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Empathiesehnsucht – Die #LaTdH vom 15. September

Die Migrationspolitik beherrscht auch den Landtagswahlkampf in Brandenburg, in dem auch die Kirche mitmischt. Außerdem: Ein Aufschub, ein Rücktritt und ein Kunstskandal.

Herzlich Willkommen!

Soheil Javdaniheravimoghadam floh aus dem Iran, um als Christ seinen Glauben leben zu können. Seit vier Jahren lebt er „in Bönen, arbeitet im Ordnungsamt der Gemeinde, rettet Leben in der örtlichen Feuerwehr, ist aktiv im Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde und Mitglied im Schützenverein“. Jetzt droht ihm die Abschiebung in den Iran. „Das käme einem Todesurteil gleich“, sagte er dem Westfälischen Anzeiger.

Die Geschichte von Soheil Javdaniheravimoghadam ist symptomatisch für den Umgang Deutschlands mit geflüchteten Menschen. Vor über fünf Jahren hat er einen Asylantrag gestellt, der von den Behörden abgelehnt wurde. Er legte Widerspruch ein. Seine Aufenthaltsgestattung wird seitdem vom Ausländeramt immer nur für je weitere drei Monate verlängert. Erst jetzt, viereinhalb Jahre später, fand vor dem Verwaltungsgericht in Münster die Verhandlung über seinen Widerspruch statt. Vor Gericht musste er auch Auskunft darüber geben, wie ernst ihm sein christlicher Glaube ist.

„Er ist vielleicht mehr integriert als mancher Deutsche“, sagt der Bönener Feuerwehrchef Stefan Eickelberg vor der Verhandlung, zu der 50 Kamerad:innen der Feuerwehr als moralische Unterstützung angereist waren, dazu der Bürgermeister und der Pfarrer der Kirchgemeinde von Javdaniheravimoghadam, die zur Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) gehört: „Die Gruppe der Unterstützer aus Bönen war so groß, dass ein größerer Verhandlungssaal gesucht wurde, damit alle Zuschauer Platz fanden.“ Ein abgeschlossenes Maschinenbaustudium kann Javdaniheravimoghadam außerdem vorweisen. In seinem Beruf arbeiten darf er in Deutschland bisher nicht.

Der eigentliche Punkt ist nicht, wie vorbildlich sich Javdaniheravimoghadam integriert hat, als ob wir den Wert von Menschen an ihre Nützlichkeit binden sollten. Es zeigt höchstens: Integration ist sehr wohl möglich, wo sich die Mehrheitsgesellschaft geflüchteten Menschen gegenüber öffnet. Soheil Javdaniheravimoghadam ist kein Einzelfall, sowohl was seine Bemühungen um ein neues Leben in Deutschland angeht als auch die erfolgreiche Unterstützung durch Stadt, Kirchgemeinde, Zivilgesellschaft.

In wenigen Tagen wird er vom Gericht Post erhalten, in der ihm beschieden wird, ob er weiterhin in Deutschland bleiben darf. Sein Chef, der Bürgermeister von Bönen, ist zuversichtlich, noch nicht alle legalen Wege ausgeschöpft zu haben, um ihn in Deutschland zu behalten. Und eigentlich handelt es sich bei der Entscheidung auch um einen no brainer, denn selbst der „Länderreport Iran“ zur Situation der Christen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF, PDF) stellt fest, dass es im Iran immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen von Christen kommt. Besonders bedroht sind offenbar Rückkehrer:innen, die ihren Glauben intensiv leben und dafür öffentlich bekannt sind.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Wir sind noch nicht fertig mit den Landtagswahlen im Osten. Nicht nur gibt es eine Menge nachzudenken und zu sondieren nach den Ergebnissen der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, in Brandenburg wird erst am kommenden Sonntag gewählt. Jüngsten Umfragen zufolge könnte es der SPD um Ministerpräsident Dietmar Woidke abermals gelingen, die AfD auf ihrem Weg, stärkste Kraft im Land zu werden, abzufangen. Das, wohlgemerkt, zum Preise dessen, dass er in den vergangenen Tagen ganz im Fahrwasser der eskalierten Migrationsdebatte agiert.

