Zwischen feministischem Kampftag und einer Bischöf*innenwahl

Wie schaut es um feministische Kämpfe in den Kirchen aus? Zum Beispiel bei der Besetzung von Spitzenpositionen, wie demnächst bei der BischöfInnen-Wahl in Bayern. Wie läuft der Kampf gegen Rollenklischees?

Am vergangenen Mittwoch, den 8. März, wurde wieder der feministische Kampftag oder Weltfrauentag begangen. Die beiden Namen enthalten schon unterschiedliche Perspektiven oder Schwerpunkte. Während der Weltfrauentag insbesondere in der ehemaligen DDR mit Blumengeschenken der Anlass dazu war zu zeigen, wie gleichberechtigt Frauen seien, steckt hinter dem feministischen oder dem Frauen-Kampftag schon rein begrifflich, dass sich erhoben und gegen etwas positioniert wird.

Spätestens seit dem 8. März 2020 wird innerhalb der feministischen Bubbles auch die Frage, für wen alles mitgekämpft wird, mit hauptsächlich zwei unterschiedlichen Antworten begegnet: Geht es nur um cis Frauen oder geht es um Frauen, Inter-, Non-Binary-, Trans- und Agender-Personen? Meist wird dafür das Akronym FLINTA* verwendet, das zusätzlich zu den genannten auch auf Lesben verweist, also nicht nur geschlechtliche Identität, sondern auch sexuelle Orientierung inkludiert. Das * öffnet darüber hinaus noch die Tore für weitere Aspekte, die noch nicht benannt sind, und für Menschen, die sich unter den genannten Kategorien nicht subsumieren – außer cis Männern.

Es ist kein Geheimnis, dass ich die erste Antwortvariante, mit der zum Beispiel trans Frauen ausgeschlossen werden, ablehne. Aber sog. TERFS (trans-exclusionary radical feminists) sind sowohl online als auch offline lautstark, allen voran Alice Schwarzer. Bei ihr ist – spätestens seit der „Manifest“-Demonstration in Berlin vor wenigen Tagen – eine Vermischung von TERFsein und einer Offenheit nach Rechts zu erkennen, die leider kein Einzelfall ist.

Dass sich hinter der zweiten Antwortvariante immer mehr Personen zusammenschließen, ist dagegen ein notwendiger Glücksfall. Notwendig, weil es den gemeinsamen Kampf braucht. Glücksfall, weil es – auch das zeigt ein Blick in die Geschichte – stets umstritten ist, für wen alles mitgekämpft wird. Die feministische Bewegung in Deutschland war lange cis weiß able-bodied und bürgerlich geprägt. Eine eigene Lesbenbewegung, sozialistischere Frauenverbindungen oder Zusammenschlüsse von Women of Colour bildeten sich, weil ihre Erfahrungen, Nöte und Anliegen von Meinungsführerinnen nicht wahrgenommen und in der Frauenrechtsbewegung nicht aufgenommen wurden.

Auch jetzt ist es noch nicht selbstverständlich, dass alle gleichermaßen ihre Forderungen vorbringen können und alle anderen sich dahinterstellen. Aber – da möchte ich jetzt einfach mal optimistisch sein: Es wird! Langsam zwar, aber es wird. In einem intersektionalen Feminismus ist das Grundverständnis, verschiedene Aspekte und Perspektiven mit einzubeziehen, ja schon angelegt.

Dieses Jahr wird besonders an die Proteste im Iran oder die Lebensumstände in Afghanistan gedacht – neben der Ungerechtigkeit hier vor Ort, z. B. in Bezahlung (der Equal-Pay-Day war am 7. März), das immer noch nicht formulierte und eingeführte Selbstbestimmungsgesetz, den Skandal, dass von nicht-heterosexuellen Eltern immer noch „Stiefkindadoptionen“ gefordert werden, der Altersarmut … Diese Liste könnte ich noch um viele Probleme verlängern. Zu jedem Thema ist selbstverständlich auch aus the*logischer Perspektive etwas für den Kampf beizugeben und das geschieht ja auch mehr oder minder schon. Es gibt jedoch auch Kämpfe, die den kirchlichen Bereich mitprägen, weil dieser Teil der Gesellschaft ist, aber auch, weil die kirchliche Rechtsprechung so viel „Gestaltungsraum“ einräumt, dass der Gleichberechtigungsgrundsatz des Grundgesetzes ausgehebelt wird.

