Newsletter #LaTdH

Vor, zurück, zur Seite, ran – Die #LaTdH vom 27. Oktober

Im Vatikan ist (endlich) die Bischofssynode zur Synodalität zu Ende gegangen. Was hat sie gebracht? Außerdem: Rechtsextreme vereinnahmen Bonhoeffer und Abschied von Lothar König.

Herzlich Willkommen!

Lothar König ist verstorben. Die Trauerfeier für den ehemaligen Jenaer Jugendpfarrer wird ausgerechnet am Reformationstag stattfinden (14 Uhr in der Stadtkirche in Jena). Die taz titelte zum Abschied „Der Antifarrer“, in der Zeitung erinnerte Feine-Sahne-Fischfilet-Sänger Monchi an seinen verstorbenen Freund. Auf den Social-Media-Plattformen – z.B. bei diesem Post des SPIEGEL auf Instagram – bekunden tausende Menschen ihr Beileid: „Es bräuchte mehr Lothar Königs in diesem Land.“ (Weitere Nachrufe unter „Buntes“.)

Ich habe mit Lothar König nur ein einziges längeres Gespräch geführt, im Frühjahr 2023 für das das Projekt „WIDERSTAND! Dorothee Sölle & der Osten“. Es ist (bisher) nicht veröffentlicht. Und es ist mir ordentlich entgleist. Das ging schon bei meiner ersten Frage los, welchen Einfluss Dorothee Sölle in der „Wendezeit“ auf ihn und die Widerstandsbewegung im Osten gehabt habe. Er spreche ja nicht von „Wende“ legte Lothar los, sondern von „Neuzeit“. Von da ab erzählte er von Poesie, politischen, theologischen und biographischen Brüchen, einem Pfarrdienst am Rande der Kirche, der Notwendigkeit von Widerstand heute, gegen die Rechten, gegen die Lethargie. Ein offenes Buch.

Sein Sohn Tilman hat ihn im Film „König hört auf“ (ARD-Mediathek) zur Zeit seines Abschieds vom Jugendpfarramt 2019 begleitet. Da kommt noch mal einiges hoch, aus der alten Zeit und vor allem aus den 90er Jahren, als die Neonazis im Osten den Ton angaben. Und von später, als er und der „Lauti“ ins Fadenkreuz der sächsischen Justiz gerieten.

Lothar König hat auch im Ruhestand nicht aufgehört. Als „Antifa-Pfarrer“ hat er vielen jungen und einstmals jungen Menschen Orientierung gegeben – immer kontrovers und streitig. Orte wie die JG Stadtmitte sind selten geworden. Inseln in der Kirche, wo sich die „Langhaarigen“, Punks und Linken angenommen und unterstützt fühlen. Inseln, auf denen diejenigen Rast einlegen können, die von rechter Dominanz in unserer Gesellschaft bedroht sind. Es hat sich alles ziemlich normalisiert im Osten. Heute ist es unter jungen Leuten wieder hip oder slay rechts zu sein. Der Kampf hört nicht auf.

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

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Debatte

Gestern ist nun (endlich) die Bischofssynode zur Synodalität im Vatikan zu Ende gegangen, deren zweite Sitzungsphase das Ende des von Papst Franziskus initiierten weltweiten „Synodalen Prozesses“ markierte. Teil des vier Jahre langen Prozesses waren „Konferenzen auf lokaler, kontinentaler und globaler Ebene sowie weltweite Befragungen in den Ortskirchen“ und „bei den Beratungen in Rom waren erstmals sogenannte Laien, darunter auch Frauen, mit Rede- und Stimmrecht beteiligt“, berichtet die KNA.

Die Ergebnisse der Beratungen der Bischofssynode Plus wurden gestern Abend bekanntgegeben – und Papst Franziskus hat sie direkt auch zur Weiterarbeit freigegeben, es wird kein anderes nachsynodales Schreiben aus seiner Feder geben. Unabhängig von den konkreten Ergebnissen (s.u.) muss gleich zu Beginn festgehalten werden:

Durch die erstmalige Teilnahme von Frauen, die ebenso wie andere Laien tatsächlich stimmberechtigt und nicht nur „beratend“ tätig waren, ist womöglich wirklich ein Stein in Richtung Synodalität in der römisch-katholischen Kirche ins Rollen gekommen, der nicht mehr aufzuhalten sein wird. Und zwar Synodalität in einem den Gesellschaften des 21. Jahrhunderts begreiflichen Verständnis: Als Mitbestimmung des Kirchenvolkes in all seiner Vielfalt.