Woidke sieht im Interview bei T-online Deutschland an der „Belastungsgrenze“ bei der Aufnahme von geflüchteten Menschen, meint, es müsse jetzt „unser Hauptziel sein, die Zahl der irregulären Migranten weiter zu senken“, und verteidigt die Grenzkontrollen, die es in Brandenburg ja schon seit dem vergangenen Herbst gibt. Auch beim Thema Ukraine-Krieg hat sich Woidke bereits vor längerem von der Bundesregierung und der „Zeitenwende“ von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) abgesetzt.

An dieser Stelle ist es gut, daran zu erinnern, dass die Zahl der Asylanträge in diesem Jahr hinter der im vergangenen Jahr zurückbleibt und ganz generell weit von einem historischen Höchststand entfernt liegt. Im T-Online-Interview erklärt Woidke aber durchaus sachkundig, warum er mit dem bisherigen Migrationspolitik unzufrieden ist: Das Dublin-System (hier im „Eule-Podcast“ erklärt) sei gescheitert und die Kommunen überlastet. Das sind keine Neuigkeiten – siehe Eule-Interview mit Maximilian Pichl vom vergangenen Jahr.

Auch die „moralische Panik“ beim Thema Flucht und Migration hat Pichl schon damals zutreffend analysiert. Das Versagen Europas und Deutschlands bei der menschenwürdigen und völkerrechtskonformen Aufnahme von Geflüchteten hängt mitnichten daran, dass im Moment außergewöhnlich viele Menschen fliehen würden, sondern am politischen Versagen der Regierungen. Wo reichlich entzündliches Material gehortet wird, macht man es Brandstiftern leicht.

„Protest wählen gehört zur Demokratie“ – Interview mit Bischof Christian Stäblein von Benjamin Lassiwe (Nordkurier)

Im Interview bei Benjamin Lassiwe erklärt sich der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), Christian Stäblein, vor der Landtagswahl im größten Flächenland seiner Landeskirche. Bemerkenswert ist, dass das Thema Migration überhaupt nicht vorkommt, obwohl Stäblein im Ehrenamt auch Flüchtlingsbeauftragter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist. Stäblein sorgt sich angesichts der Stärke der AfD, die für „Demokratiefeindlichkeit“ stehe, aber …

„Unbedingt gehört zu einer Demokratie dazu, dass Menschen Protest wählen können. Dass Menschen sagen, das, was die jetzige Regierung gemacht hat, wollen wir nicht mehr. Schwierig wird es erst, wenn vieles auf eine Partei zuläuft, die mit Parolen der Menschenfeindlichkeit Stimmung gegen Andere macht.

Damit hat Stäblein ein Dilemma der gegenwärtigen Politik in Deutschland zutreffend beschrieben: Alternativen zur Regierungspolitik werden nicht seriös entworfen, sondern populistisch und ressentimentgeladen vorgetragen. Wie in Sachsen und Thüringen gilt auch in Brandenburg: Die Stärke der AfD verweist auch immer auf die Schwäche der demokratischen Parteien.

Er habe sich, erklärt Stäblein, in den vergangenen Wochen „mehrere Vormittage auf Brandenburger Marktplätze“ gesetzt und den Menschen zugehört. Meine Kleinstadterfahrung sagt mir, dass man an Vormittagen dort nur einen bestimmten Teil der Bevölkerung antrifft, nämlich den eher älteren und mit viel Tagesfreizeit gesegneten. Aber sei’s drum: Stäblein zieht aus dem Experiment den – sicher zutreffenden – Schluss, die Politik müsse sich um die tatsächlichen Alltagsprobleme der Leute kümmern. Und er hat viel Schimpfen auf „die da oben“ gehört.

