Ein Trialog, der richtig gut tut

Eine neue Ausgabe von #abgehört: Im Podcast „331“ des „House of One“ führen drei Frauen aus drei Religionen ein themenzentriertes interreligiöses Gespräch. Dieser Podcast tut richtig gut, findet Frederik Ohlenbusch.

Der neue Regierende Bürgermeister Berlins, Kai Wegner (CDU), war noch keinen Monat im Amt, ehe sich aus einem normalerweise beiläufig vorbeiflatternden Gruß aus der Senatskanzlei zu Pfingsten eine Debatte entwickelte, ob Wegner denn innerhalb seines Berliner Souveräns zwischen Christ:innen und Gäst:innen unterscheide. Zwar muss fairerweise angemerkt werden, dass aus dieser feiertagsruheraubenden Auseinandersetzung, die im Grunde nur in der Presse und im digitalem Raum geführt wurde, nichts rumkam. Die Senatskanzlei unterstellte ihren Kritiker:innen bewusste Selbstempörung. Schön war doch aber dies: Keine ernstzunehmende Partei der öffentlichen Auseinandersetzung bekannte sich zu einer Interpretation, wonach Berlin eine eben nur „christliche“ Stadt sei.

Einen handfesten Grund zur Hoffnung auf ein aufrichtiges Zusammenleben der Religionen in Berlin ohne Ausfälle christlicher Dominanzgebärden gibt das Projekt House of One, ein gemeinsames Bethaus für jüdische, muslimische und christliche Menschen im Berliner Zentrum. Neben Räumlichkeiten für die drei Gruppen ist hier ein weiterer Raum geplant, der auch weiteren Religionen offen stehen soll.

Im Rahmen der Bildungsarbeit rund um den Bau geben die Judaistikstudentin Rebecca Rogowski, die evangelische Pfarrerin und Influencer:in Maike Schöfer und die islamische Theologin Kübra Dalkilic im Podcast „331 – 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“ einen Eindruck davon, wie diese Vielfalt in Einheit funktionieren könnte.

Das Trio ist seit Mai 2021 alle zwei Wochen zu hören. Nach einem Intro-Klangteppich, in dem auch das vertraute Summen der Berliner S-Bahn ertönt, gelangen sie ziemlich zielstrebig an ihr jeweiliges Thema. Ungeskriptet entfaltet sich ein recht freies Gespräch, das durch abwechselndes Ausfragen und Assoziieren 40 bis 60 Minuten füllt. In den vergangenen zwei Jahren wurden mittlerweile viele Themen abgedeckt: Das Paradies und Gott, religiöse Räume und Kleidungsfragen. Gelegentlich werden die Gespräche zu Dritt unterbrochen von Interviews mit Gäst:innen oder Folgen, die sich ganz den Fragen der Hörer:innen widmen.

In der Bemühung, möglichst gut verstanden zu werden, unterbrechen sich die drei Sprecherinnen bei Fachvokabular. Angestrebt wird, auch über die eigenen Communitys oder gar den Kreis von Fachleuten hinaus nicht-religiöse Menschen zu erreichen. Über die lebensnahen Fragestellungen wird Religion ohne Verklemmung greifbar gemacht.

Keine Ringvorlesung, sondern ein lockeres Gespräch

Ein Schwerpunkt der Gespräche ist der Metadiskurs rund um Religionen in Deutschland. Alle drei Sprecherinnen können fortwährend Beispiele für nervige Klischees, Hindernisse und Ignoranz geben, die ihnen begegnen. So kommt die Situation des Religionsunterrichts oder von konfessionellen Schulen zur Sprache, nicht-koschere Präsente für Beiträge zum Israelsonntag oder auch unangenehme Partygespräche. Sehr positiv aufgefallen ist mir in diesem Zusammenhang, dass kritische Einwände und Korrekturen der Hörer:innen regelmäßig und transparent aufgenommen werden. Fehler kann man eben auch selbst machen.

Durch die Entscheidung für einen klassischen „Laberpodcast“ geht die Möglichkeit verloren, in ausgefeilte Referate und lange historische Herleitungen abzudriften. Das ist aber eine Stärke und keine Schwäche von „331“. Locker und kurzweilig bietet der Podcast eine entspannte Hörerfahrung, bei der aber die Expertise und Differenzierungsbemühungen der Moderatorinnen keinesfalls zu kurz kommen. Mir scheint die angeregte Unterhaltung besser zu funktionieren als eine Ringvorlesung.

Miteinander statt übereinander reden – ist eine Floskel, die in vielerlei Hinsicht auf den interreligiösen Dialog anwendbar ist. „Übereinander“ kann so verstanden werden, dass ohne gegenseitiges Wahrnehmen, geschweige denn ein aufrichtiges Gespräch, Vorurteile die Überhand gewinnen und alle unwissend bleiben. Bei „331 – 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“ findet „Miteinander“-Sprechen statt: Die eigene religiöse Identität und individuelle Überzeugungen spielen im Austausch zwischen Kübra, Maike und Rebecca eine wesentliche Rolle, sie stehen aber einem echten Gespräch von Person zu Person nicht im Wege.

Lässiger Groove

Anstelle einer Delegiertenversammlung von religiösen Gemeinschaften geht es bei „331“ um den Austausch von persönlichen Erfahrungen und Blickwinkeln. Das ermöglicht den Sprecherinnen, sich inhaltlich breiter als ein konventioneller interreligiöser Dialog aufzustellen und eine Zuspitzung auf die reine Benennung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in der Weltanschauung zu vermeiden. In den Gesprächen ist nicht allein die Rede von Gott, diskutiert wird auch über „Sailor Moon“ oder das Lieblingsfrühstück.

Zuletzt deutete Rebecca Rogowski an, in nächster Zeit ihren Platz in der Runde zu Gunsten einer Vertreterin aus einer anderen Religionsgemeinschaft freizumachen. Das ist angesichts des lässigen Grooves zwischen den drei Gesprächspartner:innen ziemlich schade, im Sinne des bisher vorgelebten Dialogethos‘ aber nachvollziehbar. Der Anspruch, immer der jeweils anderen Stimme Platz und Gehör zu verschaffen, nicht zu vereinnahmen und immer anzunehmen, auch das vermeintlich Eigene nicht in Absolutheit zu repräsentieren, zieht sich als roter Faden durch alle Folgen. Das tut richtig gut.

Bei „331 – 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“ werden in jeder Ausgabe Schlaglichter des interreligiösen Dialogs gegeben. Das bringt frischen Wind in die Debatten, gerade weil sich die Sprecher:innen bemühen, Konfessionslose oder mäßig Interessierte in ihren Diskussionen mitzudenken.


„331 – 3 Frauen, 3 Religionen, 1 Thema“ findet ihr auf einer eigenen Website, auf Spotify und weiteren Podcast-Plattformen.

Für die Verwendung des Podcasts im Religionsunterricht hat Linda Frey vom Religionspädagogischen Institut Loccum (RPI) einen Unterrichtsentwurf (mit Material zum Download) entwickelt.


#abgehört: Podcast-Kritiken bei der Eule

In unserer Serie „#abgehört“ stellen wir seit 2017 Podcasts vor: Podcasts zu klassischen Kirchenthemen und solche, die Neuland betreten. Podcasts, die von Theolog:innen gemacht werden und sich um Bibel und Predigt drehen, und Podcasts zu (Rand-)Themen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. Seit 2022 schreibt Frederik Ohlenbusch für uns frische Podcast-Kritiken.

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