Auf einen Blick: Das steht im Schlussdokument der Weltsynode – Giampaolo Mattei (Vatican News)

Bei Vatican News, dem Medienhaus des Heiligen Stuhls, kann man sich „auf einen Blick“ (sic!) durch das Abschlussdokument führen lassen, das am Samstag auf Italienisch und in einer englischen Arbeitsübersetzung veröffentlicht wurde. Eine vollständige deutsche Fassung liegt bei Redaktionsschluss dieser #LaTdH noch nicht vor. Vatican News weiß, dass …

… [d]as Dokument sich eingehender mit der „Artikulation der Entscheidungsprozesse“ (87-94), „Transparenz, Rechenschaftspflicht, Bewertung“ (95-102) sowie mit „Synodalität und partizipativen Gremien“ (103-108) beschäftigt.

In diese Passagen werden die Katholik:innen in Deutschland, die auf ihrem Synodalen Weg ebenfalls an Gremien der Mitbestimmung und Laien-Partizipation arbeiten, gespannt schauen. In mehreren deutschen (Erz-)Bistümern hat man sich beim Thema „gemeinsam Entscheiden“ schon auf den Weg gemacht – und die demokratische Kultur zeigt ja ohnehin dahin. Die KNA berichtet:

In ihren Beschlüssen sprach sich die Weltsynode ferner für größere Spielräume bei dezentralen Entscheidungen in der katholischen Kirche aus. Das bisherige Verfahren für die Anerkennung von Beschlüssen lokaler Kirchenversammlungen müsse reformiert werden, heißt es in dem Text.

Nur bei Fragen, die dogmatischen oder moraltheologischen Charakter haben oder die Sakramente betreffen, solle künftig weiterhin ein römisches Placet erforderlich sein. In allen anderen Fällen könne eine stillschweigende Zustimmung durch Rom angenommen werden. Die Weltsynode votierte zudem für mehr Mitsprache von Laien bei der Auswahl neuer Bischöfe.

Eine solche „stillschweigende Zustimmung aus Rom“ wäre im Vergleich noch zu heute, wo Reformvorschlägen und Bitten mit einem Hagel von Briefen aus dem Vatikan begegnet wird, und erst recht zu den Ratzinger-Jahren, wo eine Missfallensbekundung einzelner Bischöfe in Rom zum Einschreiten durch die Kurie führte, geradezu revolutionär. Es scheint als haben die deutschen Teilnehmer:innen ihre Wünsche da ordentlich ins Konzert der Synode einbringen können, wenn man zum Vergleich den Auftritt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und Synodenteilnehmers Bischof Georg Bätzing (Limburg) bei der Herder Korrespondenz heranzieht.

Von „Fiducia Supplicans“ (s. hier von Norbert Lüdecke & hier von mir in der Eule) zur Jahreswende 2023/2024 über die „Segnungen für gleichgeschlechtliche Paare“ aber sollten alle Diskursbeobachter:innen und -Teilnehmer:innen gelernt haben: Erst gründlich lesen, bevor gejubelt wird! Am Ende stellt sich so manche vom Presseamt des Vatikans (und deutschen Kirchenreformer:innen) präsentierte Revolution als frommer, aber unerfüllter Wunsch heraus.

Im Wortlaut: Das sagt das Synodenpapier zum Thema Frauen

Auch beim Thema Frauendiakonat, das die gesamte Tagung der Bischofssynode über die Nachrichten aus dem Vatikan dominiert hatte, gibt es, nun ja, Neuigkeiten. Die entsprechenden Absätze, drei an der Zahl, liegen bei Vatican News bereits auf Deutsch vor. Sie beginnen spektakulär:

„Kraft der Taufe haben Männer und Frauen die gleiche Würde im Volk Gottes. Dennoch stoßen die Frauen nach wie vor auf Hindernisse, wenn es darum geht, eine umfassendere Anerkennung ihrer Charismen, ihrer Berufung und ihres Platzes in den verschiedenen Bereichen des kirchlichen Lebens zu erlangen. Das geht zu Lasten des Dienstes an der gemeinsamen Sendung.“

Was jetzt nur kommen kann, ist ein Bekenntnis zu gleichen Rechten aller Menschen in der römisch-katholischen Kirche. Die Freigabe aller Weiheämter auch für Frauen. Oder – oder?

