Kolumne Sektion F

Bayern und die Frauen: Kommt die Quote?

In der bayerischen Landeskirche wird über eine Frauenquote diskutiert. Das ist gut, denn Geschlecht spielt auch jetzt schon eine Rolle bei der Besetzung von Spitzenämtern.

Als Person, die sich als norddeutsch versteht, auch wenn ich nicht aus dem „echten Norden“ Schleswig-Holstein, sondern „nur“ aus Niedersachsen komme, habe ich zugegebenermaßen zeitlebens verschiedene Vorbehalte gegenüber Bayern vermittelt bekommen und gepflegt. Mit ein bisschen mehr Lebenserfahrung, die mich über „Auslandssemester“ und anschließende Arbeit zumindest in die bayerische Landeshauptstadt geführt haben, habe ich mancherlei Vorbehalte bestätigt bekommen – und selbstverständlich auch viele durchbrochen.

Mit Neid blicke ich auf – soweit ich das wahrnehmen konnte – besser erhaltene Kirchengebäude, auch wenn nicht alles Gold ist, was glänzt. Mit einer gewissen Skepsis blicke ich auf das umfassende Programm, das Theologiestudierende zu absolvieren haben, die in der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) einmal Vikariat machen und später Pfarrer*innen sein möchten. Mit Groll blicke ich darauf, dass immer noch keine Trauung, sondern „nur“ eine Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in der ELKB möglich ist.

Aber offenkundig ist „bei uns oben“ auch nicht alles besser. Ja, vier der sechs Regionalbischöf*innen in der Hannoverschen Landeskirche sind Frauen. Bis vor kurzem wurde auch das Landeskirchenamt von einer Frau geleitet. Fehler werden trotzdem gemacht. Aber auch wenn nach außen hin Queerfreundlichkeit „bei uns“ drauf steht, ist zu viel Queerphobie noch im System. Es ist beispielsweise keine dreißig, sondern eher drei Jahre her, dass einem Kleinkind die Taufe verweigert wurde, weil es lesbische Eltern hat. „WTF?!“ also auch „hier“.

Zehn Jahre ohne

Trotzdem ist das mit den Frauen und Bayern nochmal eine besondere Geschichte. Auch 2024! Zum 1. März erinnerten verschiedene Frauen, die in der ELKB arbeiten – u. a. Pfarrerin Dr. Tia Pelz (@pfarrerin_von_nebenan) – den Berufungsausschuss ihrer Landeskirche daran, dass zuletzt am 1. März 2014 eine Frau in den Landeskirchenrat der ELKB berufen worden sei. Derzeit sitzen zehn Männer und drei Frauen in dem Gremium.

Kurze Übersetzung: Der Landeskirchenrat ist eines der vier kirchenleitenden Organe der ELKB neben Landesbischof, Landessynode und Landessynodalausschuss. Er besteht aus Landesbischöf*in, Abteilungsleitenden im Landeskirchenamt und Regionalbischöf*innen. Für Kirchengesetze hat er Initiativ- und Anhörungsrecht. Es gibt monatliche Sitzungen. Wenn ein kirchliches Gremium, dem ein*e Landesbischöf*in angehört, so oft tagt, dann muss es sehr wichtig sein. Dieses Gremium hat also zuletzt vor zehn Jahren die Neuberufung einer Frau erlebt.

Nun forderte zum einen ein offener Brief an den Berufungsausschuss der ELKB eine geschlechterparitätische Besetzung des Landeskirchenrats. Zum anderen wurde am 1. März 2024 dem Landesbischof ein Exit-Game überreicht, das erst dann geöffnet werden dürfe, wenn es zu einer paritätischen Besetzung des Landeskirchenrats gekommen ist. Möge das ein Anreiz sein. Wie ging es aber weiter?

