Ad Limina mit Tempolimit – Die #LaTdH vom 13. November
Die deutschen katholischen Bischöfe fahren zum „Synodalitäts“-Papst Franziskus nach Rom: Was wird er entscheiden? Außerdem: Kölner Dickicht und Magdeburger Beschlüsse.
Herzlich Willkommen!
In der heutigen Ausgabe geht es mal wieder um „Synodalität“ – und um die erheblichen konfessionellen Unterschiede bei diesem Thema. Während die jüngst beendete Tagung der EKD-Synode gerade wegen ihrer konkreten Beschlüsse zu kontroversen Reaktionen führte, dümpelt das öffentliche Interesse am römisch-katholischen „Gesprächsarrangement“ Synodaler Weg nicht zuletzt wegen der bisher weitgehenden Folgenlosigkeit etwa bei Fragen des Arbeitsrechts auf niedrigem Niveau. Die Hoffnung auf die Umsetzung altbekannter Kirchenreform-Forderungen glimmt nur noch bei der konzilsbewegten „letzten Generation“ Katholik:innen.
Deutlich mehr Aufmerksamkeit erreicht hingegen der Erzbischof von Köln, der sich auf seinem Bischofsthron festgeklebt hat und seine Verlautbarungen inzwischen bevorzugt via Anwalt oder häufig wechselnder „Kommunikationsexperten“ mitteilen lässt. Nicht nur bei der eigenen Herde, sondern auch in der am 11.11. eröffneten kölschen Karnevalssession ist Kardinal Woelki inzwischen persona non grata …
Ansonsten: Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk und die bereits erkennbaren Veränderungen beim wichtigen Social-Media-Dienst gehen auch an der #digitaleKirche-Bubble nicht spurlos vorüber. Der #TwitterExodus führt viele Aktive derzeit ins „Fediverse“ – die Eule ist schon seit diesem Frühjahr unter @eulemagazin@mastodon.social zu finden.
Einen guten Start in die neue Woche wünscht
Ihr Thomas Wystrach
Debatte I
Beim Ad-limina-Besuch wird es schwierige Gespräche geben – Burkhard Hose (katholisch.de)
Die 67 Mitglieder der (römisch-katholischen) Deutschen Bischofskonferenz (DBK, @dbk_online) werden sich vom 14. bis 18. November 2022 zu ihrem „Ad-limina-Besuch“ in Rom aufhalten. Schwierige Aufgaben warten auf die Oberhirten, meint der Würzburger Hochschulpfarrer und #OutInChurch-Initiator Burkhard Hose (@HoseBurkhard).
Im Gepäck der bischöflichen Reisegruppe befänden sich nicht nur die Last der schleppenden Aufarbeitung des Missbrauchsskandals und der daraus resultierende Vertrauensverlust, sondern auch viele Erwartungen von Menschen, die auf eine Korrektur der kirchlichen Sexualmoral und ein Ende der Diskriminierung hoffen. Ob die katholische Kirche in Deutschland eine Zukunft habe, entscheide sich aber nicht in Rom:
Die Reise nach Rom ist kein One-Way-Flug. Mindestens so wichtig wie die Rechenschaftspflicht an den Schwellen der Apostelgräber ist die Rückkehr an die Schwellen der heute in Deutschland lebenden Katholik:innen. Denn dort entscheidet sich, ob die katholische Kirche in Deutschland eine Zukunft hat.
„Der Papst nimmt Synodalität nicht ernst“ – Interview mit Hubert Wolf (Publik-Forum)
Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf ordnet in seinem Interview mit Michael Schrom und Judith Bauer (@Judith_Bauer_) bei Publik-Forum (@publikforum), barrierefrei zusammengefasst auf @katholisch_de, den verpflichtenden, regelmäßigen Rapport bei Papst und Kurie zunächst kirchengeschichtlich ein:
Historisch gesehen ist der Ad-limina-Besuch eine Erfindung des Konzils von Trient. Es war ein Versuch, mehr Kontrolle über die Bischöfe zu bekommen, nachdem sich die katholische Kirche nach der Reformation wieder etwas stabilisiert hatte.
Dem Ganzen wurde natürlich ein frommes Mäntelchen umgehängt. Ad limina heißt ja: zu den Schwellen der Gräber Petri und Pauli. Die Bischöfe verehren die Gräber der Apostelfürsten – und indem sie das tun, verehren sie auch deren Nachfolger. Entscheidend ist, dass sie nach Rom, zum „Papa“ kommen müssen. Dort erhalten sie Lob und Tadel.