Nein, natürlich nicht. Hinter der Rede von „ihren“ Charismen, „ihrer“ Berufung und „ihres Platzes“ verbirgt sich ja doch wieder nichts anderes als eine Ideologie der Ungleichwertigkeit gegenüber Frauen, auch wenn im ersten Satz noch von „gleicher Würde“ die Rede ist. Allerdings wurde auch die folgende Passage mit sehr großer Mehrheit angenommen (258 Ja- zu 97 Nein-Stimmen):

„Es gibt keinen Grund, warum Frauen keine Führungsaufgaben in der Kirche übernehmen sollten: Was vom Heiligen Geist kommt, kann nicht aufgehalten werden. Auch die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst bleibt offen. Diesbezüglich sind weitere Überlegungen erforderlich.“

Das ist nach dem Heckmeck um die Stellungnahmen aus den bestehenden Arbeitskreisen zum Thema während der Sitzung in diesem Oktober doch schon einmal nicht schlecht. Am Montag erst ließ Franziskus allerdings zum Ausdruck bringen, „dass zum jetzigen Zeitpunkt die Frage des weiblichen Diakonats noch nicht ausgereift ist“. Ein langer Atem ist also notwendig, wenngleich Thomas Jansen in der FAZ (€) berichtet, die Gespräche bei alkoholischen Getränken aus pappsüßen Fruchtlikören an den römischen Abenden hätten sich schon um die Nachfolge Franziskus‘ gedreht. Der Papst wird in zwei Monaten 88 Jahre alt.

Den Umgang des Vatikans mit der „Frauenfrage“ während der Bischofssynode kritisiert derweil der neue Chefredakteur des Kölner Domradio, Renardo Schlegelmilch, als nicht der neuen synodalen Marschroute der römischen Kirche entsprechend:

Was von dieser Episode bleibt, ist ein fahler Nachgeschmack, was die Kommunikation des Vatikans betrifft. Hat man im Vorhinein groß betont, dass es bei der Synode eben nicht um die Knackpunkte wie Frauen oder Homosexualität geht, sondern um eine neue Art des Zuhörens, so hält sich der Heilige Stuhl in den letzten Wochen im eigenen Haus noch nicht an die Standards, die er sich von der katholischen Weltkirche wünscht.

Der Ball liegt in den Bistümern – oder nicht?

Es deutet doch recht viel auf eine „heilsame Dezentralisierung“ hin, die sich Papst Franziskus eigentlich für sein Pontifikat vorgenommen hatte, und die zwischenzeitlich schon von Beobachter:innen als „erledigt“ bezeichnet wurde. Der Ball liegt bei der Umsetzung von mehr Mitbestimmung bei den Bistümern und in den nationalen Bischofskonferenzen. Das sind gute Nachrichten für die römisch-katholische Kirche in Deutschland.

Beim Thema Weiheämter auch für Frauen bleibt es hingegen eher düster. Die Geschlechterfrage ist eine sakramentale Frage: Über die „Frauenfrage“ wird geklärt, wer in der Kirche Zugang zu Weiheämtern hat. Wenig deutet darauf hin, dass sich das grundsätzlich in Richtung Gleichberechtigung entwickelt.

Und die katholische Alttestamentlerin Juliane Eckstein (hier in der Eule), selbst Teilnehmerin des Synodalen Weges in Deutschland, stellt in ihrem „Standpunkt“ auf katholisch.de zutreffend fest, dass eine „heilsame Dezentralisierung“ gar keinen Bedeutungsschwund der Zentrale in Rom meint:

