Tipps für den „Christian Pride Month“
Weihnachten steht vor der Tür und Carlotta Israel hat Tipps für intersektionale Geschenke im Gepäck, die dabei helfen können, die wichtigen Machtfragen zu stellen.
Im #LaTdH-Newsletter der Eule gibt es die schöne Rubrik „nachgefasst“, in der Philipp Greifenstein und Thomas Wystrach über aktuelle Meldungen und Entwicklungen informieren, die sich bei Themen ergeben haben, die bereits im Fokus der Eule und des Newsletters standen. Ich kann heute auch mit einem „nachgefasst“ beginnen:
Denn es geschehen wirklich noch Zeichen und Wunder! Ausgerechnet in Bayern! Die Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) hat eine Frauenquote für kirchenleitende Gremien und Positionen der Landeskirche eingeführt! Über diese Frage hatte ich in der „Sektion F“-Kolumne im August 2024 geschrieben.
Gerade noch pünktlich vor dem 50-jährigen Frauenordinationsjubiläum in der Landeskirche hat die Synode neben weiteren Maßnahmen der „Frauenförderung“ eine Quote von mindestens 40 Prozent Frauen und höchstens 60 Prozent Männern beschlossen. Ein Antrag, der eine verbindliche Quote von 50 % Frauenanteil vorschlug, konnte sich nicht durchsetzen. Hinter dem „Band“ von 40-60 % steht allerdings die „Zielquote“ von 50 %, berichtet das Sonntagsblatt, die Kirchenzeitung der ELKB.
Und damit ab in den Dezember!
Den Dezember mit Advent und Weihnachten kann man nach Matt Bernstein auch „Christian Pride Month“ nennen, habe ich von Nui Arendt von „radikal jüdisch“ und Anna-Lena Passior gelernt. Im Dezember wird alles auf „christlich“ und weihnachtlich geschmückt und geframed, ohne dass – im Unterschied zum Pride-Month, in dem #LGBTQIA+-Personen feiern und auf Diskriminierung aufmerksam machen – es sich bei Christ*innen in unserer Gesellschaft um eine marginalisierte Minderheit handeln würde.
Aus feministisch-intersektionaler Perspektive kommt bei mir alle Jahre wieder auch Groll über Advent und Weihnachten auf: Die Gender-Care-Gap zeigt sich auch in der „Produktion“ von Gemütlichkeit, für die sich besonders Frauen verantwortlich fühlen. Kennt ihr die Tradition, dass „zwischen den Jahren“ keine Wäsche gewaschen werden soll? Die (vorgeschobene?) Befürchtung war wohl, dass Geister sich in der zum Trocknen aufgehängten Wäsche verfangen könnten. Das ist natürlich Quatsch, aber liefert(e) die Legitimation dafür, dass – in der Entstehungszeit dieser „Regel“ – Frauen nicht auch noch diese Aufgabe bei allem sonstigen übernehmen mussten. Großartig, oder?
Auch falsch ist natürlich die Annahme, dass sich alle Menschen zu Weihnachten easy Geschenke kaufen und auch noch ein tolles Essen „zaubern“ können, wenn sie es denn wollen. Nicht alle Menschen feiern Weihnachten und auch nicht auf die traditionelle oder normierte Art und Weise. Viele können sich das überhaupt nicht leisten! Mich stört auch, dass in vielen Kirchen wieder Krippen mit weißen Jesussen (und Maria und Josef und die anderen) stehen, dass neben ihnen Ochs und Esel platziert werden, ohne Kommentar oder Aufklärung, dass es sich dabei um eine antijudaistische Tradition aus den ersten christlichen Jahrhunderten handelt, dass Weihnachten Anlass einer Feier heteronormativer Familienbilder ist. Vieles stört am „Fest der Liebe“, für das psychosoziale Beratungsstellen extra Beratungsangebote schaffen müssen.
Zeit für ein gutes Buch!
Wenn es gut läuft, gibt es Momente im Advent und an Weihnachten, die als schön empfunden werden. Und wer freut sich nicht über ein tolles und passendes Weihnachtsgeschenk? Vielleicht nimmt es etwas Stress, dass ich ein paar Ideen für Geschenke hätte? Neben Socken gelten ja Bücher als Klassiker der Weihnachtsgeschenke.
Für den (kirchen-)geschichtlich interessierten Menschen in deinem Leben, der sich mit der Geschlechtlichkeit Jesu noch nicht viel befasst hat und/oder gern mehr dazu wüsste, empfehle ich von Anselm Schubert „Christus (m/w/d)“. Das Buch ist besonders für Leute geeignet, die bereits ein gewisses (theologie-)geschichtliches Grundgerüst oder -interesse haben. Das Buch erklärt, was schon viele Feminist*innen und an Gender interessierte Theolog*innen vorher erarbeitet haben: Die Geschlechtlichkeit Jesu ist in der Tradition nicht ansatzweise so festgelegt auf das Männliche, wie vielleicht gedacht! Diese grundsätzlich nicht neue Erkenntnis noch einmal in Buchform gut informiert zusammengestellt zu sehen – das Material (ein-)geordnet und mit guten Entwicklungslinien – das ist wirklich was Feines!
