#Bischofswahl: Live-Blog aus Dresden

Auf einer Sondertagung vom 28. Februar bis zum 1. März 2020 will die Landessynode der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens eine*n neue*n Landesbischöf*in wählen. Wir sind live dabei:

Sa 29.2. 6:50 Uhr // Guten Morgen!

Guten Morgen aus Dresden! Herzlich Willkommen zurück zum Liveblog der Bischofswahl in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (EVLKS). Die Sitzung wird gegen dreiviertel Neun fortgesetzt. Dann findet der erste Wahlgang statt, mit dessen Ergebnis gegen viertel Zehn zu rechnen ist. Danach ist drei Stunden Pause. Kleine Erinnerung:

In den ersten beiden Wahlgängen ist gewählt, wer 2/3 der gültigen, abgegebenen Stimmen auf sich vereinen kann. Ab dem 3. Wahlgang reicht die Stimmenmehrheit, d.h. mehr als 50 % der gültig abgegebenen Stimmen. Für den Samstag sind bis zu drei Wahlgänge geplant. Kommt es auch im vierten Wahlgang nicht zu einer Wahl eine*r neue*n Landesbischöf*in, dann fliegt spätestens dann der/die Drittplatzierte aus dem Rennen.

Zum Live-Blog:

Sa 29.2. 8:15 Uhr // Gleich geht’s los

Während die Synodalen zu einer Abendmahlsandacht zusammen kommen, habe ich meinen Platz im großen Saal eingenommen. Die Dreikönigskirche ist als „Haus der Kirche“ mit einem großen Saal und weiteren Seminarräumen ausgestattet. Hier wird vom 2. bis 4. April auch das Barcamp „Kirche Online“ Ost stattfinden.

Sa 29.2. 8:45 Uhr // Das Phantom Rentzing

Kleiner Nachklapp noch zu gestern Abend: Was nicht ins eigene Schema von „guter Kirche Jesu Christi“ vs. „böse Welt“ passt und allgemein dissensgeladen daherkommt, wird in der Sächsischen Landeskirche gerne beschwiegen. Darum fällt es den Kandidat*innen so schwer, die maßgebliche Urheberin der rechten Hetze in unserem Land, die A f D, beim Namen zu nennen.

Dieses Verdikt scheint sich nun auch auf den ehemaligen Landesbischof C a r s t e n R e n t z i n g zu erstrecken. Sein Name blieb gestern ungenannt, als ob auf ihm ein Fluch lastete. Wenn überhaupt auf ihn Bezug genommen wurde, dann nur im Stile hintergründiger Anspielungen. Das darf auch darum erstaunen, weil Rentzing sein Schweigen nächste Woche brechen will (s.u.), ausgerechnet kurz nachdem die Kirche eine*n Nachfolger*in gewählt hat.

Zur Erinnerung: Während der Wochen seines Rücktritts und auch nach seiner intentional fragwürdigen und inhaltlich beschämenden Abschiedsrede vor den Synodalen am 15. November hat Rentzing jedes Interview und jede Konfrontation mit der Presse vermieden.

Sa 29.2. 9:00 Uhr // Wahlarithmetik

So, Butter bei die Fische: Dass aus dem ersten Wahlgang ein*e Kandidat*in als neue*r Landesbischöf*in hervorgeht, ist nahezu ausgeschlossen. Es bedürfte dazu 53 Stimmen, also eine 2/3 Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen. Insgesamt sind heute 79 Synodale am wählen. Aber der erste Wahlgang wird eine erste Einschätzung ermöglichen, wo die Kandidat*innen stehen.

Sollte sich wider Erwarten ein*e Kandidat*in hervortun, d.h. sich in Richtung der 40 Stimmen absetzen, die ab dem 3. Wahlgang reichen würden (50 % der gültig abgegebenen Stimmen), könnte es daraufhin im 2. Wahlgang schon Verschiebungen in Richtung dieses oder der/des aussichtsreicheren Gegenkandidat*in geben. Dass es im 2. Wahlgang auf diese Weise für ein*e Kandidat*in reicht, ist trotzdem unwahrscheinlich.

Der dritte Wahlgang heute Nachmittag könnte dann tatsächlich in einer #Bischofswahl münden. Aber bis dahin fließt noch viel Wasser die Elbe runter.

Es geht los!

Sa 29.2. 9:15 Uhr // 1. Wahlgang

Die Synodalen schreiten zur Wahl. Na ja, sie stehen an. Da auf einen namentlichen Aufruf verzichtet wird, bilden sich vor den Wahlkabinen Schlangen. Stimmung ist heiter und entspannt.

