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Jetzt ist die Zeit – Die #LaTdH vom 24. Oktober

Kritik am neuen Kirchentags-Präsidenten Thomas de Maizière, am Papst und – natürlich – am Synodalen Weg. Außerdem: Rufe über Köln und ein Blinder schreit.

Herzlich Willkommen!

An die Zusammenstellung der heutigen Ausgabe der #LaTdH habe ich mich am Samstagnachmittag direkt nach meiner Rückkehr von der Frankfurter Buchmesse gemacht. Sie fand pandemiebedingt in deutlich abgespeckter Form statt, in den Messehallen waren weniger Verlage mit Ständen vertreten, nur ein Viertel der üblichen Besucher:innenzahlen wurde eingelassen.

Laut Konrad Höß, Geschäftsführer des Katholischen Medienverbands, hat die Coronakrise „zumindest keinen positiven Effekt auf den religiösen Buchmarkt gehabt“. Während Titel zum Thema persönliche Spiritualität immer gut liefen und auch die Bibel ein „Dauerbrenner“ sei, erreichten Bücher zur Missbrauchskrise oder dem Synodalen Weg nicht die großen Verkaufszahlen. Er interpretiere das so, „dass man zwar das Thema aufmerksam verfolgt, aber sich nicht allzu sehr mit strukturellen Fragen und Analysen beschäftigen will. Man erwartet einfach, dass sich in der innerkirchlichen Aufarbeitung etwas bewegt.“

Dass wir uns nicht mit „Abwarten und Teetrinken“ begnügen,
wünscht sich und Ihnen Ihr Thomas Wystrach


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Debatte

Der 38. Deutsche Evangelische Kirchentag 2023 in Nürnberg steht unter der Losung „Jetzt ist die Zeit“ (Mk 1,15). Dieses Bibelwort wählte das Präsidium des Kirchentages (@kirchentag_de) in seiner Sitzung am 16. Oktober aus einer Reihe von Vorschlägen aus. Zum neuen Präsidenten des Kirchentages wählte das Gremium den früheren Bundesminister Thomas de Maizière.

„Bin fassungslos“: Ex-Kirchenasyl-Koordinator kritisiert Wahl de Maizières zum Kirchentagspräsidenten – Oliver Marquart (Sonntagsblatt)

Stephan Theo Reichel, ehemaliger Kirchenasyl-Koordinator der bayerischen Landeskirche (@elkb) und seit März 2020 Vorsitzender des Vereins matteo – Kirche und Asyl, hat die Wahl von de Maizière scharf kritisiert. Er sei „fassungslos“, so Reichel in einem Rundschreiben, aus dem Oliver Marquart (@doktorallesklar) im Sonntagsblatt (@sonntagsblatt) zitiert, und nennt den ehemaligen Bundesinnenminister einen „Spalter“. An einen Präsidenten des Kirchentages knüpfe er klare Erwartungen:

Er sollte ein politischer Brückenbauer sein und eine zukunftsgewandte und weltoffene Kirche vertreten. Er sollte einen Aufbruch verkörpern und unserer Kirche einen neuen Schub geben. Und er sollte nicht zuletzt ein tätiger Christ sein, der auch das Gebot der Aufnahme von Fremden aus dem Matthäus-Evangelium ernst nimmt.

All das sei Maizière jedoch nicht, so Reichel. Das Kirchentagspräsidium solle die Wahl überdenken – und korrigieren, denn „so einen Mann haben wir engagierte Christinnen und Christen nicht verdient.“

Ärger über de Maizière – Matthias Drobinski (Publik-Forum, €)

Ist der ehemalige Innenminister der richtige Kirchentagspräsident? Asyl-Engagierte bezweifeln das, berichtet Matthias Drobinski (@DrobinskiM). Stephan Reichel, der de Maizière in seinem Rundbrief noch als „Kirchenfeind“ bezeichnet hatte, habe seine Rücktrittsforderung auf telefonische Nachfrage allerdings relativiert: „Das würde die Kirche spalten, und das wäre auch nicht gut“. Der Kirchentag wiederum habe sich auf Anfrage von Publik-Forum (@publikforum) verteidigt.

