Wärme schenken statt Tür zuschlagen
Abschalten und zusperren? Ist das wirklich das einzige, das der Kirche in diesem Winter einfällt, der für Familien so schwer wird? Daniela Albert meint: Wir können mehr!
Während meines Urlaubs beschäftigte mich ein Artikel in der Eule mit den Plänen verschiedener evangelischer Landeskirchen, den steigenden Energiekosten zu begegnen. Die dort angedachten Maßnahmen fand ich einleuchtend und nachvollziehbar – und gleichzeitig in höchstem Maße ärgerlich.
Allen voran ging es dabei darum, was die Kirche zukünftig, im Angesicht der Krise, nicht mehr sein möchte: Kostengünstige Anmietfläche für Gemeinde, Ort für Gruppentreffen, die genauso gut virtuell erledigt werden können oder Ersatz für ein Treffen im heimischen Wohnzimmer. Man merkte dem Artikel an, dass sich Menschen viele Gedanken darüber gemacht haben, wie man in schweren Zeiten einen Beitrag leisten kann. Allerdings nur auf einer Ebene: Bei den Einsparungen.
Ich denke allerdings, dass eine Kirche, die in irgendeiner Form relevant bleiben möchte, in dieser Situation nicht nur die Aufgabe hat, ihren Teil zum Energiesparen beizutragen. Sie muss genau jetzt auch ein offener und warmer Ort für all diejenigen sein, die einen solchen in der dunkeln und kalten Jahreszeit dringend brauchen werden.
Der EKBO-Klimamanager Janes von Moers fordert im oben erwähnten Artikel, dass sich Kirchen auf ihr Kerngeschäft beschränken sollten. Deshalb sollten sie versuchen, möglichst viele Gebäude ganz aus der Beheizung rauszunehmen.
Was ist das „Kerngeschäft der Kirche“?
Doch was passiert, wenn die Kirche sich auf ihr „Kerngeschäft“ zurückzieht? Was genau bleibt denn übrig, wenn Gruppentreffen künftig am Bildschirm oder in Wohnzimmern stattfinden? Oder besser gefragt: Wer bleibt auf der Strecke? Was ist mit denen, in deren Wohnzimmer keiner kommen möchte und die die meisten Menschen auch nicht gern auf ihrem eigenen Sofa sitzen haben? Sind die nicht das „Kerngeschäft der Kirche“?
Was ist mit der Familie mit den vielen lauten Kindern, die nie zu Spielenachmittagen oder Kindergeburtstagen eingeladen werden und denen im langen Winter daheim die Decke auf den Kopf fällt? Wird der ältere, frisch verwitwete Herr zu der ihm unbekannten Frau Schmidt ins Wohnzimmer kommen, wenn das Trauercafé dort und nicht im Gemeindehaus stattfindet? Soll die Kirche ihnen und allen anderen, die von offenen Kirchen und deren Angeboten profitieren, wirklich die Tür vor der Nase zuschlagen?
Ich möchte, dass wir zumindest mit bedenken, dass Kirchen und ihre Gemeindehäuser gerade jetzt auch einen Unterschied machen können. Zum Beispiel für Familien. Denn für sie wird der kommende Winter in mehrerlei Hinsicht eine echte Herausforderung:
Letzte Woche flatterte unser neuer Gasabschlag ins Haus und wir sind – wie wahrscheinlich so viele andere Familien auch – einmal rückwärts vom Sofa geflogen. Es ist das eine, diffus zu wissen, dass die Energiekosten sich verfünffachen. Und das andere, es schwarz auf weiß zu sehen und zu wissen, dass diese dreistellige Zahl künftig auf dem Konto fehlen wird. „Tief durchatmen“, sagte ein älterer Freund kürzlich als wir darüber sprachen. „Das geht auch wieder vorbei.“ Wahrscheinlich hat er gar nicht mal so unrecht damit: Diese Krise ist wie alle vor ihr und nach ihr, eine Momentaufnahme.
„Lass mal lieber sein!“
Allerdings reihen sich in meinem Leben gerade viele kleine Schnappschüsse von Momenten dieser Art aneinander. Es ist ja nicht nur der Gasabschlag. Ich atme ständig tief durch: An der Supermarktkasse und der Tankstelle, über dem Brief, der die energiebedingte Erhöhung der Betreuungskosten ankündigt, oder der Tierarztrechnung. Alles kostet mehr, denn diese Krise beschränkt sich nicht auf Gaspreise. Alles hängt miteinander zusammen. Naive Russlandpolitik und Ignoranz in Klimafragen fallen uns gerade zugleich auf die Füße. Wir sind vom bloßen Reden darüber, dass sich mal was ändern müsste, in eine Veränderung katapultiert worden, die wir nur noch in geringem Maße selbst gestalten können.