Und so wie geoutetes Transsein oder in einer poly Beziehung zu leben in „weltlichen“ Lebenszusammenhängen weiterhin diskriminiert wird, sind – das zeigten jüngst auch die YouTube-Videos über den Queer-G*ttesdienst in Berlin – Personen, die nicht cis, able-bodied, weiß, männlich, hetero sind, in Kirchenräumen nicht per se sicher, angenommen oder gewollt.

Feministischer Kampf in den Kirchen?

Eine der größten und aus meiner Sicht offensichtlichen Ungerechtigkeiten, denen G*tt sei Dank der Kampf angesagt wird (#MariaZweiPunktNull), ist immer noch die ausbleibende Frauenordination in der römisch-katholischen Kirche. Für den evangelisch-landeskirchlichen Bereich forsche ich ja zum Thema: Auch „bei uns“ ist die Frauenordination nicht gerade eine lange Tradition, aber dass Rom und die DBK weiterhin Gleichberechtigung verhindern – ganz zu schweigen von den Arbeitsbeeinträchtigungen queerer Personen (#OutInChurch) – ist einfach skandalös.

Im Februar erschien unter dem Titel „Wir bleiben! Warum sich Frauen nicht aus der katholischen Kirche vertreiben lassen“ ein Buch, das mir als Protestantin, die sich gelegentlich stumpf fragt „Warum werdet ihr nicht einfach evangelisch?“, einige Antworten gegeben hat. Als Gründe für das Bleiben werden u.a. erklärt: Ein Katholisch-Sein, das unmittelbar mit der eigenen Identität verbunden ist, auch wenn nicht alle römischen Aktionen für gut befunden werden (z. B. Susanne Wasum-Rainer); das als Ausgangspunkt für karitatives Engagement in gleichberechtigenden Strukturen gelebt wird (z. B. Ursula Kalb). Dass Mitgestalten nur durch Bleiben möglich wird (z. B. Gerlinde Kretschmann). Der katholische Glaube als Befreiungsmotivation (z. B. Gudrun Lux).

Die gesammelten Stimmen berichten von katholischer Sozialisation, der Aufbruchsstimmung des 2. Vatikanischen Konzils, einem großen Mitgestaltungswillen, aber auch davon, wie sehr das Katholisch-Sein von Anfechtungen geprägt ist (z. B. Claudia Danzer) – besonders im Zusammenhang mit den Missbrauchsstrukturen, die es ja auch in der evangelischen Kirche gibt. Und auch sonst ergeben sich Überschneidungen mit dem Leben evangelischer Christ*innen – wie z. B. die Erfahrung als Christ*in in der DDR aufgewachsen zu sein, wovon Katrin Budde berichtet oder auch, inwiefern die Religionszugehörigkeit Politiktreiben mitprägt (Andrea Nahles und Monika Grütters).

Natürlich ist auch in evangelischen Kirchen keine Gleichberechtigung erreicht: 2020 waren von den hauptamtlichen Leitungsämtern auf der sog. Mittleren Ebene (Kirchenkreise/-bezirke oder Dekanate) insgesamt 25% weiblich besetzt. Das sind 4% mehr als 2013, mit teilweise größeren Sprüngen (Sachsen von 6% auf 25%), aber keiner eindeutigen Tendenz (Braunschweig verringerte sich von 42% auf 31%). Auf noch „höherer“ Ebene, sofern vorhanden, sah es dagegen bei einigen schon deutlich besser aus. In der EKBO wurden 100%, in der EKKW 67% und in Baden und Württemberg jeweils 50% Frauenanteil erreicht. Doch auch hier gibt es Stagnation, bspw. in der EKM bei 20%.