Sa 29.2. 9:30 Uhr // Ergebnis 1. Wahlgang

Das Ergebnis des 1. Wahlgangs lautet:

Beuchel: 26
Bilz: 33
Weyer: 19
Enthaltung: 1
79 gültige Stimmabgaben

Die dreistündige Unterbrechung nach jedem Wahlgang ist wirklich eine unsinnige Regelung des Kirchengesetzes. Andere Landeskirchen kommen da zügiger voran und deren Bischöf*innen und Kirchenpräsident*innen sind nicht weniger heilig als die Sächsischen. Beratungen schön und gut, aber so viel Zeit lässt sich der Geist sonst nicht!

Eine Analyse des 1. Wahlgangs folgt demnächst.

Sa 29.2. 9:40 Uhr // Analyse 1. Wahlgang

Wie erwartet, hat im ersten Wahlgang kein*e Kandidat*in die erforderliche 2/3-Mehrheit erreicht. Wie schaut es aus: Es deutet sich ganz zart ein Zweikampf zwischen Andreas Beuchel und Tobias Bilz an, doch Ulrike Weyer ist nicht abgeschlagen. Es ist eigentlich nicht zu erwarten, dass nun schon ein*e Kandidat*in das Rennen verlässt. Verschiebungen müssten sich also aus den geheimnisvollen Beratungen der Synodalen ergeben, die nun in Gesprächen vertieft im Saal herumstehen.

Irgendwann wird in diesen Beratungen und im Verlauf des Tages der Schleier fallen, den die Landeskirche erfolgreich über den Wahlkampf gelegt hat. Das ist der Kirche kommunikativ gut gelungen: Es ging während der Kandidat*innenvorstellungen eben nicht um Lager der Landeskirche. Die Natur der Wahl könnte aber nun dazu führen, dass sich das eher liberale Lager (diesen Begriff muss man in der EVLKS mit größter Vorsicht gebrauchen) bald auf ein*e Kandat*in festlegt.

Sa 29.2. 10:45 Uhr // Analyse 1. Wahlgang II

Die Synode habe deutlich gemacht, dass sie allen drei Kandidat*innen das Amt zutraue, ist aus dem Kreis der Tagungsteilnehmer*innen zu hören. Das stimmt: Kein*e Kandidat*in ist abgeschlagen. Nun wird, trotzdem sich an der Wahlarithmetik im 2. Wahlgang nichts ändert, aber eine Verschiebung erwartet. Die Synode werde deutlich machen, wer eher nicht zur Landesbischöf*in gewählt werde.

Diese Synode ist ja ein gebranntes Kind was Bischofswahlen angeht. Nicht nur, weil ihr die letzte Wahl nachträglich so auf die Füße gefallen ist. Sondern auch, weil die letzte Bischofswahl in denkbar schlechtester Erinnerung ist. Die Wahl zog sich bis in den 6. Wahlgang, weil zunächst kein*e Kandidat*in zurückziehen wollte. Im entscheidenden Wahlgang setzte sich Carsten Rentzing damals mit 40 Stimmen gegen Tobias Bilz (38) durch.

Lange führte Tobias Bilz das Feld damals an. Er liegt auch jetzt wieder in Führung. Bilz genießt das Vertrauen weiter Teile der Synode. Genügt das, um auch eine Mehrheit – vielleicht im dritten Wahlgang – zu erhalten? Insgesamt sieht man viele erleichterte Gesichter, seines gehört nicht dazu. Wer einmal durch 6 Wahlgänge gezerrt wurde, vergisst das nicht.

Auch Ulrike Weyer hat Wahlerfahrung von ihrer Kandidatur für das Landesbischofsamt in der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) im vergangenen Jahr. Dort stieg sie früh aus. Zu früh, wie nicht wenige sagten. Allerdings war das Ergebnis des 1. Wahlganges dort auch wesentlich deutlicher. Es gibt nach dem heutigen 1. Wahlgang jedenfalls keinen Grund, das Handtuch zu werfen. Mit ihrem starken Ergebnis hat die Synode unterstrichen, dass sie keineswegs eine weibliche Zählkandidatin ist.

Was die Landeskirche jetzt bräuchte, wäre ein deutliches Ergebnis, das Einigkeit dokumentiert. Ob die Synode das liefern kann? Nach dem 2. Wahlgang kann die/der Drittplatzierte jedenfalls ohne Gesichtsverlust aussteigen, auch wenn das Kirchengesetz einen solchen Mechanismus erst nach dem vierten Wahlgang vorsieht. Zeichen sind genug gesetzt, nun muss es um die Machbarkeit gehen und um die Zukunft der Landeskirche.

