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Keine Panik? – Die #LaTdH vom 11. August

Die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen stehen vor der Tür: Wie positionieren sich die Kirchen? Außerdem: Personalwechsel im Rat der EKD, ein Jubiläum und frisch-traditionelle Kirche.

Herzlich Willkommen!

Am Freitag hatte ich die Möglichkeit, in der Religionssendung des Deutschlandfunks „Tag für Tag“ über die Rolle der Kirchen bei den anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland zu sprechen. Am 1. September wird in Sachsen und Thüringen ein neuer Landtag gewählt, am 22. September zieht Brandenburg nach. In allen drei Bundesländern herrscht Sorge vor einem weiteren Wachstum der rechtsradikalen AfD. Wie manövrieren die Kirchen in dieser schwierigen Situation? Wie setzen sie sich für die Demokratie ein? Darum geht es in der „Debatte“ dieser #LaTdH.

Aufmerksamen Leser:innen der Eule wird auffallen, dass wir in den vergangenen Tagen ein paar Updates am Design unserer Website eingespielt haben. Über jedem Artikel findet sich nun eine Angabe darüber, mit welchem Genre von Text unsere Leser:innen es zu tun bekommen. Außerdem findet sich bei älteren Beiträgen direkt im Kopf des Artikels ein Hinweis darauf, dass der Artikel schon vor einiger Zeit geschrieben wurde.

Wie hier am Beispiel von Tobias Graßmanns Essay zur Rechtfertigungslehre nach „ForuM“ zu sehen, geht es dabei nicht darum, vor der Lektüre dieser Artikel zu warnen: Das sei ferne! Wir wollen unseren Leser:innen damit die Möglichkeit geben, die Inhalte unserer Artikel noch leichter zu finden und einordnen zu können. In Zeiten, in denen sich Nachrichten gerne einmal überschlagen und wir alle herausgefordert sind, gut gemachte Nachrichten – Interviews, Meldungen, Analysen und Kommentare – von Übertreibungen, Fake News, Clickbait und Falschmeldungen zu unterscheiden, ist der Blick auf Absender:innen und Veröffentlichungsdatum bei jedem Content wichtig.

Das ist natürlich überhaupt nicht neu, auch wenn die liebe Medienkompetenz nicht umsonst bei Bildungsdebatten immer wieder als absolut notwendig, weil defizitär ins Spiel gebracht wird. Nicht selten in der dämlichsten Form von Forderungen in der Bildungspolitik, nämlich der nach einem neuen Schulfach. Dabei wird seit Jahrzehnten in zahlreichen Unterrichtsfächern der Umgang mit verschiedenen analogen und digitalen Medien eingeübt. Meinem Eindruck nach sind es eher nicht die ganz jungen Menschen, sondern vielmehr Erwachsene, die immer wieder in Fallen tappen. Vielleicht, weil sie sich ihrer Sache zu sicher sind – und die Schlagzeile, die man hastig weiterverbreitet, so gut ins eigene Gefühlsprogramm passt.

Der Heidenapostel Paulus jedenfalls begann seine Briefe immer mit einer Vorstellung seiner selbst. Die Empfänger:innen seiner Botschaften sollten wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Glaubwürdigkeitsprobleme sind also nicht neu, sondern 2000 Jahre alt. In der kommenden Woche wird es mit dem „Eule-Podcast Q & R“ eine weitere Gelegenheit geben, die Eule und ihre Autor:innen besser kennenzulernen. In der ersten Episode dieser Frage und Antwort-Edition unseres Podcasts wird „Sektion F“-Kolumnistin Carlotta Israel zu Gast sein. Wer noch eine Frage an Carlotta loswerden will, kann sie gerne hier in die Kommentare posten oder per E-Mail an die Redaktion senden!

Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein

PS: Die #LaTdH und die ganze Eule werden von den Leser:innen selbst ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Schon ab 3 € im Monat sind Sie dabei.

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Debatte

Noch genau drei Wochen ist es hin, dann sind die Wahlberechtigten in den Freistaaten Sachsen und Thüringen dazu aufgerufen, sich neue Landtage zu wählen. Vom Ergebnis der Wahlen hängt ab, wie die beiden ostdeutschen Bundesländer in den kommenden fünf Jahren regiert werden – und ob überhaupt. In beiden Bundesländern liegt die AfD laut einem neuen Politbarometer-Extra der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF bei 30 %. Das wahrscheinlich starke Abschneiden der Rechtsextremen besorgt hierzulande viele Menschen, weil die Möglichkeit besteht, dass die AfD dadurch Zugriff auf staatliche Machtmittel erhält.

