Warum sich Eltern-Kind-Kreise für alle lohnen
Braucht es heute noch einen „Mütterkreis“? Eltern-Kind-Angebote lohnen sich für Eltern und Kirchgemeinden gleichermaßen, erklärt Daniela Albert. Vor allem, weil sie Freiräume vom Leistungsdruck bieten.
Ich musste ein bisschen schmunzeln, als ich die aktuelle Kolumne meiner Kollegin Carlotta Israel gelesen habe. Denn das Wort „Mütterkreis“ ist mir tatsächlich noch nie begegnet. Schon meine Mutter besuchte mit meinem Bruder den „Spielkreis“ unserer Kirchengemeinde. Damals waren da allerdings, nach allem, was ich weiß, tatsächlich nur Mütter – und einige von ihnen saßen auch nachmittags bei Kaffee und Kuchen in unserem Wohnzimmer. Der Spielkreis ist für meine Mutter ein Raum gewesen, in dem sie andere Frauen in derselben Lebensphase kennenlernen und Freundschaften knüpfen konnte.
Als mein Vater und sie fünfundzwanzig Jahre später regelmäßig die Betreuung meines Sohnes übernahmen, ist sie dort wieder hingegangen, dann als einzige Oma unter lauter jungen Müttern. Dieses Mal ging es ihr nicht so sehr um den Kontakt zu diesen Frauen, die sich ja in einer völlig anderen Lebensphase befanden, sondern um das Spielerlebnis mit ihrem Enkel.
Mir persönlich ging es übrigens ganz ähnlich wie Carlotta – ich hatte Berührungsängste mit solcherlei Gruppen und habe mich als früh wieder berufstätige Mutter von dieser Form der Vormittagsangebote nicht angesprochen gefühlt.
Das änderte sich erst, als unser drittes Kind geboren war. Aus verschiedenen Gründen sehnte ich mich nach einem Raum und einem Erlebnis, das nur uns beiden gehörte. In unserem wuseligen Großfamilienalltag war das nämlich nicht gegeben. Pädagogischen Frühförderkonzepten stehe ich kritisch gegenüber. Ich wollte einfach einen netten, entspannten Raum, wo wir sein konnten, so, wie wir waren. Und genau das bietet meiner Erfahrung nach ein Eltern-Kind-Kreis.
Für mich gab es leider in unserer Gemeinde keinen passenden, der noch einen Platz frei hatte – und so habe ich kurzerhand mit einer anderen Mutter einen eigenen eröffnet. Wir waren von Anfang an kein reiner „Mütterkreis“, sondern für einen nordhessischen Vorort regelrecht divers aufgestellt, mit Vätern, einer Regenbogenfamilie, alleinerziehenden Müttern und solchen mit Migrationshintergrund.
Durch den gemeinsamen Start einer neuen Gruppe waren unsere Kinder altersmäßig alle sehr nah bei einander und das schaffte die Basis für unsere Gemeinschaft. Wir merkten schnell, dass wir alle im selben Boot saßen. Unsere Gespräche drehten sich um durchwachte Nächte, U-Untersuchungen, Entwicklungsschritte und den wenigen Raum, der in dieser Zeit für uns blieb, die wir den Hauptteil der Care-Arbeit leisteten.
Mein Eltern-Kind-Kreis
Mein Anfang als Leiterin eines Eltern-Kind-Kreises fiel in die Zeit der konzeptionellen Umbrüche dieser Arbeit. Über Generationen hatte sie nämlich davon gelebt, dass Mütter mit ihren Kleinkindern kamen und blieben, bis diese mit etwa drei Jahren in den Kindergarten gingen. Danach stand für die Kinder als weiteres kirchliches Angebot die Kinderstunde bereit und für die Mütter zeitgleich eine Frauengruppe. Doch mit dem Krippenausbau in Westdeutschland veränderte sich das. Eltern begannen früher, nach einem solchen Angebot für sich und ihr Kind zu suchen, und blieben kürzer bei uns, denn viele Kinder starteten irgendwann zwischen dem 12. und 15. Lebensmonat in die Kitazeit. Inhaltlich mussten wir unser Programm darauf anpassen.