Die deutschen Bischöfe seien im gegenwärtigen Pontifikat nicht mutiger, sondern wehleidiger geworden, so die Einschätzung von Wolf. Für manche kirchliche Reform brauche es „keinen Synodalen Weg, hinter dem ich mich verstecken kann“. Skeptisch zeigt sich der Kirchenhistoriker auch, wie ernst es Papst Franziskus überhaupt mit der Synodalität sei, wenn schon Beschlüsse mit einer so deutlichen Mehrheit wie bei der Amazonas-Synode nicht umgesetzt werden:
Was bei Franziskus synodal heißt, ist meiner Meinung nach nichts anderes als jesuitische Aktivierung. Alle sollen sich einbringen, aber am Schluss entscheidet der Ordensgeneral. Nur mit dem Unterschied, dass Franziskus nichts entscheidet.
In einer Resolution aus Anlass des traditionellen Ad-limina-Besuchs fordern 30 römisch-katholische Verbände und Initiativen vom Vatikan die Anerkennung der Reformbemühungen der deutschen Kirche auf dem Synodalen Weg (@DerSynodaleWeg). Der Kölner Stadt-Anzeiger (@KSTA) hat die Resolution dokumentiert. Ins gleiche Horn stößt Michael Böhnke, Professor für systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal, in seinem „Standpunkt“ auf @katholisch_de: „Liebe Bischöfe, setzt euch in Rom für Erneuerung ein!“
Dazu sei noch einmal Hubert Wolf zitiert:
Die Rolle des Papstes als Oberhaupt der Kirche wird von keinem Synodalen bestritten. Selbst diejenigen, die am lautesten nach Reformen rufen, schielen nach Rom. Insofern war das Marketing der Dogmen von 1870 sehr erfolgreich.
In der Tat: „Auch die Gläubigen können sich ihre Kirche ohne Papst nicht vorstellen“, hatte der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke (@norbertluedecke) bereits vor zwei Jahren im Interview mit der Eule konstatiert.
In Auflösung. Römischer Katholizismus und synodale Kirche – Gregor M. Hoff (feinschwarz.net)
Welche Zukunft hat der römische Katholizismus? Ist die vom Papst angekündigte „Synodalisierung“ ein gangbarer Zukunftsweg? Der Fundamentaltheologe Gregor M. Hoff hat im Theologischen Feuilleton @feinschwarz_net eine tiefschürfende Analyse der gegenwärtigen Situation der römisch-katholischen Kirche zwischen Auflösung und Neubeginn veröffentlicht:
Welche Macht am Ende in den katholischen Kirchenkonflikten des 21. Jahrhunderts entscheidet und ob sie sich per Machtdekret überhaupt lösen lassen, ist auch deshalb offen, weil sich der Papst in diesen Auseinandersetzungen als Ambiguitätsverstärker erweist. (…)
Mit Ausnahmeregelungen erweist sich der Papst zwar als Kirchensouverän, etwa wenn er Fristen bei laufenden Rücktrittsverfahren von Bischöfen ignoriert. Zugleich nimmt er damit dem kirchenrechtlichen Profil des römischen Katholizismus etwas von seiner Verbindlichkeit.
Bitte keine zweite Reformation! – Christian Geyer-Hindemith (FAZ)
Setzt der Papst mit seiner unentschiedenen Symbolpolitik die Lehrform des römisch-katholischen Kirchentyps aufs Spiel? Das fragt sich auch Christian Geyer-Hindemith in seinem Beitrag im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (@FAZ_Feuilleton):
Theologische Kerne beschwörend, ohne mitzuteilen, um welche es sich handelt; unterscheiden zu wollen, ohne zu entscheiden; Reformideen anstupsend, ohne es hernach gewesen sein zu wollen: Lässt sich auf diese fliegend-fliehende Weise überhaupt noch Lehrautorität ausüben, die das bischöfliche Amt, erst recht das päpstliche, für sich beansprucht?
