Wirklich „alle“? – Die #LaTdH vom 13. August
Der Papst verkündet eine „Kirche für alle“ und bleibt doch hinter den Erwartungen zurück. Außerdem: Kölner Verwarnungen, barocke Sakralbauten und prohetische Interventionen.
Herzlich willkommen zurück …
aus der #LaTdH-Sommerpause! Noch träumen alle bundesrepublikanischen Bundesländer außer Nordrhein-Westfalen in der Sommerfrische. In der kommenden Woche jedoch müssen die Schüler:innen in fünf weiteren Bundesländern und der Schweiz zurück in die Schule. Auch wenn in einigen Bundesländern und Österreich noch einige Wochen Ferien sind, legen wir hier schon mal wieder los. Man verliert ja sonst völlig den Anschluss!
Ich habe die drei Sonntage ohne #LaTdH dazu genutzt, nicht nach den aktuellen Kirchen- und Religionsnachrichten zu schauen und mich auch weitgehend von den Online-Plattformen zurückzuziehen. So eine Pause macht Spaß und sortiert die Gewichte, mit denen wir hier in den #LaTdH die aktuellen Meldungen und Meinungen abwägen. Vertiefter Kontakt zum analogen Dasein oder – wie man auf Twitter sagt(e) – „mal Gras anfassen“ hilft, Bedeutung und Nachhaltigkeit von Aufregern und Diskurs-Scharmützeln korrekt einzuschätzen.
Ein pickepackevoller Herbst liegt vor uns: In Rom wird sich die erste Versammlungsrunde der römisch-katholischen „Weltsynode“ von Bischöfen und Gästen zum Thema Synodalität treffen. Welche Rolle werden die vom Synodalen Weg in Deutschland angefragten Reformvorschläge spielen? Bis Ende des Jahres soll auch die „ForuM“-Studie bzw. ihre Teilstudien erscheinen, die sich mit dem Missbrauch in evangelischen Kontexten befasst. Zur Mitte der bundesdeutschen Legislatur werden wir ein genaueres Bild davon bekommen, was religionspolitisch mit der Ampel (noch) geht. Und die Kirchen beschäftigen sich natürlich weiterhin und dauerhaft mit ihrer schwindenden Bedeutung und all den Konsequenzen, die dieser Transformationsprozess so mit sich bringt.
Jeden Sonntag sortieren wir weiterhin die aktuellen Kirchen- und Religionsnachrichten, empfehlen Beiträge aus Medien und Gesellschaft und versuchen so, etwas Ordnung ins Tohuwabohu zu bringen. Die #LaTdH gibt es verlässlich und komplett bequem per Email ins Postfach: Newsletter-Anmeldung im dunklen Balken weiter unten! Die #LaTdH und die ganze Eule werden von ihren Leser:innen ermöglicht: Werden Sie Eule-Abonnent:in! Schon ab 3 € im Monat sind Sie dabei.
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
Debatte
Vom 1. bis 6. August hat in Lissabon (und Fatima) der 37. Weltjugendtag der römisch-katholischen Kirche (WJT) stattgefunden. Auch aus deutschsprachigen (Erz-)Bistümern waren Jugendliche und ihre Begleiter:innen nach Portugal gereist. Insgesamt hat sich der 37. Weltjugendtag mit seinen ca. 1,5 Millionen Teilnehmer:innen ungefähr auf dem Niveau des Weltjugendtages in Köln 2005 vor fast schon 20 Jahren eingependelt. Natürlich hat es mehr katholische junge Menschen aus Europa nach Portugal gezogen als 2019 nach Panama und voraussichtlich auch nach Seoul 2027. Die europäische Bestmarke von 3,5 Millionen (Krakau 2016) blieb weit außer Reichweite.
Die Vigil, die Papst Franziskus mit den Jugendlichen am 5. August feierte (YouTube), gibt Zeugnis von der internationalen Dimension der römischen Kirche. Während der Veranstaltung teilten Jugendliche aus allen Erdteilen ihre Erfahrungen und lauschten einer Ansprache von Franziskus. Die Bilder von der Schlussmesse mit hundertausenden Teilnehmer:innen sind beeindruckend (s. hier). Dass eine so große Masse von Priestern (10.000) und Bischöfen (800), die zwischen Jugendlichen und Papst präsentiert wurden, um bei der Messe konzelebrieren zu können, der päpstlichen Kritik am Klerikalismus performativ widersprechen, wurde vielfach bemerkt. Mehr Zahlen zur „größten Massenveranstaltung der katholischen Kirche“ hat katholisch.de.