Macht wird häufig als Pyramide dargestellt (Papst an der Spitze, Bischöfe in der Mitte, die übrigen Getauften als Sockel). Es gibt aber soziologische Ansätze, die Macht als Knotenpunkt definieren. Dort, wo sich viele Handlungen konzentrieren, wo Aktivitäten hinführen und von wo sie weitervermittelt werden, dort sammelt sich Macht. In diesem Sinne ist Rom tatsächlich das kirchliche Machtzentrum, das durch die Bischofssynode zur Synodalität nicht geschwächt, sondern gestärkt wird. Rein faktisch und unabhängig von den tatsächlichen Beschlüssen ist dies bereits das erste Ergebnis dieser Synode.

nachgefasst I: Bonhoeffer und die Christliche Rechte (in den USA)

So war Bonhoeffer nicht! – Heinrich Bedford-Strohm, Wolfgang Huber, Arnd Henze et al. (DIE ZEIT, €)

Bereits vergangene Woche verwahrten sich führende Bonhoeffer-Forscher:innen und Theolog:innen gegen den Missbrauch von Leben und Werk Dietrich Bonhoeffers im US-Wahlkampf. Insbondere krisitieren sie, dass Bonhoeffer als Vorbild für den christlichen Nationalismus und „Widerstand“ gegen demokratische Institutionen missbraucht wird. Das passiert in den Werken des Publizisten Eric Metaxas und auch im Vorwort des „Project 25“-Strategiepapiers für eine zweite Trump-Amtszeit im Weißen Haus.

Jeder Versuch, Dietrich Bonhoeffer und seinen Widerstand gegen Hitler als Legitimation für heutige politische Gewalt heranzuziehen, ist entschieden zurückzuweisen. Dietrich Bonhoeffer selbst bietet die beste Verteidigung gegen den Missbrauch seines Lebens und seiner Arbeit. Er fragte nicht: Wie weit wirst du gehen? Er fragte nicht: Ist dies ein Bonhoeffer-Moment? Sein Leben war bestimmt von der Frage: Wer ist Christus für uns heute? Bonhoeffer lehrt uns, dass Christus im Leiden des Nächsten zu finden ist, ob auf der anderen Straßenseite oder jenseits der Landesgrenze. So hat er Christen und Nichtchristen in aller Welt inspiriert, sich für eine solidarische und menschliche Gesellschaft einzusetzen.

Der Versuch, Bonhoeffer gegen Vereinnahmungen von Rechtsextremen in Schutz zu nehmen ist ehrenwert und geboten. Schön, dass Vertreter:innen der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft so aufmerksam sind. Sie folgen damit einem Artikel des Journalisten und EKD-Synodalen Arnd Henze vom Sommer dieses Jahres in der Christ & Welt (€). Aber istder Versuch auch erfolgreich? Längst haben sich Eric Metaxas & Co. weiter radikalisiert, sind zu full blown rechtsextremen Verschwörungsideologen geworden. Es geht ihnen nicht mehr um die Fragen, die vor zehn Jahren aktuell waren (hinter dem Link verbirgt sich ein Artikel von mir, der im Original von 2015 stammt).

Billige Gnade: Streit um Bonhoeffer – Thorsten Dietz (RefLab)

Im schweizerischen RefLab unternimmt es Thorsten Dietz (hier in der Eule), knapp und in möglichst simpler Sprache zu erklären, warum Bonhoeffers Wirken und Werk zwar Anknüpfungspunkte für ein nationalistisches Christentum enthält, der Gedanke, er sei eine „Identifikationsfigur“ für rechte Christ:innen, aber „evangelikale Fan-Fiction“ ist. Das liegt daran, dass Bonhoeffer sich immer wieder auch selbst widerlegt habe, er sei ein „Repräsentant protestantischer Lernfähigkeit“.

Bemerkenswert ist auch der Briegf der Familie / Nachkommen Bonhoeffers, der u.a. in der Berliner Morgenpost veröffentlicht wurde.

