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Erzkatholischer Linksrutsch? – Die #LaTdH vom 3. Oktober

Der Synodale Weg der römisch-katholischen Kirche traf sich zum zweiten Mal in Frankfurt (Main). Außerdem: Betroffenenperspektiven, DITIB-Sorgen und Wahl-Rekapitulation.

Herzlich Willkommen!

Was für Horror-Szenarien wurden im Wahlkampf an die Wand gemalt! „Erzkatholische Laschet-Vertraute, für die Sex vor der Ehe ein Tabu ist“, stünden (getarnt als Matrjoschka-Puppen) kurz vor Errichtung einer Theokratie wie in Margaret Atwoods fundamentalistischer Dystopie „The Handmaid’s Tale“ – auf der anderen Seite wurde dem amtierenden Vizekanzler Olaf Scholz unterstellt, er bereite heimlich eine rot-grün-rote Volksfront-Regierung vor, mit der Deutschland ein „Linksrutsch nach der Bundestagswahl“ drohe. Statt dessen sind es Grüne und FDP, die ikonische Selfies von ihren Vorsondierungen veröffentlichen …

Ähnlich verzerrt erscheint auch manche Wahrnehmung des Synodalen Weges: Während die einen ernsthaft glauben, durch angebliche „Gespräche auf Augenhöhe“ zwischen Bischöfen und ausgewählten Laien jahrzehntelang verweigerte Kirchenreform-Forderungen umsetzen zu können, warnt eine lautstarke Minderheit im Panik-Modus, der sexuelle Missbrauch könne „zum Versuch der Umgestaltung der katholischen Kirche nach dem Vorbild evangelischer Kirchenordnungen“ instrumentalisiert werden. „Wir üben die Synodalität ein, die der Papst als konstitutiv für die Kirche bezeichnet“, so die Bilanz von ZdK-Präsident Thomas Sternberg.

Eine g’scheite Anarchie braucht einen starken Anarchen,
meint Ihr Thomas Wystrach


Debatte

Die Corona-bedingt um ein Jahr verschobene zweite Etappe des Synodalen Weges (@DerSynodaleWeg) der römisch-katholischen Kirche in Deutschland ist am Samstagnachmittag zu Ende gegangen. Weil die Zeit zu knapp wurde und am Ende die Beschlussfähigkeit der Synodalversammlung nicht mehr gegeben war, konnten nicht alle Texte bearbeitet werden.

Neben zwei Texten des Präsidiums wurden zwölf von 16 Texten diskutiert und „in erster Lesung“ abgestimmt, um sie in den einzelnen Synodalforen fortzuschreiben. Geplant ist, im Frühjahr 2023 eine weitere, fünfte Synodalversammlung zum Abschluss aller Beratungen durchzuführen.

Lesenswert sind außerdem das Statement der Mitglieder des Betroffenenbeirates bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), vorgetragen u.a. von Johanna Beck (@MmeSurvivante), sowie die „Überlegungen eines Beobachters aus der Schweiz“, Daniel Kosch (@Lk1616), dem Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz.

Nicht beschlussfähig: Zweite Etappe des „Synodalen Wegs“ endet im Eklat – Daniel Deckers (FAZ)

Da „weit mehr als eine Stunde vor dem Ende der Beratungszeit“ so viele Mitglieder, darunter die Kardinäle Marx und Woelki, abgereist seien, dass man nicht mehr beschlussfähig war, sieht Daniel Deckers die Synodalversammlung „mit einem Eklat“ geendet. Wenig überraschend, so sein Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (@faznet):

Schon zuvor war die mit annähernd zwanzig Orientierungs-, Grundlagen- und Handlungstexten völlig überfrachtete Tagesordnung aus dem Takt geraten. Trotz der Beschränkung der Redezeit auf eine Minute wurden mehrere Texte gar nicht behandelt. Andere waren seit Donnerstagnachmittag nach einer zumeist nur summarischen Würdigung von Änderungsanträgen nach „erster Lesung“ an die Gruppen zurückverwiesen worden, die die Entwürfe erstellt hatten.