Ein so großes und bewegendes Treffen von jungen Menschen hat besonders nach der Corona-Pandemie einen Wert für sich. Überall waren es Kinder und Jugendliche, die im besonderen Maße von den Härten der Pandemie-Maßnahmen getroffen waren. Seine Jugend kann man nicht auf Eis legen. Und so ist es doch ganz unabhängig von Papst, Katechesen und Predigten einfach schön, dass „die Jugend der Welt“ wieder zusammenrücken kann. Vom Spaß, den der WJT verbreiten kann, zeugt der kleine Flausch-Sturm, der den DJ-Priester Guilherme Peixoto während und nach dem Treffen erwischte. Einen Einblick in Peixotos Wirken erhält man auf seinen Instagram und TikTok-Kanälen.
Bei Sonnenaufgang erklang zunächst das berühmte „Halleluja“ von Georg Friedrich Händel, das in einen Techno-Remix überging. Viele Pilgerinnen und Pilger waren verblüfft, als sie mit diesen Beats aufgeweckt wurden und einen 49-Jährigen mit Priesterkragen am DJ-Pult erblickten. Guilherme Peixoto ist Priester des portugiesischen Bistums Braga. Als Militärgeistlicher war er bereits in Afghanistan und im Kosovo im Einsatz. Während der Corona-Pandemie machte er im Livestream für seine Gemeinde elektronische Musik. Diese basiert auf Zitaten aus Papst-Texten, Gebeten und anderen religiösen Inhalten.
Was hatte der Papst zu sagen?
In seiner Ansprache zur Vigil (Text), in der Predigt zur Schlussmesse (Text) und auf der Pressekonferenz auf dem Rückflug (Text) nutzte Papst Franziskus die Gelegenheit, zu den Jugendlichen und seiner Kirche zu sprechen. Es sind pastorale Ansprachen, die Franziskus in Portugal gehalten hat, die sich ernsthaft auf Alltag und Lebenswelt der jungen Katholik:innen beziehen. Im gesamtkirchlichen Kontext allerdings müssen sie enttäuschen.
„Die Kirche für alle“: Was Papst Franziskus sagt und was er meint – Benedikt Heider (katholisch.de)
Auf katholisch.de widmet sich Benedikt Heider (Eule-Beiträge hier) der Verkündigung Papst Franziskus‘ von der „Kirche für alle“ als Beispiel für katholisches „Neusprech“. Franziskus greife in die „kirchliche Trickkiste“, wenn er den jungen Menschen von einer inklusiven Kirche erzähle.
Natürlich sei die Kirche für alle offen, wiederholte der Papst erneut. Doch wer einmal darin sei, habe sich anschließend an die Regeln zu halten, die darin gelten. Damit meint der Papst unter anderem Partizipationsmöglichkeiten, die an Weihe und damit an das Geschlecht gebunden sind, ebenso wie die für das Lehramt einzig zulässige Form ausgelebter Sexualität: zwischen Mann und Frau und in der Ehe. […]
Die Gleichheit in der Würde – die in der Taufe und nicht im Menschsein fußt – begründet die grundsätzliche Offenheit der Kirche für „alle“. […] Dieser kirchliche Würdebegriff darf nicht mit dem Gleichheitsbegriff moderner Staaten verwechselt werden. Während in demokratischen Staaten die Gleichheit in der Würde zu einer rechtlich-politischen Gleichstellung führt, besitzt die römisch-katholische Kirche andere Einsichten.
Der Papst sieht deutsche Katholiken auf Irrweg – Matthias Rüb (FAZ)
Von den päpstlichen Einlassungen auf der „fliegenden Pressekonferenz“ auf dem Rückflug vom WJT berichtet auch Matthias Rüb in der Frankfurter Allgemeinen. Franziskus‘ schiefer Imperialismus-Begriff kommt im Artikel ebenso zur Sprache wie seine Bemühungen um Frieden in der Ukraine. Rüb setzt des Papstes „todos“-Rufe („alle“) mit seinen Aussagen zu den Reformbemühungen einzelner Ortskirchen, vor allem der römisch-katholischen Kirche in Deutschland, ins Verhältnis, wie er sie im Interview mit Vida Nueva zuletzt wiederholt hat.
