Weihnachtsfrieden in Bremen
Mit wechselseitigen Zugeständnissen wird der Bremer Kirchenasyl-Streit vorerst beigelegt. Bis Ende Januar 2025 soll es zu keinen Abschiebeversuchen aus dem Kirchenasyl mehr kommen. Doch ist damit das eigentliche Problem behoben?
Die Aufregung um das Kirchenasyl in Bremen ist vorläufig beruhigt. Nach einem Gespräch von Vertreter:innen der Evangelischen Kirchen mit dem zuständigen Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ist klar, dass es vorerst zu keinen weiteren Räumungen von Kirchenasylen kommen soll. Bis Ende Januar 2025 sollen Abschiebemaßnahmen aus einem bestehenden Kirchenasyl nicht vollstreckt werden, „die staatliche Seite wird kirchliche bzw. sakrale Räume als geschützte Räume auch künftig akzeptieren“.
Wie die Bremische Evangelische Kirche (BEK) mitteilt, habe man sich über die Bedeutung des Kirchenasyls verständigt und sei sich einig, am „bewährten Dossier-Verfahren für das Kirchenasyl festzuhalten, wie es zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der evangelischen und katholischen Kirche in Deutschland am 24. Februar 2015 grundsätzlich vereinbart wurde“. Das BAMF hatte sich zuletzt nicht an diese Vereinbarung gehalten und die Härtefalldossiers, die verabredungsgemäß von den Kirchgemeinden vorgelegt werden, ohne Prüfung abgelehnt. Innensenator Mäurer will nun „die Kirchen dabei unterstützen, die Zusammenarbeit mit dem BAMF konstruktiv weiterzuentwickeln“.
Der Bremer Kirchenasyl-Streit
Der Einigung waren in Bremen aufregende Tage vorausgegangen, in denen mehrfach versucht wurde, Kirchenasyle unter Zuhilfenahme der Polizei zu beenden. In der Nacht vom 2. auf den 3. Dezember hatten die Behörden versucht, einen Mann aus Somalia aus dem Kirchenasyl im Gemeindezentrum Zion der Gemeinde Bremen-Neustadt herauszuholen und nach Finnland abzuschieben. Es war das erste Mal, dass ein Bremer Kirchenasyl geräumt werden sollte (wir berichteten). Die Räumung des Kirchenasyls wurde durch den zivilen Ungehorsam von hunderten Unterstützer:innen verhindert, die nächtelang in Zion Wache hielten. Der erste Räumungsversuch wurde vereitelt, indem die Unterstützer:innen die Zugänge zu den Gemeinderäumen versperrten. Pastor Thomas Lieberum ließ die Glocken läuten. Der Vorgang erhielt bundesweit Aufmerksamkeit.
In den darauffolgenden Tagen drohten die Bremer Ausländerbehörde und die Polizei mit weiteren Abschiebeversuchen aus Kirchenasylen. Einem Somalier, der zunächst in der methodistischen Gemeinde in Bremen-Vegesack und dann in der Evangelischen Friedensgemeinde (BEK) Obhut fand, drohte die Abschiebung nach Spanien. Ein weiterer Mann aus Somalia, der sich im Kirchenasyl in der St.-Remberti-Gemeinde (BEK) befindet, drohte die Abschiebung nach Schweden. Sie scheiterte daran, dass die dänischen Behörden die notwendige Einwilligung zu einem Zwischenstopp des Abschiebefluges in Kopenhagen nicht rechtzeitig erteilten.
Die überraschenden Anstrengungen der Behörden, kurz vor dem Weihnachtsfest massiv gegen Kirchenasyle vorzugehen, haben zu massiven Verstimmungen innerhalb des Rot-Grün-Roten Regierungsbündnisses in Bremen geführt. Politiker:innen von LINKE und Grünen kritisierten das harrsche Vorgehen und die Respektlosigkeit gegenüber dem Institut des Kirchenasyls. Auch die Bremische Evangelische Kirche zeigte sich irritiert und entsetzt. Am Abend des ersten Abschiebeversuchs in Zion hatte der Bremer Bürgermeister, Andreas Bovenschulte (SPD), beim Jahresempfang der Kirche noch versprochen, dass Bremen und Bremerhaven „weltoffene, friedliche und liebenswerte Städte bleiben“ sollen und der Kirche ausdrücklich für ihren Einsatz für geflüchtete Menschen gedankt (wir berichteten).
