Newsletter #LaTdH

Fail – Die #LaTdH vom 4. August

Eine hoffentlich kurze Debatte. Außerdem: Bunte Kirchenmeldungen zu Maria 2.0, Maria aus Magdala und zur Kirche, wo sie sich finden lässt. Die #LaTdH für den Urlaub:

Zwischen die Urlaubsfreuden geraten dank Smartphone schlimme Nachrichten. Da rächt es sich für mich, dass ich Twitter als meinen bevorzuguten Aufenthaltsort im Social Web gewählt habe. Die einigermaßen intakte Timeline – ein chronologischer Strom von Nachrichten der von mir gefolgten Personen und Medien – liefert stetig an. Um dem zu entgehen, müsste ich wohl ganz abschalten.

Fassungslos – Josef Bordat (JoBos Blog)

In wenige Worte fasst Josef Bordat (@JosefBordat), katholischer Blogger und Redakteur bei der Tagespost (Interview mit ihm in der Eule vom Sommer 2017), seine Gefühle angesichts der tragischen Nachrichten der letzten Tage. Bordat und ich ziehen unsere Bahnen ja üblicherweise an gegenüberliegenden Beckenrändern der „christlichen Publistik“, hier habe ich allerdings nichts hinzuzufügen:

Ich wünsche mir eine rasche Aufklärung und ein gerechtes Urteil nach Maßgabe unseres Rechtsstaats. Ich bete für die Familie des Kindes um Hilfe und – auch, wenn es heute unendlich weit entfernt scheint – um Trost. Und ich hoffe, dass ich irgendwann wieder in einer Gesellschaft lebe, in der es für die Reaktion auf eine solch unfassbare Tat keine Rolle spielt, ob der Mann, der Menschen vor Züge stieß, aus Erfurt, Erding oder Eritrea kommt.

Debatte

Ein Kommentar zum Kirchenpapier der AfD: Unheilige Allianzen? – Heinz-Joachim Lohmann (EKBO)

Auf der Fahrt in den Urlaub am Montagvormittag hörte ich im Radio von einer Entgegnung „der evangelischen Kirche“ wider des neuesten Religionspapiers der AfD. Ich stutzte: War das nicht schon eine Weile her? Ja, wurde das AfD-Papier nicht seines Inhalts wegen bereits angemessen ignoriert?

Um es ganz kurz zu machen: Die Entgegnung aus der Feder des Beauftragten der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) für den Umgang mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Heinz-Joachim Lohmann, enthält nach meinem Dafürhalten nur Richtiges. Und trotzdem ist es falsch, damit in dieser Weise an die Öffentlichkeit zu gehen.

Bei der Kernklientel der AfD, an die ihr Kirchenbashing zunächst adressiert ist, sieht man so keinen Stich. Vielmehr richtet sich die Entgegnung Lohmanns an die Gemeinden der EKBO, d.h. die eigene Crowd. Für diesen Zweck aber kommt das Papier wiederum etwas substanzlos daher. (Da gibt es schon einiges mehr aus den Stuben der Zentralen für politische Bildung und auf dem Buchmarkt. Demnächst mehr dazu in der Eule.) Bleibt also die Wirkung einer solchen Entgegnung in der „allgemeinen Öffentlichkeit“.

Das AfD-Papier besteht aus Ressentiments. Die entkräftet man auch bei noch so gutem Willen nicht mit ein paar wenigen Seiten biblischer Fundierung und evangelischer Abzweckung. Indem Lohmann und die Evangelische Akademie zu Berlin jetzt – mit einigen Wochen Abstand, nachdem das AfD-Papier zurecht im Orkus der Nachrichtenwellen untergegangen war! – und in dieser Form Bezug auf das Höcke-Papier nehmen, sorgen sie für die Weiterverbreitung dieser Ressentiments.


Was Lohmann über die AfD-Hetze schreibt ist so überraschend wie Sonnenschein im Sommer. Will „die“ Kirche mit oder zu den Rechten reden, dann mit Geschick und Timing. Deshalb sollte man in der politischen Kommunikation mit Bedacht vorgehen. Gerade weil einzelne Bemühungen von kirchlichen Stellen von den Medien leicht zu einer Stellungnahme aller evangelischen Kirchen hochgejazzt werden, selbst wenn es sich nur um die xte „Denkschrift“ handelt. Vielleicht hat ja „die“ Kirche in den anschwellenden Wahlkämpfen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen mehr und anderes zu sagen, als den Erzählungen der AfD auf den Leim zu gehen?

nachgefasst

Protestantinnen, wir sind am Zug – Petra Bahr (Christ & Welt)

