Revolution im Advent? – Die #LaTdH vom 8. Dezember
In Bremen wird um das Kirchenasyl gekämpft. Außerdem: Ein Revolutionslied für den Advent, Theologie nach „ForuM“ und Glanz und Macht von Notre Dame.
Herzlich Willkommen!
Der Dezember ist nicht nur von der Adventszeit, der Vorbereitung auf Weihnachten geprägt, die römisch-katholische Kirche begeht auch Festtage von beliebten Vorbildern im Glauben: Am 4. Dezember stand die heilige Barbara im Mittelpunkt, am Freitag folgte der heilige Nikolaus. Am heutigen Sonntag feiern Katholiken eigentlich das Fest Mariä Empfängnis. Da die Sonntage der Adventszeit im liturgischen Rang aber höher stehen als das Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens, wird es in diesem Jahr auf den darauffolgenden Montag verlegt, erklärt Jan Hendrik Stens im Domradio.
Pünktlich zum Fest entführt Netflix sein Publikum ins antike Judäa. Im Mittelpunkt steht die Weihnachtsgeschichte – erzählt aus der Perspektive von Maria von Nazareth, der Mutter Jesu. Der Film „Mary“ schildert die bekannte Flucht von Maria, Josef und ihrem neugeborenen Sohn Jesus vor der mörderischen Verfolgung durch König Herodes – und sorgte bereits vor dem Start in der vergangene Woche für Diskussionen. Während Oscar-Preisträger Anthony Hopkins in die Rolle des tyrannischen Herodes schlüpft, werden Maria und Josef von den jüdischen Schauspielern Noa Cohen und Ido Tako aus Israel verkörpert. Boykottaufrufe in Social Media werden in der Jüdischen Allgemeinen zurückgewiesen: „Maria und Jesus waren keine Palästinenser. Sie waren Juden!“
Währenddessen beschwört der Theologe Hans-Jürgen Benedict in zeitzeichen ein ermutigendes gemeinsames gewaltfreies Erbe von Christentum und Islam: „Maryams Sohn“, der sich schon als Kleinkind als Knecht und Prophet Gottes sieht und kein Gewaltmensch sein will – so beschreibe der Koran das Jesus-Kind. In Frankreich hingegen vereint „Unsere Liebe Frau von Paris“ Kirche und Zivilgesellschaft im Stolz auf eine historische Wiederaufbauleistung (mehr dazu unter „Buntes“).
Und Maria selbst? Die jubelt im Magnificat:
Meine Seele preist die Größe des Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.
Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn der Mächtige hat Großes an mir getan,
und sein Name ist heilig.
Für Dietrich Bonhoeffer ist das Magnificat „das leidenschaftlichste, wildeste, ja man möchte fast sagen revolutionärste Adventslied, das je gesungen wurde“.
Einen guten Start in die neue Woche
wünscht Ihnen Ihr Thomas Wystrach
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Debatte
Räumung verhindert – Philipp Greifenstein (Die Eule)
In Bremen verhinderten unter der Woche rund 100 Demonstrant:innen friedlich die Abschiebung eines 25-jährigen Flüchtlings aus Somalia. In der Nacht zum Dienstag hatten Polizeikräfte versucht, das Kirchenasyl im evangelischen Gemeindezentrum der Zionskirche aufzulösen. Philipp Greifenstein fasst in seinem Beitrag hier in der Eule die Berichterstattung vor allem in regionalen Medien zusammen und erinnert an die Reihe von Kirchenasyl-Räumungen der letzten Monate:
Einzelfälle, die allerdings in den Kirchen für Irritationen sorgen und geeignet sind, das vertrauensvolle Miteinander von Staat und Kirchen nachhaltig zu beschädigen.
Nun will die betroffene Gemeinde zusammen mit dem Flüchtlingsrat der Hansestadt ein weiteres Zeichen setzen und ruft für den heutigen Sonntag zu einer Solidaritätskundgebung „Hände weg vom Kirchenasyl!“ auf.
