Der Deal-Maker als Friedensfürst?
Sorgt Donald Trump als „Messias“ für Frieden im Heiligen Land? Die politischen Mythen des Trumpismus sind mit religiösen Ideen verknüpft: Eine gefährliche Mischung.
Liebe Eule-Leser:innen,
fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Angriff palästinensischer Terroristen am 7. Oktober 2023 ist ein – unter maßgeblicher Führung der USA – ausgehandelter Waffenstillstand zwischen der israelischen Armee und der Hamas in Kraft getreten. Die wenigen überlebenden Geiseln wurden freigelassen und begeistert in Israel empfangen. Gleichzeitig wurden fast zweitausend palästinensische Gefangene aus israelischer Haft entlassen.
US-Präsident Donald Trump, der sich überzeugt davon zeigt, er habe vollbracht, was niemand sonst hätte erreichen können, ließ sich am Montag in der Knesset, dem israelischen Parlament in Jerusalem, sowie auf einem internationalen Gipfeltreffen im ägyptischen Scharm El-Scheich für seinen „Gaza-Deal“ ausgiebig feiern. Nicht nur vom Ende des Krieges war die Rede – in Aussicht gestellt wurde ein Neuanfang für Israel, der Wiederaufbau des fast vollständig zerstörten Gaza-Streifens, eine neue „Goldene Ära“ im Nahen Osten.
Nach Trumps Vision sollen die seit Jahrzehnten zerstrittenen Völker in friedlicher Koexistenz leben, langfristig sogar in Freundschaft, durch Handel und kulturellen Austausch miteinander verbunden: Ein „ewiger Frieden“, vermittelt durch den Deal-Maker aus dem „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“.
Der Sprecher der Knesset, Amir Ohana, erklärte in seiner Begrüßungsansprache, Trump sei nicht einfach nur ein weiterer US-Präsident, sondern „eine Größe der jüdischen Geschichte, für die wir zweieinhalb Jahrtausende in die Vergangenheit zurückblicken müssen, um mit Kyros dem Großen eine Parallele zu finden“. Derlei peinliche Lobpreisungen stoßen auf Kritik von Theolog:innen, die vor einer religiösen Verklärung von Trump warnen. Die Alttestamentlerin Irmtraud Fischer aus Graz nannte die Häufung der Bezüge auf die Bibel „mehr als fragwürdig“:
„Die Vermischung von Religion und Politik ist beängstigend, und die fundamentalistische Untermauerung der Trump-Administration durch religiöse Sprache ist für den Erhalt der Demokratie brandgefährlich.“
Die Referenz auf den Perserkönig, der das Volk Israel aus der Babylonischen Gefangenschaft befreite, ist in evangelikalen Kreisen der USA schon länger im Gebrauch, gerade weil Trumps Lebenswandel nicht die moralischen Ansprüche „wiedergeborener Christen“ erfüllt. „Evangelikal ausgerichtete Israel-Politik ist allerdings überhaupt nicht am Judentum interessiert, sondern auf eine spezifische Erwartung der Wiederkehr Christi ausgerichtet“, betont Fischers Münsteraner Kollege Oliver Dyma.
Dass Knesset-Sprecher Ohana den Talking Point messianisch gesinnter Evangelikaler von Trump als Kyros aufnimmt, stimmt nachdenklich. Schon seit einiger Zeit ist eine Allianz zwischen ihnen und rechtsradikalen jüdischen Siedlern in Israel am Werk. Hierbei geht es um mehr als um ideologische Unterstützung, sondern ganz konkret um die finanzielle Unterstützung durch christlich-zionistische Gruppen vor allem aus den USA. In Deutschland findet sich Kyros-Trump-Rede nur bei einigen wenigen rechtsradikalen neocharismatischen und evangelikalen Akteur:innen, wie Philipp Greifenstein hier in der Eule an einem triftigen Beispiel bereits vor 5 Jahren analysiert hat. In seinem Text erklärt er auch die „charismatische Nationentheologie“, die dem Christlichen Nationalismus mit großem „C“ in den USA zugrundeliegt – und warum der Trump-Messianismus inhärent antisemitisch ist.
Ein guter Tag
Gabriel Romanelli, Pfarrer der römisch-katholischen Pfarrei der Heiligen Familie in Gaza, beschreibt die Stimmung im Heiligen Land in einem Gespräch mit Radio Vatikan als „einen Wechsel zwischen Hoffnung, Angst und der bitteren Erkenntnis der vollständigen Zerstörung“. Zwar habe sich ein Gefühl der Dankbarkeit breitgemacht, dass viele Familien wieder vereint seien, doch die Sorgen um die Zukunft blieben groß, sagte er in einer Videobotschaft. Dirk Bingener, Präsident des römisch-katholischen Hilfswerks missio Aachen, sprach von einem „guten Tag für alle in Israel und dem Nahen Osten“.
