler Beobachter in einem Gastbeitrag einforderte, „für Papst Benedikt XVI. muss die Unschuldsvermutung gelten“, aber weder gegenüber den Leser:innen noch offenbar den Verantwortlichen beim ZEIT-Supplement „Christ & Welt“ (@christundwelt) selbst seine Paralleltätigkeit bei der Verteidigung des Emeritus offenlegt, hat ein Geschmäckle.

Auf die brisante Rolle des „Sündenbocks“ Dr. Korta, der die Verantwortung für den „Fehler“ Ratzingers in seiner Antwort auf die Fragen der Kanzlei WSW übernommen hat, weisen auch Marcus Bensmann (@MarcusBensmann), Gabriela Keller (@gabrielakeller) und Justus von Daniels (@justus_vdaniels) in ihrem Beitrag „Der Expapst und der sonderbare Fehler eines Kirchenjuristen“ für die Recherche-Plattform CORRECTIV (@correctiv_org) hin.

Kirchenkrise: Die List des Heiligen Geistes – Franz Josef Weißenböck (Der Standard)

Für den Theologen und Buchautor Franz Josef Weißenböck hat die endlose Missbrauchskrise der römisch-katholischen Kirche mit der Diskussion um die Rolle von Joseph Ratzinger die Spitze erreicht. Dass dieser sich den Titel eines „Papa emeritus“ samt weißem Talar zurechtgeschneidert habe, werde häufig kritisiert. In seinem Gastkommentar in der österreichischen Tageszeitung Der Standard (@derStandardat) erkennt Weißenböck darin aber eine mögliche „List des Heiligen Geistes“, eine paradoxe Intervention, die die Wirkung umso massiver werden lasse:

Damit ist die gesamte Konstruktion der alten Kirche, einschließlich ihrer Pseudofundamente und ihres ideologischen Überbaus, vor aller Augen krachend gescheitert.

Die weithin spürbare Kälte gegen die Opfer, die Reduktion der Untaten auf persönliches Fehlverhalten Einzelner („Sünde“) und das konsequente Leugnen systemischer Ursachen des Übels (Klerikalismus) lassen eine Wiederherstellung des Vertrauens in die Institution Kirche nicht erwarten. Im Vatikan wird man wohl weitermachen wie bisher. Auch Franziskus wird daran nichts oder nur sehr wenig ändern (können).

Die Mär von der guten Theologie – Clemens Six (Der Standard)

Am gleichen Ort weist der Historiker und Theologe Clemens Six darauf hin, die aktuelle Krise der römisch-katholischen Kirche sei nicht zuletzt auch eine Krise der Theologie des Vatikans und damit ein wesentliches Erbe der Ära Ratzinger. Die Trennung zwischen dem brillanten „Mozart der Theologie“ und dem wahlweise finsteren oder unfähigen Kirchenpolitiker Ratzinger sei künstlich und verstelle den Blick auf die theologischen Untiefen der aktuell höchst brisanten Lage der Kirche:

Gute Theologie unterzieht die Quellen und Traditionen des Christentums einer kritischen Überprüfung im Lichte der gegenwärtigen, globalen Fragen. Die Ära Ratzinger bzw. Benedikt XVI. hat zu einer derartigen Theologie erschreckend wenig beigetragen. Schlimmer noch, sie hat durch eine Theologie der Ausgrenzung und eine Kirchenpolitik der Abwehr den institutionellen und weltanschaulichen Rahmen konserviert, der heute die umfassende Aufarbeitung der sexuellen Verbrechen behindert.

