Kolumne Sektion F

„Kein Geld, kein Staat, kein Kyriarchat!“

Feministische Kämpfe müssen heute in intersektionaler Perspektive geführt werden. Auch Religion und Religionszugehörigkeit sollten integriert werden. Für eine neue Parole zum 8. März!

Am 8. März ist wieder feministischer Kampftag oder wie ihn der Kalender nennt: Internationaler Frauentag. Dessen Hintergrund: Sozialistisch! Am Anfang diente der Tag der Forderung nach dem Frauenwahlrecht. Nach dieser Bundestagswahl und angesichts des Backlashs gegen Frauenrechte in den USA, der durch die Wiederwahl Donald Trumps noch weiter an Fahrt aufgenommen hat, scheint es erschreckend aktuell, sich weiterhin für das Frauenwahlrecht einzusetzen.

Die Bundestagswahl brachte keine Kanzlerschaft Robert Habecks. Also sind die Befürchtungen des Kölner Werte-Unionlers Gundolf Siebeke doch (noch) nicht wahrgeworden. Er hatte fabuliert, Frauen seien „zu“ emotionalisiert und/oder eigentlich sexuell-motiviert, Robert Habeck zu wählen. Siebeke stellte darum das Frauenwahlrecht in Frage. Aber auch wenn viele Männer soweit sicher nicht gehen würden: Das zugrundeliegende Vorurteil, Frauen seien einfach zu emotional für dies oder das, ist weit verbreitet.

Wie der feministische Kampftag / Internationale Frauentag begangen wird, hängt auch weiterhin von der politischen Couleur ab – und von der Region, in der jemensch lebt. Ist es ein Streiktag oder ein Feiertag? Werden weiblich gelesenen Personen in der Fußgänger*innenzone Blumen geschenkt oder ziehen FLINTA*s lauthals demonstrierend durch die Straßen? Übrigens: Dass der Weltgebetstag der Frauen dieses Jahr sogar am Vorabend des 8. März liegt, kommt auch nicht von ungefähr! Dessen Datierung auf den ersten Freitag im März liegt in zeitlicher Nähe zum seit dem Jahr 1977 in einer UNO-Resolution geforderten „Tag für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“.

Wie bedauerlicherweise in jedem Jahr ist gerade der letzte Aspekt des UNO-Namens auch dieses Jahr besonders erwähnenswert. Und zwar besonders im Zusammenhang damit, dass die Präsidenten Trump und Putin mit ihren männlichen Elitenzirkeln Freiheitsrechte vieler Menschen in ihren Ländern einschränken und obendrein noch Menschenleben in Ländern verhökern, über die sie eigentlich gar nicht herrschen.

Dass seit Neuestem trans* Personen im Grunde nicht mehr in die USA einreisen können, ist nur eine der zahlreichen Maßnahmen des MAGA-Kampfs gegen trans*Personen, die wir in Deutschland wenigstens am Rande noch mitbekommen. In Russland gilt queeres L(i)eben als „Extremismus“. Vom Moskauer Patriarchen Kyrill I. wird der Krieg gegen die Ukraine als Anti-Queer-Krieg, als besonders christlich (oder besonders orthodox) gerechtfertigt. WTF?! Da fehlen mir die Worte.

In ihrem Wahlprogramm hatten CDU/CSU damit geworben, das neue Selbstbestimmungsgesetz gleich wieder abzuschaffen. Zur Begründung wird in Deutschland wie von den Republikanern in den USA der „Jugendschutz“ herangezogen. Auch dass die Union neben einer Reihe weiterer zivilgesellschaftlicher Organisationen besonders die „Omas gegen Rechts“ auf dem Kieker hat, zeigt nicht nur, dass sie bereit ist, rechtspopulistische und -radikale Strategien und Ideen zu übernehmen. Es ist auch nicht schwer, in den Unterstellungen der Unions-Männer, die sich vor allem online auslassen, misogyne Ressentiments zu identifizieren.

Gemeinsam kämpfen!

Es gäbe also genug, wogegen es sich gemeinsam zu kämpfen lohnte! Doch auch dieses Jahr wird, so befürchte ich, vor dem 8. März wieder der Kampf aufbrechen zwischen trans*-inklusiven und trans*-exklusiven Verständnissen von Frauen (teilweise generationell, aber eher rechts vs. links). Ein Kampf darum, wer eigentlich für wen kämpfen darf. Der Begriff „Feministischer Kampftag“ ist bewusst inklusiv und integrativ angelegt. Selbstverständlich kann auch ein „Frauenstreik“- und/oder „-kampftag“ von Menschen jeden Geschlechts unterstützt werden! Aber möglicherweise in voneinander verschiedenen Formen.

Was die Bezeichnung als „Streiktag“ deutlich macht: Es geht um Macht- und Besitzverhältnisse. Dieses Jahr ist am 7. März der Equal-Pay-Day. Ab dem 7. März 2025 „lohnt“ es sich auch statistisch für Frauen, einer Lohnarbeit nachzugehen. Da Frauen 16% weniger Lohn erhalten, sind die quasi unentgeltlichen 16% des Jahres nun bald vorüber (dazu hier ein richtig guter Flyer als PDF).

Ein Feminismus, der so verstanden wird, ist intersektionaler Feminismus. Intersektionalität befasst sich mit den Überschneidungen verschiedener Diskriminierungsaspekte. Frauen besitzen meist weniger als Männer: Die Überkreuzung von Geschlechts- und Klassenzugehörigkeit (engl. gender und class). Auf Frauen mit Migrationsgeschichte trifft das noch einmal ganz besonders zu und für Frauen, die als nicht-deutsch gelesen werden (engl. race, gender und class).