Abschiebung scheitert an Zivilgesellschaft – Lotta Drügemöller (taz)
Jahrzehntelang war die Tradition, dass Kirchen in besonderen Härtefällen trotz anderslautender Behördenentscheidung humanitäres Obdach vor dem Zugriff des Staates gewähren, akzeptiert worden. Doch in diesem Jahr haben schon mehrere Bundesländer ihre Politik geändert – und erstmalig auf Abschiebungen aus dem Kirchenasyl gesetzt.
Pikant sei, so Lotta Drügemöller in der taz, dass Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) noch am Montag beim Jahresempfang der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) dem Verein „Zuflucht“, zuständig für die Kirchenasyle in Bremen, für seine Arbeit gedankt hatte. Die Senatskanzlei wollte sich zu der Frage, ob der Bürgermeister vorab von der geplanten Abschiebung wusste, nicht äußern.
„Unheimlich viel wertvolle Hilfe“ – Interview mit Isabel Schayani (Domradio)
Migration ist ein Wahlkampfthema, das sich Populisten zu eigen machen. Die Journalistin Isabel Schayani hat ein Buch über unerzählte Geschichten der Flucht geschrieben. Im Interview mit dem Domradio sieht sie die Kirchen als Partner im Kampf um Menschenrechte:
Ich glaube, dass die Kirche eine richtig große Rolle hat. Sie ist ein Teil der deutschen Zivilgesellschaft, in dem sich ganz viele Ehrenamtler ihren Werten verpflichtet fühlen. Die sind nicht so sehr dem zeitlichen Wandel unterlegen und nicht so anfällig für Populismus.
Ich glaube aber auch, dass die Kirche da noch viel mehr machen könnte. Auch wenn es in den Kirchen unheimlich viele Menschen gibt, die zu wenig Applaus bekommen, für das, was sie für diese Gesellschaft tun. Am Ende steht und fällt die Geschichte von den Menschen, die schutzsuchend zu uns kommen und vielleicht nicht so stabil sind, mit den Menschen, die sie aufnehmen. Und in den Kirchen gibt es unheimlich viel wertvolle Hilfe.
nachgefasst
Wofür die Zeit reif ist – Autorinnenkollektiv von AGENDA (feinschwarz.net)
Mit dem Ende der „Weltsynode“ in der römisch-katholischen Kirche beginnt die Frage, wie synodale Prozesse weitergehen können und die konkreten Themen weiterbehandelt werden. Inhaltliche Veränderungen hängen insbesondere daran, wer gehört wird und wie möglichst viele Menschen möglichst gerecht an Entscheidungen beteiligt werden können.
Der Verein „AGENDA – Forum katholischer Theologinnen“ hat Stimmen aus den eigenen Reihen gesammelt, um darauf aufmerksam zu machen, dass mit der Auswahl der Beteiligten ein machtvolles Instrument zur Regulierung von liebsamen und unliebsamen Strömungen bestehe, das reflektiert und hinterfragt werden müsse:
Solange diejenigen, die mit kirchlicher Leitung und damit Entscheidungsgewalt ausgestattet sind, entscheiden, wer legitim und an prominenter Stelle reden und sich beteiligen darf, bleibt die Beteiligung „aller Getauften“ eine Beteiligung derer, die in der Gunst oder im Sichtfeld der Mächtigen stehen. Eine machtkritische Perspektive auf die Frage der Beteiligung ist deshalb überfällig.