Nach der ersten gescheiterten Abschiebung in Zion kündigten sowohl die Kirche als auch der Innensenator an, sich zu konstruktiven Gesprächen treffen zu wollen – trotzdem erhöhten die Behörden den Druck auf die Kirchenasyle in Bremen weiterhin. Der Flüchtlingsrat Bremen warf darum Bürgermeister Bovenschulte und Innensenator Mäurer Scheinheiligkeit vor: „Bürgermeister und Innensenator reden von ‚vertrauensvollen Gesprächen‘ über das Kirchenasyl, für das Linke und Grüne als Koalitionspartner sich einsetzen – und während all dem organisiert die SPD hinter dem Rücken der Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen und der Öffentlichkeit weiter die Abschiebung von Schutzsuchenden aus der Kirche“, sagte Gundula Oerter vom Bremer Flüchtlingsrat Radio Bremen.
Auf den neuerlichen Druck auf das Kirchenasyl reagierten Unterstützer:innen in Zion und in der Friedensgemeinde mit tage- und nächtelangen Solidaritätsaktionen, bei denen es ausnahmslos friedlich blieb. Unterstützer:innen übernachteten in den Gemeinderäumen, in denen tagsüber das übliche Adventsprogramm mit Konzerten, Krippenspielproben und Gemeindekreisen stattfand.
Das Kirchenasyl: „Appell im Sinne des Rechtsstaates“
Das provokante Verhalten der Behörden gegenüber dem Kirchenasyl in Bremen hat verschiedene sachliche und politische Gründe. In den vergangenen Monaten war es in mehreren Bundesländern zu Räumungen von Kirchenasylen gekommen. Mindestens acht Mal wurde ein Kirchenasyl – zumindest zeitweise – unterbrochen. Dagegen legten im Jahr 2024 Vertreter:innen der Kirchen mehrfach lautstarken Protest ein (s. hier & hier in der Eule). Das Kirchenasyl droht zum Opfer einer sich immer weiter radikalisierenden Migrationsdebatte zu werden. Gegen Kirchenasyle vorzugehen, verschafft den zuständigen Politiker:innen den Ruf, besonders hart und konsequent gegen „illegale Einwanderung“ durchzugreifen.
In anderen Städten und Kreisen ist auch keineswegs mit so engagierter Gegenwehr und zivilem Ungehorsam zu rechnen wie in Bremen und insbesondere in der Zionsgemeinde. Vielerorts fehlt es an Helfer:innen in so großer Zahl. Bremen ist bisher für eine weniger restriktive Einwanderungspolitik bekannt, die Bremische Evangelische Kirche gilt als vergleichsweise liberal und das Gemeindezentrum Zion ist hervorragend mit weiteren Akteur:innen aus Zivilgesellschaft und dem linken politischen Spektrum vernetzt.
Dass ausgerechnet dort der Versuch unternommen wurde, ein Exempel am Kirchenasyl zu statuieren, kann darum folgerichtig nur als politisches Statement verstanden werden. Tatsächlich befasste sich die Innenministerkonferenz der Länder im Dezember aufgrund des Bremer Kirchenasylstreits mit dem Kirchenasyl und beschloss weitere Verschärfungen in der Handhabung von Asylverfahren. Politiker:innen von CDU und AfD kritisierten das Kirchenasyl als offenen Rechtsbruch.
Demgegenüber stellen die beteiligten Kirchen in Bremen auch nach dem Gespräch mit Innensenator Mäurer fest: „Das Kirchenasyl ist ein Appell im Sinne des Rechtsstaates, Einzelfälle mit besonderen humanitären Härten besonders zu überprüfen.“ Das Handeln der Kirche halte sich somit „im Rahmen eines Sonderpetitionsrechtes“. Die politische und öffentliche Verteidigung des Kirchenasyls durch die Kirchen umfasst allerdings nicht den Aufruf zu zivilem Ungehorsam, wie ihn die Unterstützer:innen in Bremen geleistet haben. Vielmehr betonen die Kirchen, dass die Behörden jederzeit den Aufenthaltsort der in Obhut genommenen Geflüchteten kennen und Zugriff auf die Personen erlangen können.
