Newsletter #LaTdH

Disputation 2.0 – Die #LaTdH vom 11. März

Wie und wo diskutieren wir miteinander, auch über Religion? Außerdem: Neues vom Katholikentag aus Münster, reichlich #digitaleKirche und eine notwendige Veränderung.

Wir haben den Aufriss der Links am Tag des Herrn verändert. Hauptsächlich, weil wir die Abteilung Randständiges so nicht mehr wollten. Es ist uns zwar gelungen, auf Themen am Rande der Aufmerksamkeitsschwelle hinzuweisen, noch häufiger aber haben wir wichtige Themen da einsortieren müssen, denen wir ganz und gar nicht das Etikett randständig aufkleben wollten. Wir haben außerdem Platz geschaffen, um Debatten aus vorausgegangenen Ausgaben besser weiterverfolgen zu können (nachgefasst). Ansonsten bleibt alles beim Alten! Empfehlen Sie uns gerne weiter!

Debatte

Die Kirchen und ihre fehlende Streitkultur – Béatrice Acklin Zimmermann (Neue Zürcher Zeitung)

Dass in den Kirchen zu wenig gestritten und stattdessen zu viel moralisiert wird, ist eine derzeit häufig geäußerte Anklage. Béatrice Acklin Zimmermann wiederholt sie noch einmal in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ):

Streitlust sieht anders aus. 500 Jahre nach den Streitgesprächen zwischen Anhängern der Reformation und der altgläubigen Kirche scheint die Debattierfreude der Kirchen heute an einem kleinen Ort. […] Aus streitbaren Christenmenschen sind Drückeberger «vor dem Herrn» geworden. Das ist bedenklich für eine Kirche, die vorgibt, Sand im gesellschaftlichen Getriebe zu sein.

Zu diesem Urteil gelangt Béatrice Zimmermann gleichwohl, indem sie die sehr wohl existierenden Diskussionen gering schätz, weil die nämlich online stattfinden. Für Zimmermann wird ein Streit allein im direkten Gegenüber auf spätmittelalterlichen Disputationen richtig geführt.

Wie die Demokratie lebt auch die Kirche von der Kontroverse. Ihre Vitalität stellt sie nicht unter Beweis, indem sie «Gefällt mir» oder «Gefällt mir nicht» klickt, sondern indem sie – wie Martin Luther es nannte – die verschiedenen Geister aufeinanderprallen und streiten lässt.

Diese ominöse #digitaleKirche ist permanent am streiten, ihre Diskussionen erschöpfen sich bei aller Liebe nicht darin Like-Buttons zu klicken. Wer das heute nicht wahrnimmt, dem entgeht der lebendigste Teil innerkirchlicher Debatten. Demokratie und Kirche leben davon, Wertschätzung gegenüber Meinungen gerade nicht an Like-Zahlen festzumachen (d.h. nach dem, was sich gut verkaufen lässt zu bewerten), sondern auf eigenen Maßstäben zu beharren, nach denen der Wert von Diskussionsbeiträgen bemessen wird. Für die Kirche ist und bleibt der Maßstab das Evangelium. Und für die Demokratie?

„Dann tanzen die Politiker, Medien und Wähler nach dem Skript“ – Interview mit der Extremismusforscherin Julia Ebner (boersenblatt.net)

Im Interview mit Michael Roesler-Graichen vom Börsenblatt spricht Julia Ebner (@julie_renbe) die allgegenwärtige Mechanik (nicht nur) der gesellschaftlichen Diskussionen mit religiösen Gehalt an:

Die Extremisten haben es tatsächlich geschafft, den politischen Diskurs zu bestimmen und politische Überreaktionen hervorzurufen – und längerfristig mit ihrer Rhetorik den Mainstream zu infiltrieren. Darin besteht die Hauptgefahr. Die Anschläge von beiden Seiten haben ja eine ganz klare instrumentelle Funktion: Sie besteht darin, unsere Strukturen, die unsere Demokratie stützen, Stück für Stück zu zerstören und die Solidarität auszurotten. Durch die Vernetzung im Internet und die beschleunigte Berichterstattung wird die Dynamik insgesamt noch einmal verstärkt.