„Wer sich auf Dietrich Bonhoeffer für die Rechtfertigung antidemokratischer, fremdenfeindlicher Bestrebungen beruft, ist falsch informiert oder böswillig. Die zunehmende Trivialisierung und Verkitschung von Bonhoeffers Vermächtnis hat diesem Missbrauch Vorschub geleistet. […] Aus dem Zusammenhang gerissen, zu frommen Sprüchen und Widerstandspathos degradiert, sind Bonhoeffer-Zitate zu Versatzstücken verkommen, mit denen sich inzwischen vom Project 2025 […] bis zum deutschen Rechtsextremisten Höcke auch viele schmücken, deren Absichten Bonhoeffers Denken und Handeln diametral widersprechen.“

Dieser Appell der Nachgeborenen richtet sich nicht allein an (vornehmlich) US-amerikanische Extremist:innen und Verschwörungsideologen, sondern auch an uns, indem der Umgang mit Bonhoeffer insgesamt kritisch in den Blick genommen wird. Es bleibt dabei, dass Bonhoeffer eben nicht nur vereinnahmt, sondern auch verklärt wird. 2015 (und 2022) schrieb ich:

Eine Begleiterscheinung der Adoption Bonhoeffers in den Mainstream der evangelischen Kirche war die Glättung seiner theologischen Überzeugungen, seiner politischen und ethischen Radikalität und seiner exzentrischeren Charakterzüge. In das Zentrum der Beachtung rückte der mutige Mann, der zweifelnde Mensch, der Verfolgte, der Heilige Bonhoeffer. Dazu trug sicher auch die mediale Aufbereitung seiner Biographie durch Bethge bei, bis hin zum Kinofilm mit Ulrich Tukur in der Titelrolle.

nachgefasst II: EKD vor der Synodentagung 2024

EKD sucht neuen Rat: Vier Bewerber – Benjamin Lassiwe (KNA, Domradio)

Am Montag hat die Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Anna-Nicole Heinrich, die vier BewerberInnen um die drei offenen Sitze im Rat der der EKD bekannt gegeben. Für die KNA hat Benjamin Lassiwe alles Wissenswerte zur Nachwahl in den Rat aufgeschrieben.

Es kandidieren: Susanne Bei der Wieden, Kirchenpräsidentin der Reformierten Kirche, und Christian Stäblein, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), sowie die EKD-Synodale und Kirchengeschichtlerin Schwester PD Dr. Nicole Grochowina und die theologische Vorständin der Von Bodelschwinghschen Anstalten in Bielefeld Andrea Wagner-Pinggéra.

Die große DSG-EKD-Reform: Leak und Analyse – Felix Neumann (Artikel 91)

Auf seinem Blog Artikel 91 schreibt Felix Neumann, der auch Redakteur bei katholisch.de ist, über die Irrungen und Wirrungen des Datenschutzes in Kirchen und Religionsgemeinschaften. Kurz vor der diesjährigen Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) Anfang November in Würzburg ist ihm ein Coup gelungen. Aufgrund eines Leaks kann er auf dem Blog schon mal die anstehende Novelle des Datenschutzgesetzes der Evangelischen Kirche (DSG-EKD) analysieren. Es ist durchaus positive Bewegung drin, vor allem was die Nähe des Rechts zur Praxis des Datenschutzes in der Kirche angeht.

Buntes

Lothar König nachgerufen

Binnen kurzer Zeit sind in den vergangenen Tagen zwei ostdeutsche Pfarrer und Bürgerrechtler verstorben: Bereits am 9. Juni ist Friedrich Schorlemmer gestorben. Auch ihm wurden bewegende Nachrufe gewidmet (hier, hier & hier). Am vergangenen Samstag verabschiedeten sich viele Menschen bei einem Gedenkgottesdienst in der Wittenberger Stadtkirche.

Lothar Königs Trauerfeier am Reformationstag wird ein wenig anders ausschauen, weil Schorlemmer und er – trotz mancher Ähnlichkeit – doch sehr unterschiedlich waren. Wer sein Leben mit jungen Leuten verbringt, der hat wohlgetan. Die Nachrufe und Beileidsbekundungen zeigen, dass Lothar König viele (linke) Ossi-Kinder geprägt hat. Und zwar nicht, indem er ihnen nach dem Mund gequatscht hat. Diese (ehemaligen) Jugendlichen sind jetzt an vielen Orten. Die Evangelische Jugend der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) erinnert mit einem kurzen Nachruf und Stimmen an Lothar König. Julia Braband (hier in der Eule), heute Pfarrerin in Erfurt Gispersleben, erinnert sich:

