Bild: GEP

Wo geht Jana hin?

Über das Frauenbild des EKD-YouTube-Kanals „Jana“ wird heftig gestritten. Wie wird es mit „Jana“ weitergehen, wenn Ende April die Finanzierung ausläuft? Was kann die Kirche auf YouTube reißen?

Nachdem es zum Start des EKD-YouTube-Kanals „Jana“ ordentlich Kritik gehagelt hatte (s. #LaTdH vom 29. April 2018 & 15. April 2018), war es in den letzten Monaten publizistisch recht still um das Projekt geworden. Bis die Pfarrerin und Christ & Welt-Kolumnistin Hanna Jacobs (@hannagelb) bei „Jana“ zu Gast war. Seitdem wird in der Kirchenbubble über das antiquierte Frauenbild diskutiert, das die offizielle EKD-Influencerin kommuniziert.

„Jana“ – Eine Freikirchlerin vloggt für die EKD

Die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej), das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (gep) und die Medienagentur mediakraft produzieren gemeinsam den YouTube-Kanal „Jana“. Dort spricht Jana Highholder, eine Medizinstudentin und Poetry-Slammerin, über ihren Alltag und ihren (evangelikalen) Glauben. Highholder stammt aus einer Freikirche und wurde den Kooperationspartnern von mediakraft vorgeschlagen.

Jacobs hat sich nach ihrem „Jana“-Auftritt u.a. mit den Macherinnen des Wortkollektiv-Podcasts unterhalten. Deutlich zu hören ist im Podcast das „Augenrollen“ der Diskutantinnen über eine Generationengenossin, die so ganz anders tickt. Diskutiert werden nun: die Legitimität unterschiedlicher Frauenbilder in der evangelischen Kirche, Stil und Form der Auseinandersetzung mit anderen Frömmigkeiten und die Frage, ob der einzige offizielle EKD-Youtube-Kanal für Jugendliche ausgerechnet ein konservativ-evangelikales Programm zeigen muss.

Befeuert durch einen Christ & Welt-Artikel vom vergangenen Wochenende (online für angemeldete Nutzer*innen), in dem neben Jacobs vier weitere gestandene Erwachsene den Fall kommentieren, wird die Debatte nun so geführt, als ob an „Jana“ das Schicksal der Frauen im Protestantismus hängt, inkl. Diskussionen über die Auslegung von Epheser 5, 22 und die Arbeit des gep. Da geht dann schon viel durcheinander.

Mehr Vertrauen in die Zielgruppe bitte!

Von den Christ & Welt-Kommentator*innen ist allein Erik Flügge (@erik_fluegge) so ehrlich zuzugeben, dass er „Jana“ gar nicht schaut. Er hat sich, weil ihn „Jana“ nervt, auf das Einführungsvideo zum Kanal beschränkt. Sein gutes Recht! „Jana“ richtet sich in Form und Inhalt an Jugendliche. Damit ist allerdings mehr und anderes gesagt als nur etwas zur Ästhetik, wie Flügge in seiner unwiderstehlichen Werberlogik meint.

Ich habe einen nicht unwesentlichen Teil meiner Jugend mit Evangelikalen zugebracht. In meiner Jungen Gemeinde gab es nämlich beides: Leute wie mich und Jugendliche, die sich zu evangelikaler Verkündigung hingezogen fühlten. Ich bin auf fromme Jugendcamps mitgefahren. Dort standen eher andere – privatere – Fragen im Vordergrund als die Bekehrung zu einem evangelikalen Lifestyle, auch wenn es die Veranstalter redlich versuchten. Wir waren mal auf einem ProChrist-Video-Abend in der benachbarten Brüdergemeinde. So richtig mit Ulrich Parzany über Satellit.

Ich bin nicht der Einzige, bei dem die evangelikale Verkündigung spektakulär gescheitert ist. Ja, vielleicht sogar das Gegenteil des Erwünschten bewirkte. Wo ist eigentlich die anziehende Souveränität der Liberalen gegenüber Positionen geblieben, die sich überlebt haben und nur noch von einer kleinen Minderheit vertreten werden?

Wir Jugendlichen von damals sind heute knapp über 30 und typische Millennials. Mir ist nicht bekannt, dass irgendwer seine Frau oder Freundin knechtet, noch das irgendeine der großartigen jungen Frauen aus unserem Kreis sich das gefallen lassen würde. Wohl leben wir durchaus unterschiedliche Familienmodelle.

Viele haben inzwischen Kinder. Geheiratet haben auch ein paar, meist als der Nachwuchs schon laufen lernte. Was wir geworden sind, haben wir neben der Schule und unseren Elternhäusern zu einem guten Teil auch der Evangelischen Jugend zu verdanken. Manche immerhin ihre*n Lebenspartner*in. Ich weiß nicht, ob da ein einzelner YouTube-Kanal mithalten kann?

Wenn so engagiert über richtige bzw. falsche Verkündigung diskutiert wird, hilft ein einordnender Blick darauf, was (evangelikale) Verkündigung im Durchschnitt so erreicht. Und es kann bei allen Debatten über evangelische Frauenbilder, Feminismus und Theologie nicht schaden, sich der ureigenen Kompetenz des Publikums zu erinnern: Das glaubt Jana nicht blind und häufig auch nicht unwidersprochen.