Benedikts Reformen haben einiges verändert, aber das Entscheidende nicht angetastet – Alois Riklin (NZZ)

Auf Ratzingers größte Fehlleistung im Umgang mit Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche macht der Politikwissenschaftler Alois Riklin, emeritierter Rektor der Universität St. Gallen, im Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung (@NZZfeuilleton) aufmerksam. Im Auftrag von Papst Johannes Paul II. hatte Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation im Mai 2001 eine Instruktion an alle Bischöfe weltweit geschickt, wie bei „Straftaten gegen das sechste Gebot“ von Klerikern mit unter 18-jährigen Jugendlichen zu verfahren sei:

Die Instruktion enthält kein Wort zu den Opfern und auch keines zur strafrechtlichen Zuständigkeit staatlicher Instanzen. Zwar wird den Bischöfen nicht verboten, auch an die Opfer und die Wiedergutmachung zu denken oder das Offizialdelikt an „weltliche“ Behörden zu melden. Aber sie werden auch nicht dazu angehalten. Die Instruktion von 2001 aktualisierte frühere Weisungen von 1922 und 1962. Das Problem war also längst vor dem „Zeitgeist“ des späten 20. Jahrhunderts erkannt. Die höchste Geheimhaltung galt schon damals.

Die Geheimhaltungspflicht muss man im Zusammenhang mit dem Bischofseid bedenken. Alle Bischöfe haben vor dem Amtsantritt einen Eid zu leisten, in dem sie sich verpflichten, dem „Papst und Stellvertreter Christi stets treu und gehorsam zu sein“ sowie „alle Aufträge gehorsam anzunehmen und mit grösstem Eifer zu Ende zu führen“. Das eigene Gewissen der Eidleistenden ist ausgeblendet.

Für die römisch-katholische Kirche sind Sexualstraftaten vor allem Sünden gegen Gott oder klerikale Standespflichten, nicht gegen Menschen und ihre sexuelle Selbstbestimmung. Solange das so bleibt, kann sie das Problem nicht lösen, kommentiert Thomas Ribi (@thomasribi) in seinem Kommentar ebenda.

nachgefasst

Glaubwürdig? Wenn Schuld, Scham und Ortsbestimmung übergroß werden – Hans-Joachim Sander (feinschwarz.net)

Das Entschuldigungsschreiben des emeritierten Papstes Benedikt XVI. und die Ablehnung der Rede vom „besonderen Lehramt der Betroffenen“ beim Synodalen Weg haben beide etwas mit einem speziellen Verständnis von Kirche zu tun. Der Salzburger Theologe Hans-Joachim Sander sieht hier einen Vorgang der „Selbstverzwergung“ und ein Trauerspiel. In seinem Beitrag im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net) schreibt er:

Goethe hat die Gretchenfrage erfunden, also wie man es mit Religion hält. Die ist vergleichsweise einfach, vor allem in der Kirche. Die Gläubigen und das kirchliche Lehramt stehen aber vor einer tieferen und größeren Frage: Wie halten sie es mit der Wahrheit?

Mit dem besonderen Lehramt der Betroffenen wäre der synodale Weg zur Vorhut der Weltkirche geworden, sich um eine Antwort zu mühen. Er sollte sich anstrengen und beeilen, da wieder hinzukommen. Dafür, wie man zum Bremsblock wird, haben wir wahrlich genug an Beispiel.

Brauchen beim Missbrauch eine Haltungsänderung in der Kirche – Interview mit Esther Göbel (katholisch.de)

Ich engagiere mich hier nicht in erster Linie dafür, dass Frauen Priesterinnen werden (das sollen sie) oder das Priester heiraten können (das sollen sie dürfen). Ich beteilige mich am Synodalen Weg, um ganz konkret etwas gegen die systemischen Missbrauchsstrukturen zu tun.

Mit diesen Worten hatte die Berliner Pastoralreferentin Esther Göbel bei der dritten Synodalversammlung in Frankfurt am Main die „Arbeitsgemeinschaft Verantwortungsgemeinschaft“ vorgestellt. Im Interview mit Christoph Brüwer (@chrisbruew) erklärt sie, warum Verantwortungsübernahme ein Prozess und kein punktueller Akt ist:

Die Täter haben die Schuld am Missbrauch. Wir alle tragen aber Verantwortung, auch wenn wir keine Schuld haben. Verantwortung ist ja nicht nur rückwärtsgewandt für das, was passiert ist, sondern auch auf die Zukunft gerichtet: So etwas darf nicht wieder passieren. Natürlich können wir Missbrauch nie zu einhundert Prozent verhindern, das wissen wir auch aus der Prävention. Aber nur, wenn wir alle gemeinsam daran arbeiten, Verantwortung für diese systemischen Ursachen zu übernehmen, dann werden wir uns aus diesen Verstrickungen befreien können.

