Eule-Podcast (29): Was ist (gute) Aufarbeitung?
Woran ist die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche bisher gescheitert – und wie kann sie gelingen? Friederike Lorenz-Sinai berichtet von den Ergebnissen der „ForuM-Studie“.
In dieser Episode des Eule-Podcasts spricht Eule-Redakteur Philipp Greifenstein mit Professorin Friederike Lorenz-Sinai von der Fachhochschule Potsdam über die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Friederike Lorenz-Sinai hat an der „ForuM-Studie“ als Co-Leiterin des Teilprojekts B mitgewirkt.
Im Gespräch mit Friederike Lorenz-Sinai geht es darum, was (gute) Aufarbeitung ist. Zunächst erklärt sie, wie die Forscher:innen am Teilprojekt B der „ForuM-Studie“ gearbeitet und welche Erkenntnisse sie gewonnen haben. In diesem Teil der „ForuM-Studie“ wurde anhand von Fallstudien die Aufarbeitungspraxis der evangelischen Kirche untersucht. Es geht dabei um sexualisierte Gewalt in der Konfirmanden- und Jugendarbeit sowie in Kindergärten.
Die Forscher:innen haben herausgearbeitet, dass Aufarbeitung bisher deshalb scheitert, weil die Kirche nur bruchstückhaft eine „reaktive Aufarbeitung“ auf das Drängen von Betroffenen hin betreibt. Es ginge der Kirche mehr um das „Abarbeiten“ statt um das „Aufarbeiten“. Aufarbeitung sei aber immer ein „zeitlich unabgeschlossener Prozess“, an dem die Kirche dran bleiben müsse, erklärt Lorenz-Sinai. Teil der Aufarbeitung müsse die aktive Auseinandersetzung mit der „Gewaltgeschichte der Organisation“ sein, die ins „Gedächtnis der Institution“ aufgenommen wird.
Lorenz-Sinai erklärt auch, warum Betroffenenorientierung und externe Fachberatung wichtig für das Gelingen von Aufarbeitungsprozessen sind. Sexualisierte Gewalt fände auf allen Ebenen von Kirche und Diakonie statt, Aufarbeitung sei deshalb nicht allein eine Aufgabe der Leitungen, sondern müsse vor Ort in den Gemeinden und Einrichtungen geleistet werden. Ein weiteres Thema dieser Episode ist deshalb, wie „Aufarbeitung auch ohne Betroffene“ funktionieren kann.
Die „ForuM-Studie“ hat gezeigt, dass Menschen, die sexualisierte Gewalt in Kirche und Diakonie thematisieren, in der Gefahr stehen, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen zu werden. Lorenz-Sinai sieht auch heute noch ein Risiko für Betroffene und Zeug:innen, wenn sie sexualisierte Gewalt in der Organisation problematisieren. Als „Täterorganisation“ bleibe die Kirche aber auch dann verantwortlich, wenn Betroffene sich nicht mehr „einpassen“ wollten.
Nr. 29: „Was ist (gute) Aufarbeitung?“ mit Friederike Lorenz-Sinai und Philipp Greifenstein:
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Mehr:
- Download des Abschlussberichts der „ForuM-Studie“ und der kürzeren Zusammenfassung (beide PDF)
- Eule-Bericht von der Vorstellung der „ForuM-Studie“ vom 26. Januar 2024
- Kommentar von Philipp Greifenstein zu den Ergebnissen der „ForuM-Studie“ vom 27. Januar 2024
- Eule-Artikel über die Pläne der Evangelischen Kirche und Diakonie nach der „ForuM-Studie“ vom 7. Februar 2024
- Eule-Podcast RE: Episoden von Januar 2024 & Februar 2024, in denen es um die „ForuM-Studie“ geht
- Ausgaben des #LaTdH-Newsletters, die sich u.a. mit der „ForuM-Studie“ beschäftigen: 28. Januar (Recht auf Aufarbeitung), 4. Februar (Reaktionen auf die Veröffentlichung), 11. Februar (Pastoralmacht, evangelische Spezifika), 18. Februar (Kulturwandel), 25. Februar (Aufarbeitung, Pädophilie), 3. März (Landeskirchen, Theologiediskussion), 10. März (Umgang mit Schuld)