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Festgefahren – Die #LaTdH vom 28. März

Dissonanzen im Verhältnis von Staat und Kirchen über die Ostergottesdienste. Außerdem: Ein Exodus am Pessach-Fest und eine Kirche, die sich keinen Millimeter bewegt.

Herzlich Willkommen!

Während wir die ersten Ostereier aufhängen, leckere Schokohasen zu Hause platzieren und uns auch innerlich auf die Osterfeiertage einstimmen, wütet ein ordentlicher Streit um genau diese Osterfeiertage. Dürfen wir nun in die Kirchen oder feiern wir die Gottesdienste lieber online mit? Das wird sich wohl erst kurz vor Ostern endgültig klären.

Außerdem beginnt an diesem Wochenende das jüdische Pessach-Fest und wir verabschieden uns von der ersten katholischen Theologieprofessorin der Welt.

Eine gute Woche wünscht
Jacqueline Bohrmann


Debatte

Gottesdienste an Ostern – online oder vor Ort? Auch nach dieser Woche ist noch nicht ganz klar, wo und wie Gottesdienste an den Osterfeiertagen vor Ort stattfinden werden. Voraussichtlich wird spontan anhand der Inzidenzen in den Landkreisen entschieden, die im Moment vielerorts die wichtige 100er-Marke überschreiten. Ein kurzer Überblick über die Geschehnisse:

Montagnacht: Nach zähen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern taucht diese Formulierung in Bezug auf die Osterfeiertage im Beschlusspapier auf:

„Bund und Länder werden auf die Religionsgemeinschaften zugehen mit der Bitte, religiöse Versammlungen in dieser Zeit nur virtuell durchzuführen.“

Dienstag: Die Vorsitzenden der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zeigten sich „überrascht“ über diese Bitte. In einer Videokonferenz machten die Kirchenvertreter (auch der Orthodoxen und der Freikirchen) klar, dass sie auf Präsenzgottesdienste nicht völlig verzichten wollen. Philipp Greifenstein (@rockToamna) meint hier in der Eule: „Es nützt ja nichts!“

Mittwoch: Kanzlerin Angela Merkel gesteht Fehler ein und zieht die sogenannte „Osterruhe“ wieder zurück. Und was ist mit den Gottesdiensten? Viele evangelische Landeskirchen und Bistümer sprechen sich in Pressemitteilungen für das Festhalten an Präsenzgottesdiensten aus. Ihr Hauptargument: Bisher haben die Hygienekonzepte der Kirchen gehalten, was sie versprechen.

Donnerstag: Die EKD informiert, dass die Gemeinden – wie bisher – unter Berücksichtigung der pandemischen Situation vor Ort – insbesondere der Inzidenzwerte – die Entscheidung für oder gegen Präsenzgottesdienste treffen. Hier in der Eule erklären Pfarrerin Gerlinde Feine (@fraufeine) und Vikar Georg Bloch-Jessen (@georgbloch), warum sie am Präsenzgottesdienst bisher festhalten.

Regierung zieht Bitte an Kirchen zurück (tagesschau.de)

Am Donnerstagmorgen versendet das Bundespresseamt eine Neufassung der Beschlüsse der Bund-Länder-Runde, in der die Bitte an die Kirchen fehlt. Ist das Absicht oder ein Versehen? Was hat das zu bedeuten? Die Kirchen jedenfalls, findet Eule-Redakteur Philipp Greifenstein, gehen mit ihrer Kommunikation das Risiko ein, von der Pandemie-Entwicklung überholt zu werden:

Dass es auch vorsichtiger geht, zeigt der Brief der Landesbischöfin der Nordkirche (@nordkirche_de), Kristina Kühnbaum-Schmidt (@l_bischoefin), an ihre Gemeinden:

„Im Licht der pandemischen Entwicklung empfehlen wir jedoch, ab einem Inzidenzwert von 50 das Infektionsgeschehen genau zu beobachten“, heißt es in dem Brief. Ab einem Inzidenzwert von 100 gelte die Empfehlung, Alternativen zum Präsenzgottesdienst sorgfältig zu prüfen und vorrangig digitale Formate anzubieten.