Entsolidarisiert euch! – Daniela Ordowski (taz)

Unmittelbar vor der Synodalversammlung hat die Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB), Daniela Ordowski (@DanielaOrdowski), in der taz (@tazgezwitscher) darauf hingewiesen, dass sie aus den „Ereignissen der letzten Wochen“ gelernt habe, dass man „nicht auf Rom warten“ dürfe, wenn „echte Reformen“ umgesetzt werden sollen:

Noch bin ich unsicher, ob es sich lohnt, auf die Bischöfe zu warten, dass sie mutiger werden und nicht nur von Erschütterung und Unterbrechung sprechen, sondern sie in konstruktive und authentische Reformen umwandeln. Und zuletzt bleibt die Frage, wie weit wir gehen müssen, um die katholische Kirche zu erneuern, um unserem Glauben und unseren Werten treu zu bleiben.

Auf dem Laienauge blind – Felix Neumann (katholisch.de)

Die Vorschläge des Synodalforums I („Macht und Gewaltenteilung“) sind weitreichend und hegen die Macht des Bischofs ein, so sehr es nur geht – aber an die eigenen Posten trauen sich die Laienvertreter:innen nicht heran, so Felix Neumann (@fxneumann) in seinem Standpunkt auf @katholisch_de.

Ein nicht nur frei, gleich und geheim, sondern auch unmittelbar und allgemein gewähltes synodales Gremium wird streitiger agieren. Konflikte müssen offen in der Synodenaula ausgetragen werden. Konsense müssen härter errungen werden, Kompromisse werden schmerzhafter sein. (…)

Wenn es die Mitglieder der Synodalversammlung selbstkritisch ernst nehmen wollen, dass auch bei ihnen Macht ist, die eingehegt werden kann, täten sie gut daran, auch an den eigenen Stühlen zu sägen, und das ganze Volk Gottes angemessen in synodalen Räten zu beteiligen – allgemein, unmittelbar, frei, gleich, geheim.

An gleicher Stelle hat auch Stefan Orth (@StefanOrthHK), stellvertretender Chefredakteur der Herder Korrespondenz (@HK_Aktuell), dazu geraten, die Frontlinien nicht einfach zwischen Reformern und Bewahrern der bisherigen Ordnung zu sehen. Die „ätzende Polemik“ des Bonner Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke in seinem aktuellen Buch „Die Täuschung“ (vgl. die Rezension von Franz-Xaver Kaufmann und das Interview mit dem Autor hier in der Eule), den Laien werde auf dem Synodalen Weg etwas „vorgegaukelt“, während anschließend alles beim Alten bleibe, lege den Finger in die Wunde:

Von hier her kommt der eigentliche Druck. Der Synodale Weg wird am Ende daran gemessen werden, ob es angesichts der Missstände zu hinreichend Mitsprache, Partizipation und Mitbestimmung kommt.

nachgefasst

Die Wahrheit ist ein Gummiband – Christiane Florin (Weiberaufstand)

Die römisch-katholische Kirche beansprucht, „die Wahrheit“ zu besitzen. Tatsächlich wird oft ein taktisches Verhältnis zur Wahrheit sichtbar, stellt Christiane Florin (@ChristianeFlori) in ihrer Nachbetrachtung der jüngsten Personalentscheidungen von Papst Franziskus fest. Aufrichtig zu sagen, wie es wirklich war, sei mutmaßlich nur eine Option unter vielen, keineswegs die erste oder wichtigste. Für Journalist:innen, die gründlich recherchiert haben, stellen sich hingegen Fragen an alle, die in diesem System mitgemacht haben:

Was wussten sie? Hätten nicht auch jene Würdenträger eine ethische Hilfspflicht gehabt, die zwar keine Personalverantwortung hatten, aber viel gewusst haben müssen? Wo blieb ihr Einsatz für die „Geringsten“, zu dem Katholikinnen und Katholiken laut Selbstverständnis der Kirche aufgerufen sind?