„Er war ein streitbarer und unbequemer. Einer, der sich nach Gerechtigkeit gesehnt hat und dafür, manchmal auch recht radikal, gekämpft hat. Er war mit Leib und Seele in der JG. Wenn er von etwas überzeugt war, hat er auch so lange diskutiert, bis auch der letzte sein Anliegen verstanden hat. […] Seine Latschen und die niemals ausgehenden Kippen werden fehlen.“

Nachrufe auf Lothar König finden sich im ND, in der taz und im Freitag (€) von David Begrich („Lothar König nervt“). Bereits zur Veröffentlichung von „König hört auf“ berichtete das Veto-Magazin (Text: Marius Münstermann, Fotos: Benjamin Jenak). Und in der Süddeutschen Zeitung schreibt Ulrike Nimz zu Königs Leben:

Man kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand? Dieser Pfarrer zog es vor, in die Hände junger Menschen zu fallen, beim Stagediving im Gemeindehaus. Wo er war, war Rauch. Sei es der Dunst von Bengalos oder die selbst gedrehten Kippen. Auch in ihm war Glut, er schürte sie, konnte aufbrausend sein, einnehmend, im Gespräch, auf der Kanzel. Seine letzte Predigt war ein Appell an das Miteinander: „Es begegnet ein Mensch einem anderen Menschen. Da wird nicht gefragt, ob er Punk ist oder verlottert aussieht. Da gehen wir zusammen ein Stück Weg, und ich sage euch: Ihr kriegt Sachen hin, die schier unglaublich sind.“ […]

In einer Szene [von „König hört auf“] packt König nach einem Konzert seinen Rucksack zusammen. Manchmal sei es ihm fast zu viel, was da an Emotionen rüberkomme, sagt er. „Ich wünschte, ich könnte es ein bisschen mehr verteilen, sammeln, aufbewahren, falls es mal kälter wird.“ Jetzt ist wieder Herbst in Deutschland, aber keine Sorge: Lothar König hat Vorräte angelegt, und sie reichen für alle.

Unternehmer:innen in Talaren? – Philipp Greifenstein (zeitzeichen)

In der Freitagskolumne „z(w)eitzeichen“ beim evangelischen Magazin zeitzeichen habe ich in dieser Woche über die Karriere des „Entrepreneur“-Begriffs in der Kirche geschrieben. Ausgangspunkt ist dieses epd-Interview mit der badischen Landesbischöfin Heike Springhart. Ich argumentiere in dem Text gegen die Verwendung des Begriffs in der Kirche.

7. Friedensethischer Studienabend: Wie enden Kriege? (Evangelische Akademien, online)

Beim 7. digitalen Studientag der Evangelischen Akademien zur Friedensethik wird es am Dienstag, den 29. Oktober, um das „Spannungsfeld zwischen Waffenlieferungen und Gesprächsdiplomatie“ gehen. In zwei Runden diskutieren Expert:innen aus Politik, Wissenschaft und Kirche über „Das Friedensgutachten 2024 und die polnische Perspektive auf den russischen Angriffskrieg“ sowie die Frage: „Wie funktionieren Verhandlungen und welche Voraussetzungen benötigen sie?“. Die Teilnahme ist kostenlos (Anmeldung hier).

Theologie

EKD-Ratsvorsitzender und Antisemit: Neue Studie zu Otto Dibelius – Thomas Klatt (DLF, 8 Minuten)

Ein neuer Band im Verlag Mohr Siebeck fasst den aktuellen Forschungsstand zur Gestalt Otto Dibelius zusammen. Herausgegeben wird das Kompendium vom Marburger Neutestamentler Lukas Bormann und dem Historiker und Experten für die Kirchengeschichte im Nationalsozialismus Manfred Gailus (s. #LaTdH vom 13. Oktober). Für die Religionssendung „Tag für Tag“ des Deutschlandfunks hat Thomas Klatt nun auch ein kurzes Feature zu Dibelius und dem neuen Band produziert, in dem u.a. Lukas Bormann zu Wort kommt. Klatt zeichnet Dibelius Wirken zwischen Kirchenreformen und politischen Irrungen nach.

Ein guter Satz

„Du hast mich geträumt gott
wie ich den aufrechten Gang übe
und niederknien lerne
schöner als ich jetzt bin
glücklicher als ich mich traue
freier als bei uns erlaubt“

– aus „Ich dein baum“ von Dorothee Sölle

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