Debatte II
Indes geht das für das Ansehen der römisch-katholische Kirche ruinöse Gezerre im Erzbistum Köln (@Erzbistum_Koeln) nicht zuletzt mangels eines klärenden Machtwortes des allein zuständigen Papstes unvermindert weiter. Hildegard Dahm, eine frühere Mitarbeiterin der Personalabteilung, wirft Kardinal Woelki in einem Interview (Paywall; barrierefreie Zusammenfassung von KNA) mit dem Kölner Stadt-Anzeiger (@KSTA) vor, die Unwahrheit über den Fall des früheren Sternsinger-Chefs und Missbrauchstäters Winfried Pilz zu sagen.
Der ehemalige Interventionsbeauftragte der Erzdiözese bestätigt ihre Schilderungen. Nachdem die Staatsanwaltschaft Köln noch Ende September die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen mangelnden Anfangsverdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung Woelkis abgelehnt hatte und kürzlich noch vom Strafrechtler Holm Putzke (@HolmPutzke) wegen ihrer „Kardinalfehler“ bei Legal Tribune Online (@lto_de) gerügt wurde, hat sie am Mittwoch nun doch förmliche Ermittlungen aufgenommen.
„Der Papst lässt Köln hängen“ – Interview mit Wolfgang Reuter (Domradio)
Eine Gruppe hauptamtlich Beschäftigter im Erzbistum Köln hat Kardinal Woelki unterdessen aufgefordert, sein Amt ruhen zu lassen, solange das Ermittlungsverfahren andauert. Zugleich solidarisierten sie sich – wie auch die Mitarbeitervertretung im Erzbischöflichen Generalvikariat – mit der Whistleblowerin Hildegard Dahm. Im Interview mit dem Domradio (@domradio) des Erzbistums bezeichnet es Pfarrer Wolfgang Reuter, einer der Mitverfasser der Aufforderung, als „nicht haltbar“, dass sich Woelki in einem gerichtlichen Verfahren verantworten müsse und gleichzeitig sein Amt als Erzbischof von Köln ausübe:
Der Bogen ist überspannt, weil sich alles innerhalb des großen Themas der Missbrauchsaufarbeitung abspielt. Das ist ja der Grund, weshalb diese ganze Sache jetzt überhaupt aufploppt. Innerhalb dieser Missbrauchsaufarbeitung zeigt sich eine so derartig schlechte Performance und es zeigt sich ein vergiftetes Klima, das man nicht mehr tolerieren kann. Es geht doch vor allen Dingen um die Rechte der Betroffenen. Es geht um die Rechte der Menschen, die wir Opfer nennen müssen; die an dieser Stelle wieder übergangen werden.
Es reicht!
Das Statement der Konferenz der Regionalverbände und der Konferenz der Jugendverbände des BDKJ in der Erzdiözese Köln zur aktuellen Situation im Erzbistum: https://t.co/rmiURq2DqD.#erzbk #Woelki #bdkj #esreicht pic.twitter.com/RZv5Cy17Im
— BDKJ DV Köln (@BDKJDVKoeln) November 11, 2022
„System des Schweigens, Vertuschens und Wegsehens“ – Interview mit Joachim Frank (WDR)
Was hat die ehemalige Mitarbeiterin von Kardinal Woelki bewogen, ihn jetzt schwer zu belasten? Dazu hat der Westdeutsche Rundfunk (@WDR) ein Gespräch mit Joachim Frank geführt, der die Frau für den Kölner Stadt-Anzeiger interviewt hat. Hildegard Dahm habe die öffentlichen Äußerungen des Kölner Erzbischofs nicht mehr ausgehalten. Ihren Loyalitätskonflikt zu spüren, sei bewegend gewesen, weil es erahnen lasse, was „in diesem Apparat los sein muss“:
Die ist ja nicht die einzige, die Dinge wusste. Das war ein System und ist ein System des Schweigens, Vertuschens und Wegsehens. Und von dem wussten viele. Und jetzt bricht eine mal ihr Schweigen. Und sie sagte auch sehenden Auges: Wenn die jetzt arbeitsrechtlich gegen sie vorgehen, weil sie eine Verschwiegenheitspflicht verletzt hat, dann ist das eben so. Aber da sei sie jetzt ihrem Gewissen verpflichtet. Und sie will nicht, dass Leute mal zu ihr kommen und sagen: Mensch, du hast doch so viel gewusst – warum hast du nichts gesagt?
Dass Woelki sein Amt ruhen lasse oder zurücktrete, hält Frank indes für wenig wahrscheinlich:
Wenn man sich anhört, wie sich Kardinal Woelki bisher zu all diesen Dingen eingelassen hat, dann hat er einen derartigen Betonklotz unter seinen Bischofsstuhl platziert, dass er den nicht freiwillig räumen wird. (…) Nach meinem Eindruck sieht er überhaupt nicht diesen Abgrund, in den er das Erzbistum Köln manövriert hat.