Ein anderes systematisch-arbeitendes Buch ist „Gott queer gedacht“ von Andreas Krebs, das bereits im vergangenen Jahr erschienen ist. In gewürzter Kürze trägt Krebs schlau queere The*logie-Gedanken zusammen und bringt sie miteinander in ein durchdachtes Gespräch, das sich gut lesen lässt und kompakt queere The*logie zugänglich macht. Das Buch ist eine spannende Lektüre für alle, die keine Scheu davor haben, theologische (Neu-)Erkundungen zu machen und sich auch grundsätzlich mit Queer und Christ*innentum befassen mögen.
Das waren jetzt zwei Tipps für Bücher von Menschen, von denen ich – eventuell unzulässigerweise – annehme, dass sie sich als Männer definieren. Mhpf! Mit intersektional-feministischen Büchern, erst recht in der Theologie, wird nicht das große Geld gemacht. Auch theologische Sachbücher (und je nach Disziplin auch Fachbücher in unterschiedlichem Umfang) werden immer noch deutlich häufiger von Männern verfasst. Ein Blick in die Herbstprogramme der christlichen und theologischen Verlage genügt leider, um sich von dieser traurigen Realität zu überzeugen.
Auch in der Theologie gibt es außerdem „Mathilda-Effekte“. Männer werden für etwas gehyped, das eigentlich Frauen erforscht, herausgefunden oder entwickelt haben. Das beste Beispiel dafür ist aus der jüngeren Christ*innentumsgeschichte ist Charlotte von Kirschbaums theologische Arbeit für und mit Karl Barth.
Zeit für einen guten Podcast!
Mir fallen derzeit vor allem Podcasts ein, die Frauen und/oder Nicht-Männer in der The*podcast-Welt machen. Ist das ein Ding? Kann es sein, dass die dialogische Qualität von Podcast-Gesprächen dem oft auch machtkritischen The*logisieren von FLINTA mehr entspricht, also dass es Nicht-cis-Männern mehr gefällt, gemeinsam diskutierend, statt monologisierend The*logie zu betreiben?
Da wäre natürlich ein „Klassiker“ unter den Kirchen- und The*logie-Podcasts in deutscher Sprache, von denen nicht nur Kirchenleute viel lernen können: „Stachel & Herz“ mit Sarah Vecera und Thea Hummel (hier #abgehört in der Eule). Es gibt den „Theoversity“-Podcast „Es muss doch mehr als alles geben“, bei dem ich auch schon zu Gast sein durfte. Und von der Evangelischen Akademie zu Berlin gibt es mit dem „Bildstörungen“-Podcast von Katharina von Kellenbach und Karoline Ritter und den „Feministischen Bibelgesprächen“ mit Luzia Sutter Rehmann und Ulrike Metternich gleich zwei interessante Podcast-Serien, die von Frauen gemacht werden
Aber wie schenkt mensch einen Podcast, der kostenfrei im Netz und auf Podcast-Plattformen zu hören ist? [Nicht zuletzt, weil die Projekte durch Kirchenmittel gefördert werden. Anm. d. Red.]. Eigentlich geht es also um Zeit und Kopf. Das Zeit-Schenken ist ja allgemein so ein Ding geworden. Nicht nur in der Minimalismus-Bubble, in die ich mich während meiner Examenszeit kopfmäßig reingestürzt hatte. Wieder mhpf.
Mehr Zeit!
Am Ende geht es im Advent und an Weihnachten doch ums Ganze, ums System. Wie kann sich welcher Mensch Zeit für sich nehmen, um mal ein Buch zu lesen oder einen Podcast zu hören? Oder Musik? Oder dafür, andere Formen von Entspannung oder sowas wie Hobbies zu erleben? Wie sehr halten unsere (Care-)Arbeitsverhältnisse davon ab, sich gewünschte Impulse suchen zu können – kräfte- und zeitmäßig? Eigentlich wäre also die 4-Tage-Woche ein Weihnachtsgeschenk, das ich gern verschenken können würde.
Ich hoffe im Advent darauf, dass gute Nachrichten davon, dass und wie Ungleichberechtigung beseitigt wird, uns immer wieder überraschen. Oder besser noch: Nicht mehr überraschen müssen, sondern selbstverständlicher werden! Aber das ist dann wirklich Wunschtraum. Aber es wird ja Weihnachten. Auch wenn Weihnachten ein mit kultureller Macht versehenes Fest ist, geht es eigentlich um das Gegenteil: das Machtlos-Sein G*ttes. Vielleicht kann Weihnachten dieses Jahr das Fest der ausgehaltenen Machtlosigkeit sein? Und danach, eher früher als später: Macht gleicher verteilt werden?
Alle Ausgaben von „Sektion F“ hier in der Eule.
Eule-Podcast Q & R mit Carlotta Israel
Wie können wir mit Mansplaining in der Kirche umgehen? Welche feministischen Themen sind für Theologie und Kirche wichtig? Kommt die (Frauen-)Quote? Im „Eule-Podcast Q & R“ beantwortet Carlotta Israel Fragen aus der Leser:innen- und Hörer:innenschaft der Eule.
Carlotta schreibt seit 2021 die Eule-Kolumne „Sektion F“ und ist vielfältig engagiert für einen intersektionalen Feminismus in Theologie und Kirche. In diesem Jahr wurde sie mit dem Dorothee-Sölle-Preis ausgezeichnet.
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