Nach nur wenigen Tagen erweist sich das Abkommen zwischen Israel und Hamas allerdings als fragil. Viele Details von Trumps 20-Punkte-Plan, etwa wie ein „technokratisches, unpolitisches palästinensisches Komitee“ gebildet werden soll, das die Regierungsgeschäfte im Gaza-Streifen führen soll, oder wann genau mit einer Stationierung einer „temporären Internationalen Stabilisierungstruppe“ (ISF) zu rechnen sein wird, sind bisher unklar.
Auch von einer „Entwaffnung“ der palästinensischen Terrororganisation Hamas kann keine Rede sein, vielmehr werden vermeintliche Kollaborateure öffentlich hingerichtet. „Wenn die Hamas weiterhin Menschen in Gaza tötet, was nicht Teil des Deals war, haben wir keine andere Wahl, als einzumarschieren und sie zu töten“, schrieb Trump auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social. Ob die „zahlreichen durchdachten Investitionsvorschläge und spannenden Entwicklungsideen“ wirklich die Zahl der „florierenden modernen Wunderstädte im Nahen Osten“ vermehren werden, ist lange nicht ausgemacht. Und erst recht nicht, ob das wirklich der leidgeprüften Bevölkerung von Gaza oder eher den ultrareichen Geschäftspartnern in Katar, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu Gute kommt.
Gefährlicher Messianismus
Der vermeintliche „Friedensfürst“ Trump gebärdet sich im eigenen Land indessen weiter als Brandstifter. Die politisch-religiöse „Make-America-Great-Again“-Ideologie des US-Präsidenten sorge in der römisch-katholischen Kirche und im Ausland für Unruhe, schreibt der Kirchenhistoriker und Religionswissenschaftler Massimo Faggioli in seinem Beitrag über den „Transatlantischen Trumpismus“ für das Commonweal Magazine (auf Englisch).
Die religiöse Rechte, die sich lange über vermeintliche staatliche Übergriffe und Verletzungen der Religionsfreiheit beschwert habe, begrüße nun das harte Eingreifen des Staates, während sie zu der Tatsache schweige, dass Gläubige aus Angst vor einer Festnahme durch maskierte ICE-Beamte nicht zum Gottesdienst gehen. Das gilt auch für viele Oberhirten in der zerstrittenen US-Bischofskonferenz. Für Faggioli zeige die europäische Geschichte, wie politischer Messianismus die Seele der Kirche zerstören kann:
„Könnte das auch in den Vereinigten Staaten passieren? Es gab einmal eine „Zivilreligion“, ein gemeinsames System aus Mythen, Symbolen und Ritualen, das einen integrativen und einigenden moralischen Rahmen für das politisch-religiöse Projekt Amerikas bildete. Aber die „politische Religion“, die jetzt entsteht, ist anders: Sie ist nationalistisch und exklusivistisch und vertritt eine dunkle Vorstellung vom Christentum, die das Evangelium verzerrt. Zwischen den 1920er und 1940er Jahren hat das Papsttum die Kosten dieser Art von politischem Christentum auf schmerzhafte Weise gelernt.
Heute befindet sich der Vatikan in einer besonders heiklen Lage, zumal ein in den USA geborener Papst zu Recht um die Einheit der Kirche besorgt ist. Der Vatikan weiß, dass die politisch-religiösen Umwälzungen in den Vereinigten Staaten langfristige Auswirkungen nicht nur auf den amerikanischen Katholizismus, sondern auf die weltweite Kirche haben könnten. Die schwierigen Beziehungen zwischen dem rechtsgerichteten amerikanischen Katholizismus und dem Vatikan unter Franziskus könnten keine einmalige Ausnahme gewesen sein, sondern vielmehr einen Präzedenzfall geschaffen haben.“
Der Antagonismus zwischen Donald Trump und dem „Anti-Trump“ Papst Leo war bereits in der „Re:mind“-Ausgabe von letzter Woche Thema. Aber die Polarisierung des US-amerikanischen Katholizismus verschärft auch die Debatten in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. Die Kritik an der Verleihung des Josef-Pieper-Preises an Bischof Robert Barron (vgl. dazu den „Eule-Podcast RE: August 2025“) ist dafür nur ein Beispiel, so Daniel Bogner in der aktuellen Folge des Podcasts „Mit Herz und Haltung“.