Nun, da Insider ihr Schweigen brechen, beginnt für Woelki das Endspiel – Lucas Wiegelmann (DIE WELT)
Schon bald könnte noch eine andere Insiderin, die frühere Sekretärin von Woelkis Amtsvorgänger Joachim Kardinal Meisner, weitere Hintergründe zum Umgang mit den „Brüdern im Nebel“ offenlegen. An der Courage dieser Frauen sollten sich viele ein Beispiel nehmen, nicht zuletzt Woelki selbst, und endlich reinen Tisch machen, meint Lucas Wiegelmann in seinem Kommentar in der WELT (@welt):
Das Vertrauen der Gläubigen wird er so lange nicht zurückgewinnen können, wie wichtige Hintergründe verschleiert oder ganz zurückgehalten werden, etwa die besagte Excel-Liste oder der genaue Wortlaut seines Rücktrittsgesuchs an Papst Franziskus, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Sehr wahrscheinlich ist eine baldige Transparenzinitiative allerdings nicht. Bisher hat Woelki stets versucht, in Zweifel gezogene Aussagen von ihm juristisch zu retten, notfalls gegen alle Plausibilität.
Verstehe die Entlastungsstrategie des Erzbistums nicht. Je mehr man sich darauf fixiert, Kardinal #Woelki sei vor 2022 mit Vorgängen nicht befasst gewesen, desto deutlicher wird, dass er an Aufklärung nicht interessiert gewesen sein kann. Denn dann will man doch wissen! Oder?
— GeorgEssen (@audacity_g) November 10, 2022
Keine schnelle Erlösung – weder durch Papst noch Justiz – Christiane Florin (DLF)
Das Erzbistum Köln reagiere mit „Verstörungsempörung“ auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Kardinal Woelki, kommentiert Christiane Florin (@ChristianeFlori) im Deutschlandfunk. Die Aufklärung im Missbrauchsfall Winfried Pilz sei aber nicht allein Aufgabe der Justiz oder der römischen Kirchenleitung:
Der Fall Pilz ist abgründig. Der Charismatiker hat, so stellt es sich nach unseren Recherchen dar, über sein viel gepriesenes Sozialchristentum sexuelle Übergriffe angebahnt. Die Opfer, oft aus armen Familien, hatten keine Chance auf Gehör und Gerechtigkeit. Von Pilz geprägte Christenmenschen hoffen auf ein Wunder, summen das Laudato-Si-Lied und wollen vom Leid kaum etwas wissen.
Auch die Gläubigen sind Zeugen, auch sie müssten aufklären. Es gibt keine schnelle Erlösung, weder durch den Papst noch durch die Justiz.
nachgefasst
Vom 6. bis 9. November fand die Dritte Tagung der 13. Synode der EKD (@EKD) in Magdeburg statt. In der „Debatte“ der #LaTdH vom vergangenen Sonntag wurden bereits einige Vorabbeiträge der Eule empfohlen. Unseren Live-Blog, mit dem die Beratungen des protestantischen Kirchenparlaments begleitet wurden, findet ihr hier zum Nachlesen an einem Stück. Einen Überblick über die Beschlüsse der Synode gibt es gut zusammengefasst bei @evangelisch_de.
Die #EKDSynode hörte den ersten Ratsbericht der neuen Ratsvorsitzenden Annette Kurschus, befasste sich mit dem Ukraine-Krieg und der sexualisierten Gewalt in der Evangelischen Kirche. In der (social-)medialen Öffentlichkeit ging die Debatte jedoch vor allem wegen des Redebeitrags von Aimée van Baalen (@AimeevanBaalen), einer Aktivistin der „Letzten Generation“ (@aufstandlastgen), sowie des Beschlusses zum „Tempolimit in der evangelischen Kirche“ steil.
Der WELT-Chefredakteur und Porsche-Fan Ulf Poschardt (@ulfposh) findet es erwartungsgemäß „überraschend, dass die EKD nichts anderes zu tun hat, als die Realpolitik der Grünen nachzuarbeiten“. Und für die evangelikale IDEA bestehen die Reaktionen auf die EKD-Synode traditionell aus „Spott, Kritik, Kopfschütteln“.