Sa 29.2. 11:00 Uhr // Andreas Beuchel und die AfD

Gestern Abend sorgte ein Tweet des Journalisten Arnd Henze (s.o., Interview in der Eule) für Diskussionen. Arnd Henze meint damit Andreas Beuchel. In einem weiteren Tweet präzisiert Henze:

„Das bedeutet nicht zwangläufig, dass der Kandidat selbst der AfD nahesteht – aber die Partei vertraut darauf, dass es mit ihm weiter keine Abgrenzung nach rechts außen geben wird.“

Ich habe bei meinen Recherchen keinen Nachweis einer sonderlichen Nähe Andreas Beuchels zur AfD finden können. Gleichwohl ist er als prominentes Gesicht der Landeskirche, auch durch seine vormalige Aufgabe als Rundfunkbeauftragter beim MDR, gut vernetzt – auch mit sehr konservativen Politiker*innen im Freistaat. Wo die Grenze zwischen dem rechten Flügel der CDU zur AfD verläuft, das wissen die Christdemokraten ja selbst gerade nicht so genau, und Freie Wähler kommen in Sachsen auch als freie Radikale daher.

Alle drei Kandidat*innen haben sich vom Rechtsextremismus distanziert. Auch wenn sie alle drei davor zurückschrecken, die AfD eindeutig in das rechtsradikale Lager einzusortieren. Alle drei betonen auch die Möglichkeit der Kirche, Gesprächsfäden zu allen gesellschaftlichen Akteuren zu knüpfen. Vielleicht ist Beuchel in der Betonung der Gesprächsoffenheit auch zu rechten Akteur*innen ein my deutlicher als Bilz und Weyer – aber eben nur ein kleines bisschen.

Müßig ist daher die Diskussion, über welche Wahl sich die AfD wohl am meisten freuen würde. Am Ende sucht die AfD jedes Wahlergebnis für sich zu nutzen. Das zeigt sehr fein der Rücktritt Carsten Rentzings: Denn obwohl sich in ihm ein gesprächsoffener, politisch konservativer und inhaltlich angenehmer Bischof verabschiedete, zog die AfD auch aus seinem Rücktritt noch propagandistische Vorteile. In ihrem Verhältnis zur Kirche ist die AfD taktisch.

Das sollte man auch in Erinnerung behalten, wenn statt Beuchel Weyer oder Bilz gewählt würden. Beide lassen sich unter Anwendung gesunden Menschenverstandes nicht als „links-grün versiffte“ Kirchenfunktionäre beschreiben. Im Gegenteil: Beide sind glaubwürdige konservative Kandidat*innen, mit denen sich aber eben auch die eher liberalen Synodalen (s.u.) anfreunden können. Aber das hat die AfD noch nie von Verunglimpfungen abgehalten.

Sa 29.2. 12:30 Uhr // 2. Wahlgang beginnt

Die Synode schreitet abermals zur Abstimmung. Stimmung ist erneut fröhlich, wenngleich gegen Ende der dreistündigen Unterbrechung durchaus auch sehr ernsthafte Gesichter zu sehen waren. Welche Verschiebungen wird es geben? Taktische Manöver können ja auch nach hinten losgehen.

Sa 29.2. 12:50 Uhr // Ergebnis 2. Wahlgang

Das Ergebnis des 2. Wahlgangs:

Beuchel: 18
Bilz: 41
Weyer: 20
Enthaltungen: 0
gültige Stimmen: 79

Sa 29.2. 13:05 Uhr // Analyse 2. Wahlgang & Mittagspause

Es gab einen Positionswechsel, nur knapp, aber ausreichend deutlich. Die Synodalen wollen Ulrike Weyer im Spiel halten. Starke Zugewinne außerdem für Tobias Bilz, die aller Wahrscheinlichkeit nach aus dem Beuchel-Topf stammen. Haben manche Konservative damit genug, im ersten Wahlgang ein Zeichen gesetzt zu haben, und konzentrieren sich nun auf die Wahl eines neuen Bischofs?

Wichtig zu Einordnung: Alle drei Kandidat*innen sind nach allgemeinem Verständnis konservativ. Es steht überhaupt kein*e klassisch liberale Kandidat*in zur Wahl. Es sind die eher liberalen Synodalen, die in der Sächsischen Synode seit Jahr und Tag Kompromisse schließen. Erleben wir heute, dass es ihnen die konservative Mehrheit gleichtut und sich auf einen Kandidaten einigt?

Im dritten Wahlgang wird nun schon eine qualifizierte Mehrheit von 50 % der abgegebenen gültigen Stimmen zureichen, um zur Landesbischöf*in gewählt zu sein. Das sind 40 Stimmen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass es tatsächlich heute schon einen neuen sächsischen Landesbischof geben wird, ist gestiegen.

Die Synode geht jetzt in die Mittagspause. Ich auch.