Man nehme „die öffentliche Debatte um die Wahl Thomas de Maizières aufmerksam wahr“, sie sei „Ausdruck des lebendigen und kontroversen Dialoges, für den der Kirchentag steht“, der „von der Vielfalt der Positionen“ lebe. De Maiziére habe als Präsidiumsmitglied „die starken Signale“ der Kirchentage zum Thema Seenotrettung und Kirchenasyl mitgetragen, dabei „seine persönliche Meinung stets offen ins Gespräch gebracht und aktiv den Austausch mit Menschen anderer Überzeugung gesucht. Dies wird er auch als Kirchentagspräsident tun.“

In einem „Gemeinsamen Wort“ fordern der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (@EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz (@dbk_online) unterdessen einen „Spurwechsel“ in der Asylpolitik: Für einen menschenwürdigen Umgang müsse das Thema Migration ins Zentrum der Koalitionsgespräche rücken.

Migration menschenwürdig gestalten – Gemeinsames Wort des Rates der EKD und der DBK (ekd.de)

Mit dem neuen Gemeinsamen Wort, das in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) vorbereitet wurde, nehmen die beiden großen Kirchen die komplexe Realität gegenwärtiger Migrations- und Fluchtbewegungen in den Blick.

Die Grundfrage, die die unterschiedlichen Themen miteinander verbindet, laute: Wie lässt sich Migration unter unvollkommenen und widersprüchlichen Bedingungen so gestalten, dass man der Würde des Menschen gerecht wird? Ziel des Dokumentes sei es, „vor dem Hintergrund theologischer Reflexionen und kirchlicher Praxiserfahrungen handlungsleitende Orientierungen zu entwickeln“.

Eine ausführliche Würdigung und Einordnung in die ökumenische Flüchtlings- und Migrationsarbeit hat Philipp Greifenstein (@rockToamna) bereits hier in der Eule versucht.

nachgefasst

Weltfremde Weltsynodensprache – Annette Saal (Kirche + Leben)

Papst Franziskus hat jüngst die Weltsynode (@Synod_va) eröffnet. Dabei sei die „Mitgestaltung durch die Gläubigen“ ein zentraler Aspekt. Doch der Fragenkatalog aus dem Vatikan kann zur Verzweiflung führen, meint Annette Saal:

Welches Gremium auch immer die Bearbeitung der Texte vorgenommen hat – der Eindruck ist bedauerlich: In den Köpfen vieler Katholiken wird sich ein Bild vom kirchlichen Elfenbeinturm bestätigen, der mit dem alltäglichen Leben kaum Berührungspunkte hat. (…)

Wer im Sinne des Papstes dazu beitragen will, an der Kirche von morgen mitzuarbeiten, sollte sich durch die Formulierungen jedenfalls nicht entmutigen lassen. Denn Rückmeldungen sind vonnöten. Am bes­ten in kurzen Sätzen, die jeder versteht – und die ein Drehen und Deuteln nicht zulassen.

Auf der Website des Bistums Münster findet sich ein vereinfachtes Formular für Rückmeldungen: „Dem Papst ist sehr wichtig, dass überall die Basis zu Wort kommt.“

Der Papst will mit der Weltsynode die Kirche reformieren. Wer’s glaubt, wird selig – Hugo Stamm (watson)

Äußerst skeptisch kommentiert der Schweizer Journalist Hugo Stamm (@HugoStamm) in seinem „Sektenblog“ bei watson (@watson_news) die Kirchenvolksbefragung des Vatikan. Er erinnert an die Aufbruchsstimmung zu Beginn des Pontifikats von Papst Franziskus, die große Reformhoffnungen geweckt habe. Inzwischen seien acht Jahre vergangen und die Ernüchterung groß. Und nun wolle der Hoffnungsträger mit einer Umfrage im Rahmen der Weltsynode das Vertrauen der Gläubigen zurückgewinnen?

Wer’s glaubt, wird selig, ist man geneigt zu sagen. Denn die Kurie kennt die Bedürfnisse vieler Gläubiger schon längst. Sie wünschen sich keine kosmetischen Retuschen, sondern grundlegende Veränderungen und Reformen. (…)

Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass die Weltsynode zur PR-Übung verkommt und das Vertrauen der Gläubigen kaum stärkt.