Sollbruchstelle im Kirchenasyl
Das Kirchenasyl selbst ist nicht gesetzlich geregelt. Der Schutz, den die Kirche gewährt, ist weitgehend symbolisch. Laut einer Vereinbarung zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und den beiden großen Kirchen von 2022 sollen Kirchenasyle „als Ausdruck einer christlich-humanitären Tradition respektiert“ werden. Die Vereinbarung war bereits im Jahr 2015 als ein Ergebnis des andauernden Dialogs zwischen den kirchlichen Lobbyisten und dem BAMF bzw. dem Bundesministerium des Innern geschlossen worden. Vor zwei Jahren wurde das „Merkblatt Kirchenasyl im Kontext von Dublin-Verfahren“ (PDF) in gegenseitigem Einvernehmen aktualisiert.
Die Zusage des Bremer Innensenators sich an der Seite der Kirchen für eine Rückkehr zur Vereinbarung von 2015 einzusetzen, darf darum als Erfolg der Kirche gewertet werden, zu dem allerdings in erheblichen Maße der zivile und friedliche Ungehorsam der Unterstützer:innen geführt hat, den die Kirchen bisher ausdrücklich nicht befördern. Damit ist eine „Sollbruchstelle“ des Kirchenasyls berührt. Nach dem Vermittlungsgespräch erklärte die BEK: „Die Kirchen verfolgen mit dem Kirchenasyl nicht das Ziel, den Rechtsstaat in Frage zu stellen oder über das Kirchenasyl eine systematische Kritik am Dublin-System zu üben. Eine solche wird nur im Rahmen des politischen Diskurses vorgetragen.“
Solange jedoch das BAMF nicht zur verabredeten Praxis zurückkehrt, erscheinen weitere (gewaltsame) Räumungsversuche von Kirchenasylen wahrscheinlich. Im Eule-Interview von September 2024 erklärte Benedikt Kern vom Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche in NRW: „Durch die Räumungen in den vergangenen Monaten wurden Familien getrennt, kranken Menschen wurde medizinische und psychologische Hilfe verwehrt – und im schlimmsten Fall laufen solche überraschenden Räumungen gewaltsam ab wie in Schwerin.“ An seiner Zusage, sich für die Weiterentwicklung der Vereinbarung von 2015 einzusetzen, wird man den Bremer Innensenator in Zukunft messen müssen.
Krisenherd Dublin-Verfahren
Dabei ist unstrittig, dass durch die einseitige Aufkündigung der Vereinbarungen mit den Kirchen durch das BAMF und die Ausländerbehörden in einigen Kreisen und Bundesländern auch Probleme entstehen: Laut Benedikt Kern haben 95 % der aktuellen Kirchenasyle in einen Dublin-Hintergrund. Das Kirchenasyl wird daher auch dafür genutzt, die 12-monatige Überstellungsfrist, innerhalb derer Deutschland in das europäische Erstaufnahmeland zurückführen darf, bevor ein Asylgesuch in Deutschland gestellt werden kann, „zu überstehen“.
Davon betroffene Geflüchtete gehen nicht selten erst gegen Ende der Überstellungsfrist in einem Kirchenasyl. Die Behörden, die monatelang eine nach dem Dublin-System rechtmäßige Rückführung versäumt haben, sehen sich dann vor die Wahl gestellt, die Frist verstreichen zu lassen – oder das Kirchenasyl (gewaltsam) zu beenden. Zuletzt hatte das Bremer Verwaltungsgericht noch einmal festgestellt, dass Menschen im Kirchenasyl auch nicht als „flüchtig“ gelten dürfen und daher die Überstellungsfrist nicht verlängert werden dürfe. Eine solche Fristverlängerung wurde vom Innensenator nach der ersten erfolglosen Räumung in Zion „angeregt“.
Ursächlich für diese Zuspitzung bei „Dublin-Fällen“ im Kirchenasyl ist die Verweigerung einer frühzeitigen Prüfung der Einzelfalldossiers, die von den Kirchgemeinden vorgelegt werden, durch das BAMF. Für die Revision bereits abgelehnter Asylgesuche von Dublin-Fällen ist dort gegenwärtig dieselbe Fachstelle zuständig wie für die Erstbegutachtung. Eine Rückkehr zur Vereinbarung von 2015 erscheint hier also als bestmögliche Lösung.
