Foto: James Ennis (Wikimedia Commons), CC BY 2.0

Katholische Kirche: Der lange Weg zum Divestment

In einer neuen Orientierungshilfe empfehlen die Deutsche Bischofskonferenz und das Zentralkomitee der Katholiken erstmals Divestment als Strategie gegen die Klimakatastrophe. Eine Analyse.

Fossiles Divestment ist schon seit 2012 ein wichtiges Thema der Klimabewegung. Fossiles Divestment ist die öffentliche Verkündung von Ausschlusskriterien für Geldanlagen in Unternehmen, deren Geschäft von fossilen Rohstoffen dominiert ist. Ein übliches Kriterium ist z.B. alle Investitionen in Firmen auszuschließen, die mehr als 10% Umsatz mit der Förderung oder dem Verbrennen von Kohle, Öl oder Gas machen.

Die grundlegende Argumentation dahinter ist, dass solche Investitionen eine Wette gegen effektive Klimaschutzmaßnahmen sind. Diese Firmen haben wenig Chancen auf eine gelungene Transformation ihres Geschäftsmodells und behindern daher seit Jahrzehnten gute politische Maßnahmen gegen die Klimakrise. Als Investor dieser Unternehmen profitiert man also entweder von mangelnden Anstrengungen gegen die Klimakrise oder verliert Geld.

Die Divestmentbewegung ist unglaublich erfolgreich: Weltweit hat Divestment schon ein riesiges Volumen von 14,58 Billionen US-Dollar erreicht, die unter irgendeiner Form von öffentlichem Ausschlusskriterium von einem fossilen Rohstoff stehen.

Gerade für die Klimabewegung ist Divestment sehr wichtig, denn die öffentliche Distanzierung angesehener gesellschaftlicher Institutionen von der fossilen Industrie nimmt jener politisches Kapital. Dadurch wird es für die fossilen Industrie schwieriger, Klimaschutzmaßnahmen durch Lobbyarbeit zu verhindern. Zusätzlich wird Divestment dank seiner Popularität nun auch schon von wichtigen Finanzinstitutionen und Versicherungen umgesetzt, wodurch auch ganz konkreter wirtschaftlicher Druck auf Kohle-, Öl- und Gasindustrie entsteht – es fällt nun schon schwer Finanzierung und Versicherung für neue Kohleprojekte zu bekommen.

Die Rolle der Kirchen

Kirchen haben von Anfang eine starke Rolle in der Divestmentbewegung gespielt, da sie eine wichtige moralische Stimme haben. Ganz besonders evangelische Kirchen in den USA waren früh dabei, doch auch in Deutschland hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) schon 2015 ihr Divestment verkündet. Wenig später hat dann die EKD-Synode zu vollständigem Divestment aufgefordert und die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz (EKBO) ihr Divestment 2017 veröffentlicht.

Leider scheint danach Divestment auf evangelischer Seite etwas an Dynamik verloren zu haben und die Aufforderung der EKD-Synode wurde nie vollständig umgesetzt. In den meisten Landeskirchen ist es anscheinend – wenn überhaupt – beim Kohledivestment geblieben, das zusätzlich meist nicht öffentlichkeitswirksam kommuniziert wird.

Dies liegt auch daran, dass der Arbeitskreis kirchlicher Investoren (AKI-EKD, wir berichteten) bis heute den Synodenbeschluss nicht wirklich umgesetzt hat und nur Kohledivestment sowie den Ausschluss von Fracking und Teersand empfiehlt. Dabei wird mancherorts, besonders positiv ist die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) zu nennen, mit anderen Mitteln, wie z.B. Portfolio Analysen der 2° Investing Initiative, gezielten Investitionen in Erneuerbare und Engagement gearbeitet. Leider gehen diese Instrumente teilweise grundsätzlich an dem vorbei, was Divestment aus Sicht der Klimabewegung so wirkungsvoll macht – und Öl und Gas werden noch zu positiv bewertet.