Sa 29.2. 14:00 Uhr // Analyse 2. Wahlgang II

Das Ergebnis des 2. Wahlgangs gibt den Synodalen zu denken. Im Wesentlichen gibt es zwei Marschrouten:

Entweder Tobias Bilz erhält auch im 3. Wahlgang wieder 41 (oder mehr) Stimmen und ist damit zum neuen Landesbischof gewählt. In diesem Falle können die zwei anderen Kandidat*innen erhobenen Hauptes nach Meißen und Plauen zurückkehren. Die EVLKS hätte einen Bischof, der mit einem klaren Votum der Landessynode gewählt wurde. Das kann helfen, die Gräben in der Kirche zu überwinden.

Oder wir gehen in einen 4. und wahrscheinlicher 5. Wahlgang am morgigen Sonntag: Ulrike Weyer hat zum gegenwärtigen Zeitpunkt eigentlich keinen Grund zurückzuziehen. Warum sollte das nach einem dritten Wahlgang mit ähnlichem Ergebnis anders werden? Dass Andreas Beuchel freiwillig ausscheidet, ist auch sehr unwahrscheinlich. Nach dem 4. Wahlgang wird per Automatismus des Kirchengesetzes nur zwischen den zwei bestplatzierten Kandidat*innen weitergewählt. In diesem Falle würde sich die Bischofswahl also bis morgen Mittag hinziehen. Einen Wahlmarathon hatte die Synode ja bei der letzten Bischofswahl hingelegt (s.u.).

Die Synodalen feiern heute Abend noch Abschiedsfest, die Legislatur der 27. Landessynode geht zu Ende. Die Hotelzimmer sind also gebucht. Ob heute Abend erleichtert gefeiert werden kann oder weiter um den Wahlausgang gezittert werden muss, hat die Synode selbst in der Hand.

Es geht nun recht eigentlich nicht mehr um die fachliche Eignung der Kandidat*innen oder deren Verortung im Gefüge der Landeskirche. Dazu gleichen sie sich inhaltlich doch zu sehr (s.u.). Es geht darum, ein Zeichen für die Einheit der Landeskirche zu setzen. Wird „das sächsische Bergvolk“ sich eine Extrawurst braten oder es wie andere evangelische Kirchen halten, und den uneinholbaren Stimmengewinner nun auch zügig zum Bischof wählen?

Sa 29.2. 15:45 Uhr // Auf zum 3. Wahlgang

Die Spannung unter den Synodalen und Beobachter*innen steigt merklich. Ist hier gleich Schluss oder war der zweite Wahlgang vor allem von Abstimmungstaktik geprägt, und wir sehen uns hier morgen noch einmal alle wieder? Es wird wahrscheinlich Wähler*innenwanderungen geben, ist von Teilnehmern der Tagung zu erfahren. Die Frage ist, ob sich diese nicht am Ende gegenseitig neutralisieren.

Drei Stunden sind eben auch eine lange Zeit, an Theorien zu spinnen. In fünf Minuten geht es mit dem 3. Wahlgang los.

Sa 29.2. 16:06 Uhr // Ergebnis 3. Wahlgang

Das Ergebnis der Bischofswahl der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens (EVLKS):

Beuchel: 15
Bilz: 48 -> Neuer Landesbischof
Weyer: 16
gültig: 79

Bilz spricht nun zum ersten Mal als Bischof. Er bedankt sich für das Vertrauen und sagt auch, „dass Vertrauen auch weiter wachsen muss.“ Er verspricht, auch die Anliegen der anderen Kandidat*innen im Blick zu behalten.

Sa 29.2. 16:15 Uhr // Ansprache Bilz & Gratulationsrunde

Nach Dankensworten von Synodenpräsident Guse und einer kurzen Ansprache des neuen Landesbischofs läuft gegenwärtig die Gratulationsrunde. Alle Synodalen stehen an, während Bilz unter dem Kreuz fleißig Hände schüttelt.

Sa 29.2. 16:25 Uhr // Die beste Kandidatin

Ulrike Weyer ist eine mutige Frau. Bei zwei Bischofswahlen innerhalb eines Jahres gefasst und kompetent anzutreten, welcher der vielen Kirchenmänner, die auch die evangelischen Kirchen bevölkern und für ihr natürliches Habitat halten, bringt das zustande?

Dass sie nicht zur neuen Landesbischöfin gewählt wurde, ist keine Niederlage: Weder für sie selbst, noch für die Landeskirche. Mit ihrer Kandidatur hat sie der Landeskirche einen großen Dienst erwiesen. Nicht, weil sie als Frau unter Männern kandidierte, sondern weil sie die Vorstellungsrunden mit ihrer Kompetenz und pastoralen Orientierung bereicherte. Damit hat sie gezeigt, was die Sächsische Landeskirche auch sein kann: Eine Gemeinschaft von professionell arbeitenden Haupt- und Ehrenamtlichen.