In seinem Beitrag über das „Christentum im Kampfmodus“ zieht Reinhold Bingener in der FAZ ebenfalls eine Linie vom Siegeszug der Religiösen Rechten in den USA, wo die „weißen christlichen Nationalisten“ die Kernwählerschaft von Donald Trump bilden, zur Zukunft der Kirchen im Europa der fortgeschrittenen Säkularisierung. Er warnt davor, „die bleibende Kraft und ebenso die bleibende Ambivalenz des christlichen Symbolbestands auch in Europa“ zu unterschätzen:
„Der Versuch, eine lange kulturprägende Religion an den Rand zu drängen, könnte zum Preis haben, dass sie irgendwann von dort zurückkehrt, dann aber in einer unzivilisierteren, kämpferischen Form.“
In der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung ist in dieser Woche eine kostengünstige Sonderausgabe des Buches „Trump & Co. Der un/aufhaltsame Weg des Westens in die Anti-Demokratie“ erschienen. Der Kulturkritiker Georg Seeßlen analysiert darin den Trumpismus, seine politischen Mythen, imperialen Fantasien und affektiven Polarisierungen.
Bei der Abwendung von regelbasierter und gesellschaftlich kontrollierter Herrschaft hin zu einer Politik der „Deals“, in denen der Stärkere den Schwächeren dominiert, treffen sich die Machtinteressen des „Volkstribuns“ Trump, die Geschäftsinteressen des Unternehmers Trump und die Wünsche und Fantasien einiger Tech-Milliardäre, denen anstelle des demokratischen Rechtsstaats eine oligarchische, monopolistische oder libertäre Ordnung vorschwebt.
Aktuell im Magazin:
Interview: „Der Globale Süden hat die Führungsrolle“
VertreterInnen von „Christians for Future“ haben an der „Raising Hope for Climate Justice“-Konferenz mit Papst Leo XIV. teilgenommen. Wie können sich Christ:innen und Kirchen für Klimagerechtigkeit einsetzen? Im Eule-Interview erklären Georg Sauerwein und Miriam Strake, warum Engagement in der Klimakrise für die Kirchen nicht nur bedeutet, die eigenen Klimaziele zu erreichen, sondern die Stimmen von besonders betroffenen Menschen und Gemeinschaften zu verstärken. Außerdem stehen weitere ökologische und ökonomische Fragen auf der Tagesordnung.
Sektion F: Für mehr weibliche Macht!
Wie steht es um die Gleichberechtigung in Politik und Kirche? Gelangen mehr Frauen in Spitzenpositionen? Mehr weibliche Macht in Kirche und Gesellschaft bedeutet, auf Kooperation und faire Kommunikation zu setzen. Davon profitieren dann nicht „nur“ Frauen, sondern wir alle, meint Carlotta Israel in ihrem neuesten Beitrag für die Kolumne „Sektion F“.
Re:mind (7): Papst Leo: Der Anti-Trump
Papst Leos Widerspruch zur Migrationspolitik der Trump-Administration läuft der „MAGA“-Progaganda zuwider, bei Kritiker:innen handele es sich nur um Linke und LGBTQI+-Aktivist:innen. Beides ist dieser Papst nun wahrlich nicht. Was passiert, wenn die Trump-Regierung – mit ihrer Vielzahl an katholischen Kulturkrieger:innen – Front gegen den Papst macht und ihm nicht nur lauwarm widerspricht? Dieser Frage ist Philipp Greifenstein letzte Woche im „Re:mind“-Newsletter der Eule nachgegangen.
Der Podcast „Feministische Bibelgespräche“ der Evangelischen Akademie zu Berlin geht in die dritte Runde: Mit feministisch und sozialgeschichtlich geschultem Blick durchleuchten die Theologinnen Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich in zehn weiteren Folgen ausgewählte Bibelstellen. Der inhaltliche Schwerpunkt der neuen, jeweils zur Monatsmitte erscheinenden Folgen liegt auf dem Apostel Paulus.
Die erste Folge der neuen Staffel ist in dieser Woche erschienen. Darin stellen Sutter Rehmann und Metternich das geläufige Bild von den Pharisäern als Gegnern Jesu auf den Prüfstand – und gehen der Frage nach, ob es eigentlich auch Pharisäerinnen gab (Spoiler: Ja!). Da sich der Begriff „Pharisäer“ nicht nur gelegentlich noch in der Umgangssprache gehalten hat, sondern insbesondere in manchen christlichen Milieus auch weiterhin als abwertende Bezeichnung für jeweilige (kirchen-)politische Gegner:innen Verwendung findet, kommt diese Auseinandersetzung zur rechten Zeit.
Ein schönes Wochenende wünscht
Thomas Wystrach
Ein guter Satz
„Fürwahr, du bist ein verborgener Gott, du Gott Israels, der Heiland. Aber die Götzenmacher sollen alle in Schmach und Schande geraten und miteinander schamrot einhergehen.“
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