Wie die Kirchen Merkels Gottesdienst-Plan aushebelten – Matthias Kamann, Lucas Wiegelmann (WELT)

Auch wenn es bei der ganzen Debatte lediglich um eine Bitte seitens von Bund und Ländern geht, zeige diese das mittlerweile holprige Verhältnis zwischen Staat und Kirchen meinen Matthias Kamann (@Matthias_Kamann) und Lucas Wiegelmann (@wiegelmann). Vor allem, weil die Idee zu dieser Bitte laut WELT-Informationen erst in der nächtlichen Verhandlungspause und ohne den für Religionsgemeinschaften zuständigen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, aufkam.

Die Politik bringe die Kirchen demnach in eine üble Zwickmühle. Würden die Kirchen der Bitte nachkommen, so die Argumente, gäbe es Vorwürfe, dass sie sich staatlichen Vorgaben unterstellen würden. Obwohl sich die Hygienekonzepte in den vergangenen Monaten bewährt hätten.

Wenn sie sich dem staatlichen Druck aber offen widersetzen würden – so das andere Zwickmühlenargument der Kirchen –, dann könnten sie Gefahr laufen, wie Corona-Leugner zu wirken, die die Virusbedrohung ignorieren und alle Regeln missachten. Und deshalb sollte der Staat jenen Erwartungsdruck gar nicht erst aufbauen, die Bitte zurücknehmen und darauf vertrauen, dass die Kirchen auch über Ostern primär auf Online-Formate setzen und die (gar nicht so zahlreichen) Versammlungen streng regulieren.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen könnten die Kirchen außerdem sowie so zu nichts gezwungen werden. Bundesinnenminister Horst Seehofer äußerte sich in der BILD dann auch so:

„Es hat mich schon erstaunt, dass ausgerechnet Parteien, die das C im Namen führen, den Kirchen den Verzicht auf Gottesdienste nahelegen, noch dazu an Ostern.“

Nachdem Kanzlerin Angela Merkel die Ruhetage zu Ostern („Osterlockdown“) zurückgezogen hatte, entfiel auch die Passage mit der Bitte auf Verzicht von Präsenzgottesdiensten irgendwie. Viele Bistümer und Landeskirchen hatten da ihre Bitte jedoch schon längst abgelehnt. Hat sich das Staat-Kirche-Verhältnis festgefahren? Ob und wie sehr dieser Streit zwischen Kirchen und Regierung noch Konsequenzen nach sich zieht, wird sich zeigen.

Beten geht doch auch im Netz – Tanja Tricarico (taz)

Während sich die KirchenvertreterInnen über den Rückzug der Bitte freuen und in die Planung der Osterfeiertage übergehen, kritisiert Tanja Tricarico (@frau_tri) in ihrem Kommentar in der taz dieses Verhalten scharf. Sie spricht von Lobbyarbeit, die sich lohne und unfair gegenüber Kultur und Gastronomie sei. Die frohe Botschaft könne man auch online verkünden.

Aus Solidarität mit denen, die seit Monaten auf Nähe verzichten, mit den Kulturschaffenden, die vor dem Existenz-Aus stehen. Mit dem Pflegepersonal, das am Limit weiterarbeitet, mit den Eltern und Kindern, die am Ende ihrer Kräfte sind. Solidarität und für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sorgen, ist auch Aufgabe der Kirchen, wenn nicht die wichtigste.

Die EKD bietet eine Übersicht der verschiedenen Online-Formate und virtuellen Gottesdienste an. Auch die katholische Kirche hat so eine Übersicht auf ihrer Website angefertigt.

nachgefasst

Missbrauchsgutachten: Wer hat was getan? – Raoul Löbbert und Georg Löwisch (Zeit)

„Aufgedröselt“, kann man den Beitrag von Raoul Löbbert (@RaoulLoebbert) und Georg Löwisch (@georgloewisch) in der Christ & Welt diese Woche wohl nennen. Was steht über die konkret handelnden Personen im Gercke-Gutachten des Erzbistums Köln (s. #LaTdH von letzter Woche).

Jede:r, die noch einmal genau nachlesen möchte, was da eigentlich alles auf einmal passiert ist, findet hier einen guten Überblick. Aufgeteilt ist der Bericht nach den Personen, die mit dem Gutachten in Verbindung stehen. Am Ende gibt es dann noch Infos zu dem Gutachten selbst, wie die GutachterInnen gearbeitet haben und welche Akten dem Gutachten zu Grunde liegen.