Leibhaftig ist Petra Bahr (@bellabahr) mit einer Vertreterin der Frauenstreik-Bewegung in der röm.-kath. Kirche und ihrer Frage nach der Solidarität der evangelischen Schwestern konfrontiert. Bahr findet in ihrem nachdenklichen Text für die ZEIT-Beilage Christ & Welt Zeit für evangelische Selbstkritik:

Überheblichkeit nach dem Motto: „Tja, wir haben die Ordination von Frauen, ihr nicht“ wäre fehl am Platze. Denn das hieße, die schwierige Geschichte der Durchsetzung der Frauenordination zu verschweigen, die vor gerade einmal 50 Jahren erkämpft wurde. Die hochbetagten Vorkämpferinnen können noch erzählen, mit welchen Argumenten ihnen die Ordination vorenthalten wurde, gut ausgebildeten Theologinnen mit Doktortitel und viel praktischer Erfahrung. Frauen, die die Talare ihrer Männer anzogen, um die Lücken zu füllen, die der Krieg gerissen hatte, mussten das Notamt in den Fünfzigerjahren wieder an den Nagel hängen. „Jesus hat nun mal nur Männer berufen.“ „Gott liebt Frauen und Männer. Doch Frauen sollen anders dienen.“ Das sind Argumente, die die katholischen Frauen immer noch hören.

Und die es auch in der weiten evangelischen Welt ebenfalls heute noch zu hören gibt, auch wenn solche Stimmen in der veröffentlichten Meinung innerhalb der evangelischen Landeskirchen kaum noch vorkommen. In ihrem Aufsatz vom Juni zur Frauenordination in Lettland ist Christine Globig auf die schwierige Geschichte der Landeskirchen bei der Gleichberechtigung hier in der Eule intensiv eingegangen.

So ganz ohne publizistische, ökumenische Begleitung und unterstützende Kommentare müssen die Maria 2.0-Streiterinnen auch nicht auskommen, wie es Bahrs Gesprächspartnerin anklagt. Die alt-ehrwürdige Publik-Forum (@publikforum) läuft in den vergangenen Monaten zu alter kirchenkämpferischer Form auf. Und hier in der Eule hatten wir auch eine Reihe unterschiedlicher Beiträge.

Buntes

Ist Gott plausibel? – Antje Schrupp (Gott & Co.)

Antje Schrupp (@antjeschrupp) schreibt auf ihrem Gott & Co.-Blog über die Lektüre des Buches „Der plausible Gott“ von Jörg Phil Friedrich. Das klingt nach einer anregenden Sommerlektüre, weil der Atheist Friedrich zwar findet, dass „Gott“ plausibel ist, aber trotzdem auch weiterhin nicht an ihn glaubt. Die gläubige Leserin zum Inhalt des Buches:

Mein gläubiges Herz war dadurch aber nicht erhoben, sondern eher etwas enttäuscht. Denn durch den Nachweis, dass es Gott auf diese Weise „gibt“, wird Gott auch irgendwie kleiner, weil man Gott offenbar im Rahmen des Bestehenden plausibel erklären kann. Eigentlich ist sie dann aber doch gar nicht mehr Gott, sondern nur ein unbekannter Teil des „Existierenden“, oder? Ist eine immanent erklärbare und herleitbare Transzendenz denn überhaupt noch transzendent?

Öhm, nein. Würden besonders die #DreiTageBarth-JüngerInnen vom Leuenberg rufen. Zum Glück:

Der vierte Abschnitt beschreibt schließlich noch in Kürze, was ein plausibler Gott nicht kann, zum Beispiel Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod begründen, oder Hoffnung auf Vergebung der Sünden. Da war ich dann gewissermaßen wieder ein bisschen beruhigt: Dass es offenbar doch noch etwas gibt, das Gott zwar kann, aber eben nicht nach „diesseitiger“ Logik.

Karl Barth – ein Leben im Widerspruch – Julia Enxing fragt Christiane Tietz (feinschwarz.net)

Für das Theologische Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net) befragt die katholische Theologin Julia Enxing (zu Gast auf dem „Kirche hat die Wahl“-Podium der Eule am 29. August in Dresden) die evangelische Theologin Christiane Tietz zu ihrem Karl-Barth-Buch „Leben im Widerspruch“, das schon allein seines Erfolges wegen aus der Menge der Veröffentlichungen zum Barth-Jubel-Jahr heraussticht:

Inwiefern war Barths Leben ein „Leben im Widerspruch“?
Zunächst deshalb, weil Barth in seinem Leben immer wieder energisch widersprochen hat: der herrschenden Theologie seiner Zeit, der nationalsozialistischen Ideologie, aber auch späteren politischen Entwicklungen wie der deutschen Wiederbewaffnung nach dem Zweiten Weltkrieg und der Aufrüstung mit Atomwaffen. Aber Barth musste auch selbst heftigen Widerspruch einstecken, wurde aus dem Beamtendienst entlassen, zensiert und überwacht sowie öffentlich scharf kritisiert, gar angefeindet. Und er lebte in einem privaten Widerspruch: Obwohl er verheiratet war, wohnte seine Lebensgefährtin fast vier Jahrzehnte mit den Eheleuten unter einem Dach; diese „Notgemeinschaft zu dritt“, wie Barth sie nannte, empfand er als die größte Schuld seines Lebens.