Der Tempolimit-Beschluss erzielt mE genau die intendierte Wirkung: Der klimabewegte, links anpolitisierte Teil von Pfarrer:innenschaft, Theost00ds und Kerngemeinde fühlen sich von "ihrer EKD" gesehen und gehört. Viele eher Traditionale, Konservative, Evangelikale sind irritiert.
— Tobias Graßmann (@luthvind) November 10, 2022
Doch was hat es mit dem heiß diskutierten Beschluss der EKD-Synode auf sich? In der Eule nimmt Philipp Greifenstein (@rockToamna) das „Märchen vom Tempolimit“ auseinander und präsentiert die Fakten, um die aus dem Ruder gelaufene Berichterstattung und Diskussion zu erden:
Dieser Beschluss der EKD-Synode bindet niemanden, auch wenn er den Mitarbeiter:innen des EKD-Kirchenamtes, Teilnehmer:innen an Sitzungen der drei EKD-Leitungsorgane (Rat, Kirchenkonferenz, Synode) und in einem weitgefassten moralischen Sinne allen Leitenden Geistlichen gilt. Und die werden damit eher weniger ein Problem haben. Und wenn doch, dann gilt für sie, was bei der theologisch-inhaltlichen Befassung auf der Tagung festgestellt wurde: Man brauche angesichts der Klimakrise eine Ethik des Verzichts.
Konfessionelle Profile sind sexy! – Philipp Greifenstein (zeitzeichen)
Angesichts des „in hohem Maße gefühlten Relevanzdefizits der Veranstaltung Synode“ erklärt Philipp Greifenstein bei zeitzeichen (@zeitzeichenNET) das sogenannte „Verbindungsmodell“, in dessen Rahmen EKD, VELKD und UEK bei der Synode gemeinsam tagen. Was innerkirchlich als großer Fortschritt gefeiert werde, erschließe sich Gemeindechristen nur bedingt. Eigentlich fühle man sich dort einfach als zur „Evangelischen Kirche“ gehörig, die kirchenhistorisch nachvollziehbare Trennung in Lutherische auf der einen, Unierte und Reformierte auf der anderen Seite habe inzwischen weitgehend an Bedeutung verloren.
Demgegenüber zeigt sich der Eule-Redakteur sicher, die unterschiedlichen evangelischen Konfessionen könnten auch heute noch einen wichtigen Beitrag leisten und gehörten nicht einfach „überwunden“:
Ich finde jeden betont reformierten, lutherischen, orthodoxen, katholischen Ritus sexier als eine ununterscheidbare, wenn auch gut gemeinte, Einheitspampe. Ich mag es, wenn sich Leute ernst nehmen, auch in ihren komischen Eigenheiten. Ich mag es, wenn jemand leidenschaftlich über Adiaphora streitet. Und ich bin mir sicher, dass Identifikation nicht mit um jeden Preis niedrigschwellig gehaltenen Schmalspurangeboten angeregt werden kann, sondern über glaubwürdige Christ:innen mit quirks und edges funktioniert.
Buntes
Halber Mantel, volle Solidarität – Sascha Flüchter (zeitzeichen)
Diese Woche sind in vielen Städten wieder die traditionellen Martinszüge durch die Straßen gegangen. Sankt Martin ist neben dem Nikolaus wohl der populärste Heilige der katholischen Kirche. Die Frage, ob es sinnvoll gewesen sei, seinen Mantel zu halbieren, so dass sowohl der Soldat Martin als auch der Bettler frieren, sei bereits von seinen Zeitgenossen gestellt worden, die über ihn gelacht hätten.
Pfarrer Sascha Flüchter (@sfluechter) weist in seinem Essay darauf hin, dass sich die Darstellung der Mantelteilung im 14. Jahrhundert geändert habe und Martin zum Ideal eines christlichen Ritters mutiert sei:
Zwischen dem Reiter auf dem Pferd und dem Bettler im Dreck ist das Ständegefälle zwischen den beiden unübersehbar. Der Mantel wechselt von oben nach unten. So ist das Bild im Grunde geblieben. Bis heute.