In den Kirchenleitungen der Landeskirchen lag der Frauenanteil 2020 bei 36%. In UEK und VELKD waren es 23%. Der Rat der EKD hatte schon 2020 47% Frauenanteil. (Alle Daten sind hier zu finden.) Diese Zahlen könnten jetzt verglichen werden mit Unternehmensstrukturen. Dann zeigt sich – z. B. bei einem Vergleich mit den 21,8% Frauen in DAX-Unternehmen –, dass die evangelische Kirche auf der Leitungsebene im Vergleich sehr gut dasteht. Nur ist von solchen Zahlen nur bedingt der Rückschluss auf Gleichberechtigung zu ziehen. Sie sind als ein Indiz dafür zu werten, dass Macht nicht nur von Männern ausgeübt wird.

Am 27. März wird die Bayerische Landessynode eine*n Nachfolger für den noch amtierenden Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm wählen. Es stehen zwei Frauen und zwei Männer zur Wahl. Soweit aus den Kurzbiografien beim Sonntagsblatt (hier, hier, hier & hier) hervorgeht, scheinen für die Vorstellung der KandidatInnen bisherige Lebens- und Arbeitsorte, Familienverhältnisse, Alter und theologische Position von Relevanz zu sein. Bei den beiden Kandidatinnen wird aufgeführt, dass sie die ersten Landesbischöfinnen in Bayern wären.

Der Kampf lohnt sich – für alle!

Zwischen dem feministischen Kampftag und der Bischöf*innenwahl liegen also nicht mal drei Wochen. Wäre doch schön, wenn sich die bayerische Landeskirche, die nicht unbedingt die Speerspitze der Frauenordinationsbewegung bildete, eine Landesbischöfin wählen würde. Aber geht es dann nicht statt um Qualifikation um Geschlecht? Es wäre vermessen zu denken, dass es so bis vor kurzem gewesen wäre, als nur Männer ins geistliche Leitungsamt gewählt wurden. Dass bisher nur nach Qualifikation und nicht nach Geschlecht Posten verteilt wurden, ist eine einfältige Erzählung von Gleichberechtigungsfeinden.

Noch schöner wäre es, wenn in den Kurzdarstellungen von Kandidat*innen auch ein Thema wäre, ob und wenn ja welche Pläne verfolgt werden, um Diskriminierung im Raum der Kirche abzubauen bzw. zunächst Diskriminierungsstrukturen aufzudecken. Z. B. sind in der bayerischen Landeskirche bisher nur Segnungen für homosexuelle Paare möglich. Wäre doch eine Möglichkeit, dieses Thema prominent in einer Kandidatur angehen zu wollen, oder? Dass wieder keine – wenn ich sie richtig lese – PoC kandidiert, ist ja schlichtweg kein Zufall!

Dass in den Kurzinfos bei drei von vier KandidatInnen etwas zum Familienstand bzw. sogar zum Alter der Kinder gesagt wird… naja. Dann wird z. B. bei der Kandidatin Hörschelmann daraus erhoben, dass sie in Zukunft nicht mehr eine Stelle mit ihrem Mann teilen müsse bzw. beide jetzt Zeit für Vollzeitstellen hätten, weil jetzt die gemeinsamen Kinder volljährig sein. So einen Kommentar habe ich so leider noch nicht bei einem Kandidaten gelesen, wenngleich er auch für die Kandidatin sprechen soll.

Ob wohl noch was vom feministischen Kampftag bei der Wahl nachwirkt? Ob überhaupt am Kampftag erhobene Forderungen in der Kirche Widerhall finden? Wenigstens ist in Mecklenburg-Vorpommern dieser Tag zum Feiertag erhoben worden. Besser als nix. Und vielleicht ist nächstes Jahr der Equal Pay Day ja nicht mehr einen Tag vor dem feministischen Kampftag. Vielleicht wird vom „Weltfrauentag“ der internationale Blick weiter verfolgt und vielleicht siegt der intersektionale Feminismus über die TERFs. Auf jeden Fall ist klar: Der Kampf lohnt sich – für alle! Denn Rollenklischees und diversitätsfeindliche Gesetze engen jede Person ein und können Leben kosten.