Mara Klein, wie lernen wir Geschlechtervielfalt? – Simon Linder (kontrovers katholisch)

In der siebten Folge des Podcasts „kontrovers katholisch“ hat Simon Linder (@SimonLinder) Mara Klein (@kle.mara) zu Gast – eine der 15 Personen unter 30 Jahren, die der BDKJ (@bdkj) in die Synodalversammlung entsandt hat – und die einzige nicht-binäre Person im Synodalen Weg (@DerSynodaleWeg).

Wie geht es Mara Klein damit? Warum ist Klein sich mit konservativen Bischöfen einig, dass über das Gendern der Beschlusstexte diskutiert werden muss? Und wie kann man – zum Beispiel als Jugendverbandsgruppe – Mara Klein und seine*ihre Mitstreiter*innen unterstützen, wenn man möchte?

Mit Engelszungen und Liebe: der Synodale Weg als Chance katholischer Transformation – Tine Stein (feinschwarz.net)

Kann man Kirche und Gesellschaft wirklich nach zweierlei Maß messen, wie manche das insinuieren? Die Politikwissenschaftlerin Tine Stein fragt im Theologischen Feuilleton feinschwarz.net (@feinschwarz_net) danach, ob die Verfassungsordnung der römisch-katholischen Kirche organisch umgestaltet werden kann und an welcher Stelle disruptive Elemente notwendig sein werden. Es gebe zwei entgegensetzte Deutungsvarianten des Synodalen Wegs:

ein revolutionärer Prozeß, bei dem eine gänzlich andere Kirche entstehen soll, eine Reform-Etappe auf dem Weg durch die Zeit der ecclesia semper reformanda oder doch nur ein weiterer Versuch der Bischofskonferenz, das aufgebrachte Kirchenvolk durch ein Kirchenpalaver zu befrieden, das sich aus selbst verschuldeter Unmündigkeit immer wieder täuschen lässt?

Bezeichnenderweise ohne den Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke (hier im Interview in der Eule und bei einer Lesung während der Frankfurter Buchmesse) und sein Buch „Die Täuschung“ beim Namen zu nennen, wird sein Hinweis auf die „Handlungsressourcen“, die den römisch-katholischen Laien angesichts der reformunwilligen da reformunfähigen Verfasstheit der Kirche bleiben, aufgegriffen:

Sollten die Bischöfe und der Papst als innerkirchliche Gesetzgeber die kirchliche Verfasstheit und das vorherrschende Amtsverständnis nicht ändern, dann werden die Gläubigen in wachsender Zahl ihre Wege zum Heil außerhalb der überkommenen Amtskirche suchen (extra praesentem ecclesiam, salus possibilis est).

„Beschämt und fassungslos“ – Thomas Plaßmann startet Aufruf (katholisch.de)

Der „vorstellungssprengende Fakt“ des sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche macht den Karikaturisten und Katholiken Thomas Plaßmann (@thomasplassmann) fassungslos. In einem auf dem Portal katholisch.de (@katholisch_de) veröffentlichten Aufruf fordert er die Kirchengemeinden auf, die Kreuze in ihren Gotteshäusern als Zeichen der Betroffenheit über den Missbrauch mit einem schwarzen Tuch zu verhüllen:

Ein schwarzes Tuch als Zeichen unserer Scham und Betroffenheit und unserer Solidarität mit den Opfern.

Ein schwarzes Tuch als Mahnung an die Verantwortlichen, angesichts dieses furchtbaren Abgrunds wirklich alles in die Vergangenheit und die Zukunft gerichtete Notwendige zu tun. (…

Ein schwarzes Tuch als deutliches, sichtbares Zeichen nach außen, dass auch wir, die wir unserer Kirche den Rücken nicht zugekehrt haben, leiden, mitempfinden, nicht einfach zur Tagesordnung übergehen und uns an unserem Platz für die notwendige Schritte zur Heilung einsetzen.

Die vorgeschlagene Symbolik knüpft konkret an liturgische Traditionen an. Der Brauch, Kreuz und Bilder in der Fastenzeit zu verhüllen, ist seit dem 12. Jahrhundert bezeugt und geht vermutlich auf Hunger- oder Fastentücher zurück, mit denen man seit dem 11. Jahrhundert zu Beginn der Fastenzeit dem Volk den Blick auf den Altar versperrte.