Flüchter, Leiter des Dezernats Kirchliche Schulen im Düsseldorfer Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland (@ekir_de), versucht, den historischen Martin zu rekonstruieren. Der spätere Mönch und Bischof von Tour sei zeitlebens ein Mensch geblieben, dem Standesdünkel und Statussymbole gänzlich unwichtig waren:
Wenn Martin den Mantel teilt, dann teilt er damit gerade nicht seinen Wohlstand mit dem Armen. Es ist vielmehr umgekehrt: Er teilt –in dieser würdelosen Situation – jetzt frierend die Not des Bettlers. Mit dem halben Mantel macht Martin den Bettler zum ganzen Menschen. Halber Mantel, volle Solidarität. Eine ganz andere Logik des Teilens.
Mit dem #Martinstag am 11. November beginnt traditionell die Gänsesaison. Das Fleisch für den #Gänsebraten stammt überwiegend aus Osteuropa – 98 % des nach Deutschland importierten Gänsefleisches kamen 2021 aus Polen und Ungarn. Mehr zur #ZahlderWoche: https://t.co/9cxuBtSdP1 pic.twitter.com/uAbZATfNXg
— Statistisches Bundesamt (@destatis) November 8, 2022
Wem kann ich vertrauen? Nachdenken über RaspberryPi und Save Space Kirche – Dorothee Janssen (LUKI.org)
Open Source sei gut und schön, aber vertrauen müsse sie dem Programmiercode schon, schreibt Dorothee Janssen (@Frau_Sanders@kirche.social) im LUKI-Blog (@lukiev), denn als Nutzerin könne sie nicht unter die Haube gucken. Das gelte sowohl für das Spielen mit dem RaspberryPi, für die Auswahl der Social-Media-Community oder der Gemeinde:
Kirchen sind keine sicheren Orte mehr. Erst gerieten die Berufe, die allgemein als unantastbar galten, in Verruf. Der Arzt wird kritisch beäugt, die Lehrerin darf nicht mehr prügeln, dem Pastor droht der Bedeutungsverlust. (…) Kirchen sind immer noch tief in unserem Vorbewusstsein als Orte gespeichert, die wir aufsuchen können. Neu ist, dass wir sie gestalten können.
Darin liegt für Janssen auch die Chance. Kirche könnte ein Erfahrungsraum, ein Safe Space, ein Lernort, Begegnungsraum für alle sein:
Ich kann meine Kultur für andere öffnen, einladen, vorbereiten, andere zum Mitwirken einladen. Anschließend bleibt vielleicht das ganze Aufräumen und Saubermachen an mir hängen. Aber so ist das nun mal mit dem Vertrauen. Wahrscheinlicher ist, dass es Menschen geben wird, die die Arbeit sehen und mit anpacken.
Theologie
Weltsparklag‘. Theologische Notizen zu spießbürgerlichen Kampfbegriffen – Rudolf B. Hein (feinschwarz.net)
Sparen, das „Schlüsselwort einer verblichenen Generation“, ist inzwischen angesagter denn je, aber ganz jenseits bürgerlicher Aufstiegshoffnungen, Spießbürgermuff und abgeblätterter Wohlstandsgläubigkeit der Ära Ludwig Erhard. Dies theologisch zu würdigen, unternimmt Rudolf B. Hein in seinem feinschwarz-Beitrag:
Die Wiederkehr einer in die semantische Schmuddelecke gedrängten Vokabel wird sicherlich keinen messbaren Erfolg bei der Absenkung von fossilem Energieverbrauch bringen, wenn sie nicht von einem Konzept, einer Idee, einer Verhaltensstrategie begleitet wird, die über den bloßen Appell („Wir alle müssen jetzt sparen“) hinausgeht.
Ansätze der letzten Monate machten dabei Mut, etwa beim überraschend deutlichen Rückgang des privaten Energieverbrauchs, der nicht nur der der warmen Witterung zuzurechnen sei:
Die berühmten 19 Grad – sie sind mehr als nur eine Solidaritätsaktion für die und mit der Ukraine – sie können auch als Zeichen gedeutet werden für ein neues Nachdenken über globale Verantwortung im Rahmen eines längst obsolet geglaubten Sparsamkeitsdiskurses. Wir merken, was es heißt, für jene anderen zu sorgen, ihnen eine gute Zukunft zu ermöglichen, die nicht in unserer Nachbarschaft wohnen, die wir aber dennoch nicht aus dem Blick verlieren können und wollen, weil sie das gleiche Haus mit uns bewohnen.
Ein guter Satz
In eschatologischer Perspektive erweist ein Clown wie @ulfposh der EKD einen riesigen Dienst.
— Philipp Greifenstein (@rockToamna) November 10, 2022