In der Vergangenheit hat es auch die feministische Bewegung nicht immer geschafft, auf z.B. rassistische Diskriminierungs- und Exklusionsmechanismen in der eigenen Bubble zu achten. Da ist immer noch viel ausbaufähig. So gibt es nicht ansatzweise flächendeckend einen gemeinsamen Kampf mit Frauen mit Dis/ability oder Neurodivergenz. Auch hier ist noch viel mehr möglich!

Die Gretchenfrage – auch am 8. März

Aber: Auch eine Sensibilität innerhalb der feministischen Bewegung gegenüber Religion und Religionszugehörigkeiten wäre wünschenswert. Klar, das formuliere ich jetzt aus der Perspektive einer Christin, d.h. aus einer grundsätzlich gesellschaftlich dominanten Position heraus. Innerhalb der Frauenbewegungen ist Religion aus guten Gründen nicht besonders positiv angesehen, weil patriarchale Unterdrückung meist eher durch Religionen legitimiert als in Frage gestellt wurde.

Dass aber auch das der der Fall sein kann und Religion auch emanzipatorisch-empowernd gefüllt und gelebt werden kann, zeigt sich sogar auf immer fragwürdiger werdenden Plattformen wie Instagram (bspw. im feministischen Andachtskollektiv) oder in der Geschichte (bspw. in „The Woman’s Bible“ von 1895/98). Dagegen ist der alljährlich auf Demos skandierte Ruf „Kein Gott, kein Staat, kein Patriarchat“ ist exkludierend.

Auch hier bedarf es einer intersektionalen Perspektive: Als Mitglied der weißen christlichen Dominanzkultur finde ich es eigentlich gut, wenn dieses Privileg nicht unhinterfragt bleibt. Dass aber bei „kein Gott“ nicht allein Christ*innen ausgeschlossen werden oder diese erst einmal the*logische Adaptionsmöglichkeiten überdenken – Stichwort Bonhoeffer-Memoria: Einen G*tt, den es gibt, gibt es nicht!? – gilt es trotzdem laut zu entgegnen. Feministische Akteur*innen und Organisator*innen von 8. März-Veranstaltungen sollten sich auch befragen, ob g*tt- bzw. -religionsfeindliche Parolen nicht doch Gräben zwischen Mitstreiter*innen vertiefen!

Das Verhältnis Feministischer The*logie und der kirchlichen zur „allgemeinen“ Frauenbewegung war und ist wechselvoll. Hier geht es aber nicht nur im privilegierte Christ*innen aus evangelischen Landeskirchen und/oder katholischen Bistümern! Hier geht es auch um die sogenannten „Migrationskirchen“. Und selbstverständlich geht es auch um jüdische, muslimische, jesidische, alevitische FLINTA* und Frauen aus vielen weiteren Religionsgemeinschaften. Aus intersektionaler Perspektive betrachtet, können Religionszugehörigkeiten zu Diskriminierung einerseits oder eben in großen Teilen der Erde durch Mission und Kolonialismus zur Privilegierung des Christlichen führen. Intersektionaler Feminismus darf nicht an dieser Stelle zur Wiederholungstäterin werden.

„Kein Geld, kein Staat, kein Kyriarchat!“

Und ein letztes: Aus dem feministisch-the*logischen Begriffsfundus könnte mit dem Begriff „Kyriarchat“ von Elisabeth Schüssler-Fiorenza genau das treffend benannt werden, wogegen feministische Bewegungen sich stellen. „Kyriarchat“, also die Führung durch die „freien Herren“ – inspiriert von antiken Gesellschaftsstrukturen – verbindet nämlich schon Status bzw. Klasse, Geschlecht und den Umstand, dass auch nicht alle Männer automatisch durchs Mannsein Macht haben.

Dass das Mannsein auch „vergöttlicht“ wurde/wird, schwingt beim „Kyriarchat“ mit, weil Kyrios ja auch eine Bezeichnung für G*tt und Jesus sein kann (griech. der Herr, aus dem „Kyrie eleison“ der Liturgie bekannt). Dass Religion im Sinne der Herrschaft „freier Männer“ (von diesen) eingesetzt wurde, zeigt der Begriff also ebenso an.

Jetzt bastele ich ein bisschen rum: Wie könnte daraus eine neue Parole werden? Weiterhin anarchistisch mit „kein Staat“ in der Mitte? Und was als erstes? Kein Geld – zu antikapitalistisch? Ich bin für Alternativvorschläge offen, aber wie wäre es mit: „Kein Geld, kein Staat, kein Kyriarchat!“



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Eule-Podcast Q & R mit Carlotta Israel

Wie können wir mit Mansplaining in der Kirche umgehen? Welche feministischen Themen sind für Theologie und Kirche wichtig? Kommt die (Frauen-)Quote? Im „Eule-Podcast Q & R“ beantwortet Carlotta Israel Fragen aus der Leser:innen- und Hörer:innenschaft der Eule.

Carlotta schreibt seit 2021 die Eule-Kolumne „Sektion F“ und ist vielfältig engagiert für einen intersektionalen Feminismus in Theologie und Kirche. In diesem Jahr wurde sie mit dem Dorothee-Sölle-Preis ausgezeichnet.

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