„Dann hört doch einfach auf, Bischöfe zu sein!“ – Jörg Seiler (Theologie Aktuell)

Auf dem Hintergrund seiner Forschungen zum „Authentizitätsüberschuss“, der Problematik der Vermischung individueller und institutioneller Ebenen im Papst- und Bischofsamt, kommentiert Jörg Seiler im Blog der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt (@KThF_Erfurt), wie die Ablehnung des Rücktrittsgesuchs von Erzbischof Heße begründet wurde. Der Kirchenhistoriker verweist dabei auf gewaltaffine Zusammenhänge spiritueller Entscheidungsbegründungen:

Spiritualität kann auch machtvoll sein. Doch dann erweist sie ihre Macht in der Ohnmacht – das wissen wir doch seit Paulus, sofern uns das Kreuz selbst nicht mehr berühren sollte. Tag für Tag für Tag für Tag wird hierüber gepredigt und reflektiert. Ohnmacht wäre jene Haltung, all den Opfern, den Missbrauchten und Schmerzgezeichneten ein wenig Raum zum Leben offenzuhalten.

Also konkret: Radikal lernen, auf eigenmächtiges Verstehen, auf Deutungshoheit und Selbst-Herrschaft/-Herrlichkeit zu verzichten und aktiv sich selbst und sein / ihr Agieren von der / dem Anderen her zu verstehen. Also konkret: eigene Entscheidungshoheit zugunsten der zu Opfern Gemachten abgeben.

In seinem „Offenem Brief an die Bischöfe im deutschsprachigen Raum“ kritisiert der Wiener Fundamentaltheologe Wolfgang Treitler (@TreitlWolfgang), der selbst als Schüler eines römisch-katholischen Gymnasiums Opfer sexuellen Missbrauchs durch einen Lehrer wurde, den phrasenhaften Wunsch von Papst Franziskus, der Hamburger Erzbischof Heße möge seinen Dienst „im Geist der Versöhnung“ fortsetzen:

Nicht die Säkularisierung, sondern das Übermaß an unglaubwürdigen Floskeln, das regelmäßig über die Gläubigen ergossen wird, lässt mittlerweile die katholische Kirche implodieren. Dieses Übermaß schützt die Falschen und bedrückt die, die ihnen noch ausgeliefert sind.

Angesichts der Verbrechen und der bischöflichen Kollaboration mit den Tätern, deren Gewalt gefördert, gedeckt und legitimiert wurde, sei eine „ungeschützte, aufrichtige, rückhaltlose Exponierung“ nötig. Wenn diese Umkehr nicht gelinge, sei die Gegenwart der Kirche zumindest in Europa aussichtslos und ihre Zukunft nichtig:

Als Klerikerverband, der sich wie die Piusbrüder durch ein paar Geldgeber weiter finanzieren lässt, wird sie in Bedeutungslosigkeit versinken. Wie weit man es gebracht haben wird, wird daran kenntlich sein, dass um ihr Verschwinden in der Form, wie sich das heute darstellt, (fast) niemand mehr trauern wird.

Eine Berührung, der man sich nicht entziehen darf – Sophia Fritz (FAZ)

Der verbreitete Eindruck, Sexualität werde in der römisch-katholischen Kirche als „Tabu“ behandelt, sei irreführend, so Sophia Fritz in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Geistliche müssten in der Öffentlichkeit immer wieder Stellung beziehen, etwa zur Bewertung von Homosexualität, Sex vor der Ehe oder dem Zölibat. Nicht Sexualität werde tabuisiert, sondern ein Konzept, das heute im Zentrum aufgeklärter Diskussion stehe, mit der Kirchenlehre aber unvereinbar sei: Einvernehmlichkeit.