Besonders spannend ist aber momentan die Entwicklung in der katholischen Kirche: Dort ist nach langem Ignorieren des Themas in den vergangenen Jahren Bewegung in die Sache gekommen und vor wenigen Wochen veröffentlichten die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) und das Zentralkomitee der Katholiken (ZdK) eine neue Version ihrer Orientierungshilfe zu ethischen Finanzen.

Die alte „Orientierungshilfe ethisch-nachhaltiges Investments“

Eine erste gemeinsame „Orientierungshilfe ethisch-nachhaltige Investments“ veröffentlichten DBK und ZdK bereits im Jahr 2015. Sie führte zwar „gefährliche Chemikalien, ozonzerstörende und klimaschädliche Substanzen“ und die Möglichkeit von klassischeren Umweltkriterien wie „Rohstoffe (problematischer Abbau und Spekulation)“ auf, fossiles Divestment oder überhaupt fossile Rohstoffe wurden allerdings mit keinem einzigen Wort erwähnt. Auf Grundlage der damaligen Orientierungshilfe könnte man meinen, dass der Klimawandel allein von Stoffen wie FCKW verursacht wird.

Aus dem Umfeld der AutorInnen der Orientierungshilfe hörte man immer wieder, man sei froh, dass man es überhaupt geschafft habe, ein solches Dokument zu veröffentlichen. Die 2015er-Orientierunghilfe ist zudem von mangelnder Transparenz und fehlender Zusammenarbeit der Diözesen geprägt: Sie ist kein gemeinsamer Kriterienkatalog für ethische Investments, sie ist auch keine Richtlinie, sie ist nicht einmal eine Empfehlung. Das Dokument ist ganz bewusst nur eine „Orientierungshilfe“, die im Vagen bleibt.

Papst Franziskus als Motor des weltweiten katholischen Divestments

Seitdem hat sich viel getan. Ebenfalls 2015 veröffentlichte Papst Franziskus seine Enzyklika Laudato si‘ und das Pariser Klimaabkommen wurde verabschiedet. Seitdem hat die Klimabewegung noch einmal an Dynamik zugelegt. Seither haben weltweit 233 katholische Institutionen (Stand Anfang 2021) über das Global Catholic Climate Movement (GCCM), das kürzlich in Laudato si‘ Movement umbenannt wurde, ihr Divestment verkündet, inklusive 35 Diözesen und 4 Bischofskonferenzen. Auch der Papst setzt sich etwas verklausuliert und das zuständige Dikasterium sehr explizit für Divestment ein.

2019 haben Bischofskonferenz und Ordensgemeinschaften in Österreich eine sehr transparente neue Richtlinie für ethische Investments veröffentlicht, die Ausschlusskriterien für Kohle und Öl beinhaltet. Wenig später wurde das vollständige Divestment aller österreichischen katholischen Diözesen veröffentlicht, das ab dem 1. Januar 2024 alle Investments in Kohle, Öl und Gas ab 0% Umsatz ausschließt.

Auch in Deutschland hat sich viel getan: Bis heute haben fast alle Kirchenbanken Divestment über das GCCM veröffentlicht, wobei sie aber bisher leider größtenteils nur Kohle, Fracking und Ölsand ausschließen. Auch einige Diözesen handeln, wenn auch häufig unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Zwei Beispiele: Das Bistum Mainz schließt laut seinem Finanzbericht 2017 Investitionen in Kohle und Ölsande aus. Das Bistum Eichstätt hat sogar sehr vorbildlich alle Anlagerichtlinien transparent auf seiner Website veröffentlicht.