Im Juni 2024 wurde ein neuer Regionalbischof für den Kirchenkreis Bayreuth gewählt, der dann aus persönlichen Gründen das Amt nicht antrat. Nina Lubomierski, Dekanin in Landshut, die 2023 zur bayerischen Landesbischöf*inwahl angetreten war und es entgegen zum Beispiel meiner Hoffnung nicht geworden ist, kritisierte aus Anlass der Wahl auf Instagram die bisherigen Entscheidungen des Berufungsausschusses, eben weil er zehn Jahre lang keine Frauen gewählt hatte. Aus diesem Grund würden sich auch keine Frauen mehr bewerben. Im Sonntagsblatt, der Kirchenzeitung der Landeskirche, wurde sie dazu interviewt. Ganz deutlich wurde ihr hier auch die Frage gestellt, wie sie zu Quoten steht. Ich zitiere einmal direkt, weil sie kluge Dinge sagt:

„Das Standard-Argument gegen Quoten lautet immer: Es soll nur die Qualität entscheiden. [… Aber] Es ist unwahrscheinlich, dass in den letzten zehn Fällen immer nur die Männer besser waren. Und wenn dem wirklich so wäre, müssten wir uns fragen, wie wir Frauen ausbilden und was wir tun können, um Frauen zu fördern. Halten wir Frauen in dieser Kirche klein, sodass sie nicht die Qualifikationen erreichen, die sie benötigen?“

Gleich und gleich gesellt sich gern

Lubomierski bringt Entscheidendes auf den Punkt: Dass Männern der Vorzug gewährt wird und Wahlen zu ihren Gunsten entschieden werden, ist nicht nur mit ihrer Qualität im Arbeitsfeld begründbar. Offensichtlich – 10 Jahre und 10 Wahlen! – spielt Geschlecht eine Rolle für die Besetzung von Stellen.

Der Begriff homosoziale Kooptation verrät zudem, was passiert: Oft werden Positionen mit solchen Leuten besetzt, die der Besetzung eines Auswahlgremiums ähneln. So kommen eher einander ähnliche Personen in gewisse Machtpositionen als voneinander divergierende. Dass bei Frauenquotenforderungen oft kritisiert wird, es würde bei Besetzungen dann nur um Geschlecht gehen und nicht mehr um Qualifikation, verkennt also die Tatsachen: Es geht bereits um Geschlecht. Nur eben in den gegenwärtigen (Kirchen-)Leitungsstrukturen tendenziell um das männliche.

Aus intersektionaler Perspektive wäre noch auf mehr und weitere Zusammenhänge zu achten: Weiße able-bodied heterosexuelle Männer mit bildungsbürgerlichem Hintergrund (aus dem Pfarrhaus?) sind und kommen in Leitungspositionen.

"Wie fühlt es sich an, nur wegen deiner Herkunft und deines Geschlechts eingestellt worden zu sein? – "Sag Du es mir."

„Wie fühlt es sich an, nur wegen deiner Herkunft und deines Geschlechts eingestellt worden zu sein? – „Sag Du es mir.“

In der Erklärung Lubomierskis steckt aber noch mehr: Es geht ihr darum, Frauen in die Position zu bringen, gewählt zu werden. Dabei geht sie bereits davon aus, dass nichts anderes im Sinne der Kirche sein könnte, als dass Frauen gleichermaßen mitleiten.

Ich wäre nicht so optimistisch, dass dabei schon alle mitgehen. Ängstliche bis wütende Unkenrufe über die „Feminisierung der Kirche“, die genau darin eine Verfallsgeschichte sehen, klingen an. Sicherlich ist die Rede von einer „Feminisierung“ der evangelischen Kirche in gewisser Hinsicht korrekt: Nach Jahrhunderten mit „Kinder-Küche-Kirche“ als Aufgabenfelder, die Frauen unentgeltlich und quasi selbstverständlich übernahmen, wird nächstes Jahr auch in Bayern 50 Jahre Frauenordination, d. h. Frauen im – lutherisch: dem einen! – Pfarramt, gefeiert.