Der Verdacht, die kirchliche Übertonung von Idealen wie „Demut“ oder „Hingabe“ könnte den Selbstschutz vor Übergriffen schwächen, kann für den Status quo gefährlich werden: Wer den Fokus in der Missbrauchsdebatte auf Konsensualität richtet, stellt Machtstrukturen infrage, auf die sich die Kirche stützt. Statt den Opferstatus Jesu zu „glorifizieren und ästhetisieren“, solle die „stärkere Botschaft des Christentums“, der Auferstandene, in den Mittelpunkt von Theologie und Liturgie rücken:

Die evangelische und die katholische Kirche zählen zu den größten Arbeitgebern Deutschlands. Ihre Angebote — von Kindertagesstätten bis zu Pflegeheimen — tragen einen beachtlichen Teil zur Erziehung, Bildung und Versorgung von Generationen bei. In ihrer gesellschaftlichen Verantwortung muss die Kirche eine neue Konsenskultur entwickeln, eine Mündigkeit der Gläubigen, eine Selbstwirksamkeit unabhängig von Gottesfürchtigkeit. Ein Recht auf eigene Grenzen, ganz gleich, ob sie christlichen Ansprüchen genügen oder nicht.

Aufarbeitung auf Augenhöhe – Renate Bühn, Kerstin Claus, Karl Haucke, Angela Marquardt (FAZ)

Bisher würden Betroffene von sexueller Gewalt vor allem „be-forscht“. Sie besser in wissenschaftliche Diskussionsprozesse wie auch in die inhaltliche Forschung selbst einzubeziehen, sollte künftig selbstverständlich sein, fordern vier Mitglieder des 2015 berufenen Betroffenenrates des Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (@ubskm_de) in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:

Betroffene an Aufarbeitung, Forschung und politischen Prozessen zu beteiligen, ist ein Wert an sich. Unsere Beteiligung ist ein Schlüssel, um die Machtstrukturen und Systeme, die sexualisierte Gewalt möglich machen, besser zu identifizieren. Durch unser Wissen können künftig in allen relevanten Gesellschaftsbereichen Handlungskompetenzen verankert werden, die Kinder und Jugendliche besser schützen.

Grundpfeiler für eine gelingende Partizipation Betroffener auf politischer wie institutioneller Ebene sind: Augenhöhe, Unabhängigkeit, Transparenz, angemessene Honorierung und ein klares Mandat. Diesen Forderungen nachzukommen sollte eine selbstverständliche Pflicht für unsere Gesellschaft sein.

Bunte (Republik Deutschland)

Der Bundeswahlleiter (@Wahlleiter_Bund) hat die Namen aller am letzten Sonntag über Wahlkreise und Landeslisten gewählten Abgeordneten des 20. Deutschen Bundestages veröffentlicht. Das Parlament der Bundesrepublik Deutschland ist so vielfältig zusammengesetzt wie nie zuvor.

In einem ersten Nach-Wahl-Kommentar hier in der Eule hat Philipp Greifenstein (@rockToamna) darauf hingewiesen, dass sich mit Blick auf Ostdeutschland und die Diversifizierung der Gesellschaft auch Fragen nach der Zukunft unserer Demokratie stellen.

Zum ersten Mal sitzen zwei trans Politikerinnen im Bundestag sowie mehr Frauen, Jüngere und Menschen mit Migrationsgeschichte. Jennifer Lichnau (@JLichnau) stellt in ihrem Beitrag für das ZEIT-Ressort „ze.tt“ (@Zett) neun Abgeordnete der neuen Legislaturperiode und ihre Pläne vor, u.a. die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor (@LamyaKaddor), Mitgründerin des Liberal-Islamischen Bundes (@LIB_eV).

Interviews zum Verhältnis von Politik und Kirche und den Auswirkungen der Bundestagswahl mit dem Politologen Ulrich Willems vom Exzellenzcluster „Religion und Politik“ (@religionpolitik) der Universität Münster und dem Meinungsforscher Thomas Petersen waren am Montag in der Sendung „Tag für Tag“ im Deutschlandfunk zu hören.