Julia Ebner forscht über die Parallelen von Rechtsextremismus und Islamismus und hat darüber ein Buch geschrieben, das dieser Tage im Theiss Verlag erscheint. Darin weist sie nicht nur die Ähnlichkeit beider Extremismen nach, die selbstverständlich wechselseitig bestritten wird, sondern liefert eine Analyse, die uns allen vielleicht dabei helfen kann, Diskussionen (mit Religionsbezug) zu führen, ohne Extremisten auf den Leim zu gehen.

Ein glaubensfreier Gerichtssaal ist eine Fiktion – Matthias Drobinski (Süddeutsche Zeitung)

Eine der gesellschaftlichen Debatten mit Religionsbezug und Kirchenbeteiligung, die in der Vergangenheit Disputanten mit extremen Meinungen überlassen wurde, ist ganz sicher die Frage, ob Staatsbedienstete religiöse Symbole tragen dürfen. Hier am Beispiel einer bayerischen Juristin muslimischen Glaubens in der Süddeutschen Zeitung aufgeschrieben.

Die Debatte ist ein hervorragendes Beispiel dafür, dass die von Béatrice Zimmermann so hochgeschätzte akademische Disputation nicht ausreicht bzw. deren Vertreter sich mangelnder Kommunikation in die breite Öffentlichkeit hinein schuldig machen. Vielleicht liegt das auch daran, dass seit der Reformatoren Zeiten wirklich schon 500 Jahre vergangen sind und wir uns in der nächsten Medienrevolution befinden?! Jurist_innen und Theolog_innen bitte vortreten zur Diskussion, gerne auch digital!

These: Wenn einer Muslimin im Gerichtssaal verboten wird die Hijab zu tragen, dann können dort, wo im Namen des Volkes Recht gesprochen wird, auch keine Kreuze mehr hängen.

nachgefasst

Unter Sündern – Julia Ley (Christ & Welt)

Julia Ley (@ley_julia) ist in einem hervorragenden Artikel für die Christ & Welt dem Finanzskandal im Bistum Eichstätt (s. #LaTdH vom 11. Februar) nachgegangen. Im Zentrum stehen die Reaktionen der Gläubigen auf das Versagen ihrer Kirche, die in den letzten Jahren aus Geldmangel hat Aufgaben liegen lassen. Der Vertrauensverlust ist riesig.

Da meldet sich nach einigem Zögern ein Mann im Publikum. Er steht vor seinem Stuhl, knetet die Hände und äußert seine Vermutung recht umständlich und sehr ehrerbietig. Er könne sich vorstellen, dass der Satz, man sei Opfer und nicht Täter, nicht bei allen gut angekommen sei. Nicht weil das nicht irgendwie richtig sei, aber dennoch, vielleicht gehe es ja hier auch um etwas sehr Emotionales. Die Sache habe eben viele Leute verletzt. Vielleicht wäre es an der Zeit, sich einfach mal öffentlich zu entschuldigen.

Westfälischer Friede? Die AfD auf dem Katholik*innentag – Franca Spies & Jonatan Burger (y-nachten)

Zu einer religionspolitischen Diskussion auf dem kommenden Katholikentag in Münster ist auch ein AfD-Vertreter geladen (s. #LaTdH vom 18. Februar & vom 25. Februar). Auf y-nachten liefern sich Franca Spies (@franca_ynachten) und Jonatan Burger ein lesenswertes Pro & Contra zum Thema.

Hunger nach Moral – Christiane Florin (Deutschlandfunk)

Christiane Florin (@ChristianeFlori) mit einem Beitrag zum Essener Tafel-Streit (siehe #LaTdH von letzter Woche) zum Lesen und Anhören. Damit ist wohl alles gesagt.

Buntes

1978: Friede den Altären – Karsten Krampitz (der Freitag)

Im Anschluss an die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM), die im Herbst 2017 in einem Bußwort Stellung zur eigenen Verwicklung in den DDR-Überwachungsstaat genommen hat (s. #LaTdH vom 26. November), überlegen ChristInnen in anderen ostdeutschen Landeskirchen derzeit erneut, ob auch ihre Kirchen da Handlungsbedarf haben. Karsten Krampitz hat zum Verhältnis der Kirchen zur DDR Erhellendes aufgeschrieben:

Für die Kirchen in der DDR oder – wie es der Schweizer Theologe Karl Barth formuliert hatte – in „Gottes geliebter Ostzone“ begann mit dem 6. März 1978 eine spannende Entwicklung. Obwohl die Zahl der Gläubigen weiter schrumpfte, sollte das Gewicht der Kirchen in der Gesellschaft mit jedem Jahr zunehmen – ein einmaliger Vorgang in der langen Geschichte des deutschen Protestantismus. In keinem anderen Land des Ostblocks – mit Ausnahme Polens – war die Kirche ein derart politischer und gesellschaftsrelevanter Faktor.