Die Deutschen seien bei der Suche nach Reformen für die katholische Kirche der Versuchung erlegen, rasch Lösungen erreichen zu wollen, kritisiert der Papst und fährt fort: „Manchmal wird die Kirche voreilig und macht einen Fehler, weil sie zu schnell ist. So geraten wir in eine Schieflage, in der wir eine Lösung anbieten, die in der Richtung richtig ist, aber die Lösungen sind nicht aus der Betrachtung des Evangeliums heraus entstanden.“
Wie viel Langmut bringen die reformwilligen Katholik:innen noch auf? Der „Jugendbischof“ der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Johannes Wübbe (Weihbischof Osnabrück), hat in Lissabon mit vielen Jugendlichen gesprochen. Im Interview bei Matthias Altmann von katholisch.de gibt er zu Protokoll:
Bei den meisten [Jugendlichen] ist die Geduld wirklich erschöpft, das muss ich ehrlicherweise so sagen. Sie sagen, wenn ihr nicht bald die Kurve kriegt, müssen wir uns gut überlegen, ob wir noch Teil dieser Kirche sein wollen.
Franziskus stellt die Weichen für die letzte Phase seines Pontifikats. Mit der Ernennung von Erzbischof Víctor Manuel Fernández (s. #LaTdH vom 2. Juli & 9. Juli und dieser Hintergrund von katholisch.de-Redakteur Felix Neumann) und weiteren Personalien sowie kirchenpolitischen und -rechtlichen Klarstellungen (z.B. zur Stellung des Opus Dei als „normaler“ katholischer Vereinigung) regelt er sein Erbe. Erst ein neuer Papst, so sind sich die Beobachter:innen einig, wird zeigen, ob aus den Impulsen der Amtszeit des Argentiniers langfristig etwas wird. So lange bleibt es bei den Widersprüchen dieses Papstes (s.u. Theologie) und bei der ernüchternden Diagnose, die Matthias Rüb aufgeschrieben hat:
Zur Enttäuschung vieler Katholiken, die seit der Papstwahl des Argentiniers vor gut zehn Jahren auf eine doktrinäre wie auch institutionelle Reform der Kirche gehofft hatten, tritt dieser Hirte – und damit auch seine Herde – aus ihrer Perspektive auf der Stelle.
nachgefasst
Abmahnung wegen Segen
Pfarrer Herbert Ullmann von der St. Lambertus-Gemeinde in Mettmann hat diesen Sommer reichlich Ärger. In einem Gottesdienst für „sich liebende Paare“ unter seiner Obhut wurde neben geschieden-wiederverheirateten Paaren auch ein queeres Paar gesegnet. Sein Kölner Erzbistum ließ das nicht durchgehen und sprach eine Verwarnung aus. Darüber berichtete u.a. katholisch.de, die Gemeinde und Ullmann reagierten auf Facebook. Zwar will sich Ullmann nicht zum „Märtyrer“ für die Sache der LGBTQI*-Segnungen machen lassen, aber der Fall sorgt innerhalb der römisch-katholischen Kirche natürlich für Aufregung. Auf der Kölner Domplatte soll es demnächst zu einer Segnung aus Protest kommen.
Queere Segensfeiern: Sanktionen auch für bayerische Priester? – Andrea Neumeier, Irene Esmann (BR24)
Wie unterschiedlich der Umgang mit Priestern in den deutschen (Erz-)Bistümern ist, die Segnungen von Menschen durchführen, die dem Katechismus ihrer Kirche nach nicht segenswürdig leben, zeigt dieser Artikel von Andrea Neumeier und Irene Esmann beim Bayerischen Rundfunk. Sogar im Bistum des sehr konservativen Bischofs Stefan Oster (Passau) wird gesegnet. Weitere „Abmahnungen“ außer der Kölner gegenüber Ullmann sind bisher nicht bekannt. Dabei ist völlig klar, dass es bei den Segensfeiern nicht nur um eine pastorale Zuwendung zu Wiederverheirateten und LGBTQI* geht, sondern um (kirchen-)politische Statements.
The Church Owes Sinead O’Connor Its Gratitude and An Apology – John Pavlovitz (John Pavlovitz, englisch)
Sinead O’Connor ist vor wenigen Tagen im Alter von 56 Jahren verstorben. Ein richtiger Gamechanger im Umgang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche stellte ihre Protestaktion in der US-Sendung „Saturday Night Live“ von 1992 dar. „Anti-Trump-Pastor“ John Pavlovitz interpretiert O’Connors Auftritt als prophetische Intervention und fordert von der Kirche, sie solle sich post mortem bei O’Connor entschuldigen.
In the decades since O’Connor’s courageous protest, the Catholic and Evangelical Christian Church’s vile body of work has been further unearthed; their collective crimes against children dragged into the raking light of accountability, and generations of traumatized human beings have been seen and validated because of it.
We shouldn’t underestimate Sinéad’s importance in aiding in this tragically slow bend of the arc of the moral universe toward justice. It was the beginning of a decisive if tragically slow move of justice.