How synodality will change the Roman Curia – Interview mit Charles Scicluna (America, englisch)
Welche Folgen hat die Ende Oktober beendete Bischofssynode zur Synodalität? Mit den kirchenrechtlichen Fragen befasste sich die „Debatte“ der #LaTdH von vergangener Woche. Geht es nach dem Papst-Vertrauten Charles Scicluna, Erzbischof von Malta, gibt es bald „Checklisten“ für die Arbeit von Bischöfen und einen neuen Führungsstil im Vatikan:
Eine der Herausforderungen wird natürlich die Bekehrung der Römischen Kurie zu diesem Führungsstil sein, denn auch wir Bischöfe müssen in der Lage sein, mit der römischen Kurie – insbesondere den Dikasterien – in diesem Geist zusammenzuarbeiten. Wir müssen auf allen Ebenen eine Kultur der Transparenz und der Rechenschaftspflicht einführen. In einigen Bereichen hat sich dies verbessert, aber es gibt noch viel zu tun. Die Römische Kurie kann nicht mehr sagen: „Hier ist das Gesetz festgelegt, und es ist dort draußen zu befolgen.“
Der Papst und Kardinäle aus aller Welt – Christoph Strack (Deutsche Welle)
Wenn Franziskus neue Kardinäle ernenne, könne man immer mit überraschenden Entscheidungen rechnen, meint Christoph Strack in seinem Erklärstück für die Deutsche Welle. Am vergangenen Samstag nahm der Papst 21 Geistliche neu in das Kardinalskollegium auf. So prägt er den Kreis derjenigen, die später im Konklave seinen Nachfolger wählen:
Klar ist, dass Franziskus den Kreis der Teilnehmer eines nächsten Konklaves schon deutlich geprägt hat. Nur noch gut 21 Prozent der potenziellen Papstwähler wurden bereits von Johannes Paul II. (1978-2005) oder von Benedikt XVI. (2005-2013) ernannt. Franziskus hat diesem Kreis längst seinen Stempel aufgedrückt.
Gleichwohl ist es nicht ein Stempel mit einer einzelnen Prägung. So wählt Franziskus gern Geistliche aus, die nicht spürbar darauf warten, Kardinal zu werden. Jeder, der mit vatikanischen Abläufen zu tun hat, kennt solche Karriere-Priester. Franziskus macht es anders.
Während seiner Amtszeit hat der Pontifex inzwischen 163 Kardinäle ernannt. Welche Besonderheiten lassen sich bei ihnen feststellen? Matthias Altmann wirft bei katholisch.de einige Schlaglichter auf die Franziskus-Kardinäle. Bereits im Oktober hatte Benjamin Leven bei Communio kommentiert, der überraschende Verzicht von Paskalis Bruno Syukur, Bischof von Bogor in Indonesien, auf das ihm angetragene Kardinalat, enthülle die Schwächen der Personalpolitik des Papstes.
Buntes
Notre Dame
„Es ist ein Ereignis, das perfekt in die Vorweihnachtszeit passt und in einer von schlechten Nachrichten gebeutelten Welt einen hellen Kontrapunkt setzt“, heißt es im Beitrag von Deutschlandfunk Kultur: Mehr als fünf Jahre nach dem schweren Dachstuhlbrand am 15. April 2019, der die weltberühmte Kathedrale Notre-Dame de Paris fast komplett zerstörte, wurde die römisch-katholische Bischofskirche der Erzdiözese Paris am Samstag mit einem Festakt in Anwesenheit zahlreicher Staats- und Regierungschefs, jedoch ohne Papst Franziskus, wieder eröffnet. Anschließend fand ein spektakuläres Event-Konzert statt.
Etwa 2.000 Experten hatten am Wiederaufbau des zum UNESCO-Weltkulturerbes gehörenden Gotteshauses gearbeitet – oft mit eigens nach mittelalterlichem Vorbild angefertigten Werkzeugen und Techniken. Auch Barbara Schock-Werner war dabei. Die langjährige Dombaumeisterin und Präsidentin des Zentral-Dombau-Vereins zu Köln hat die deutsche Hilfe beim Wiederaufbau koordiniert. Wie rekonstruiert man eine mittelalterliche Kathedrale? Wiederaufbauen, restaurieren? Mit welchen Materialien und welcher Technik? „Notre-Dame, die Jahrhundertbaustelle“ heißt die ARTE-Dokumentation über ein bewegendes Projekt im Herzen von Paris.
Mit Trump, aber ohne den Papst – Michaela Wiegel (FAZ)
Noch in der Nacht des Brands, dessen Ursache bis heute nicht vollständig geklärt ist, versprach der französische Staatspräsident Emmanuel Macron, Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen – „schöner als zuvor“. Seither wollte ihm vieles nicht recht gelingen, doch dieses Versprechen habe er gehalten, stellt Michaela Wiegel fest. In ihrem Beitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verweist sie auf die Bedeutung der über 800-jährigen, bewegten Geschichte der Kathedrale, die nicht nur ein Ort religiöser Einkehr, sondern immer auch ein Schauplatz politischer Repräsentation von Kirche und Staat gewesen sei.