Das fatale Signal – Johannes Norpoth (Christ in der Gegenwart)

Der Synodale Weg (@DerSynodaleWeg) berät über Aufarbeitung und flachere Hierarchien – und gerade jetzt wird bekannt, dass die Deutsche Bischofskonferenz (DBK, @dbk_online) bereits im Dezember 2021 eine Organisation als „privaten Verein kanonischen Rechts“ anerkannt hat, die für das genaue Gegenteil steht: die Katholische Pfadfinderschaft Europas (KPE).

Johannes Norpoth, Sprecher des Betroffenenbeirates der DBK und ständiger Gast der Synodalversammlung, kritisiert die vielen Teilnehmer:innen unverständliche Entscheidung in der Christ in der Gegenwart (@ChristGegenwart) als fatales Signal:

Organisationen, die trotz leidvoller Geschichte mit zahlreichen Missbrauchstaten einen Bogen um die Aufarbeitung machen, ist sehr deutlich und unmissverständlich der Zugang zu kirchlicher Anerkennung zu verwehren.

„Durchregieren-von-oben kommt in einer synodalen Kirche nicht gut an“, kritisiert auch Christoph Strack (@Strack_C) in seinem katholisch.de-„Standpunkt“ die Anerkennung der KPE, „die innerkirchlich fast seit ihrer Gründung 1976 umstritten ist und manchem sektenhaft am rechten Rand wirkt, die aber von konservativen Bischöfen stark gefördert wurde“.

Trampolin der Mutigen – Georg Löwisch (Christ & Welt)

„Der Synodale Weg“ habe bisher als eine Art Kinderspielplatz der römisch-katholischen Kirche in Deutschland gegolten, auf dem die wirklich Mächtigen die „Brüder und Schwestern“ etwas mit ihren „Reförmchen“ spielen ließen, so Georg Löwisch (@georgloewisch).

Trotz aller weiterhin berechtigten Skepsis, das am Ende der Veranstaltung „die großen Jungs aus dem Vatikan die Sandburgen kaputt“ hauen oder einfach ignorieren, ruft Löwisch dazu auf, die auf dem Synodalen Weg Aktiven nicht zu belächeln, sondern die gesellschaftliche Bindekraft ihres Engagements zu würdigen:

Die Kirche der Mutigen – wo es sie noch gibt, bekommt sie nun vielleicht noch einmal eine Chance. Bisher stoßen diese Menschen auf Verbote, ihre Gegner berufen sich aufs Kirchenrecht und die Lehre. Wer was will, hat immer noch keine rechtssicheren Regeln. Aber er – oder sie – bekommt nun die Position der Kirche in Deutschland. Synodale Texte sind keine Gesetze, sie sind nicht die Lehre. Aber sie sind doch etwas, auf das man sich berufen kann.

Für Mutige können die synodalen Beschlüsse wie ein Trampolin wirken, auf dem sie Schwung holen. Für den Überschlag werden sie üben müssen. Man muss ihn sich trauen. Aber tödlich für diese Gemeinschaft ist nicht der Salto. Sie stirbt, wenn sie steht.

Nicht Worte schaffen Wirklichkeiten, sondern Taten – Werner Kleine (katholisch.de)

Der Synodale Weg hat bislang nichts beschlossen, was nicht schon seit der Würzburger Synode im Jahr 1975 gewollt wird, beobachtet Werner Kleine (@WernerKleine). Unter dem Eindruck des Münchener Gutachtens und der „offenkundig imponierenden Initiative #OutInChurch“ hätten einige Bischöfe wortreich bekundet, es müsse sich etwas ändern. Doch nun würden die mit der Zustimmung einer Zweidrittel-Mehrheit versehenen Bittgesuche erst einmal nach Rom weitergeleitet:

Der Soziologe Javier Auyero sieht in einem solchen Verhalten eine Strategie, eine „Tempographie der Herrschaft“, die über eine „Politik des Wartens“ die zu regierende Herde in Schach halte. Solange die Bittstellung noch nicht abschlägig beantwortet ist, arbeitet die Zeit. So gesehen ist auch das nichts anderes als eine Demütigungsstrategie, die die bestehenden Machtverhältnisse betoniert. Haben also die Zyniker letzten Endes doch Recht?