„Es ist das starke Gefühl, dass sie die politischen Eliten mit ihren Anliegen nicht mehr erreichen. Ich hörte die Sorgen im Blick auf Krieg und Frieden in der Ukraine oder im Blick auf die Klimakrise: Wie man umsteuert und gleichzeitig die Menschen mitnimmt. Und da, denke ich, müssen wir genau hinhören. Der Weg, einfach alle zu verteufeln, die nicht alles sofort machen wollen, und so eine Art ideologische Richtigkeit festzusetzen, der tut nicht gut. Als Kirche wollen wir an dieser Stelle deutlich machen: Wir stehen für Zusammenhalt, aber auch für ein faires Streiten um die richtige Lösung. Dazu gehört für mich auch, keine Wählerbeschimpfung zu betreiben.“

Sozial-O-Mat Brandenburg (Diakonie Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz)

Auch für die Landtagswahl in Brandenburg gibt es einen „Sozial-O-Mat“ der Diakonie. Das Prinzip haben wir an den Beispielen Sachsen und Thüringen hier & hier & hier in der Eule bereits beschrieben. Auch beim Brandenburger Wahlhilfe-Tool kommt heraus, dass die politischen Positionen der Diakonie eher denen der Mitte-Links-Parteien gleichen als jenen von CDU oder der rechtsextremen AfD.

Vor allem ist dem „Sozial-O-Mat“ aber zu eigen, dass er auf die landespolitischen Fragen und Themen fokussiert. Damit ist er auch an der Oder und im Spreewald vor allem ein Werkzeug zur Versachlichung der Debatte. Im „Sozial-O-Mat“ finden sich Thesen zu sozial- und wirtschaftspolitischen Themen, genauso wie zu „Migration und Integration“ und „Lebensqualität und Gemeinwohl“. Vielleicht, das ist jedenfalls eine Lehre aus den Wahlen im Osten bis hierher, sollte das Thema „soziale Teilhabe“ nicht nur vor der Migrationspolitik in den Fokus gerückt werden, sondern auch als zutreffendere Beschreibung der Problemlage den abermals von Stäblein bemühten „Zusammenhalt“ ablösen. Wie ich schon in den #LaTdH am 11. August geschrieben habe:

Zusammenhalt meint im Osten eben viel zu häufig die Simulation von Einmütigkeit und beinhaltet das Schweigen und Verschwinden derjenigen, die dem Bild einer (ost-)deutschidentitären Mehrheitsgesellschaft widersprechen. Zu Gunsten eines solchen homogenisierenden Zusammenhalts geraten persönliche Freiheiten und Vielfalt ins Hintertreffen. Die Emphase beim „Zusammenhalt“ passt jedenfalls nicht zu einer aufgeklärten demokratischen Geisteshaltung, die Protest nicht nur an der Wahlurne für den gesellschaftlichen Normalfall und generell wünschenswert erachtet.

Die EKBO und die AfD

Menschen, die sich in der AfD engagieren, dürfen in der EKBO keine Ämter innehaben. Diesen Unvereinbarkeitsbeschluss der Landessynode verteidigt vor der Wahl noch einmal Studienleiter Heinz-Joachim Lohmann von der Evangelischen Akademie zu Berlin, der zugleich Beauftragter der EKBO für den Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ist.

„Es geht nicht darum, ob jeder Wähler, jede Kandidatin, jedes Mitglied dieser Partei rechtsextrem ist. Menschen, die die AfD unterstützen, sollten sich stets bewusst sein, hinter welchen Zielen sie sich versammeln – ungeachtet der Gründe, aus denen sie meinen, dass ausgerechnet diese Partei ihre Interessen vertritt. Der Ausschluss bezieht sich nur auf das passive Wahlrecht in kirchlichen Gremien. Alle anderen Rechte bleiben erhalten.“

Auch Bischof Stäblein erklärt im Nordkurier-Interview:

Am 22. September werden aber auch Kirchenmitglieder AfD wählen…

Ja, vermutlich. Das gehört zu unserer Pluralität. Und ich halte auch gar nichts davon, jetzt das Ausschließen von Menschen, welches wir immer stärker in unserer öffentlichen kommunikativen Kultur erleben, auszuweiten. Wenn wir mit den Menschen sprechen, hören wir ja, dass es ganz viele verschiedene Motive gibt, die AfD zu wählen. Es ist viel Unzufriedenheit im Land, mit der Regierung, mit dem, wie aufeinander gehört oder nicht gehört wird.