Notre-Dame für alle: Zugehörigkeit und Transzendenz – Xandro Pachta-Reyhofen (COMMUNIO)
So sehr einige Beobachter im Brand von Notre-Dame ein Bild für den krisengeschüttelten und zahlenmäßig im freien Fall sich befindenden katholischen Glauben sahen, so sehr wittert manch einer in der spektakulären, ja fast wundersamen Wiederrichtung in nur fünf Jahren, ein Zeichen für einen kirchlichen Neuaufbruch in Frankreich, der sich zum Beispiel in der rapid steigenden Anzahl an Erwachsenentaufen manifestiere. Aber so einfach ist es nicht, …
… warnt Xandro Pachta-Reyhofen in seinem Beitrag für Communio und geht der Frage nach, wie man die ungeheuer starke emotionale Bindung der Franzosen an die Kathedrale in Paris verstehen und deuten könne – bei gleichzeitiger rasanter Entfremdung vom Katholizismus in Frankreich. Von der Zerstörung und dem Wiedererstehen eines bedeutenden Gotteshauses und Wahrzeichens europäischer Kultur seien auch Glaubende anderer Konfessionen und Religionen, Kunstliebhaber und Geschichtskundige berührt.
Das „Zugehörigkeitsbedürfnis zu einer geschichtlich gewachsenen identitätsstiftenden Gemeinschaft (…) und das zeitlos menschliche Verlangen nach Spiritualität und Transzendenz“ deute auf eine „große Chance und Herausforderung der Tourismuspastoral in unseren altehrwürdigen Kirchen und Kathedralen hin“. Doch der neue Glanz von Notre-Dame soll nicht nur Christen erfreuen: Ein eigens entworfener Pilgerpfad soll allen Besuchern ein spirituelles Erlebnis ermöglichen – die neue Mission für die „Kathedrale des dritten Jahrtausends“?
Starregisseur Jean-Jacques Annaud hat den Kampf um das französische Nationaldenkmal in „Notre-Dame in Flammen“ spektakulär, dramatisch und sehr emotional in Szene gesetzt – bis Anfang Januar ist der Spielfilm von 2022 noch in der 3sat-Mediathek zu sehen.
Theologie
„Die Barmer Theologische Erklärung ist kein Wortmuseum“ – Interview mit Claudia Janssen (Wuppertaler Rundschau)
Die Barmer Theologische Erklärung (BTE) stellt einen Schlüsseltext der evangelischen Theologie und ihrer politischen Dimension im 20. Jahrhundert dar. Die sechs Barmer Thesen im Zusammenhang der Ersten Reichsbekenntnissynode in Wuppertal-Barmen gehören zum Traditionsgut des deutschen Protestantismus. Die BTE bildet ein Musterbeispiel dafür, wie sehr die Kirche in ihrer Frage, was Kirche zur Kirche macht und in welches Verhältnis Staat und Kirche zu setzen sind, auf eine solide Theologie angewiesen bleibt.
Vom 9. bis 13. Dezember findet daher an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (und auch digital zu verfolgen) eine Studienwoche unter dem Titel „Macht der Erinnerung. Lektionen der Theologie im Horizont von Barmen für Kirche, Politik und Gesellschaft 90 Jahre nach der Barmer Theologischen Erklärung“ statt. Im Interview erklärt KiHo-Prorektorin Prof. Claudia Janssen, welchen Erkenntnisgewinn sie sich von den verschiedenen Vorträgen verspricht:
In kirchenhistorischer Hinsicht besteht die Arbeit vor allem darin, dass die Barmer Thesen in ihrem zeitgeschichtlichen Kontext analysiert und konkret historisch eingeordnet werden müssen. Dazu gehört auch aufzudecken, was an ihnen problematisch ist.
In systematisch-theologischer Hinsicht besteht die Arbeit darin zu zeigen, inwiefern die Barmer Thesen einen Leitfaden theologischer Auskunftskompetenz bilden und wie sie helfen, angesichts der drängenden Fragen der Gegenwart theologisch sprachfähig zu werden.
Zur Zukunft der Kirchlichen Hochschule Wuppertal hat sich Carlotta Israel im Mai hier in der Eule Gedanken gemacht.