Zwischen Euphorie und Teetassen: den Texten müssen Taten folgen – Franziska Kleiner (y-nachten.de)

Was beschlossen ist, ist noch lange nicht getane Sache, so auch das Fazit von Franziska Kleiner zur dritten Synodalversammlung im Theologie-Blog y-nachten.de (@ynachten). Aufatmen und Erleichterung habe bei vielen Teilnehmer:innen geherrscht, als mit dem Orientierungstext des Präsidiums und dem Grundtext des Synodalforums I die ersten Dokumente in zweiter Lesung final angenommen wurden (vgl. die #LaTdH vom 6. Februar). Gleichzeitig sei der vorsichtige Optimismus gedämpft, solange die Umsetzung durch die Bischöfe noch aussteht oder gar eine Bremse aus Rom drohe:

Immer wieder drehte es sich in den Redebeiträgen darum, wie viel Veränderung wirklich möglich sei und was vom Vatikan nicht erlaubt oder geduldet werden könnte. Teilweise wurde von einem Paradigmenwechsel gesprochen, der die Anschlussfähigkeit der „neuen Überlegungen“ an die bisherigen lehramtlichen Aussagen unmöglich machte. Solche Stimmen sind blind für die Kontextgebundenheit theologischer Aussagen und verschließen Herz und Verstand vor Argumenten theologischer und humanwissenschaftlicher Forschung.

Am gleichen Ort ist auch ein Beitrag von Melanie Giering erschienen, die sich mit zwei anderen jungen Synodalen bewusst zum Essen an „einen Tisch mit möglichst vielen Bischöfen“ gesetzt hat und nun begeistert von den ihr gewährten „bischöflichen Haushaltstipps“ berichtet:

Vor allem eines nehme ich mit: Priester, Bischöfe, geweihte Häupter – das sind alles Menschen. Genau wie Du und ich wissen sie manchmal nicht, was sie kochen sollen, müssen sich neue Sportschuhe zulegen oder sorgen sich um kranke Familienangehörige. Auch sie wären sicher nicht ungern Familienväter geworden und hätten eine Ehe geführt. Und trotzdem haben sie sich für lebenslange Enthaltsamkeit und den Dienst im Namen Jesu entschieden.

Buntes

Chatbot „Valentin“ berät bei Fragen zur kirchlichen Hochzeit von Krefeld bis zur Eifel (Bistum Aachen)

Neue Wege bei der Beratung von Brautpaaren beschreitet das Bistum Aachen: Künftig können Hochzeitsanwärter ihre Fragen einem virtuellen Assistenten stellen. Muss ich gefirmt sein, um kirchlich heiraten zu können? Was tun, wenn meine Partnerin nicht katholisch ist? Und wie läuft eine Eheschließung ab? Der Chatbot „Valentin“ beantworte viele dieser Fragen ganz automatisch, so die Diözese, die rechtzeitig zum Valentinstag (14. Februar) ihre neue Online-Plattform rund um das Thema „kirchlich Heiraten von Krefeld bis zur Eifel“ vorstellte.

Theologie

Neue Zeitschrift widmet sich der Queer- und Transgender-Forschung in der Religionswissenschaft – Holly Ober (UC Riverside News)

Im kommenden Jahr startet die erste akademische Zeitschrift für Queer- und Transgender-Forschung in der Religionswissenschaft: „QTR“ (A Journal of Queer and Transgender Studies in Religion) wird von zwei US-amerikanischen Religionswissenschaftler:innen, Melissa M. Wilcox (@melissamwilcox), University of California, Riverside (@UCR_religion), und Joseph Marchal (@JosephAMarchal1), Ball State University, Indiana (@BallState), herausgegeben und soll im „Open Access“-Format erscheinen.