Buntes
Barockaktivist und Influencer: Mit Corpus bringt ein Kreuz keine Likes – Benedikt Heider (katholisch.de)
Auf der Bild- und Videoplattform Instagram tummeln sich nicht wenige „Sinnfluencer“ und christliche Medienschaffende. Gelegentlich kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein chices Kollarhemd und ein paar Tanzbewegungen der Protagonist:innen über die Ideenlosigkeit der digitalen Verkündigung hinwegtäuschen sollen. Vielleicht hilft ja ein Griff in den Traditionenschatz der Kirchen? Benedikt Heider porträtiert den „Barockaktivisten“ Constantin Pelka, der mit seinem Instagram-Kanal @baroqueblockbuster auf eigene Art Bilder von Kirche(n) verbreitet.
Rund 20 Prozent seiner Leserinnen und Leser im Internet kommen aus Deutschland, 30 Prozent aus Amerika und viele aus dem spanischsprachigen Raum. Mit seinen Ausflügen durch die glänzend-schillernde Welt voller Putten und Vorhänge erreicht er vor allem 25- bis 35-Jährige. Nicht alle sind religiös. Nach einer Pride-Aktion habe er mal ziemlich viele Religiöse verloren, erinnert er sich. „Regenbögen wollen die Frommen wohl nur sehen, wenn Jesus drauf sitzt“, sagt Pelka und wundert sich über Engstirnigkeit und fundamentalistische Hybris.
Doch das Internet hat seine eigenen Dynamiken. „Ein Kreuz mit Corpus bringt keine Likes, aber Mariendarstellungen gefallen den Usern“, analysiert er und fügt hinzu: „Mutti geht immer!“. Marienbilder gehören zu den beliebtesten Motiven seines Accounts. Religion und Glaube sind ihm wichtig, er nimmt sie aber nicht ernster als notwendig. Das gilt auch für kunsthistorische Fakten und Hintergründe, die er geschickt und mit Witz in seine Erzählungen einfließen lässt. In seinem Hobby verbindet er produktiv seine Spiritualität und seine kunsthistorische Kenntnis.
Kirche 2060 – Ist der Schwund der Mitglieder beeinflussbar? – Interview mit Fabian Peters (arbeit + besinnung, ELKWUE)
Die Freiburger Studie von 2019 (Factsheet) hat für die beiden großen Kirchen in Deutschland eine Projektion darüber vorgestellt, wie sich Kirchenmitgliedschaftszahlen und Kirchensteueraufkommen in den Jahren bis 2060 entwickeln werden. Die Ergebnisse der Studie laufen zwar stetig in die kirchlichen Reformbemühungen ein, sind aber flächendeckend vielleicht doch noch nicht verstanden worden. Darum befragte Pfarrerin Pamela Barke für arbeit + besinnung Fabian Peters, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Erstellung der Studie beteiligt war und inzwischen in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (ELKWUE) tätig ist.
Tatsache Taliban – Julian Busch (Internationale Politik)
„Wenn mit internationaler Hilfeleistung das repressive Regime in Afghanistan gestützt wird, ist das ein echtes Dilemma“, erklärt Julian Busch, freier Journalist u.a. für die NZZ und DIE ZEIT in Afghanistan, im Magazin Internationale Politik. Warum ein Rückzug aus dem Land trotz neuerlicher Einschränkungen insbesondere für weibliche Mitarbeiterinnen für für die Vereinten Nationen nicht infrage kommt, erklärt er ausführlich.
Dabei verschärft sich die Situation im Land immer weiter. Laut Angaben der Vereinten Nationen könnten in diesem Jahr mehr als 28 Millionen Afghaninnen und Afghanen auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Im Vergleich: 2020 waren es knapp zehn Millionen. Schon jetzt hat sich die Zahl der Kinder, die an Kabuls Straßenkreuzungen um ein wenig Essen oder Geld betteln, vervielfacht. Armut und Hunger sind mehr denn je zur Normalität geworden. Es fehlt an allem: Strom, Lebensmitteln und Medikamenten. Vermutlich würde kein Krankenhaus des Landes auch nur einen Tag ohne westliche Hilfe überstehen.
Kreuzzug von rechts – Liane Bednarz (Chrismon)
„Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, gibt sich als frommer Katholik – und verachtet das christliche Verständnis von Menschenrechten und Nächstenliebe“, erklärt die konservative Publizistin Liane Bednarz in einem Beitrag für das evangelische Magazin Chrismon. Bednarz befasst sich seit vielen Jahren mit rechten Christ:innen und beleuchtet in ihrem Porträt, wie Christ:innen die Positionierung des AfD-Funktionärs, der als Spitzenkandidat seiner Partei in den Wahlkampf zum EU-Parlament zieht, einordnen sollten. Krahs katholische Wurzeln kommen ausführlich zur Sprache, seine ideologische Tätigkeit demgegenüber ein wenig zu kurz. Von der sensationalistischen Berichterstattung über seine Person, wie sie rund um seine Nominierung reichlich stattfand, hebt sich Bednarz‘ Text aber wohltuend ab.