Plaßmanns Heimatbistum Essen (@BistumEssen) zeigt sich dennoch skeptisch gegenüber dem Aufruf. Solche symbolischen Aktionen seien „schwierig“, so Bistumssprecher Ulrich Lota auf Anfrage von katholisch.de. Er befürchte, dass dadurch neue Konflikte in die Gemeinden getragen werden, weil womöglich nicht alle es richtig finden, wenn das Kreuz verhüllt werde. Wichtiger als eine solche Aktion sei es, dass der Missbrauch gründlich, schonungslos und zügig aufgearbeitet werde.

Buntes

Warum die nächste EKD-Ratsvorsitzende ein Frau sein muss – Antje Schrupp (Gott und Co.)

Der Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche in Deutschland (@EKD) muss neu besetzt werden, weil Heinrich Bedford-Strohm (@landesbischof) sich nicht mehr zur Wahl stellt. Ursprünglich in der Oktober-Ausgabe des Hessischen Pfarrblatts, jetzt auch auf ihrem Blog „Gott und Co.“ nennt Antje Schrupp (@antjeschrupp) sieben Gründe, warum es eine Frau werden sollte: mathematisch, zeitgeistig, missionarisch, theologisch, christologisch, ekklesiologisch und praktisch.

Zugegeben: Eine Frau an der EKD-Spitze kann all diese Punkte nicht alleine auflösen. Aber ihre Wahl wäre immerhin ein Zeichen dafür, dass Hopfen und Malz noch nicht ganz verloren sind.

Wenn der Pfarrer strippt und die Heiligen Drei Könige tanzen – Roland Müller (katholisch.de)

Die Kölner sind stolz auf ihre weltoffene und tolerante Stadt, aber auch auf die Tradition als das „hillije Kölle“, denn auch der rheinische Katholizismus gehört zum Selbstverständnis der kölschen Seele untrennbar dazu. Das Musical „Himmel und Kölle“ (@HimmelundKoelle) greift den Glauben der Domstadt auf und bringt ihn auf die Bühne.

Zwar feierte das Stück bereits im Oktober 2020 Premiere, musste nach wenigen Vorstellungen aber pandemiebedingt pausieren. Jetzt ist es wieder zu sehen – bis Ende Februar 2022 in der Volksbühne am Rudolfplatz in Köln. Nach seinem Besuch des musikalischen Lustspiels hat Roland Müller (@roland_molitor)  eine wohlwollende Theaterkritik veröffentlicht:

„Himmel und Kölle“ ist sicher keine Vorlesung in Moraltheologie oder ein Glaubenskurs, aber das Stück vermittelt eine hoffnungsvolle Grundhaltung allen Widrigkeiten des Lebens zum Trotz gemäß dem Kölner Motto „Et hätt noch emmer joot jejange“.

Zwar werden die vielen Spitzen gegen die katholische Kirche einige Besucher verärgern und Szenen wie das Gespräch mit den tanzenden Heiligen Drei Königen als Geister im Kölner Dom nicht allen gefallen. Doch das Musical stellt auch tiefgründige Fragen zu den großen Entscheidungen des Lebens.

Arabisten: Muezzinruf muss nicht fremd erscheinen (Neues Ruhrwort)

Der Muezzinruf steht nach Einschätzung der Arabisten Angelika Neuwirth und Dirk Hartwig in enger Verwandtschaft zum christlichen Glockengeläut und dem jüdischen Schofarblasen. In einer muslimischen Umgebung nehme er sich „natürlicher“ aus als in Deutschland, „wo der Islam erst spät heimisch wurde und bereits säkulare Verhältnisse vorfand“, schreiben die Wissenschaftler in einem Gastbeitrag für die Welt am Sonntag (@WELTAMSONNTAG), aus dem das Neue Ruhrwort (@NeuesRuhrWort) vorab zitiert. Zugleich sei der öffentliche Gebetsruf „eine Minimalbestätigung der Tatsache, dass Muslime heute in Deutschland ihre Religion ausüben“.

Auch die Christlich-Muslimische Friedensinitiative (CMFD) begrüßt den Schritt der Stadt Köln, künftig zeitweise einen öffentlichen Gebetsruf der Moscheegemeinden in Köln zu ermöglichen und „damit der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit Rechnung zu tragen“.

