Mach keinen Scheiß!
Mit „KI“-Videos rührt die evangelische Kirche die Werbetrommel für ihre neue Klimakampagne „Du zählst!“. Drei Jahre lang wurde an einer „öffentlichkeitswirksamen Kampagne“ gearbeitet.
Es ist definitiv ein Irritationsmoment, den ich für 2025 nicht auf der Bingokarte hatte, dass der „KI“-Schrott, den ich auf Social-Media-Plattformen inzwischen routiniert von mir wegschiebe, von der evangelischen Kirche stammt. Ein muskulöser Noah spricht mich an, Eisbären schauen traurig auf der Arche. Adam und Eva, Maria und Joseph lächeln in die Kamera. In der typischen Ästhetik von „KI“-Videos, denen man auf den großen Social-Media-Plattformen kaum entkommen kann, wirbt die evangelische Kirche für ihre neue Klimakampagne „Du zählst!“.
Es sind nur drei (bald vier) wenige Sekunden lange Clips, die den Kern der Werbekampagne ausmachen. Dank der Zusammenarbeit mit einer Agentur, werden sie auf Instagram, YouTube und gelegentlich auf Websites als bezahlte Anzeigen ausgespielt. Wer in diesen Tagen in Kurzvideo-Streams hängenbleibt, hat die freundlichen „KI“-Gesichter der evangelischen Kampagne vielleicht schon auf dem eigenen Smartphone, Notebook oder sogar Fernseher gesehen. Zum Schluss jedes Kurzvideos lässt mich die evangelische Kirche wissen: „Du zählst!“
Ok, aber worum geht es hier eigentlich? Wer genau veranstaltet die Werbekampagne – und warum? Was hat sie mit dem Tempolimit-Beschluss der EKD zu tun? Warum sind ausgerechnet mit generativer Künstlicher Intelligenz (genAI) produzierte Videos im Einsatz? Ist „Du zählst!“ der nächste Nachweis für die Kampagnenunfähigkeit der evangelischen Kirche?
Eine Kampagne mit klarem Limit
„Du zählst!“ ist das Ergebnis jahrelanger Bemühungen in Gremien der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), eine Klimakampagne auf die Beine zu stellen. Ins Deutsche ist der Begriff Kampagne aus dem Französischen eingewandert, zunächst als Lehnwort für einen militärischen Feldzug. „Eine Kampagne“, so weiß die Wikipedia, „ist eine (a) zeitlich befristete Aktion (b) mit einem definierten Ziel, das durch (c) geplantes und koordiniertes Zusammenwirken mehrerer Personen oder Akteure zu erreichen versucht wird“.
Um zu verstehen, warum „die Klimakampagne der evangelischen Kirche“ so geworden ist, wie sie sich uns heute präsentiert, müssen wir drei Jahre zurückspulen. Ausgangspunkt ist die Tagung der EKD-Synode im Herbst 2022 in Magdeburg (wir berichteten), auf der mit Aimée van Baalen auch eine Aktivistin der „Letzten Generation“ zu Gast war. Damals stimmte auch die Synode der zuvor im Rat der EKD und der Kirchenkonferenz (KiKo) beschlossenen Klimaschutzrichtlinie der EKD zu, die seither zur Umsetzung den 20 EKD-Gliedkirchen, den evangelischen Landeskirchen, aufgetragen ist. Bis 2035 will die evangelische Kirche klimaneutral werden. Ein Zwischenbericht wird auf der EKD-Synode im November in Dresden erwartet.
Die Magdeburger Tagung bleibt auch aufgrund ihres häufig missverstandenen und für Desinformationskampagnen ausgenutzten Tempolimitbeschlusses im Gedächtnis (wir berichteten): Die Synode „hält es für geboten, bei allen PKW-Fahrten im kirchlichen Kontext ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und 80 km/h auf Landstraßen einzuhalten, um Treibhausgas-Emissionen spürbar zu reduzieren“ und unterstützt „politische Bemühungen um ein zeitnahes allgemeines Tempolimit von höchstens 120 km/h“. Eine „öffentlichkeitswirksame Kampagne“ sollte, so der Synodenbeschluss von 2022, diese „Selbstverpflichtung“ und das Eintreten für ein Tempolimit kommunizieren.

Adam und Eva finden regionales Obst „sündhaft gut“. (Bild: Screenshot aus einem der „KI“-Videos.)