Überall Widersprüche

„Jana“ fordert digitalaffine und liberale Christ*innen wie mich heraus. Vielleicht gerade, weil wir nicht (mehr) zur Zielgruppe gehören. Manche*r hat sich vielleicht gar von der evangelikalen Moral in den vergangenen Jahren selbst emanzipieren müssen. Die Liste der Selbstwidersprüche ist jedenfalls lang:

Beim Start des Kanals wurde die mangelnde Authentizität des Formats kritisiert, nun ist Jana Highholder als Freikirchlerin auf einmal zu sehr sie selbst.

Die #digitaleKirche lobt jedes noch so kleine Pflänzchen, das von Haupt- und Ehrenamtlichen der Kirche ins Netz gepflanzt wird. Man rühmt sich auch der Beteiligung des Kirchenvolks jenseits der Kirchenhierarchie. Manche formulieren eine Citizen Theology, die sich digitaler Arbeitsinstrumente bedient.

Nur ausgerechnet bei „Jana“ kicken bei manchen alte Amtskirchen-Reflexe rein: Was qualifiziert die junge Frau eigentlich theologisch? Braucht es eine „theologische Grundausbildung“ für Kirchen-Influencer? Sollte man das Geschäft nicht besser Pfarrer*innen überlassen? Wir könnten die Evangelische Jugend, den Kirchentag und manchen guten Ort mehr noch zusperren, wenn Glaubenskommunikation an Bildungsnachweise und Vollmachten gebunden wäre. Warum sollte das im Netz nicht auch gelten?

Weil es sich bei „Jana“ um den offiziellen EKD-Kanal handelt? Die Digitalaffinen treiben die Kirche seit Jahren an, sich auch in den Medien zu tummeln, die Jugendliche heute nutzen, nur um dann den ganz sicher nicht fehlerfreien Erstversuch eines offiziellen Jugendkanals als Außenstelle des Presseamtes der EKD misszuverstehen.

Kirche kann sich im Netz nur so darstellen, wie sie analog schon ist. Kann es sein, dass einige Kritiker*innen deshalb besonders entsetzt sind, weil diese Art des öffentlichen Glaubens sie in ihrer Eitelkeit kränkt: „Wie, die gehören auch dazu!?“ und „Was sollen nur die Leute denken?!“. Jana Highholder mag eine Fehlbesetzung sein, aber der Posten der EKD-Pressesprecher*in wurde auch nie ausgeschrieben!

Schwierig ist in diesem Kontext nicht der Alleinvertretungsanspruch, den die Kritiker*innen Highholder antragen, sondern dass ihr Kanal der einzige offizielle EKD-Jugendkanal ist. Das sieht man auch bei der aej so: „Jana“ sei ein erster Versuch gewesen, aus dem man viel gelernt habe. Zum Beispiel, dass die Vielfalt innerhalb der Evangelischen Jugend nach mehreren Kanälen verlangt, die diese auch wiederspiegeln.

Wie geht es weiter?

Ende April läuft das Projekt erst einmal planmäßig aus. Der Rat der EKD wird beraten, ob „Jana“ weiterfinanziert wird. Die aej wünscht sich weitere Kanäle, die verschiedene Aspekte jugendlichen Christseins vorstellen und andere Zielgruppen erreichen. Daran will sie sich gerne beteiligen. Wenn es allein bei „Jana“ bliebe, besteht an einer weiteren Mitarbeit bei der aej kein Interesse. Dann bliebe allein das gep übrig. Ohne die inhaltliche Verknüpfung mit zielgruppenkompetenten Akteur*innen aus der Kirche aber wird jeder Kanal zur PR-Maßnahme – und braucht’s das?

Der Rat hat bei seiner Entscheidung neben der inhaltlichen Perspektive auch zu entscheiden, ob sich der Mitteleinsatz gelohnt hat und gar eine Erhöhung für weitere Kanäle rechtfertigt. Dafür spricht durchaus der Erfolg des Angebots, wenn man einmal von den reinen Klickzahlen absieht.

Von mediakraft wurde der Kirche für das erste Jahr eine Abonnentenzahl von 10 000 prognostiziert, inzwischen hat der Kanal 12 000 Abonnent*innen. Außerdem provozieren die Videos Reaktionen von Nutzer*innen in einer Zahl und Qualität, die mit anderen kirchlichen Medienangeboten wie dem „Wort zum Sonntag“ mithalten können. Allein, das „Jana“-Publikum ist deutlich jünger als „Wort zum Sonntag“-Zuschauer*innen und Christ & Welt-Leser*innen, wie Auswertungen zeigen.

Ein ähnlicher Erfolg ist weiteren EKD-YouTube-Kanälen durchaus zuzutrauen – auch solchen mit einer deutlich progressiven Ausrichtung. Dafür gibt es in der EKD und in der Evangelischen Jugend genug Ansprechpartner*innen, wenn der Rat den Weg beim Geld frei macht.