"Passion led us here", Foto: Ian Schneider (Unsplash)
Kultur

Weckruf zur „Revolution der Liebe“

Burkhard Hose räumt in seinem Buch „Seid laut! – Für ein politisch engagiertes Christentum“ mit einem großen Missverständnis auf. Ein Mutmach-Buch.

Klare religiöse Bekenntnisse gehen zurück und die Kirchenmitgliedschaft schrumpft, gleichzeitig ist Religion im Gespräch wie lange nicht mehr. Das Christentum wird von allen Seiten in Anspruch genommen. Rechte berufen sich auf das „christlich-jüdische Abendland“, Politiker_innen der C-Parteien verbitten sich Einmischung durch die Kirchen und sobald das Christentum subversiv und an der Seite der Schwachen eingebracht wird, erschallt der Vorwurf, Kirche sei zu politisch und kümmere sich nicht um „das Eigentliche“.

Burkhard Hose, Foto: Stefan Weigand

In diese Gemengelage fragt Burkhard Hose, katholischer Studierendenpfarrer aus Würzburg und zuletzt ist der bayerischen Kreuz-Debatte hervorgetreten, mit seinem neuen Buch „Seid laut!“ hinein: Was ist „christliche Politik“?

Die Bergpredigt und der politische Jesus

Burkhard Hose macht sich daran, ein großes Missverständnis auszuräumen: Dem Würzburger Studierendenpfarrer wird immer wieder vorgeworfen, zu politisch zu sein, „das Eigentliche“ seiner Arbeit, der Kirche zu vernachlässigen. Dem hält er entgegen, dass das Politische das Eigentliche ist und nicht idealistisches Beiwerk zumeist junger Leuten wie den Studierenden seiner Gemeinde.

Das Christentum wurde nicht erst später politisch verzweckt, seine Grundbotschaften sind an sich politisch. Jesus war sich der politischen Bedeutung seines Handelns und Redens bewusst (s. Markus 10, 42-43). Die Bergpredigt ist – anders als Bismarck, Helmut Schmidt, Franz-Josef Strauß und ihre weniger prominenten Adepten meinen – auch eine politische Handlungsanweisung. „Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen!“ Burkhard Hose meint: Doch!

„Eines wird immer klarer: Wer Christsein aufs Beten beschränken will oder wer einem nahelegt, man solle sich doch lieber um das „Seelenheil der anvertrauten Schäfchen“ kümmern als um Politik, der hat vor allem eines im Sinn: dass sich nichts ändert an den bestehenden Verhältnissen.“

Historische Verantwortung

Politisches Engagement von Christen schöpft aus der Bibel, aus der theologischen Tradition („Option für die Armen“) und aus einem Geschichtsbewusstsein, das das Versagen der Kirchen im Nationalsozialismus nicht ausblendet. „Der Blick in die Geschichte lehrt, dass Schweigen und ein Sich-Heraushalten mindestens genauso verheerende politische Folgen haben können wie ein Sich-Einmischen.“ Auch die Entscheidung, sich mit dem eigenen Glauben ins Private zurückzuziehen, ist politisch.

Wer, wenn nicht die Christen, führt in der eigenen religiösen Tradition das Wissen darum mit, wie man dieses Dilemma aushalten kann?

Burkhard Hose diagnostiziert zutreffend: Während diejenigen besonders laut sind, die das Christentum zur Abwehr gegen andere missbrauchen, sind diejenigen zu leise, die sich „aus einem christlichen Antrieb heraus für andere Menschen engagieren und dabei nicht ausgrenzend gegen andere handeln“, mit Menschen anderer Religion und Herkunft kooperieren und sich mit Wort und Tat für christliche Werte in unserer Gesellschaft einsetzen.

„Seid laut!“ richtet sich an die abertausenden Engagierten in der Flüchtlingshilfe, an diejenigen die nach Jahrzehnten der Arbeit für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung ernüchtert und ausgelaugt sind und an junge Leute, denen ein Glaube ohne politische Konsequenzen für das eigene Leben nichts mehr sagt. „Seid laut!“ ist ein kurzes, großes Mutmach-Buch.

Seelsorge an den Kämpfer_innen

Auf nur 144 Seiten entwirft Burkhard Hose kein großes und neues System politischer Theologie, sondern erläutert allgemeinverständlich die Quellen christlich-politischen Handelns. In klarer und antreibender Sprache identifiziert er Probleme, erklärt Denk- und Handlungsmuster und bringt Ordnung in das Nachdenken über politisches Christsein. Darum wünschte man sich, würde das Buch auch von Hoses Kritikern und von denen gelesen, die ohne näheres Wissen um das Politische des christlichen Glaubens behaupten, Kirche und Christen müssten sich „raushalten“.

Für die engagierten politischen Christen hat schon die Lektüre seelsorgliche Qualität. All diejenigen, die sich beharrlich einsetzen, müssen sich von Rechten und C-Parteien zuweilen verraten oder verleumdet und verlacht vorkommen. Hose hingegen nimmt das Engagement seiner Studierenden und seiner Leser_innen ernst. Mit ihnen will er weiterziehen und ihnen schreibt er mit seinem Buch so etwas wie einen Liebesbrief. „Seid laut!“ ist geeignet, zum Brevier einer politisch wachen Generation von Christen zu werden.

Mehr: Alle Rezensionen in der Eule.


Seid laut! –
Für ein politisch engagiertes Christentum
Burkhard Hose
Vier-Türme-Verlag
144 Seiten
18 €
Zum Verlag