Wir ziehen in den Krieg … aber keine:r zieht mit
Seitdem hat die „öffentlichkeitswirksame Kampagne“ im Gefüge von EKD und Gliedkirchen eine illustre Laufbahn hingelegt. Bereits der Backlash wegen der Solidaritätsbekundungen mit der „Letzten Generation“ und des Tempolimit-Beschlusses – u.a. Kirchenaustrittsankündigungen am EKD-Servicetelefon und die Häme in BILD und Social-Media-Plattformen – ließ im Kirchenamt der EKD, in Rat und Kirchenkonferenz die Überzeugung reifen, eine Werbekampagne für ein Tempolimit sei keine gute Idee der Synode gewesen.
„Die Diskussionen [haben] ergeben, dass es keine nur auf das Tempolimit fokussierte Kampagne geben soll. Vielmehr soll das Tempolimit in eine breitere auf Klimaschutz bezogene Kampagne eingebettet werden“, erklärte der Rat in seinem schriftlichen Bericht auf der darauffolgenden Synodentagung 2023 in Ulm. Die im Synodenbeschluss außerdem für die Ulmer Tagung geforderte „intensive Befassung“ mit den Herausforderungen des Klimaschutzes für die Mobilität entfiel ebenfalls.
Dass Beschlüsse der EKD-Synode nicht umgesetzt werden, ist an und für sich nicht unüblich. Neben Einsprüchen einzelner Gliedkirchen in der Kirchenkonferenz und gelegentlichem Unwillen im Rat ist für den Umsetzungsstau auch die Schwachbrüstigkeit des Kirchenamts mitverantwortlich, das die jährlich eintrudelnden Wünsche der Synodalen trotz immer weniger Personal und inhäusiger Kompetenz erfüllen soll.
Weil ein einfaches „Nein“ der evangelischen Leitungskultur jedoch fremd ist, nahm sich die EKD infolge der Magdeburger Synode vor, eine „Themenkommunikation“ zur Bewahrung der Schöpfung auf die Beine zu stellen, in deren Rahmen dann auch die eigentlich nicht gewünschte Tempolimitkampagne sicher verwahrt werden sollte. Um des lieben Friedens Willen machen sich die Evangelischen gerne noch mehr Arbeit. Wie aus dem Umsetzungsbericht zur Synodentagung im November 2024 hervorgeht, haben Rat und Kirchenkonferenz im März 2024 eine „Themenkampagne“ beschlossen, die im Frühjahr 2025 „umgesetzt“ werden sollte, u.a. „weil es 2024 – bedingt durch die aktuelle politische, gesellschaftliche und kirchenjahreszeitliche Agenda – kaum möglich ist, wirksam das Thema Klima zu kommunizieren“.
Bemerkenswert ist die Begründung, in der ausdrücklich die Warnung der Stabsstelle Kommunikation des EKD-Kirchenamtes weitergegeben wird, eine Klimakampagne auf das Thema Tempolimit zuzuspitzen: „Die Verengung auf ein einzelnes, derzeit stark polarisierendes Thema […] birgt die Gefahr, Diskursräume eher zu schließen als zu öffnen.“ Argumentiert wird mit einem mindestens verkürztem Verständnis von gesellschaftlichen Triggerpunkten, die vom Soziologen Steffen Mau beschrieben wurden. Der Exegese der EKD zufolge sei es geboten, um triggernde Themen einen weiten Bogen zu machen, da „polarisierende Inhalte und die Betonung von Gegensätzen Spaltung begünstigen“.
Ist eine Institution, die sich als Lordsiegelbewahrer des gesellschaftlichen Zusammenhalts positioniert und Angst davor hat, dass Menschen ihr „entfolgen“, nicht grundsätzlich kampagnenunfähig? Gleichwohl gibt es in den evangelischen Kirchen ein sehr breites und vielfältiges Engagement für Klima- und Umweltschutz, das genügend Material für eine „öffentlichkeitswirksame Kampagne“ liefern könnte. Dieses zu würdigen und Werbung zugleich fürs Klimaschützen und die Kirchen zu machen, ist kein abwegiges Vorhaben, sondern liegt ganz auf der Linie der „12 Leitsätze zur Zukunft einer aufgeschlossenen Kirche“, die von der EKD-Synode 2020 verabschiedet wurden (wir berichteten).
