Ein Podcast mit „Schall und Weihrauch“

„Schall und Weihrauch“ hat die Grenzen eines Podcasts über Ministrant:innen schon gesprengt. Frederik Ohlenbusch hat den Podcast über das Messdienen abgehört:

Als ich noch jung und unverbraucht war, so ungefähr vor 30 Monaten, war ich einige Wochen lang Kryptokatholik. Trotz meines evangelisch-lutherischen Taufscheins ging ich jeden Werktag um Punkt 7 in die Frühmesse in Münsters Paulusdom, manchmal mit enormen Schlafdefizit. Nach und nach lernte ich den Ablauf der Liturgie, konnte viele Elemente mitsprechen und gewann die Messfeier richtig lieb. Unter anderen Umständen wäre ich vielleicht dabeigeblieben. Mich hat die Heilige Messe fasziniert.

So geht es sicher auch denen, die ehrenamtlich und ungeweiht bei diesen Feiern die Priester bei Ihrer Arbeit unterstützen. Trotz der schrumpfenden Mitgliederzahlen sind wohl einige hunderttausend Menschen in Deutschland als Messdiener:innen aktiv. Bis zu meiner wilden Münsteraner Zeit kannte ich keine:n einzige:n.

In diese Welt kann man mit „Schall und Weihrauch“ eintauchen, einem Podcast von und für Menschen, die regelmäßig Weihrauchfässchen schwingen, die Altarschellen läuten und außerhalb der Messen in der römisch-katholischen Kirche aktiv sind. Das Bistum Würzburg, das Erzbistum Bamberg und das Offizialat Vechta des Bistums Münster kooperieren bei diesem Format, die Redaktion im Hintergrund setzt sich aus Mitarbeitenden der jeweiligen Arbeitsstellen zusammen. Hier kommt der regionale Unterschied zum Tragen: Während im süddeutschen Katholizismus ministriert wird, sprich man im Oldenburger Münsterland vom Messdienen.

Im Vordergrund sind zumeist Anja und Benni am Mikrofon, sie moderieren den Podcast seit dem Frühjahr 2019. Seitdem gab es viele Experimente mit dem Konzept: Gäst:innen wurden eingeladen und kürzere Spezialfolgen mit anderen Redaktionsmitgliedern reihen sich neben die „normalen“ Folgen ein. Diese dauern in der Regel etwas mehr als 30 Minuten und erscheinen mittlerweile einmal monatlich.

Durch eine Folge, die sich der Nachlese eines Festivals für Ministrant:innen im vergangenen Sommer widmet, fiel mir das junge Alter der „Minis“ in den O-Tönen auf. Ich hatte nicht ganz im Blick, wie breit das potenzielle Publikum für einen solchen Podcast ist, nämlich im Grunde vom Grundschulalter bis hin zu jungen Erwachsenen. Entsprechend vielfältig sind auch die besprochenen Inhalte. In einer Folge kann also der Feiertag Christi Himmelfahrt erklärt werden, während in einer anderen Mara Klein vom Synodalen Weg interviewt wird und durchaus anspruchsvolle Einblicke in die Arbeit des Gremiums gibt.

Ein Hauch von Rebellion

In „Schall und Weihrauch“ erklingen gerne kritische Zwischentöne und ein Hauch von Rebellion liegt in der Luft, im Großen und Ganzen ist der Podcast vor allem ein Service für alle ehrenamtliche Mitarbeitenden. So gab es lange Zeit das „Spiel des Monats“. Konfliktlösungsstrategien in den „Minigruppen“ oder Tipps für Lampenfieber vor der Messe richten sich an Gruppenleitende wie blutige Anfänger:innen gleichermaßen. Dabei ist der Schwerpunkt etwas mehr auf das „Drumherum“ gerückt, nachdem die früheren Folgen schon Vieles zum sonntäglichen Dienst am Altar abgegrast haben.

Mit Begeisterung teilen Anja und Benni eigene Erfahrungen aus dem kirchlichen Alltag, binden Einsendungen und Fragen ihres Publikums ein und leiten eine aktive Community. Der Podcast ist somit ein überregionales Forum und ganz sicher kein eindimensionales Radioprogramm. Es mutet fast „amerikanisch“ an, mit wieviel Lob und Wertschätzung in alle Richtungen „Schall und Weihrauch“ manchmal daherkommt.