Theologie und Sexologie: wie passt das zusammen? – Theresia Härtel (Theologie aktuell)
Theresia Härtel ist Pastoralreferentin im Erzbistum Berlin – neben dieser Stelle arbeitet sie aber auch als selbstständige Sexualberaterin. Im Blog der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, an der sie ihr Studium mit einer Masterarbeit zum Thema „Wie viel Sex braucht der Zölibat?“ abgeschlossen hat, erzählt sie von ihrem ungewöhnlichen Karriereweg und erklärt, warum Theologie und Sexologie so gut zusammenpassen.
Oftmals ist Sexualität gerade im Kontext der Kirche tabuisiert. Das führt dazu, dass sich die eigene Sexualität nicht ausreichend entwickeln kann. Deshalb: redet mehr über Sex, auch das hilft schon bei der sexuellen Entwicklung und egal, ob ihr irgendwann verheiratet, zölibatär, polyamor oder wie auch immer leben wollt: das bringt weiter, deckt bestimmte Glaubensmuster auf, hilft bei konkreten Problemen oder zeigt, dass bestimmte Vorurteile schon längst hinterfragt werden können.
Wozu noch Vergebung und Rechtfertigung? (VELKD)
Die im Januar 2024 vorgestellte „ForuM-Studie“ zu sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie hat eine Reihe von theologischen Anfragen aufgeworfen. Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD) stellt jetzt einige Antwortvorschläge zur Diskussion. Die kurzen Orientierungen finden sich in einer neuen, 20-seitigen Ausgabe der „Texte aus der VELKD“, die es als kostenloses PDF zum Download gibt. Unter dem Titel „Lutherische Theologie und die Abgründe sexualisierter Gewalt in der Kirche“ werden „Klarstellungen und Korrekturen“ vorgenommen.
In der Textsammlung werden zehn zentrale Fragen von sieben Theologinnen (u.a. Petra Bahr, Margot Käßmann und Katharina von Kellenbach) und drei Theologen (u.a. Thorsten Dietz und Notger Sleczka) mit jeweils besonderer Expertise behandelt. Tobias Graßmann schreibt in seinem Beitrag „Sola fide – Glaube allein rechtfertigt bitte was?“:
Für den kirchlichen Sprachgebrauch wäre zu wünschen, dass Begriffe wie Sünde, Schuld und Glaube die präzise theologische Bedeutung wiedererlangen, die sie in der reformatorischen Rechtfertigungslehre erhalten haben. So lässt sich die absichtliche oder unabsichtliche Verwischung der Beziehungsdimensionen vermeiden, die Täterstrategien und institutioneller Verantwortungsdiffusion zuarbeiten kann. (…)
Es wäre gleichwohl naiver Dogmatizismus, von Begriffsschärfungen dieser Art einen wirksamen Schutz gegen die oft perfiden Entlastungsstrategien zu erhoffen, deren sich Täter und Institutionen im Umgang mit den Opfern sexueller Gewalt bedienen. Notwendig erscheint daneben eine kirchliche Kultur, die nicht behindert, sondern befördert, dass Schuld offen benannt und öffentlich anerkannt wird.
Tobias Graßmann hatte bereits im Mai 2024 in der Eule ausführlich über die Rechtfertigungslehre nach „ForuM“ geschrieben. Mit der Theologin Katharina von Kellenbach sprach Eule-Redakteur Philipp Greifenstein im „Eule-Podcast“ im Mai anküpfend an ihren Beitrag „Schuld kompostieren“ in der Publik-Forum (€) über Schuld und Vergebung nach „ForuM“.
Ein guter Satz
„Ich mach diese Arbeit einfach gerne. Denn meine Überzeugung ist nach Artikel 1 unseres Grundgesetzes ganz grundsätzlich, dass niemand wegen irgendetwas schlechter gestellt oder diskriminiert werden soll.“
– Ludger Schepers, seit 2008 Weihbischof im Bistum Essen, im Interview mit der Deutschen Welle. Im Februar 2024 bestimmte ihn die Deutsche Bischofskonferenz zum Beauftragten für Queer-Pastoral.
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