Ulrike Weyer ist für evangelische Verhältnisse noch immer eine junge Frau. Die EVLKS und die evangelischen Kirchen würden sich viel vergeben, wenn sie für Weyer in den kommenden Jahren nicht andere verantwortsvolle Ämter finden würden. So Gott will und die Umstände es erlauben, wird ja in 12 Jahren auch in Sachsen wieder gewählt. Da wird Weyer 58 Jahre alt sein. Und vielleicht ist dann auch die Sächsische Landeskirche soweit, eine Frau zur Bischöfin zu wählen.

Sa 29.2. 16:35 Uhr // Schluss

Auch die unterlegenen Kandidat*innen Ulrike Weyer und Andreas Beuchel nehmen ausdauernd die Glück- und Segenswünsche der Synodalen entgegen. Die Stimmung ist nun wirklich gelöst, der Geräuschpegel steigt an.

Ich verabschiede mich von hier und schließe den Live-Blog. Eine kurze Einordnung des Wahlergebnisses nebst Porträt des neuen Landesbischofs folgt noch, genauso wie eine aktuelle Ausgabe unseres wöchentlichen Newsletters „Links am Tag des Herrn“, den ihr hier abonnieren könnt.

Auf Wiedersehen!

Freitag, 28. Februar

Herzlich Willkommen!

Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Sachsens (EVLKS) sucht eine*n neue*n Landesbischöf*in: Nach dem Rücktritt von Carsten Rentzing ist eine Neuwahl des höchsten geistlichen Leitungsamtes der Landeskirche notwendig geworden.

In diesem Live-Blog berichte ich aus Dresden

Für den Samstag sind bis zu drei Wahlgänge geplant. Am Abend wird die Synode, die zu ihrer letzten Tagung zusammentritt, anderweitig beschäftigt sein. Beobachter*innen müssen sich also auf ein geruhsameres Zeitmanagement der Synode einstellen. Es könnte durchaus sein, dass erst am Sonntag feststeht, wer die EVLKS für die kommenden 12 Jahre – so Gott will und die Umstände es erlauben – als Landesbischöf*in repräsentieren wird.

Fr 28.2. 12 Uhr // In seinem Schatten: Die Causa Rentzing

Die Inhaber*in des höchsten geistlichen Leitungsamts der Sächsischen Landeskirche wird von der Landessynode für zwölf Jahre gewählt. Trotzdem schreitet die aktuelle Landessynode schon zum zweiten Mal zu einer Bischofswahl. Carsten Rentzing wurde 2015 von der Synode zum Landesbischof gewählt, trat allerdings im Herbst letzten Jahres von seinem Amt zurück. Die Eule berichtete ausführlich über den Rücktritt und die Hintergründe.

Die Umstände seines Rücktritts bewegen die sächsischen Christ*innen bis heute. Die Landeskirche ist über die Causa Rentzing gespalten. Manche hätten Rentzing gerne weiter im Amt gesehen, anderen geht die bisherige Aufarbeitung des Geschehens nicht weit genug. Dieser schwelende Konflikt überlagert selbstverständlich auch die Wahl eine*r Nachfolger*in im Amt der Landesbischöf*in.

Zwar standen, dank einer gründlichen Moderation, bei den öffentlichen Vorstellungsrunden in Dresden, Chemnitz und Leipzig andere Fragen im Vordergrund, doch die Haltung der Kandidat*innen zu Rentzing und seinem Handeln rund um den Rücktritt bleiben aktuell. Dieser Tage wurde bekannt, dass Carsten Rentzing eine Woche nach der Bischofswahl, am 7. März, einen öffentlichen Vortrag zur aktuellen Lage der Kirche halten wird.

Innerhalb des Landeskirchenamtes wurde sich zuletzt bemüht, das Thema Rentzing wenn möglich zu umgehen. Man ist sich der emotionalen Belastung der Personalie sehr bewusst. Durch die baldige Rückkehr des ehemaligen Bischofs in die Öffentlichkeit, steht der Fall Rentzing allerdings wieder auf der Tagesordnung. Wie positionieren sich die Kandidat*innen zu diesem Vorstoß?

Rentzing hatte sich nach einer kontroversen Rede zu Beginn der Herbsttagung der Landessynode aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Er gab weder Interviews, noch stand er in einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit Rede und Antwort. Dieses Vorgehen wurde intern scharf kritisiert und hat auch viele Christ*innen enttäuscht, die sich von Carsten Rentzing Erklärungen gewünscht hatten.