Die EKBO und ihre Kirchenkreise und Gemeinden sind Teil gleich mehrerer zivilgesellschaftlicher Bündnisse, die sich gegen den Rechtsruck im Land stemmen. Als Kirche, die sowohl die Berliner Metropole, das vielgestaltige brandenburger Land und sogar einen sächsischen Landstrich um Görlitz umfasst, muss die EKBO recht unterschiedliche politische Kulturen bereits intern miteinander an einen Tisch bringen.

Dazu gehören auch stabil antifaschistische Pfarrer:innen und Gemeinden, wie wir hier in der Eule berichteten. Erst im Frühjahr 2024 forderten sie, dass sich Diakonie, Caritas und Kirchgemeinden für eine Zusammenarbeit mit anderen Demokrat:innen öffnen. Pfarrer Lukas Pellio im Eule-Interview:

„Wo sie sich engagieren, öffnen sich auf einmal Türen. Es gibt Räume, wo Menschen sich treffen können. Nicht zuletzt schützen die Kirchen so auch jene Menschen, die sich bisher als Privatpersonen exponiert haben. Wer sich im Bekanntenkreis oder in der Familie für die Teilnahme auf einer Anti-AfD-Demo rechtfertigen muss, der kann jetzt sagen: „Die Pfarrerin war doch auch dabei!“ An anderen Orten passiert hingegen nichts, weil diese Schwelle zum gemeinsamen Handeln nicht überschritten wird. Das liegt auch daran, dass die Kirchgemeinden vor Ort sich auf eine neutrale Beobachterposition zurückziehen.“

Die Frage der (vermeintlichen) Neutralität von Kirchen, Zivilgesellschaft und staatlichen Institutionen wird uns in den kommenden Tagen in der Eule noch beschäftigen.

nachgefasst

Missbrauchsprozess gegen Erzbistum Köln überraschend verlängert – Christina Zühlke und Markus Schmitz (WDR)

Der am Kölner Landgericht laufende Prozess um eine hohe Schmerzensgeldforderung gegen das Erzbistum Köln geht in die Verlängerung. Eigentlich sollte in der kommenden Woche das Urteil gesprochen werden, nun aber nimmt sich das Gericht mehr Zeit. Vermutlich, um die zwischenzeitlich vorgebrachten (kirchenrechtlichen) Expertisen ausführlich untersuchen zu können. Das Interesse an dem Zivilprozess ist auch darum groß, weil Betroffene aus vielen kirchlichen Tatkontexten sich von ihm eine maßgebliche Klärung darüber erhoffe, wie weit die „Amtshaftung“ reicht.

Am ersten Prozesstag hatte der Vorsitzende Richter allerdings darauf hingewiesen, dass das Gericht eine Schuld des Erzbistums eher nicht sehe. Der Priester habe die Missbrauchstaten als Pflegevater und nicht als Geistlicher verübt. Insbesondere Kirchenrechtler hatten an dieser Sichtweise heftige Kritik geübt. Ihre Meinung: Ein Priester ist immer im Dienst und muss sich immer moralisch integer verhalten. Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke schrieb erst kürzlich in der FAZ, der damalige Erzbischof habe seine „Aufsichtspflicht über die klerikale Lebensführung wie zum Schutz des anvertrauten Kindes (…) grob fahrlässig verletzt und damit die Taten erst ermöglicht.“