Jurist, bleib bei deinen Paragrafen, das ist eines der Grundprinzipien dieser Arbeit. Das zweite ist: mit Masse punkten. Das Gutachten hat einen quantitativen Teil mit Grafiken, es behandelt alle gefundenen 236 Aktenvorgänge. Und es ist mit mehr als 900 Seiten deutlich länger als die gut 500 Seiten des ersten Gutachtens der Münchner Kanzlei von Ulrich Wastl, das Kardinal Rainer Maria Woelki erst bestellt hatte, aber dann doch nicht wollte.

Man könnte schon fast von einem Zeugnis unserer Zeit sprechen, das da veröffentlicht wurde. Ein Zeugnis, das noch nicht abgeschlossen ist und das mit einer Fortsetzung sicher auch nicht lange auf sich warten lässt.

Mut tut gut – Rainer Hörmann (Kreuz & Queer, evangelisch.de)

Sie protestieren weiter und werden immer lauter und mehr: Die Rede ist von den Befürworter*innen einer Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren in der röm.-kath. Kirche. Der Vatikan hatte dazu „Nein“ gesagt (s. #LaTdH von letzter Woche) und das wie folgt begründet:

„Aus diesem Grund ist es nicht erlaubt, Beziehungen oder selbst stabilen Partnerschaften einen Segen zu erteilen, die eine sexuelle Praxis außerhalb der Ehe (das heißt außerhalb einer unauflöslichen Verbindung eines Mannes und einer Frau, die an sich für die Lebensweitergabe offen ist) einschließen, wie dies bei Verbindungen von Personen gleichen Geschlechts der Fall ist.“

Im „Kreuz & Queer“-Blog bei evangelisch.de, das seit vielen Jahren queere Politik und das Leben von LGBTQI* in den Kirchen begleitet, fasst Rainer Hörmann zusammen:

Und für alle Fälle erklärt man auch gleich, dass das Nein „weder eine ungerechte Diskriminierung“ sei noch „die Absicht, eine solche zu sein“ enthalte. „Die christliche Gemeinschaft und die geistlichen Hirten sind aufgerufen, Menschen mit homosexuellen Neigungen mit Respekt und Takt aufzunehmen.“

Das lassen die Befürworter*innen einer Segnung aber nicht gelten. Sie sammelten unter anderem 2 600 Unterschriften von Priestern, Gemeindereferent*innen, Pastoralassistent*innen und Diakonen und haben diese an den Aachener Bischof Helmut Dieser und die familienpolitische Sprecherin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) Birgit Mock übergeben, die dem für das Thema zuständigen Forum des Synodalen Weges vorsitzen.

Rainer Hörmann findet das gut:

Irgendwie ändern sich die Zeiten (auch) in der Katholischen Kirche. Und das ist gut so. Weniger gut ist, dass die Debatte wieder auf einem Niveau beginnt, von dem man dachte, dass es der Vergangenheit angehört. Schade, dass sich im Vatikan anscheinend noch immer eine herablassende Rhetorik hält, die Schwulen und Lesben lächelnd mit einem „Gott mag euch, ABER …“ abfertigt und sich de facto keinen Millimeter bewegt.

Buntes

Gastkommentar: Sind Juden in Europa noch willkommen? – Pinchas Goldschmidt (Deutsche Welle)

Zum Pessachfest warnt Pinchas Goldschmidt, Vorsitzender der Europäischen Rabbinerkonferenz, bei der Deutschen Welle vor wachsenden Einschränkungen des religiösen Lebens und einem Exodus der Juden aus Europa:

Wir wollen von Europas Politikern beherzte und positive Maßnahmen sehen, die das religiöse Leben respektieren und stärken und einen drohenden Exodus stoppen. Ein solcher Exodus ist keine Übertreibung, sondern bereits Realität. Viele Juden haben im zurückliegenden Jahrzehnt ihre europäischen Heimatländer verlassen, da sie sich dort nicht mehr willkommen fühlten. Das liegt an der Zunahme antisemitischer Übergriffe, aber eben auch an der Einschränkung ihrer Religionsfreiheit.

Maria 2.0-Gründerinnen wollen aus Kirche austreten – Heike Zafar (WDR)

Jetzt sind sie raus. Lisa Kötter und Andrea Voss-Frick hatten die Bewegung Maria 2.0 vor zwei Jahren in Münster gegründet und seitdem viele Mitstreiter*innen gefunden. Trotzdem wollen die beiden Frauen jetzt aus der römisch-katholischen Kirche austreten. Sie hätten die Hoffnung auf Veränderungen innerhalb der Kirche verloren, erzählt Lisa Kötter im Interview:

Als wir Maria 2.0 gegründet haben, haben wir wirklich gedacht, das geschlossene System der römischen Kirche wird endlich einen Riss bekommen und dieser Riss wird größer werden, und diese Hoffnung habe ich verloren.