Warum eine Ampelkoalition eine Herausforderung für die Kirchen wäre – Steffen Zimmermann (katholisch.de)

Noch ist unklar, von welcher Bundesregierung Deutschland künftig regiert wird, eine Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP scheint jedoch die wahrscheinlichste Option zu sein. Steffen Zimmermann analysiert, welche Konsequenzen ein solches Bündnis für die Kirchen und ihre Interessen hätte.

Ungemütliche Zeiten für Christen? – Andreas Püttmann (Domradio)

Deutschland hat gewählt, mit einem Ergebnis, dass sich christlich-konservative Wählergruppen sicher anders gewünscht hätten. Dabei hätte es so einfach sein können, hätte die Union im Wahlkampf nicht viele Fehler gemacht, so der Publizist Andreas Püttmann (@Puettmann_Bonn) in seinem Gastkommentar für das @domradio:

Aus christlicher Sicht drohten mit einer links-liberalen Ampel-Koalition ungemütlichere Zeiten, sowohl in Fragen des Lebensschutzes, der Bioethik und Familienformen-Politik als auch hinsichtlich kirchlicher Eigenbelange wie der Staatsleistungen, des kirchlichen Arbeitsrechts oder der Karfreitagsruhe. Aber auch die Union verlor in ihrem Wahlprogramm kein Wort mehr über den Schutz ungeborenen Lebens und zeigte sich zuletzt in Bayern für eine (wenn auch vorsichtige) Lockerung des Sonntagsschutzes offen.

Stillstand oder Neuanfang für den Moscheeverband Ditib? – Luise Sammann (Deutschlandfunk)

Nachdem sich 2017 herausgestellt hatte, dass Imame des Dachverbands der türkischen Moscheegemeinden (@DITIBkoln) Listen mit Anhängern des Predigers Fethullah Gülen erstellt und nach Ankara weitergeleitet hatten, entschied die damals noch rot-grüne Landesregierung, die Mitwirkung der DITIB bei der Gestaltung des Islamischen Religionsunterrichts in Nordrhein-Westfalen auszusetzen.

Zwar kündigte der Verband einen Neuanfang an, doch bis heute bleiben Fragen, die auch nach mehrfachem Nachhaken von den Verantwortlichen in Köln nicht beantwortet werden, wie Luise Sammann vom Deutschlandfunk feststellt. So lasse sich die immer wieder öffentlich gestellte Forderung der DITIB, man müsse mehr mit und weniger über sie sprechen, nicht einlösen – ein Umstand, der nicht zuletzt auf die knapp 1 000 lokalen Gemeinden des Moscheeverbands zurückfällt:

Das zu ändern, dem Bild der Ditib in der deutschen Öffentlichkeit ein positives entgegenzusetzen, das läge auch und vor allem in den Händen des Dachverbandes in Köln. Dort allerdings scheinen die Prioritäten anders gesetzt: Erst im April dieses Jahres reiste der Ditib-Vorstandvorsitzende mit Vertretern anderer Moscheeverbände zu einem Besuch bei Präsident Erdogan, traf dort den Verteidigungsminister und den Vorsitzenden der rechtsextremen Regierungspartei MHP, der regelmäßig offen gegen Armenier und Juden hetzt.

Theologie

Die Neuerfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert – Oliver Wintzek (feinschwarz.net)

Wo sich das römisch-katholische Lehramt als Hüterin ewiger Wahrheiten inszeniert, folgt es in Wirklichkeit signifikanten Neuerungen. Im Theologischen Feuilleton @feinschwarz_net analysiert der Mainzer Fundamentaltheologe Oliver Wintzek die zentrale Säulen der Diskursverweigerung und Außenabgrenzung dieser modernen Konzeption von Katholizismus:

Es geht um Lehramt und Offenbarung. Ersteres ist stramm antipartizipativ aufgestellt, auch wenn seine Aussagen als Konsens der gesamten kirchlichen Überlieferung gelten sollen. Letztere meint ein stramm vernunftjenseitiges Wissen ewiger Geltung, dessen die menschliche Vernunft gleichwohl bedürftig sein soll, weswegen die lehramtlich verwaltete Zuteilung ihrerseits als notwendig gilt.