Nach der jetzigen Entscheidung des Gerichts, mehr Aufklärung zuzulassen, sagte Lüdecke dem WDR: „Ich bin positiv überrascht und hoffe auf einen sensibleren und sachlich vertiefen Umgang mit dem Vorbringen der Klägerin.“ Die Position des Erzbistums Köln zum Fall der missbrauchten Pflegetochter nennt Lüdicke im WDR „abenteuerlich.“

Im Kern geht es darum, ob das Erzbistum auch dann eine Mitverantwortung für das Handeln und die Verbrechen eines Priesters hat, wenn diese nicht in den unmittelbaren Bereich seiner Dienstausübung fallen. Zuletzt hatten sich Norbert Lüdecke und Stephan Rixen im Verfassungsblog und Philipp Thull hier in der Eule mit dieser Frage befasst. Thull schrieb:

Am Ende wirkt es so, als wolle das Erzbistum eine eigene Verantwortung abstreifen, dem Täter die alleinige Schuld an den begangenen Taten zuschieben und das Opfer damit allein zurücklassen. Es strebt danach, dass die Klage zurückgewiesen wird, will mit der Sache also im Grunde nichts zu tun haben. Warum? Wahrscheinlich aus finanziellen Gründen und – wen wundert’s? – zum Schutz der Institution.

Weihbischof Bongartz aus Hildesheim: Papst nimmt Rücktritt an – Florian Breitmeier (NDR)

Papst Franziskus hat das vorzeitige Rücktrittsgesuch des Hildesheimer Weihbischofs Heinz-Günter Bongartz angenommen, berichtet Florian Breitmeier für den NDR. Für vatikanische Verhältnisse sogar ausgesprochen zügig. Bongartz wurden in einer Studie „massive Fehleinschätzungen gegenüber Tätern, Beschuldigten und Opfern“ bescheinigt. An seiner Person entzündete sich – zumindest teilweise – der inzwischen beigelegte Streit zwischen Pfarrer Matthias Eggers und dem Hildesheimer Ortsbischof Heiner Wilmer (s. „Hildesheimer Aufarbeitungsstreit“ in den #LaTdH vom 2. Juni und „Die gute Nachricht des Monats“ im „Eule-Podcast RE: Mai 2024“).

Laut KNA begrüßt der Betroffenenrat Nord den Rücktritt von Bongartz ausdrücklich, zeigt sich aber „irritiert“ darüber, dass in der offiziellen Kommunikation von Bistum und Vatikan jeglicher Hinweis auf dessen Versäumnisse und Fehler fehlt. Bischof Heiner Wilmer tritt regelmäßig mit der Mahnung an die Öffentlichkeit, die Kirche müsse sich empathisch und feinfühlig gegenüber den Menschen (u.a. mit Austrittswillen) verhalten. Das hier sieht nach einer verpassten Gelegenheit aus, genau das zu tun.

Buntes

Vorwurf Blasphemie: Protest gegen Bananen-Ausstellung in Kirche – Christoph Paul Hartmann (katholisch.de)

Nach Protesten gegen eine Ausstellung des Künstlers Thomas Baumgärtel in der altkatholischen Namen-Jesu-Kirche in Bonn musste nun ein Sicherheitsdienst engagiert werden, um Besucher:innen und Exponate zu schützen. Zuvor hatte ein einschlägig bekanntes katholisches Hetzportal Stimmung gegen die Kunstwerke und die altkatholische Kirche gemacht, die eine solche „Provokation gegen Katholiken“ zulasse.

Nach dem Pariser „Abendmahl-Skandal“ gibt es nun also für rechtskatholische Thymos-Connaisseure wieder einen Anlass, das eigene Kunstunverständnis vorzuführen. Auf der Website der Galerie Geißler-Bentler gibt es viele schöne Fotos von der Ausstellung und eine bemerkenswerte Danksagung:

Dass die Stiftung der Namen-Jesu-Kirche Thomas Baumgärtel und der Galerie Geißler Bentler ihre Räumlichkeiten zum wiederholten Mal zur Verfügung stellt, finden wir absolut bemerkenswert und bedanken uns an dieser Stelle sehr herzlich. Insbesondere deshalb, weil durchaus religions- und kirchenkritische Werke zur Ausstellung kommen. Aber das bestätigt uns immer wieder, dass die Altkatholische Kirche ein Ort der Freiheit des Denkens ist, an dem man sich als Christ und als Mensch wunderbar aufgehoben fühlt.