Wir bilden einen Arbeitskreis
Seit drei Jahren also versucht die EKD das Gute nicht nur zu tun, sondern auch darüber zu reden. Die fortwährenden Verzögerungen bei der Umsetzung der Modifikation des Synodenauftrags erklären sich, wie Die Eule aus EKD-Kreisen erfahren hat, auch damit, dass ein erster Kampagnenentwurf für ungeeignet befunden wurde. Die Entwürfe wären auf den großen Social-Media-Plattformen des Meta-Konzerns wohl als politische Werbung gekennzeichnet worden.
Um nun aber endlich in die Umsetzung zu kommen, wurde typisch evangelisch ein Arbeitskreis gebildet, hinzugezogen wurden u.a. Fachleute aus dem Medienkonzern der EKD, dem Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik (GEP). Dort wurde die Idee vorgestellt, mit „KI“-produzierten Kurzvideos Aufmerksamkeit für eine Kampagne herzustellen, in der die Initiativen und Projekte aus den EKD-Gliedkirchen gemeinsam dargestellt werden sollten.
In der Arbeitsgruppe wurde auch die Zielgruppe der Kampagne enger gefasst, sie sollte sich nun, „in der Typologie des gesamtkirchlichen Themenmanagements“, das infolge der 6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) entwickelt wurde, primär „an die Modern-Pragmatischen und die Ereignisorientiert-Empfindsamen“ richten. Diese Milieus seien auf Social-Media-Plattformen ansprechbar, ist im Umsetzungsbericht zu Synodentagung 2024 zu lesen. Mit der Verbreitung der Kurzvideos mittels bezahlter Online-Werbung auf Instagram, YouTube und Websites wurde eine externe Medienagentur beauftragt, die für die Erledigung ihres Auftrags 100.000 € erhält.
Die Produktion der „KI“-Kurzvideos allerdings wurde vom Evangelischen Kirchenfunk Niedersachsen-Bremen (ekn) erledigt. Die dortige Video-Abteilung mit Chefredakteur Lukas Schienke ist in den letzten Jahren als innovative Bewegtbildproduktion im evangelischen Betrieb hervorgetreten, u.a. mit dem erfolgreichsten evangelischen Videoformat „Anders Amen“.
Außerdem wurde, abweichend zu früheren evangelischen Kampagnenversuchen, beschlossen, eine „Klimakampagne der evangelischen Kirche“ zu entwerfen, also für alle EKD-Gliedkirchen zu sprechen und den Akteur:innen auf allen Ebenen entsprechende Materialpakete und Tutorials für die Mitwirkung zur Verfügung zu stellen. Selbst an einer Mitwirkung des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, wie in den Synodenberichten avisiert, fehlt es nicht: Auf das Werkzeug „Handabdruck“, zur Abfrage von klimafreundlichen Verhaltensweisen, wird auf der Kampagnenwebsite hingewiesen.
Der Wille dazu, mit der Klimakampagne nicht abermals in (selbstgestellte) Fallen zu tappen, ist gut zu erkennen: (1) Eine Kampagne anstatt einer nach Gliedkirchen und Einzelprojekten zersplitterten Menge von Werbemaßnahmen. (2) Bündelung und Sichtbarmachung bestehenden Engagements und kein Neuaufsatz von Klimaschutzinitiativen top-to-bottom. (3) Der Einbezug von interner und externer (Kommunikations-)Expertise. (4) Das Vorhaben, mit Werbung nicht allein diejenigen zu erreichen, die in das (Klima-)Engagement der Kirchen bereits eingebunden sind.
Nachdem sich der Rat der EKD auf mehreren Sitzungen mit dem Kampagnenentwurf befasst hat, während derer auch die „KI“-Videos kontrovers diskutiert wurden, ist die Kampagne nun also im Herbst 2025 an den Start gegangen. Hält sie, was versprochen wurde?

Bild: Logo der evangelischen Klimakampagne „Du zählst!“
Vier „KI“-Videos und eine schlechte Website
„Du zählst!“ besteht im Kern aus drei (bald vier) sehr kurzen, mit Hilfe von generativer Künstlicher Intelligenz erstellten Videos und einer Website. Die Videos werden als Werbeanzeigen auf YouTube, Instagram und Websites ausgespielt, stehen aber auch auf der Kampagnenwebsite zur Verfügung. Zusätzlich zur bezahlten Reichweite via Online-Werbung haben auch kirchliche Influencer:innen, vor allem aus dem „yeet“-Netzwerk des GEP, die Videos mit ihren Zuschauer:innen geteilt. Gegenüber der Eule gab Videoproduzent Lukas Schienke an, dass mit den Videos seit Start der Kampagne vor einem Monat ingesamt 2 Millionen Views erzielt wurden.