Andernorts. Religiöse Themen in der Dresdner Theater- und Kulturszene – Ulrike Irrgang (feinschwarz.net)

An Julia Enxings Lehrstuhl für Systematische Theologie in Dresden arbeitet Ulrike Irrgang als wissenschaftliche Mitarbeiterin. Sie hat auf ihrem Spaziergang durch die Kulturszenen der Stadt erlebt, dass sinkende Kirchenmitgliedschaft nicht mit Säkularisierung zu verwechseln ist:

Warum aber vermag dieser Befund zu verblüffen? Weil er immer noch tiefsitzende Narrative von Säkularisierung als dem Verlust und Verdunsten religiöser Traditionen anfragt. Die biblischen Textwelten und ihre Traditionen verdunsten aber eben auch im Osten nicht nur einfach ins Nirgendwo, sondern werden gerade von Künstlerinnen und Künstlern als inspirierender Tiefenstrom ihres kulturellen Erbes wiederentdeckt. […] Vielleicht denken wir zu klein von den biblischen Geschichten von Schöpfung und Erlösung, wenn wir meinen, dass sie institutionelle Gefäße bräuchten.

„[D]ass Religion nicht etwa pauschal „keine Rolle mehr spielt“, sondern dass sie an nicht-kirchliche Orte ausgewandert ist“, kann eine Erkenntis sein, die wahr- und aufzunehmen der Kirche auch außerhalb des Ostens gut zu Gesicht stünde. An einen „nicht-kirchlichen Ort“, dem Dresdner Institut für Fortbildung (DIFO, Pulsnitzer Str. 6), lädt auch Die Eule zur Podiumsdiskussion zum Thema „Kirche hat die Wahl“ am 29. August ein:

Bibel

Could Mary Magdalene be part of the modern “#MeToo” movement? – Elise Harris (Crux, englisch)

Anhand der Forschungen der peruanischen Theologin Rocio Figueroa über Maria aus Magdala dekonstruiert Elise Harris (@eharris_it) in Crux den Mythos der Magdalenengestalt, den die patriarchalische Kirche aus den biblischen Quellen zur Maria aus Magdala und anderen Frauengestalten gebraut hat. Eine wichtige Lektüre für alle, die der englischen Sprache mächtig sind:

In Catholic circles, Mary Magdalene is commonly represented as a repentant prostitute who after receiving forgiveness for her sins, leaves her life of sin behind and follows Jesus.

More recently, popular culture has even depicted her as Jesus’ lover in theatre and books such as Andrew Lloyd Webber’s “Jesus Christ Super Star” which depicts Mary as a repentant prostitute in love with Jesus; Dan Brown’s Da Vinci Code which portrays Mary Magdalene as Jesus’ wife; and the new movie “Risen,” which also shows Mary as a repentant prostitute. Yet, according to Peruvian theologian Rocio Figueroa, none of these hypotheses are true.

Predigt

Are you lonely just like me? – Philipp Greifenstein

Ein Geständnis: Auch ich habe im Kontext einer Predigt Maria aus Magdala mit der Erzählung von der Sünderin, die Jesus mit ihren Haaren die Füße wäscht, zusammengeworfen. Und ich bin nicht einmal katholisch. Die Predigt ist diesen Sommer 4 Jahre alt, ihr Gegenstand in diesen Wochen immer noch aktuell.

So viel hat Jesus von Gott verstanden, so viel seines Geistes waltet in ihm, dass wir ihn seinen Sohn nennen, dass all das: die Konventionen seiner Herkunft, die Peinlichkeit der Situation und sein eigenes Befinden nicht mehr zählen, sondern allein die Nähe dieser Frau. Und so lässt er sich ihre Berührungen gefallen. Er genießt sie, sie tun ihm gut. Denn diese Frau hat mehr in ihm erkannt, als es die anderen vermochten: Nicht nur einen Lehrer, einen interessanten Gesprächspartner, einen Propheten, sondern eine verwandte Seele.

Ein guter Satz

„Dein Ort ist
wo Augen dich ansehen
Wo sich die Augen treffen
entstehst du“

Hilde Domin