In dem Youtube-Video wünscht sich Höcke einen Glauben, „der das Heilige des Christentums mit dem Heldentum aus dem Heidentum vereint“, Krah widerspricht nicht. Und als Höcke das gegenwärtige Christentum der „Autoaggressivität“ und „Selbstaufgabe“ bezichtigt, fragt Krah affirmativ: „Wo kommt der Schuldkult her?“ Der angebliche „Schuldkult“ der Deutschen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist eine zentrale wie abwegige Vorstellung der rechten Szene.
Zwar sagt Maximilian Krah auch, er wolle nicht von seinem Katholizismus lassen, sondern lieber „ganz katholisch“ den „Widerspruch“ in sich selbst „genießen“. Doch indem er zentrale Elemente des christlichen Glaubens kritisiert, nämlich die Demut und den Universalismus, reduziert er das Christentum nur noch auf die Funktion eines rechten Identitätsmarkers.
Theologie
The Pope, the Curia, & the Theologians – Massimo Faggioli (Commonweal Magazine, englisch)
Massimo Faggioli unternimmt es im US-amerikanischen Commonweal-Magazin, dem Mit- und Gegeneinander von Papst Franziskus und der Theologie Sinn abzuringen. Seinen Dreh- und Angelpunkt hat Faggiolis Analyse im Fall des Brixer Moraltheologen Martin Lintner, dem das vatikanische nihil obstat zur Dekanswahl seiner Hochschule verweigert wurde (s. #LaTdH vom 9. Juli). Nun will zumindest eines der an der Entscheidung beteiligten Dikasterien (vatikanisches Ministerium) die Entscheidung nochmals prüfen. Faggioli entwickelt anhand des Beispiels ein Panorama der auseinander strebenden und gegeneinander wirkenden Kräfte in Vatikan und römisch-katholischer Kirche.
One thing that hasn’t changed is that often Francis governs etsi Curia non daretur — as if the Curia did not exist. One of the features of this pontificate is Francis’s wish to demonstrate that he can do without the typical government structures. But they continue to operate. This creates risk for the theologians who want to help Francis, as in the case of Martin Lintner.
On the other hand, Francis also likes to show how distant he is from academic theology. Most recently there were these remarks, in an August 4 interview with Vida Nueva. “There are people who live trapped in a theology manual, unable to get into the issues and move theology forward,” the pope said. […] Francis’s discourse on ecclesial renewal takes place largely without the involvement of theologians, and in particular women theologians. This gives some Curia dicasteries reason to behave, in cases like this, etsi Franciscus non daretur. The Vatican thus has two parallel tracks that don’t cross.
Papst Franziskus‘ Verzicht auf explizit theologische Expertise jenseits von Weiheämtern und Orden steht im starken Kontrast zum Synodalen Weg in Deutschland, auf dem Universitätstheolog:innen als Teilnehmer:innen und Berater:innen wichtige Stimmen waren. Franziskus‘ Abneigung gegenüber dem Synodalen Weg hat sicher auch darin eine Wurzel.
Widerstand und Ergebung: Sich von Dietrich Bonhoeffer inspirieren lassen – Antje Schrupp (Gott und Co., Publik-Forum)
Über Dietrich Bonhoeffers „Widerstand und Ergebung“ im Kontext gegenwärtiger Krisen schreibt Antje Schrupp auf ihrem eigenen Blog. Der Beitrag ist ursprünglich in der Publik-Forum erschienen. Können Bonhoeffers Typisierungen uns heute weiterhelfen oder sind sie allein ein Eliten-Projekt?
Es ist kein Zufall, dass heute diejenigen politischen Bewegungen, die am meisten bewirken, die am ehesten Anlass zu Hoffnung geben, von den Menschengruppen getragen werden, die zu den ehemals Marginalisierten gehören und gerade nicht, wie Bonhoeffer dachte, von „den Starken“: Die Black Lives Matter-Proteste in den USA gehen von Schwarzen und andere People of Color aus, die Proteste gegen das Mullah-Regime in Iran von Frauen, die Aktionen gegen das Verschleppen der Klimakrise von Jugendlichen.
Ein guter Satz
„Tatenloses Abwarten und stumpfes Zuschauen sind keine christlichen Haltungen.“
– Dietrich Bonhoeffer