Flankiert wurde der Start der Kampagne mit Pressemitteilungen der evangelischen Landeskirchen und EKD und Hinweisen auf deren Websites. Die EKD-Beauftragte für Schöpfungsverantwortung, Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt (Nordkirche), gab dem epd ein ausführliches Interview, das auf der EKD-Website zu lesen ist. Kampagnenkoordinator Gregory Elson, seit Januar 2025 Chief Digital Officer im GEP, hat im „yeet“-Podcast seines Hauses bei Claudius Grigat über „Du zählst!“ gesprochen, insbesodere über die Tutorials und das Kampagnenmaterial. Es gibt sogar ein gemeinsames Logo!
Die Kampagnenwebsite bleibt allerdings weit hinter den Erwartungen und Möglichkeiten zurück. Auf der Landing Page werden die „KI“-Videos und einige wenige Informationen zur Kampagne präsentiert, auf nur drei Unterseiten geht es um die Kampagnenschwerpunkte „Klimagerechtigkeit“, „Mobilität“ und „Nachhaltig einkaufen“. Die Texte haben Platzhalterqualität. Unter „Mobilität“ findet die Besucher:in statt Informationen zu einem Tempolimit oder anderen konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz im Verkehrssektor, der in Deutschland seine Klimaziele beharrlich und deutlich verfehlt, ein Rätselspiel dazu, wie viele Deutsche wohl für „die Verkehrswende sind“ (mehr als 50 % btw).
Unter den rätselhaften Inhalten der Website wird dann auf einige wenige der laufenden Projekte in den Kirchen verlinkt. Laut Kampagnenkoordinator Elson können sich interessierte Akteur:innen aber auch weiterhin eintragen lassen. In ihrem gegenwärtigen Zustand scheitert die Website am Anspruch, ein Schaufenster und Brückenkopf des vielfältigen Einsatzes der evangelischen Kirche für den Klimaschutz zu sein. Jenseits zahlreicher Ausrufezeichen und Aufforderungen, doch etwas zu tun und sich zu informieren, findet sich auch kein klarer Call-to-Action: Was soll ich als Leser:in jetzt eigentlich tun? Meinen „Handabdruck“ checken?
Der Elefant im Raum: Die Eisbären auf der Arche
Nicht nur im Rat der EKD wurde intensiv darüber diskutiert, ob „die evangelische Kirche“ sich ausgerechnet mit „KI“-Videos öffentlich für Klimaschutz einsetzen soll. Klar ist, dass sich die EKD eine teurere Produktion von Bewegtbildinhalten – mit richtigen Schauspieler:innen an realen Drehorten oder in richtigen Kulissen – nicht leisten konnte. Die wahren Produktionskosten der 20.000 € teuren Kurzvideos werden allerdings, wie bei „KI“-Produktionen üblich, externalisiert (mehr dazu hier in der Eule). Auch wollte man offenbar nicht noch einen zweiten Kampagnenentwurf in der Schublade verschwinden lassen.
Für das ekn-Produktionsteam war der EKD-Auftrag ein erstes „Experiment“ mit den Produktionsmöglichkeiten generativer „Künstlicher Intelligenz“. Den Videos selbst merkt man die sorgfältigen Prompts (Anweisungen) an, die „der KI“ gegeben wurden. Weder sind Maria und Joseph weiße MitteleuropäerInnen, noch gibt es in den nur wenige Sekunden langen Videos glitches oder fails – also keine unpassenden Übergänge, fehlerhafte Darstellungen oder Ausrutscher in der „Kameraführung“.