Die Ankündigung eines Vortrags zur „aktuellen Lage unserer Kirche“ und der Zwei-Regimenten-Lehre Martin Luthers ist bemerkenswert, weil es dabei um das Selbstverständnis der Kirche gegenüber Staat und Politik geht. Seine Verweigerung einer deutlichen Positionierung der Landeskirche gegen die AfD hatte Rentzing in der Vergangenheit immer wieder mit dieser lutherischen Überzeugung begründet. Auch in seinen Aufsätzen für die Zeitschrift Fragmente schrieb Rentzing aus dieser konservativ-lutherischen Perspektive. Diese Artikel nahm er im Herbst zum Anlass, der Kirchenleitung seinen Rücktritt anzubieten.

Dass Rentzing nun eine Woche nach der Wahl seine*r Nachfolger*in auf dieses Thema im Rahmen eines Vortrags bei der Evangelisch-Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft eingehen wird, kann durchaus als Signal in die Landeskirche gedeutet werden. Denn die Frage, wie sich die Landeskirche in Zukunft gegenüber der AfD und dem grassierenden Rechtsradikalismus in Sachsen verhalten wird, wurde bei den öffentlichen Vorstellungsrunden von den Kandidat*innen immer wieder diskutiert. Dazu später mehr.

Fr 28.2. 17:30 Uhr // Infos zum Ablauf

Im Sitzungssaal stehen ein paar Synodale schon in Grüppchen zusammen, gleich gibt es hier Abendessen, dann eine kurze Andacht, um dreiviertel Sieben soll die Sondertagung eröffnet werden. Nach einigen Formalia gibt es dann eine letzte Vorstellungsrunde der Kandidat*innen. Die Wahlgänge finden dann morgen statt. (Ablauf der Sondertagung)

Die Kandidatenvorstellungen aus Dresden (Video), Chemnitz (Audio) und Leipzig (Audio) lassen sich auch aus der Ferne nachvollziehen. Mal schauen, ob die Kandidat*innen heute im Angesicht der gesamten Synode vielleicht (doch) noch die ein oder andere Pointe setzen. Schließlich hat sich ja in den vergangenen Tagen durchaus noch etwas getan (s.u.).

Zum Ablauf der Wahl morgen: Der erste Wahlgang findet am Samstag gegen 9 Uhr statt. Das Ergebnis sollte kurz danach bekannt gegeben werden. Daran schließt sich laut Kirchengesetz eine dreistündige Unterbrechung an. Das wird nach jedem Wahlgang so sein. Die Synodalen nutzen die Zeit zur Beratung. Manchmal lässt sich der Heilige Geist in Sachsen halt Zeit.

In den ersten beiden Wahlgängen ist gewählt, wer 2/3 der gültigen, abgegebenen Stimmen auf sich vereinen kann. (Sehr unwahrscheinlich.) Ab dem 3. Wahlgang reicht die Stimmenmehrheit, d.h. mehr als 50 % der gültig abgegebenen Stimmen. Für den Samstag sind bis zu drei Wahlgänge geplant. Kommt es auch im vierten Wahlgang nicht zu einer Wahl eine*r neue*n Landesbischöf*in, dann fliegt spätestens dann der/die Drittplatzierte aus dem Rennen.

Synodenpräsident Otto Guse betont immer wieder – auch zu Beginn jeder Kandidat*innenvorstellung -, dass man sich für das Amt des Landesbischofs nicht bewerben kann und alle einträchtig beieinander sind. Alle drei Kandidat*innen betonten auch gegenüber der Eule, dass sie nicht gegeneinander, sondern miteinander kandidieren. Anyway … Am Ende muss eine*r gewinnen. Und die Wahlgänge werden ganz sicher auch an den Nerven der Kandidat*innen zerren.

Fr 28.2. 18:50 // Beginn der Sondertagung

Was kann man heute Abend noch über die drei Kandidat*innen erfahren, was nicht schon in den Vorstellungsrunden (s.u.) zu hören und/oder in meinem länglichen Artikel zur Bischofswahl von Anfang Februar zu lesen war?

Zwar hatten Ulrike Weyer, Andreas Beuchel und Tobias Bilz nur gut einen Monat Zeit, sich als Kandidat*innen zu positionieren. Für evangelische Verhältnisse musste ja alles sehr zügig gehen. Doch glichen sich die Bilder, die die Kandidat*innen von sich während der Vorstellungsrunden entwarfen, wie ein Ei dem anderen.

Die politische Positionierung der Landeskirche nahm während der Vorstellungen viel Raum ein, aber pointierte Positionen ließen sich trotzdem kaum erkennen. Alle drei Kandidat*innen scheuen das klare Wort wider die AfD, die aus Gewohnheit noch nicht einmal beim (Partei-)Namen genannt wird (mit einer kleinen Ausnahme während der ersten Vorstellungsrunde in Dresden durch Bilz).