Die Anliegen und Wünsche, mit dem Eltern kommen, ist heute ein anderer. Zwar geht es immer noch auch darum, erwachsene Menschen in gleicher Lebenssituation zu finden, doch im Vordergrund steht – wie bei mir – der Wunsch nach einem gemeinsamen Erlebnis mit dem Kind. Mit Babys und Kleinstkindern kann man zudem viele von den Aktionen, die bis dahin gern in Eltern-Kind-Kreisen unternommen wurden, nicht tun. Viele unserer üblichen Bewegungslieder erwiesen sich als zu komplex, ebenso die kurzen Geschichten, die wir unsere Handpuppen erzählen ließen, und die Art, wie wir unseren Teilnehmer:innen das Kirchenjahr näher brachten.
Stattdessen konzentrierten wir uns fortan sehr darauf, schöne Erinnerungen an die gemeinsame Zeit zu schaffen: Hand- und Fußabdrücke, Fotoaktionen oder simple Klecks- und Klebkonstruktionen, die sich thematisch am Kirchenjahr orientierten, gehörten genauso dazu wie Verwöhnprogramme, die wir uns für die Eltern ausdachten: Gemeinsame Frühstücke, Handmassagen mit selbstgemachtem Peeling oder ausgiebige Herbstspaziergänge.
Eine zweite Herausforderung war die hohe Fluktuation. Wenn Familien, die nicht sowieso regelmäßig in die Gemeinde kamen, unsere Gruppen schon mit dem ersten Geburtstag des Kindes wieder verließen, waren sie für uns in der Regel danach nicht mehr erreichbar. Für den Übergang in die Kinderstunde war es zu früh – es fehlte ein Angebot dazwischen. Diese Lücke schließen wir neuerdings mit einem wuseligen 14-tägigen Nachmittagsangebot für Eltern mit kleinen Kindern.
Warum sich Kirchgemeinden engagieren sollten
Ich halte ein Eltern-Kind-Angebot für Eltern (oder gern auch Großeltern) in der Baby- und Kleinkindphase für eine sehr gute Sache, und zwar aus folgenden Gründen:
Es ist niedrigschwellig und kostenlos.
Eltern-Kind-Kreise verfolgen keinen pädagogischen Zweck, anders als viele andere Gruppenangebote für Babys. Es geht nicht um Lernen und Entwicklung, sondern einfach ums Zusammensein, Spielen und um den Austausch mit anderen. Außerdem kosten sie nichts, anders als viele andere Babykurse. Sie sind offen für alle Eltern, egal welcher Konfession. Sie bieten auch kirchenfernen Menschen die Möglichkeit einer ganz zarten, unverbindlichen Berührung mit der Gemeinde vor Ort.
Sie sind missionarisch.
Ich glaube, der missionarische Aspekt war zu der Zeit, als die „Mütterkreise“ noch über Jahre Kontinuität hatten, sicher größer als heute. Doch auch heute noch öffnen sie eine Tür: Besonders junge Familien, die grundsätzlich schon Berührung mit der Kirche hatten, die sich aber im Laufe der Jahre entfremdet haben, können durch das Neu-Kennenlernen kirchlicher Räume, der Beschäftigung mit dem Kirchenjahr und einer offenen, warmen Atmosphäre wieder einen Zugang finden.
Sie bieten Schutzräume in einer sensiblen Lebensphase.