Theologie

„Kindermörder Israel“ – Karoline Ritter, Katharina von Kellenbach (Bildstörungen-Podcast, Evangelische Akademie zu Berlin)

Auf pro-palästinensischen Demonstrationen und in Texten sowie Social-Media-Posts wird Israel immer wieder als „Kindermörder“ bezeichnet. Mit diesem antisemitischen Mythos, der sowohl unter Christ:innen als auch Muslimen Verbreitung findet, beschäftigen sich im aktuellen „Bildstörungen“-Podcast die Theologinnen Katharina von Kellenbach und Karoline Ritter. Mit dieser Episode beginnt die neue Staffel des empfehlenswerten Podcasts der Evangelischen Akademie zu Berlin.

In jeder Folge ihres Podcasts sprechen Ritter und von Kellenbach über ein bestimmtes antisemitisches Motiv aus der christlichen Tradition. Den Ausgangspunkt bildet stets eine konkrete Darstellung zum Beispiel in einem Schulbuch oder in den sozialen Medien. Mit den Mitteln von Theologie und Religionswissenschaft sowie mit Erkenntnissen aus dem jüdisch-christlichen Dialog schlagen [sie] Interpretationen biblischer Motive und Geschichten vor, die ohne antijüdische Codes und Projektionen auskommen.

Chefin von Theologinnen-Netzwerk: Am Ende muss sich auch Rom bewegen – Interview mit Gunda Werner von Felix Neumann (katholisch.de)

Fünf Jahre lang war die Bochumer Theologieprofessorin Gunda Werner Vorsitzende von AGENDA, dem Forum katholischer Theologinnen. Im Interview bei Felix Neumann von katholisch.de zieht sie zum Ende ihrer Amtszeit eine gemischte Bilanz. Zwar habe man auf die mangelnde Gleichberechtigung von Frauen im katholischen Wissenschaftsbetrieb hinweisen und auf die Missstände bei Nihil-Obstat-Verfahren aufmerksam machen können, aber von Bischöfen und aus dem Vatikan wird den Theolog:innen doch beharrlich die kalte Schulter gezeigt.

Frage: Für das „Nihil obstat“ sind Bischöfe und das Bildungsdikasterium im Vatikan zuständig. Wie wurde da die Studie aufgenommen?

Werner: Aus dem Bildungsdikasterium habe ich noch nichts gehört. Von der zuständigen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz gibt es dazu auch keine offizielle Rückmeldung und keinen offiziellen Kontakt. Beim Katholischen Fakultätentag (KTF) 2024 wurde die Studie von Miriam Zimmer (zap) und mir vorgestellt und sehr engagiert debattiert, und da war auch Weihbischof Hegge dabei, der stellvertretende Vorsitzende der Wissenschaftskommission der DBK.

Über die Kritik an den Nihil-Obstat-Verfahren berichteten wir bereits im „nachgefasst“ der #LaTdH vom 28. Januar 2024. Gleich zwei Fundamentaltheologinnen folgen als Doppelspitze Werner im Vorsitz von AGENDA nach, berichtet ebenfalls Felix Neumann auf katholisch.de: Martina Bär (Universität Graz) und Julia Enxing, die seit kurzem wie Werner in Bochum lehrt. Zuvor war sie Professorin in Dresden und von 2022 bis Anfang dieses Jahres auch Sprecherin des „Wort zum Sonntag“ in der ARD.

Ein guter Satz

„O herr haben wir gedacht mach uns zum werkzeug deines friedens
aber was kam war der lästige streit mit der behörde“

– aus „Der lange marsch“ von Dorothee Sölle

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