Theologie

Far-right Christians think they’re living in a Bible story – Matthew Sheffield im Gespräch mit Christopher Douglas (FLUX)

In der aktuellen Episode seines Podcasts „Theory of Change“ (@TheoryChange) auf dem Online-Portals FLUX (@DiscoverFlux) unterhält sich der aus einer Mormonen-Familie stammende US-Journalist Matthew Sheffield (@mattsheffield) mit dem kanadischen Literaturwissenschaftler Christopher Douglas (@crddouglas) über die Wiederbelebung apokalyptischer Vorstellungen in der Christlichen Rechten der USA, die als Rechtfertigung für politischen Extremismus dienen.

Douglas forscht derzeit hauptsächlich zur Problematik des Leidens und des Bösen in zeitgenössischen amerikanischen Romanen – sowohl in seriösen literarischen Werken als auch in evangelikaler Fiction:

Seit den 1970er- und 1980er-Jahren erleben wir eine Wiederbelebung oder ein Wiedererstarken insbesondere des Christentums, das zunehmend politisiert wurde. Wir haben also tatsächlich die Wiederbelebung einer Art konservativer weißer christlicher religiöser Energie erlebt, die meiner Meinung nach darauf aus ist, ihre symbolische, kulturelle und politische Macht zurückzuerobern.

Und ein Großteil davon betrachtet seine politischen Gegner nicht als legitime Akteure, selbst wenn sie demokratisch gewählt wurden. Ich glaube, wenn man sich erst einmal in diesen supersessionistischen Begriffen* vorgestellt hat, dass man Gottes auserwähltes Volk in Gottes auserwähltem Land ist, macht das Kompromisse besonders unmöglich. Denn Ihre Gegner sind die Gegner Gottes.

(* im deutschsprachigen Raum spricht man eher von „Substitutionstheologie“)

In ihrem gerade bei Rowohlt erschienenen Buch „Amerikas Gotteskrieger. Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet“ geht Annika Brockschmidt (@ardenthistorian) der Geschichte der heutigen Religiösen Rechten in den USA seit den 1960er-Jahren nach. Sie deckt ihre politische Agenda auf und zeigt, wie Geschichtsrevisionismus und Nationalismus, Autoritarismus und Verschwörungsdenken, Apokalypse-Sehnsucht und Rassismus die Religiöse Rechte von Beginn an geprägt haben.

Predigt

Der Schrei (des Bartimäus) – Esther Göbel (Sketch-Bibel)

Edvard Munch malte 1893 ein sehr eindrucksvolles Bild mit dem Titel „Der Schrei“: über eine Brücke gehen zwei Männer, im Vordergrund steht eine Frau. Die schmalen, langen Hände sind an das Gesicht gepresst, der Mund weit geöffnet zu einem stummen Schrei ins Leere.

Im heutigen Evangelium schreit auch einer. Ziemlich laut sogar. Es ist Bartimäus, ein blinder Bettler am Straßenrand von Jericho. Doch sein Schrei geht nicht ins Leere.

So beginnt Esther Göbel (@sketchbibel) ihre knapp 4-minütigen „Sketch-Notes“ zum Tagesevangelium Mk 10,46-52. In ihren visuellen Predigtnotizen spannt sie den Bogen von der Aufmerksamkeit Jesu für den Blinden zur programmatischen Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ über die Kirche in der Welt von heute, in der das Zweite Vatikanische Konzil 1965 die Gläubigen zum Erkennen der „Zeichen der Zeit“ aufforderte:

Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi.

Als „Zeichen unserer Zeit“ sieht die Theologin und systemische Organisationsberaterin

lauter werdende Anfragen an kirchliche Strukturen, Missbrauchsberichte, der Relevanzverlust des Glaubens, die Flüchtlingsströme, die Klimakatastrophe – alles das schreit danach, ernst genommen zu werden.

In den Cahiers Internationaux de Théologie Pratique ist bereits 2013 eine instruktive Arbeit der Rehabilitationspädagogin Janieta Bartz-Jesuthasan (@JanietaJ) über „Die Heilung des blinden Bartimäus (Mk 10,46-52) und die Erfahrungswelt sehgeschädigter Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht“ erschienen.

Ein guter Satz