Anderfalls wird es wohl nicht zu vermeiden sein, dass Geflüchtete weiterhin zum Ende ihrer Überstellungsfrist hin Unterschlumpf bei einer Kirchengemeinde finden, die bereit ist, ihnen kurzfristig Kirchenasyl zu gewähren. Die dafür notwendigen Unterstützer:innen und Ressourcen bringen jedoch nur wenige Gemeinden auf. Von daher ist die im Vergleich zu anderen Bundesländern erhöhte Zahl von Kirchenasylen in Bremen zu erklären, die von Innensenator Mäurer beklagt wird. Flucht und Migration machen vor Ländergrenzen nicht halt. Eine Regionalisierung des Problems und Skandalisierung der örtlich leicht erhöhten Kirchenasylzahlen durch den Innensenator muss man deshalb als Symbolpolitik auffassen.
Bei ihrem Vermittlungsgespräch erklärten BEK und der Innensenator nun, dass es zukünftig keine „länderübergreifenden Kirchenasyle“ mehr geben soll: „Im Land Bremen sollen nur noch Menschen in ein Kirchenasyl aufgenommen werden, die zuvor bereits im Land Bremen gewohnt haben.“ Offenbar war es darüber mit den staatlichen Behörden auch zu Missverständnissen gekommen, die dadurch befördert wurden, dass die evangelischen Kirchgemeinden in Bremerhaven, das zum Land Bremen gehört, bis auf eine Ausnahme zur Hannoverschen Landeskirche gehören. Am Vermittlungsgespräch nahmen deshalb nicht nur BEK und der Bremische Innensenator, sondern auch Vertreter:innen der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen teil, der die evangelischen Landeskirchen auf dem Gebiet des Bundeslandes Niedersachsen angehören (s. Bericht der Sendung „buten und binnen“ von Radio Bremen)
Gibt es zu viele Kirchenasyle?
Bundesweit ist die Zahl der Kirchenasyle in den vergangenen beiden Jahren unter dem Eindruck der verschärften Migrationspolitik gestiegen. Das harrsche Einsteigen gegen das Kirchenasyl bleibt jedoch bemerkenswert, weil die ca. 2.000 Kirchenasyle (2023) nur einen geringen Anteil der „Dublin-Verfahren“ darstellen. Die Ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche gab im September 2024 an, von 542 aktiven Kirchenasylen mit mindestens 690 Personen unterrichtet zu sein, davon 114 Kinder. 522 der Kirchenasyle seien „Dublin- Fälle“.
Wie aktuelle Zahlen des BAMF zeigen (PDF), sind die Asylantragszahlen im Vergleich zum Vorjahr im Jahr 2024 zurückgegangen. Zugleich wurde im Jahr 2024 bis einschließlich August über mehr Asylanträge entschieden als im Vorjahreszeitruam (+ 17,5 %). Es wurden auch deutlich mehr Übernahmeersuche an die Erstaufnahmeländer nach der Dublin-Verordnung gestellt (Jan.-Aug. 2024: 49.650, Jan.-Dez. 2023: 74.622). In 28.479 Fällen haben die Erstaufnahmeländer in diesem Zeitraum einer Rückführung auch zugestimmt (2023 gesamt: 55.728). Trotzdem wurden bis einschließlich August 2024 nur 3.948 Personen in ein Erstaufnahmeland überstellt (2023 gesamt: 5.053).
Dass den deutschen Behörden eine umfängliche Rückführung von „Dublin-Fällen“ in die Erstaufnahmeländer nicht gelingt, liegt nicht am Kirchenasyl, sondern an der mangelnden Kooperation der Erstaufnahmeländer, den großen Kosten für Abschiebungen und den mangelnden Ressourcen in den zuständigen Ämtern. Mithin zeigt sich auch hier das Scheitern des bisherigen europäischen Asylsystems. Das Kirchenasyl ist darauf nur ein Fingerzeig.
Weihnachtsfrieden in Bremen
Die Geflüchteten im Kirchenasyl und ihre Unterstützer:innen in und um die Kirchgemeinden atmen nach der Verständigung zwischen Innensenator Mäurer und den Kirchen nun erst einmal auf und durch. In den kommenden Wochen wird es keine weiteren Versuche geben, ein Kirchenasyl in Bremen (gewaltsam) zu beenden. Bis Ende Januar wolle man die Gelegenheit nutzen, so versprachen die Gesprächsteilnehmer, notwendige Klärungen herbeizuführen: „Dazu gehört, feste Kriterien für ‚Härtefälle‘ und ‚unzumutbare Härten‘ [in den zur Aufnahme verpflichtenden Ländern] abzustimmen und festzulegen.“
Der Kampf um das Kirchenasyl in Bremen und bundesweit ist also noch nicht ausgefochten. Der Bremer Kirchenasyl-Streit aber könnte ein Katalysator dafür werden, BAMF und Kirchen wieder zu umfänglichen Verhandlungen an einen Tisch zu bringen. Die einseitige Aufkündigung der Verabredungen von 2015 (2022) durch die staatlichen Behörden ist das eigentliche Problem, weshalb es zu unterschiedlichen Auffassungen über die Schutzfunktion des Kirchenasyls in „Dublin-Fällen“ kommt. Gefordert sind hier also die InnenministerInnen von Bund und Ländern, die Praxis des BAMF einer kritischen Begutachtung zu unterziehen.