Das Pfarramt ist nicht mehr Privatspaß, sondern Frauen stehen auf Kanzeln. Und manche arbeiten sogar in bischöflichen Positionen. Schon 2013 lag der Frauenanteil bei Theologiestudierenden in Deutschland bei 58 %. In der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Schaumburg-Lippe, in der erst 1991 die Frauenordination eingeführt wurde, sogar bei 70% (vgl. EKD-Gleichstellungsatlas, S. 54). Es werden anteilig mehr Frauen bzw. es werden mehr Nicht-Männer in der Kirche arbeiten. That’s the way it goes.

Dass genau das aber nicht der Untergang, sondern nach Jahrhunderten, eigentlich Jahrtausenden, Patriarchat vielleicht auch einfach geboten ist, ist bei manchen noch nicht angekommen. „Feminisierung“ hat ein schlechtes Image. Mit ihr werden Entprofessionalisierung, Emotionalisierung und Verwirrung verbunden. Doch eigentlich meint sie nur, endlich auch anteilig gerechte Stücke vom Kuchen abzubekommen. Es handelt sich um eine Gerechtigkeitsfrage.

Kommt die Frauenquote?

Spezifische Förderungen, wie sie bei Lubomierski anklingen, wären so lange weiter geboten, wie nicht nur die Wahlergebnisse, sondern auch die Wahlvorschläge für Ämter nicht paritätisch sind. Sie sollten nicht nur Frauen, sondern FLINTA*-Personen gelten, also Frauen, Lesben, inter, nonbinary, trans, agender Personen. Sie müssten auch mit Privilegienbewusstseinsschulungen für Männer und andere Menschen in Machtpositionen einhergehen.

Aber – G*tt sei gepriesen – zum Juli gab es positive Meldungen, die während der späten bayerischen Sommerferien, die vergangene Woche begonnen haben, für „Entspannung“ sorgen könnten: Mit Marion Böttcher wird eine Frau neue Leiterin des Landeskirchenamts und damit auch Mitglied im Landeskirchenrat. Eine qualifizierte Frau. Es gibt sie also doch! Auch in Bayern!

Und: Landesbischof Christian Kopp steht einer Frauenquote nicht komplett ablehnend gegenüber. Ähnlich verständnisvoll äußern sich auch weitere männliche Führungskräfte der Landeskirche. Sich für die Rechte von Frauen einzusetzen, das gibt mindestens gute Presse und macht sich gut auf Instagram. Die Stellungnahmen von Kopp & Co. sind keine feministischen Kampfansagen, aber vielleicht ein erster Schritt dahin, dass er das Exit-Game beim Einführungsgottesdienst eines paritätischen Landeskirchenrats tatsächlich noch während seiner Amtszeit öffnen kann. Hoffentlich versinkt die Diskussion nun nicht im Sommerloch und ist danach nicht mehr aus ihm herauszuholen!



Eule-Podcast Q & R mit Carlotta Israel

Wie können wir mit Mansplaining in der Kirche umgehen? Welche feministischen Themen sind für Theologie und Kirche wichtig? Kommt die (Frauen-)Quote? Im „Eule-Podcast Q & R“ beantwortet Carlotta Israel Fragen aus der Leser:innen- und Hörer:innenschaft der Eule.

Carlotta schreibt seit 2021 die Eule-Kolumne „Sektion F“ und ist vielfältig engagiert für einen intersektionalen Feminismus in Theologie und Kirche. In diesem Jahr wird sie mit dem Dorothee-Sölle-Preis ausgezeichnet.

Direkt zur Podcast-Episode!

Unterstütze uns!

Die Eule bietet Nachrichten und Meinungen zu Kirche, Politik und Kultur, immer mit einem kritischen Blick aufgeschrieben für eine neue Generation. Der unabhängige Journalismus und die Stimmenvielfalt der Eule werden von unseren Abonnent:innen ermöglicht. Mit einem Eule-Abo unterstützst Du die Arbeit der Redaktion, die faire Entlohnung unserer Autor:innen und die Weiterentwicklung der Eule.

Jetzt informieren und Eule-Abo abschließen!