Mit parteipolitischen Äußerungen will man nicht zu Protokoll genommen werden, das gilt für die ganze Landeskirche. Die feine Unterscheidung zwischen Partei-Politik und irgendwie besserer Politik-Politik, ist selbst schon problematisch, weil sie eine Abwertung des Parteienwettstreits impliziert, die der Bedeutung, die das Grundgesetz den politischen Parteien zumisst, zuwiderläuft. Ob sich die Kandidat*innen ausgerechnet heute vor der versammelten Synode deutlicher äußern werden? Zumindest bestünde dadurch die Möglichkeit, sich von den Konkurrent*innen abzuheben.

Weitere Themen werden sicher die laufende Strukturreform der Landeskirche (Kompetenzleuchte: Weyer) und die Überwindung der Spaltungen innerhalb der Kirche sein. Ein erster Schritt wäre, diese Trennungen nicht mehr mit Liebelei-Kleister zu übertünchen, sondern klar zu benennen. Jedenfalls besteht eigentlich keine Notwendigkeit, gegenüber den Synodalen ins schauspielerische Fach zu wechseln. Die kennen ihre Kirche nämlich in- und auswendig.

Fr 28.2. 19:10 // Kandidat*innenvorstellung beginnt

Mit etwas Verzögerung und nach den üblichen Formalia beginnt die Vorstellung der Kandidat*innen. Ablauf heute Abend: Die drei Kandidat*innen werden jeweils 15 Minuten zu einem selbstgewählten Thema sprechen. Danach kurze Aussprache (auch 15 Minuten), die von der jeweiligen Kandidat*in moderiert wird. Dann Pause. Dann Podiumsdiskussion.

Es beginnt Superintendent Andreas Beuchel. Auftrag der Kirche sei die Verkündigung. Alle Tätigkeiten der Kirche müssen sich diesem Maßstab stellen. Beuchel stellt seine Vorstellung unter das Bibelwort „Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor.“ aus dem 12. Kapitel des Römerbriefes.

Fr 28.2. 19:25 // Vorstellung Andreas Beuchel

Beuchels Vortrag ist in pastoraler Sprache gehalten. Den Predigtton legt er nicht ab, aber das kommt bei den Synodalen nicht schlecht an. Zwischendurch lobt er die Synode für ihre Entscheidungen. Vor allem für den Kompromiss in der Frage des familiären Zusammenlebens homosexueller Pfarrer*innen in Pfarrhäusern. Unterschiedliche Meinungen zu ethischen Themen dürften die Einheit der Kirche nicht verunmöglichen.

Zum Ende seiner Vorstellungsrede hin spricht Beuchel über die Herausforderungen der Landeskirche: Die demographische Entwicklung im ländlichen Raum. Eine „verstehbare“ Verkündigung, ohne sich anzubiedern. „Seid nicht träge, in dem was ihr tun sollt“, ruft er den Synodalen mit dem Römerbrief zu. Nur sanfte Akklamation aus den Reihen der Synodalen.

Es folgt die Aussprache. Erste Fragen eines Synodalen zur Aufgabe und Gestaltung der Diakonie. Die sind natürlich eine nicht unwillkommene, wohl abgesprochene Einladung an Beuchel, diese Leerstelle aus seinem Vortrag noch zu schließen. Und tatsächlich setzt sich der geschliffene Vortrag fort. Die öffentliche Rede ist eindeutig die Stärke Andreas Beuchels, der als Rundfunkverantwortlicher beim MDR tätig war.

Fr 28.2. 19:40 // Vortrag Tobias Bilz

So wahnsinnig ergiebig war die Fragerunde an Andreas Beuchel nicht. Nun wird Tobias Bilz hereingeholt, denn die anderen Kandidat*innen sind während der Vorträge nicht im Saal. Vielleicht lesen die hier ja mit, um zu erfahren, was ihre Konkurrent*innen so sagen?

Bilz beginnt seinen Vortrag mit einem Verweis auf seine letzte Vorstellungsrede vor der Synode vor fünf Jahren. Bilz will seiner damaligen Rede nur einen Gedanken hinzufügen: Die Wertschätzung der Vielfalt in der Landeskirche. Diese sei vor allem Reichtum, aber auch Herausforderung. Deshalb sei sein Thema „Wir sind eine Kirche der Einheit in Vielfalt“.

Fr 28.2. 20:00 // Fragerunde Tobias Bilz

Für den intellektuell fordernden Vortrag von Tobias Bilz gab es deutlich mehr akklamative Zustimmung der Synodalen. Zwischendurch war einigen die Anstrengung durchaus anzumerken, es ist ja auch Freitagabend! Die erste Frage an ihn aus der Synode betrifft die Verkündigung gegenüber jungen Menschen. Nachtigall, ick hör dir trapsen! Bilz war lange Zeit Landesjugendpfarrer. Das ist also ein Leib- und Magenthema des Kandidaten.