Im Jahr 2025 stehen für das Kirchenasyl und all die Menschen, die auf den Schutz der Kirchen angewiesen sind, angesichts der weiteren Verschärfung der EU-Asyl- und Migrationsgesetzgebung, der Entgleisung der Migrationsdebatte in Deutschland und des wahrscheinlichen Regierungswechsels im Bund weitere Herausforderungen bevor. Der Bremer Kirchenasyl-Streit hat gezeigt, dass es im besonderen Maße auf das bestimmte und friedliche Engagement der Bürger:innen ankommt. Anderswo ist wohl nicht mit einer derartigen Solidarität in den Christen- und Bürgergemeinden zu rechnen. Auch berichten regionale Medien andernorts keineswegs so intensiv wie es insbesondere Radio Bremen in den vergangenen Wochen getan hat.
Als letzte Möglichkeit erscheint auch der zivile Ungehorsam weiterhin notwendig zu sein, wie ihn die Bremer Unterstützer:innen vorgelebt haben. Dieser sollte als „demonstrative, zeichenhafte Handlung“ auch den staatlichen Behörden und Politiker:innen aller Parteien zu denken geben, gerade weil die Unterstützer:innen das Risiko eingehen, die rechtlichen Konsequenzen ihres Handelns zu tragen. Die Demokratiedenkschrift der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hielt bereits 1985 fest: „Zum freiheitlichen Charakter einer Demokratie gehört es, daß die Gewissensbedenken und Gewissensentscheidungen der Bürgerinnen und Bürger gewürdigt und geachtet werden. Auch wenn sie rechtswidrig sind und den dafür vorgesehenen Sanktionen unterliegen, müssen sie als Anfragen an Inhalt und Form demokratischer Entscheidungen ernstgenommen werden.“
Derweil reagieren verschiedene Akteur:innen in Bremen unterschiedlich auf den erreichten Kompromiss zwischen den Kirchen und dem Innensenator, wie „buten un binnen“ von Radio Bremen aufgezeichnet hat: Während der Fraktionschef der Christlich Demokratischen Union Deutschlands (CDU) in der Bremischen Bürgerschaft, Frank Imhoff, Innensenator Mäurer vorwirft, „unter dem Druck seiner linken Koalitionspartner eingeknickt“ zu sein, kritisiert der Flüchtlingsrat, „dass Betroffene und Kirchengemeinden nicht gehört wurden“. „Die sogenannte Einigung kam der autoritären Verkündung eines Urteils gleich“, sagte Nazanin Ghafouri vom Flüchtlingsrat Bremen gegenüber Radio Bremen.
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Mehr:
- Über die ersten Räumungsversuche in der Bremer Zionsgemeinde und die Hintergründe schrieb Philipp Greifenstein Anfang Dezember 2024 in der Eule: „Räumung verhindert“
- Über die schwierige Lage für das Kirchenasyl und die Tücken des Dublin-Systems sprechen Podcast-Host Michael Greder und Eule-Redakteur Philipp Greifenstein im „Eule-Podcast RE: Juli 2024“.
- Über die Räumung in Wuppertal und die (kirchen-)politischen Hintergründe hat Philipp Greifenstein im September 2024 hier geschrieben: „Aus dem Kirchenasyl in Abschiebehaft“.
- Ein Podcast von netzpolitik.org beschäftigt sich mit der Situation von Kirchenasyl-Helfer:innen, die ins Fadenkreuz der Polizei geraten. Ausgehend von den netzpolitik.org-Recherchen eine Analyse von Philipp Greifenstein: „Kirchenasyl: Geht’s noch?“.
- Alle Eule-Beiträge zum Themenschwerpunkt „Flucht & Migration“.
Aktualisierung, 20.12.2024, 18:50 Uhr: Ergänzt um die Stellungnahmen von CDU und Flüchtlingsrat zum erreichten Kompromiss.