Außerdem sind der Ärger über die sexuelle Gewalt durch Priester und die Vertuschung ein Grund für ihren Austritt. In Zukunft wollen sich die Frauen von außen engagieren und weiterhin für mehr Gleichberechtigung kämpfen.

Containerschiff steckt im Suezkanal fest

Eines der größten Containerschiffe der Welt mitten im Vatikan? Das gibt es nur auf Twitter. Eigentlich steckt die „Ever Given“, ein 400 Meter langes Containerschiff, ja im Suezkanal fest. Katholik*innen messen aber laut @theghissilent alles in Vatikangröße und so landet das Schiff kurzerhand mitten im Vatikan. Zum Größenvergleich gibt es noch den Eifelturm, die Cheops-Pyramide und die Freiheitsstaue.

Und auch Marina Weisband (@Afelia) macht sich in ihrem Tweet über die „Ever Given“ lustig. Passend zu Pessach baue das Containerschiff eine Brücke über den Suezkanal:

Theologie

ÖKT: Gegenseitige Mahleinladung trotz Vatikan-Absage – Christoph Brüwer (katholisch.de)

Der Ökumenische Kirchentag (ÖKT) in Frankfurt widersetzt sich dem Vatikan und will im Mai trotz Absage des Vatikans Christen zur gemeinsamen Feier der Eucharistie und des Abendmahls einladen.

„Die Einladung durch Jesus Christus selbst überwindet das Festhalten am Trennenden der christlichen Konfessionen. Die geöffneten Türen und der für alle Getauften gedeckte Tisch des Herrn betonen das gemeinsame Zeugnis als Grundlage unserer christlichen Existenz“,

wird Bettina Limperg, Präsidentin des 3. ÖKT in der Pressemitteilung des ÖKT zitiert.

Online werde es eine Live-Übertragung von gleich vier Gottesdiensten geben: Je ein evangelischer, ein römisch-katholischer, ein evangelisch-freikirchlicher Gottesdienst und eine orthodoxe Vesper. Auch in Frankfurt wird es analoge Angebote geben. Die Veranstalter hoffen auf weitere Nachahmer im ganzen Bundesgebiet, berichtet Christoph Brüwer (@chrisbruew) auf katholisch.de.

Warum diese Einladungen heikel sind? Der Vatikan hatte gegenseitige Mahleinladungen bereits aus theologischen Gründen abgelehnt.

Die Unterschiede im Eucharistie- und Amtsverständnis seien „noch so gewichtig“, dass sie eine Teilnahme katholischer und evangelischer Christen an der Feier der jeweils anderen Konfession derzeit ausschlössen. Auch für eine „individuelle Gewissensentscheidung“ gebe es keine Grundlage, teilte die Glaubenskongregation im vergangenen September mit.

Hallo Gott, hier spricht Uta – Raoul Löbbert (Christ & Welt) 

Diese Woche ist Uta Ranke-Heinemann im Alter von 93 Jahren gestorben. Sie war schon als Kind eine Ausnahme: Auf dem Essener Burggymnasium war sie das einzige Mädchen und meisterte ihr Abitur mit Bravour. Dann studierte sie evangelische Theologie, konvertierte zum Katholizismus und promovierte. Bekannt ist Uta Ranke-Heinemann vor allem dafür, dass sie die erste Frau weltweit war, die katholische Theologieprofessorin wurde.

Schnell wurde sie aber auch zu einer der kritischsten Stimmen gegenüber der katholischen Kirche. Sei es in Bezug auf das päpstliche Verbot der Empfängnisverhütung oder das wörtliche Verständnis der Jungfrauengeburt Marias – Ranke-Heinemann wird gerne als streitbar beschrieben und das war sie definitiv. Schlussendlich wurde ihr die katholische Lehrerlaubnis entzogen. Einen ausführlichen Nachruf über die Tochter von Bundespräsident Gustav Heinemann und ehemalige Studienkollegin von Papst Benedikt XVI. findet sich in der Christ & Welt.

Ein guter Satz

— Uta Ranke-Heinemann in ihrem 2002 erschienenen Buch „Nein und Amen“