Die neue Orientierungshilfe

Seitdem bekannt wurde, dass in diesem Sommer eine neue Orientierungshilfe von DBK und ZdK veröffentlicht würde, stellte sich die Frage, ob und wie diese die Entwicklung der Divestment-Bewegung widerspiegeln würde. Das Ergebnis ist ordentlich:

Es gibt einen ausführlichen Absatz zu möglichen Ausschlusskriterien von fossilen Rohstoffen. Zudem gibt es eine Infobox, die auf die Divestment-Veröffentlichungen des GCCM hinweist. Daneben werden auch weitere Ansätze, den Klimaschutz bei der Gestaltung des Portofolios zu berücksichtigen, erwähnt, wie z.B. Ausschlusskriterien für Staaten, der Carbon Footprint, die Kompatibilität mit dem Pariser Abkommen oder eine Orientierung an den SDGs. Auf der technischen Ebene fehlt aber zum Beispiel eine Berücksichtigung von umfassenderen Divestment-Ansätzen wie die Coal Exit Liste von Urgewald, die z.B. auch Firmen ausschließt, die wesentlich am Bau von Kohlekraftwerken beteiligt sind.

Eine Schwäche des Vorgängermodells konnte leider nicht behoben werden: Es mangelt weiterhin an Transparenz. Ihr wurde zwar ihr eigenes Kapitel gewidment, das aber nur eine Seite lang ist und in dem nicht auf die praktischen Details eingegangen wird. Ebenso wird die wichtige Rolle der Veröffentlichung der Kriterien für ihre Wirksamkeit, gerade im Klimabereich, kaum thematisiert.

Insgesamt aber wurde viel von dem umgesetzt, was im weiterhin sehr eingeschränkten methodischen Rahmen einer solchen „Orientierungshilfe“ möglich ist. Dieser Rahmen ist die größte Schwäche des Projekts: Die Orientierungshilfe ist nur eine deskriptive Beschreibung dessen, was andere machen und man selbst machen könnte. Sie ist nicht normativ und sie beinhaltet für niemanden eine Verpflichtung.

Die Orientierungshilfe ist nur so gut wie ihre Umsetzung

Der Ball liegt daher jetzt bei den (Erz-)Diözesen und allen anderen kirchlichen Institutionen. Die Zeit ist mehr als überreif, endlich deutlich zu machen, dass katholische Institutionen keinen Profit mit der Klimakrise machen wollen und deutlich und öffentlich Abstand von der fossilen Industrie nehmen. Wenn man als Kirche den Anspruch auf gesellschaftliche Relevanz formuliert, ist es wichtig, nicht nur Kohle auszuschließen. Dieses Thema ist in der Bevölkerung eigentlich schon längst klar und erledigt – schon 2017 waren knapp zwei Drittel der Deutschen dafür, Kohlekraftwerke bald stillzulegen.

Selbst die Internationale Energieagentur hat kürzlich verlautbart, dass um Net-Zero im Jahr 2050 zu erreichen, schon heute keine neue Gas- und Ölreserven erschlossen werden dürfen. Wichtig wäre daher für DBK, ZdK und die deutschen (Erz-)Diözesen sich an der österreichischen Kirche und vielen weiteren Akteur:innen weltweit zu orientieren und alle fossilen Investments auszuschließen. Das sollte öffentlichkeitswirksam kommuniziert werden. Die katholische Kirche ist bei diesem Thema auf einem guten Weg, auf dem die neue Orientierungshilfe einen weiteren wichtigen Schritt darstellt. Sie muss nun aber auch gut und schnell mit Leben gefüllt werden.

WTF?! – What the facts? – Kirche und Klimaschutz

Im WTF?!-Podcast bei Michael Greder spricht Eule-Autor Georg Sauerwein über das Klimaschutz-Engagement der Kirchen. Was unternehmen die Kirchen bereits – und wo müssen sie noch sehr viel besser werden? Die Verantwortung von Christ:innen hört nicht beim eigenen Verhalten auf, sondern hat eine politische Dimension.

Außerdem von Georg Sauerwein in der Eule erschienen: „Vom Klimafasten zum Systemwandel“ und eine Analyse des nachsynodalen apostolischen Schreibens von Papst Franziskus Querida Amazonia „Leidenschaft für das gemeinsame Haus“.