Gerade weil Eltern-Kind-Kreise keinen pädagogischen Zweck erfüllen, sondern nur einen Ort für gemeinsame Erlebnisse, Begegnung und Austausch darstellen, sind sie meiner Meinung nach eben keine Orte für Mommy-Wars (oder Daddy-Wars), sondern Schutzräume, in die jedes Elternteil und jedes Kind kommen kann. Gerade Menschen, die zum ersten Mal Eltern werden, befinden sich in einem sensiblen Umbruch und verdienen es, liebevoll aufgenommen zu werden. Sie verdienen einen offenen und annehmenden Blick auf sich und ihr Kind und vielleicht ab und zu eine feste Umarmung, wenn es gerade schwierig ist. All das kann gerade in diesen niedrigschwelligen, zweckfreien und kostenlosen Angeboten gewährleistet werden.
Wie wir weniger exklusiv werden
Doch natürlich braucht es auch eine gute Portion Achtsamkeit der Verantwortlichen, damit Eltern-Kind-Kreise gute Orte in den Gemeinden bleiben oder werden. Denn auch ich sehe die Gefahr der Abschottung, wie sie Carlotta in ihrer Kolumne beschreibt. Trotz all der Niedrigschwelligkeit, man kann auch einen Eltern-Kind-Kreis sehr exkludierend betreiben.
Oft sprechen solche Kreise sowieso vor allem Eltern aus der bürgerlichen Mitte an. Solche, die finanziell ganz gut dastehen, bildungsgewohnt sind und den Laden daheim, bei allen Anstrengungen, ganz gut im Griff haben. Auch Eltern-Kind-Kreise leiden unter den Milieuverengungen, die es in unseren Kirchen gibt. Doch gerade kirchliche Angebote sollten darauf achten, dass sich Mütter und Väter wohlfühlen, auf die das nicht zutrifft.
Es ist schön, wenn sich in den Kreisen Eltern zusammenfinden, die sich auch außerhalb der Gruppentreffen gut miteinander verstehen und sich beispielsweise auch mal abends auf einen Cocktail treffen wollen. Doch schnell ist es passiert, dass so eine Gruppe innerhalb des Kreises entsteht, zu der Menschen mit wenig Geld, Alleinerziehende oder Familien mit anderen Bedürfnissen keinen Zugang mehr haben. Deshalb war mir zum Beispiel immer wichtig, dass solche Verabredungen immer privat, außerhalb der Eltern-Kind-Kreis-Zeit und nicht in unserer WhatsApp-Gruppe getroffen werden. Zusätzliche Events, die wir gemeinsam geplant haben, sollten hingegen immer kostengünstig und für alle machbar sein.
Auch bei den Themen, die man sich als Gruppe vornimmt, ist eine feinfühlige Moderation wichtig, die berücksichtigt, dass nicht jede Mutter und nicht jeder Vater denselben Hintergrund und dieselben Ressourcen hat. Shaming sollte genauso tabu sein, wie Vergleiche der Eltern untereinander. Eine wichtige Aufgabe der Gemeinden sehe ich daher darin, die Leiter:innen solcher Gruppen entsprechend zu schulen, denn auch sie sind ja meist Ehrenamtliche mit ganz verschiedenen eigenen Lebenswegen und Erfahrungen.
Braucht es heute noch den „Mütterkreis“? Dass ich sehr dafür bin, dass Kirchgemeinden weiter und an manchen Orten vielleicht überhaupt erst wieder in diese Arbeit investieren, sollte klar geworden sein. Die Eltern-Kind-Arbeit ist anstrengend, ressourcenintensiv – und lohnend. Ich weiß, es ist schwer einen Eltern-Kind-Kreis neu anzuschieben, gerade für Hauptamtliche. Es gelingt vor allem dort, wo sich Haupt- und/oder Ehrenamtliche zusammentun, die selbst in der entsprechenden Lebensphase sind. Wenn sich Eltern für ein solches Angebot interessieren, sollten Hauptamtliche aber sensibel für deren Anliegen sein. Das ist das mindeste, auch wenn viele andere Aufgaben auf ihrem Terminkalender stehen.
Eltern-Kind-Kreise lohnen sich auf jeden Fall! Gerade in einer Welt, in der alles von Anfang an auf Zweck und Leistung überprüft wird, finde ich solche Räume abseits dessen sehr wichtig.
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