Spannend fand ich die Folge zur Frage, wie besser um Nachwuchs für den Dienst in der Messe geworben werden kann. Hier kamen nicht nur Klassiker wie „Bringt Eure Geschwister mit“ zur Sprache, sondern auch das sinkende Vertrauen vieler Eltern gegenüber der Kirche. Die anhaltenden Missbrauchsskandale machen es erforderlich, Präventionsmaßnahmen und Schutzkonzepte offener anzusprechen.

Ein Podcast als Teil der Ministstrant:innen-Pastoral?

Es ist sicher kein Geheimnis, dass auch die großen Kirchen zunehmend Probleme haben, ihre Angebote an jedem Kirchturm verfügbar zu machen. Gottesdienste und Messen führen Priester und evangelische Pfarrpersonen nicht selten mehrere an einem Sonntag durch, andernorts wird zusammengelegt. Die Gründe für einen Rückgang in der Zahl der Ministrierenden sind denen für den Rückgang von Mitgliedern und Hauptamtlichen wohl ähnlich.

Die sogenannte Ministrantenpastoral ist hier auf römisch-katholischer Seite ein besonderes Angebot im großen Bereich der Seelsorge. Im Gegensatz zu anderen Konzepten der Kinder- und Jugendarbeit ist diese fest in Liturgie und Selbstverständnis der Kirche verankert. Messen ohne Messdiener, das ist wie ein evangelischer Gottesdienst ohne moralischen Zeigefinger in der Predigt. Es funktioniert, aber irgendetwas fehlt.

Die Deutsche Bischofskonferenz verortete in ihrer Arbeitshilfe „Ministranten- und Ministrantinnenpastoral“ von 1998 den Schwerpunkt dieser Arbeit in der Gemeinde vor Ort. Regionalen bzw. überregionalen Stellen in Dekanaten und Diözesen wurden Kompetenzen in der Fortbildung von Mitarbeitenden, bei der Erstellung von Konzepten und ähnlichen Aufgaben zugewiesen. Der Trend, mit großen Wallfahrten, Festivals oder eben Podcasts und digitalen Formaten unmittelbar von zentralen Stellen aus für Kinder und Jugendliche Angebote zu machen, scheint mir also etwas neuer. Kleinere Kirchen, deren Gemeinden sich vereinzelt über die Landkarte verteilen und kein dichtes Netz bilden, also evangelische Freikirchen und andere Konfessionen, arbeiten schon etwas länger auf diese Weise.

Grenzen gesprengt

Inmitten dieser Entwicklung sehe ich „Schall und Weihrauch“ als ein besonderes Beispiel, weil hier Bamberg, Vechta und Würzburg zu einer geographisch aufregenden Allianz zusammenfinden, die wohl aus der persönlichen Bekanntschaft der Moderierenden entstand. Wahrscheinlich kommen viele Fans auch anderen Teilen der deutschsprachigen katholischen Kirche.

Es war für mich, obwohl ich sicher nicht zur Zielgruppe gehöre, viel Neues von den katholischen Geschwistern zu hören. Spannend finde ich, die Experimente des Formats über die vergangenen Jahre nachzuverfolgen. Vor allem bin ich gespannt, in welche Richtung Anja, Benni und ihr Team weitergehen, nachdem sie die Grenzen eines schlichen Einmaleins der Messe längst gesprengt haben.


„Schall und Weihrauch“ auf der eigenen Website, bei podcast.de, Spotify und Apple Podcasts.


#abgehört: Podcast-Kritiken bei der Eule

In unserer Serie „#abgehört“ stellen wir seit 2017 Podcasts vor: Podcasts zu klassischen Kirchenthemen und solche, die Neuland betreten. Podcasts, die von Theolog:innen gemacht werden und sich um Bibel und Predigt drehen, und Podcasts zu (Rand-)Themen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. Seit 2022 schreibt Frederik Ohlenbusch für uns frische Podcast-Kritiken.

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