Da die Videos nicht mit den allerneuesten „KI“-Videowerkzeugen erstellt wurden, sondern mit Veo 3 von Google, steckt in den Videos am Ende doch wieder eine Menge menschlicher Hirnschmalz und vor allem Geduld im Umgang mit den Zwischenergebnissen „der KI“. Zuweilen sind sie sogar witzig: Maria, die Mutter Jesu, fordert zum Thema „Nachhaltig einkaufen“ frech: „Schenk keinen Scheiß!“

Bild: Screenshot aus dem „KI“-Video zum nachhaltigen Einkaufen
Wären die „KI“-Videos vor einem Jahr erschienen, wären sie womöglich als zeitgemäße Experimente mit einer neuen und gehypten Technik durchgegangen. Dass es dazu nicht gekommen ist, liegt vor allem an den ausdauernden Behördengängen und Gremienberatungen in Rat, Resonanz- und Arbeitsgruppen und mehreren Fachstellen des EKD-Kirchenamtes. Im Herbst 2025 verschwinden die Videos nun aber unter einer Welle aus „KI-Schrott“, der sich in die großen Social-Media-Plattformen ergießt und der – so zeigen es immer mehr Untersuchungen – bei Nutzer:innen nicht gut ankommt.
Trotz aller Sorgfalt der Produzenten zeigen die Videos die typischen Merkmale von „KI“-Produktionen: Klischeehafte Darstellungen, normschöne Körper, idealisierte Umgebungen und eine „Überbietungsästhetik“ (mehr dazu hier in der Eule). Von urheberrechtlichen Fragen einmal abgesehen, verbrauchen „KI“-Video-Produktionen sehr viel Energie und Wasser, schaden daher Umwelt und Klima. Auch wenn der Klima-„Fußabdruck“ einer einzelnen Produktion gering ist, stellt der Zugriff auf „KI“-Produktion sicher keinen guten „Handabdruck“ im Klimaschutzdiskurs dar und mindestens ein missverständliches Statement zum Thema Schöpfung.
Problematischer als die realen Klima-Kosten der vier kurzen „KI“-Videos ist womöglich, dass die evangelische Kirche Instagram, also den Meta-Konzern, und YouTube, also Google, für weitgehend wirkungslose Online-Werbung reichlich Geld überweist. Ich habe die Werbevideos aus Reflex schon mehrfach weggeklickt und weggeschoben, wie anderen „KI-Schrott“ auch, der mir in die Kurzvideo-Feeds auf YouTube und Instagram gespült wird. Ob mit den Videos tatsächlich „modern-pragmatische“ und „ereignisorientiert-empfindsame“ Zeitgenoss:innen erreicht werden, kann man im Blick auf sinkende Social-Media-Nutzungszahlen gerade in diesen Milieus ebenso bezweifeln wie die nachhaltige Wirkung von Kurzvideos im Allgemeinen.
Wie viele Menschen finden den digitalen Pfad vom Kurzvideo-Gucken zur Kampagnenwebsite? Verdanken sich die – dem Vernehmen nach immer noch bescheidenen – Zugriffszahlen dort nicht eher der Verlinkung im freien Internet, auf Websites der Kirchen und Projekte? Werden durch „Du zählst!“ Menschen für den Klimaschutz sensibilisiert, die zuvor mit dem Thema kaum Berührungspunkte hatten, wie Koordinator Elson im „yeet“-Podcast nahelegt? Wer soll das sein? Welches Ziel verfolgt „die Klimakampagne der evangelischen Kirche“ eigentlich?
Eine evangelische Klimakampagne hat per se immer ein doppeltes Ziel: Zum Klimaschutz als Teil der uns Menschen aufgetragenen Bewahrung der Schöpfung zu animieren und das kirchliche Engagement und damit auch die werbende Institution in gutem Licht erscheinen zu lassen. Um diese zweifache Zielbestimmung kreisten auch die Gremien- und Behördengänge seit der Magdeburger Synode 2022. An diesem – zugegebenermaßen hohen – Anspruch scheitert „Du zählst!“ bisher.
Womöglich wäre mehr drin als eine „KI“-Onlinewerbung für 100.000 €, die ein bisschen Online-Aufregung triggert, wenn sich die fürs Klima und die Medien zuständigen Menschen in der evangelischen Kirche nachhaltig und koordiniert zusammentäten. Zusammenarbeit bedeutet mehr, als nur identische Pressemitteilungen zu versenden. Mehr inhaltliche Kompetenz und konkretes Handeln als in der Kampagne bisher zur Anschauung kommt, haben die evangelischen Kirchen jedenfalls bestimmt zu bieten. Immerhin, eine Welle von Kirchenaustritten hat die evangelische Kirche wegen ihrer Klimakampagne nicht zu befürchten.
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