Atheisten gegen Zuschuss für Ökumenischen Kirchentag (KNA, katholisch.de)

Gegen den Zuschuss der Stadt Frankfurt (Main) zum Ökumenischen Kirchentag 2021 hat sich der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) ausgesprochen. Die Co-Finanzierung von Kirchen- und Katholikentagen steht seit Jahren in der Kritik, da von Bund, Ländern und Städten trotz angespannter Haushaltslagen jeweils Beträge in Millionenhöhe fließen. Eine Ausnahme ist Münster, die Stadt hat einen Zuschuss zum 2019 stattfindenden Katholikentag abgelehnt. Zum ersten Ökumenischen Kirchentag nach Berlin 2003 kamen tatsächlich 200.000 Besucher, in München 2009 waren es noch gut 125.000. Bewegen sich die Kirchen auf die nächste durch Steuermittel finanzierte, überdimensionierte Großveranstaltung zu?

Die Stadt unterstützt nach bisherigen Planungen den dritten Ökumenischen Kirchentag mit einem Barzuschuss von 3,9 Millionen Euro und gewährt unentgeltlich Sach- und Dienstleistungen mit einem Wert von bis zu einer Million Euro. Der genaue Finanzplan für das Christentreffen ist nach Angaben der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) noch in der Vorbereitung. Die EKHN habe 2016 bereits rund 8 Millionen Euro für das Großereignis, zu dem bis zu 200.000 Besucher erwartet werden, zurückgestellt.

„Über den Bildschirm flattert jeder Blödsinn“? Ein Brief an Manfred Spitzer – Paul Rögler (Digitale Lebenswelten)

Auf dem Blog Digitale Lebenswelten des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) antwortet Paul Rögler (@PaulRoegler) auf ein Interview des Psychiaters Manfred Spitzer im Deutschlandfunk und rückt einige überspitzte Thesen Spitzers aus Sicht der Medienpraxis zurecht – wieder #digitaleKirche.

Ich werde den Eindruck nicht los, dass es bei all dieser sogenannten „Technologiekritik“ nicht um einen kritischen (und damit konstruktiven) Blick auf die Technologie geht. Es drängt sich der Verdacht auf, es gehe um eine Verhinderung neuer Technologien. Das klingt nach Angst vor Veränderung. Angst aber ist ein schlechter Ratgeber, wie wir gerade in vielen politischen Debatten merken.

Bibel

Warum in der Luther-Bibel 2017 „’ădonāj JHWH“ falsch übersetzt ist und die Luther-Bibel 1545 es besser weiß – Jochen Teuffel (NAMENSgedächtnis)

Etwas zum Knobeln hat der streitbare Pfarrer und Lutheraner Jochen Teuffel ausgegraben. Er arbeitet sich an der Lutherübersetzung 2017 intensiv ab, diesmal an der Darstellung des Gottesnamens.

Das übersetzerische Problem ist ja die scheinbare Verdoppelung von „Herr“ im deutschen Text. Semantisch besteht jedoch zwischen „HErr“ als titulare Anrede und „HERR“ als Antonomasie für den NAMEN ein Unterschied, den Luther 1545 ja typographisch zum Ausdruck gebracht hat. Soll eine lautsprachliche Doppelung vermieden werden, könnte man „’ădonāj JHWH“ mit „mein Herr, ER“ (Buber-Rosenzweig) wiedergegeben.

Predigt

Abschied – Knut Dahl-Ruddies (Pastorenstückchen)

Eine kurze Radioandacht von Knut Dahl-Ruddies (@knuuut). Für manche Sachen ist es nie zu spät. Die Andacht gibt es dort auch zum Anhören. Nicht einmal 2 Minuten, da braucht es kein Zitat. Anhören!

Ein guter Satz