Form und Inhalt bündeln sich in erratisch zirkulärer Weise in der diskursverweigernden und selbstimmunisierenden Formulierung, die Kirche habe keine Vollmacht zu … So ist sie Gefangene ihres eigenen Systems – das allerdings erst seit der Neuerfindung des Katholizismus im 19. Jahrhundert. Und das hat Konsequenzen, die sich bis in die Blockadehaltungen bei den gegenwärtigen Debatten auf dem Synodalen Weg zeigen.

Befragungs-Studie: Digitale Gottesdienste weiterhin stark gefragt – Ralf Peter Reimann (Theonet)

Auf „Theonet„, seinem Blog über Theologie, Kirche und Social Media, wirft Ralf Peter Reimann (@ralpe), Internet-Beauftragter der Evangelischen Kirche im Rheinland (@ekir_de), einige persönliche Schlaglichter auf die jüngst veröffentlichte „Studie zu Online-Gottesdiensten 2021. Update der Befragungsstudie Rezipiententypologie evangelischer Online-Gottesdienstbesucher*innen während und nach der Corona-Krise“ (ReTeOG 2). Sein Fazit:

Wenn es kein Zurück in die Vor-Corona-Zeit gibt, müssen Gemeinde und Kirche Wege finden, dass Gemeinden auf die digitalen Bedürfnisse ihrer Mitglieder eingehen. Es gibt für mich dabei keinen Gegensatz zwischen Digitalem und Analogem, sondern Gemeinden müssen sowohl analog als auch digital für ihre Mitglieder da sein.

Im Nahen Osten wird die Ökumene nervös – Katja Dorothea Buck (welt-sichten)

Evangelikale Christen fordern die angestammten Kirchen vom Irak bis Syrien heraus. Doch obwohl sie Zulauf haben, werde es in absehbarer Zeit wohl kaum Megakirchen wie in Lateinamerika oder Afrika geben, schreibt die Religionswissenschaftlerin Katja Dorothea Buck in der entwicklungspolitischen Zeitschrift welt-sichten (@weltsichten).

Predigt

Ehescheidung verboten? – Margot Runge (evangelisch.de)

Das heutige Tagesevangelium der katholischen Leseordnung (Mk 10, 2-16) enthält einen vielzitierten, ja „herausgepickten“ Vers: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ (EÜ 2016) / „Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden“ (LB 2017).

Selbstkritisch erinnert die evangelische Pfarrerin Margot Runge (mit „Jesus queer gelesen“ bereits 2019 in der Eule) in ihrer Predigt daran, dass die Kirchen mit Berufung auf diese Bibelstelle Geschiedenen jahrhundertelang (teils bis heute) das Leben schwer gemacht haben. Kann dieser Text Evangelium, frohmachende Botschaft sein? Für ein tieferes Verständnis sei es hilfreich, dass seit 2019 jetzt auch in der evangelischen Leseordnung der Predigttext um den unmittelbar folgenden Abschnitt mit der Segnung der Kinder erweitert sei:

Es geht nicht nur um die Erwachsenen, sondern auch um das Wohl der Kinder und um ihre Bedürfnisse nach Schutz, Zuwendung und Nähe. Jesus segnet sie und stellt sie in den Mittelpunkt. Erwachsene übernehmen Verantwortung füreinander und für Kinder, für Ältere, für Menschen außerhalb ihrer Beziehung.

Die Gemeinschaft von Menschen greift über ein Paar hinaus. Wenn zwei miteinander leben, strahlt das aus. Und umgekehrt wird die Beziehung reicher durch Offenheit und durch das, was von außen hineinströmen kann.

Ein guter Satz

„Der Weg entgeht beim Stehen.“

– Freud’scher Versprecher von Juliane Eckstein (@EcksteinJuliane, schon einmal hier in der Eule mit einer Exegese des vatikanischen Instruktion über die Zukunft der Pfarreien) bei der 2. Versammlung des Synodalen Weges (via @Strack_C)