Interessante Gedanken von Bilz auf die Frage nach dem Verhältnis von Diakonie und Kirche: Nicht strukturelle Verknüpfung ist die Zukunft, sondern personelle. Strukturen können auch einengen, während persönliche Netzwerke Freiheit zur Gestaltung lassen. Theologische Bedeutung der Diakonie für die Kirche: „Diakonie bewahrt uns davor, uns allein um uns selbst zu drehen, weil sie immer nach dem Anderen fragt.“

Fr 28.2. 20:30 // Vortrag Ulrike Weyer

Ulrike Weyer hat eine theologische, an den geistlichen Problemen der Landeskirche orientierte Rede gehalten. Sie vermittelt eine klare Vorstellung von einer professionell arbeitenden Kirche, die sich zur säkularen Gesellschaft verhält. „Ich bin in meiner Amtsführung nicht bekannt für allzu viel Zucker. […] Die bischöfliche Aufgabe ist, alle im Blick zu haben“, fasst sie zum Schluss ihr Referat unter dem Motto „Teilhabe als Sehnsucht“ zusammen.

Weyer spricht ruhig und ruht sichtlich in sich selbst. Ihr Vortrag ist die Performanz der von ihr vorgestellten Professionalität. Davon kann die Kirche ein Maß voll gebrauchen. Ihr Kuchengleichnis, das sie zu Beginn des Vortrags eingeführt hat und am Ende wieder einholt, unterfüttert das mit pastoraler Wärme. Kuchen und Knäckebrot hat Weyer den Synodalen also mitgebracht. Ob’s ihnen schmeckt?

Fr 28.2. 20:40 // Aussprache Ulrike Weyer

Nach der Fragerunde an Ulrike Weyer, die sie kompetent und frohgemut hinter sich gebracht hat, geht es nun in die Pause. Soll 10 Minuten dauern. Wir sehen uns also gegen 21 Uhr hier wieder.

Fr 28.2. 21:10 // Gesprächsrunde

Die Moderation übernimmt die frühere Synodenpräsidentin Gudrun Lindner. Und sie macht das launig und unterhaltsam. Die Antworten der Kandidat*innen können da nicht ganz mithalten. Wäre aber vielleicht auch nicht klug, hier auf Entertainer*in zu machen.

Die Kandidat*innen antworten aufeinander und nehmen Bezug auf die Vorredner*in. Halleluja! Das hatte den Vorstellungsrunden aufgrund von Fragenflut und Moderationsenge gefehlt.

Fr 28.2. 21:45 Uhr // Gesprächsrunde II

Die Kandidat*innen kontextualisieren ihre jeweiligen Antworten, die aus den Vorstellungsrunden bekannt sind. Und doch werden inzwischen Unterschiede in der Haltung der Kandidat*innen gegenüber den Fragen (man könnte auch sagen „der Welt“) deutlich.

Ulrike Weyer weicht den drängenden Fragen nicht aus, verharmlost keine Problematik, die so mancher Frage zugrundeliegt. Manchmal wird es dadurch etwas überkomplex. Ich ziehe das aber der Nivellierung von Unterschieden vor. Mein Eindruck: Weyer verkauft sich hier – wie bei der Vorstellung in Dresden – am besten.

Bei der Frage nach Abtreibungen stellt Bilz noch einmal klar, dass pauschale Antworten der Kirche nicht mehr funktionieren und auch dem Glauben nicht angemessen sind. Was es stattdessen braucht, ist Beratung im Einzelfall. Deshalb engagiere sich die Diakonie auch in der Schwangerschaftskonfliktberatung.

Fr 28.2. 22:00 // Gesprächsrunde III

Der Talk geht so langsam dem Ende entgegen. Es wird auch Zeit. Zuletzt geht es noch mal um das Miteinander der EVLKS in der EKD und VELKD. Das interessiert hier die Synodalen, weil man gerne lutherisch ist. Außerhalb der hochengagierten Bubble schert das niemanden mehr.

An der lutherischen Prägung der Landeskirche wollen alle drei Kandidat*innen selbstverständlich festhalten, darum VELKD. Bilz weist immerhin darauf hin, dass sächsische Eigenbröterlei zwar identitätsstiftend ist, aber nicht zur Isolation führen darf: „Nicht, dass man dann von einem sächsischen Bergvolk spricht.“ Das ist längst schon so in der EKD.

Fr 28.2. 22:00 // Schluss

Nun schickt Synodenpräsident Otto Guse die Kandidat*innen ins Bett: „Gute Nacht!“ und schickt alle nicht Stimmberechtigten aus dem Saal. Also auch mich. Mit Abendliedern geht es für die Synodalen nun zu Wein und Bier und Beratungen. Gute Nacht und bis morgen!