Die ersten Beiträge werden auf der Konferenz „Queer and Transgender Studies in Religion in the 2020s: The State of the Field“ im Mai 2022 vorgestellt. Einer der Beweggründe für die neue Zeitschrift sei der Kampf gegen die verbreitete Fehlannahme, Religionen würden queere und transsexuelle Menschen hassen, so Marchal:

Es stimmt, dass einige religiöse Argumente benutzt haben, um queere und transsexuelle Menschen ins Visier zu nehmen, und dass viele von religiösen Erzählungen traumatisiert sind. Aber es ist auch wahr, dass viele queere und transsexuelle Menschen religiös sind und in den Religionen Gemeinschaft und Bestätigung finden.

Und Wilcox ergänzt:

Wenn wir sagen, dass eine bestimmte Religion queere Menschen hasst, dann löschen wir die queeren Menschen in dieser Religion aus. Wir reduzieren sie auf eine bestimmte Auffassung oder einen bestimmten Zweig und auf eine bestimmte Gruppe von Eliten, die sich das Recht herausgenommen haben, zu sagen, was sie wollen, indem sie alle anderen zum Schweigen bringen.

Islamische Theologie – eine Erfolgsgeschichte? (ZDF)

2012 wurde an der Universität Tübingen (@uni_tue) der Studiengang Islamische Theologie eingeführt – zum ersten Mal in Deutschland. Mit dem Studium waren viele Erwartungen verknüpft, wissenschaftlich und integrationspolitisch. Aber auch widersprüchliche Befürchtungen wurden geäußert, einerseits vor muslimischem Fundamentalismus, andererseits vor einer „Verwässerung des Islam“. Was davon ist wahr geworden? Abdul-Ahmad Rashid (@derwisch64) hat zehn Jahre nach dem Start für die ZDF-Sendung „Forum am Freitag“ nachgefragt.

Theologische Inhalte werden breiter zugänglich (Erzbistum Paderborn)

Seit Beginn des Jahres 2022 wird Theologie und Glaube (@ThGlZeitschrift), die Fachzeitschrift der (römisch-katholischen) Theologischen Fakultät Paderborn, neben der Print-Ausgabe auch online im Open-Access-Format veröffentlicht. Alle Hefte sind damit kostenfrei als PDF auf der Webseite des Aschendorff-Verlags verfügbar.

Die Ausgabe 1/2022 enthält neben verschiedenen Beiträgen einen Kommentar anlässlich des 90. Geburtstages des Religionsphilosophen Charles Taylor und einen lesenswerten Kurzbeitrag zur Führung von Personalakten von Klerikern und Kirchenbeamt:innen, der die Schnittstellen von Kirchenrecht, Datenschutz und Missbrauchsaufarbeitung beleuchtet.

Predigt

Auf der Suche nach dem Mittelpunkt des eigenen Lebens zwischen Seligpreisung und Weheruf – Kristell Köhler (in Principio)

„Selig“ lässt sich auch mit „glücklich“ übersetzen – für Kristell Köhler (@KristellKoehler) passt diese Alternative gerade für das heutige Tagesevangelium gut. In ihrer Auslegung der „Feldrede“ (Lk 6, 17.20-26) erinnert sie auf der Website des Bibel-Projekts In Principio (@principio_in) daran, dass Jesus mit den „Seligpreisungen“ gezielt zu denen spreche, die sich dazu entschieden haben, ihm nachzufolgen:

Sie streben nicht mehr nach ihrem eigenen Nutzen, sie wollen sich für andere in den Dienst nehmen lassen. Und sie vertrauen darauf, dass Gott sie in dieser neuen Lebensweise schützt und stützt. Sie (…) erleben reale Bedrängnis und Notlagen, aber sie werden auch im Hier und Jetzt erleben, wie Menschen umkehren, sich ebenfalls Gott zuwenden, wie Menschen geheilt werden.

Damit ist die Frucht ihrer Armut, das Sichtbarwerden des Reich Gottes zum Teil auch schon gegenwärtig sichtbar, wenngleich die volle Erfüllung noch aussteht und Verheißung bleibt.

Unter der Rubrik „Biblisch in den Sonntag“ diskutiert Köhler alle Bibeltexte des jeweiligen Sonntags auch per Zoom mit ihrem Kollegen Till Magnus Steiner (@TillMSteiner) .

Ein guter Satz