Auch die Kirchen sind dadurch zum Umdenken gezwungen. Die Frage, wie warm eine Kirche im Winter sein muss, hat genauso ihre Berechtigung, wie eine Diskussion über die Nutzung von Gemeindehäusern. Doch bei der Debatte um Heizkosteneinsparungen scheint mir vor allem ein sichtbares Zeichen nach Außen gesetzt zu werden, nach dem Motto: „Hey, wir tun etwas!“ Was es viel mehr bräuchte, wäre aber ein sichtbares Zeichen nach innen. In die Gemeinde hinein, ins Dorf, in den Stadtteil und das müsste lauten: „Hey, wir tun was für euch!“
Wie uns wird es diesen Winter vielen Familien gehen – die Lebenshaltungskosten sind in einem Maß gestiegen, das Notfallhilfen und Kindergelderhöhungen nicht abfangen können. In der kalten und nassen Jahreszeit werden besonders diejenigen mit kleinen Kindern sich jede zusätzliche Ausgabe mehrfach überlegen – und damit auch den eigenen Radius einschränken.
Einen verregneten Novembertag im Indoorspielplatz rumbringen? Nicht bei den Preisen! Einen kalten Februarvormittag im Erlebnisbad? Ja, vielleicht einmal, aber es gibt keine Pommes, wir essen Zuhause. Kino, Trampolinhalle, ein Familienfrühstück im Kindercafé? Lass mal lieber sein! Wenn man nicht gerade viel Platz, ein gutes Netzwerk und gnädige Wetterverhältnisse hat, dann werden Mütter und Väter wohl häufiger als sonst darüber stöhnen, dass ihnen die Decke auf den Kopf fällt. Besonders diejenigen, die noch neu in dem ganzen Elternding sind. Die Zugezogenen, die noch niemanden kennen. Und die mit den vielen Kindern.
Ein warmer Ort in der Krise
Genau hier könnten offene Angebote in Gemeindehäusern einen Unterschied machen, denn dort ist Platz, meistens bereits eine Grundausstattung an Spielgeräten und auf jeden Fall Tee und Kaffee vorhanden. Wenn sich dann noch ein paar wenige helfende Hände finden, ist schnell ein Winterspielplatz aufgebaut, wo Eltern sich auf eine Tasse Kaffee treffen und Kinder in sicherer, trockener und halbwegs warmer Umgebung spielen können. Wenn es an personellen Ressourcen mangelt, kann daraus auch eine gemeinsame Aktion aus mehreren Institutionen werden.
Ich bin sicher, dass sich einer solcher Initiative, die von den Gemeinden vor Ort ausgeht, schnell viele anschließen werden, denn ich durfte schon erleben, wie sich selbst in kirchenfernsten und problematischen Stadtteilen durch Engagement und Ideen von kirchlicher Seite viel entwickelt hat. Räder griffen auf einmal ineinander. Allianzen zwischen Vereinen, Verbänden und Kirchgemeinde wurden gebildet und Aufgaben gewuppt.
Und vielleicht schließen sich Energiesparen und Raum bieten auch gar nicht aus, denn natürlich muss dieses Thema weiter auf der Tagesordnung bleiben, denn es ist wichtig – es ist die Frage unserer Zeit! Ich glaube nur nicht, dass geschlossene Gemeindehäuser, nach Hause verlegte Gruppentreffen und „virtuell statt analog“ hier der Weisheit letzter Schuss sind. Das klingt für mich eher nach Abwicklung wegen Geschäftsaufgabe.
Stattdessen sollte die Kirche schauen, wie sie diese Krise aktiv gestaltet: Neue Wege in Klimafragen geht und ein warmer und offener Ort bleibt. Sanierungen, Anmietung besser geeigneter Objekte und Streichung wirklich verzichtbarer Räumlichkeiten, all das bleiben wichtige Projekte. Und wer weiß, vielleicht spenden ja zukünftig auch kirchenferne Menschen mal mit für die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Gemeindezentrums, wenn sie dieses zuvor als einen Ort erlebt hat, an dem sie in einem trüben Krisenwinter einige warme und geborgene Stunden mit ihrer Familie verbringen durften.