Mit den möglichen Folgen von Wahlerfolgen der AfD für die Demokratie und insbesondere mit der Werhaftigkeit unserer demokratischen Institutionen befasst sich das „Thüringen-Projekt“ des Verfassungsblogs. In zahlreichen Analysen beschreiben die Autor:innen, wie Institutionen wie Verfassungsgerichte und Parlamente angegriffen und ihrer demokratischen Funktionalität beraubt werden können. Lesenswert!

Außerdem verweise ich bzgl. der politischen Stellungnahmen der Kirchen zur Lage in Ostdeutschland gerne auf die #LaTdH vom 21. Januar und 18. Februar 2024.

Kirchengemeinden mit klaren Positionen und Gesprächsangeboten – Gespräch mit Philipp Greifenstein von Susanne Fritz (DLF, 13 Minuten)

„Noch ist Polen nicht verloren“, heißt es am Beginn der polnischen Nationalhymne. Die jünsten Wahlen im Nachbarland haben gezeigt, dass rechtsradikale und -populistische Parteien bei ihrem Durchmarsch durch die demokratischen Institutionen auch gestoppt werden können, friedlich auf dem Weg von Wahlen. Anders als in Polen (oder gegenwärtig den USA) aber sehe ich in Thüringen und Sachsen keine Euphorie der Demokrat:innen bei ihrem Kampf gegen Hass und Hetze. Selbstzweifel, Sorgen und Fatalismus aber begegnen mir in vielen Gesprächen.

In der Religionsssendung „Tag für Tag“ beim Deutschlandfunk sind wir in den knapp 13 Minuten Gespräch eine Reihe von unterschiedlichen Feldern abgeschritten, auf denen die Kirchen als zivilgesellschaftliche Akteure derzeit unterwegs sind: Die Aufklärungs- und Bildungsarbeit in den Gemeinden, das (finanzielle) Engagement für Beratungsangebote für Opfer rechtsradikaler Gewalt, die Wahlkampagnen der Kirchen. Das ist schon eine ganze Menge, was die Kirchen da leisten, obwohl sie selbst immer schwachbrüstiger werden. Und so geht es ja auch den anderen demokratischen politischen und zivilgesellschaftlichen Kräften. Da muss man zusammenhalten und Allianzen bilden, die Akteur:innen der politischen Linken und auch in den Kirchen selbst vielleicht vor ein paar Jahren noch unvorstellbar waren.

Im Nachgang des Live-Gesprächs wurde ich von zahlreichen Hörer:innen kontaktiert, die mir ihre Eindrücke schildern oder einfach mal Dampf ablassen wollten. Eine Einschätzung ist mir im Gespräch deutlich zu positiv geraten: Es sind derer nämlich nicht sonderlich viele, sondern eher wenige Kirchgemeinden, die anlässlich der Landtagswahlen zu „Wahlforen“ und Kandidat:innenrunden einladen. Nun ist das sicher keine Kernaufgabe der Kirche, aber es deutet darauf hin, dass keineswegs alle Akteur:innen in den Kirchen so positiv und proaktiv in die politische Kommunikation eintreten, wie das die Kampagnen und Stellungnahmen ihrer Kirchenleitungen nahelegen.

Sozial-O-Mat der Diakonie

Ein Instrument der Wahlbegleitung durch die Kirchen ist im DLF-Gespräch gar nicht zur Sprache gekommen. Mit dem Sozial-O-Mat machen die Diakonischen Werke der sächsischen Landeskirche und der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) auf wichtige politische Fragen aufmerksam, die tatsächlich dem Bereich der Landespolitik zugehören. Der Fokus liegt vor allem auf der Sozialpolitik, aber auch Klima-, Gesundheits-, Familien- und Migrationspolitik kommen zur Sprache. Den Sozial-O-Mat für Sachsen findet man hier, den für Thüringen hier.

Jeweils 20 Thesen laden zur Zustimmung oder Ablehnung ein. Wie auch beim großen Vorbild, dem Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung, werden die eigenen Positionen dann mit denen von Parteien abgeglichen, die zuvor ihre Antworten auf die Fragen eingereicht haben. Beim sächsischen Sozial-O-Mat ist auch die AfD dabei, während sie am Sozial-O-Mat für Thüringen nicht teilnehmen wollte („Die AfD Thüringen hat eine Mitwirkung wiederholt abgelehnt.“). Außerdem wird angezeigt, inwiefern die eigenen Präferenzen mit den politischen Positionen der Diakonie übereinstimmen.

Besonders das letzte Feature macht deutlich, wie falsch und irreführend die Behauptung von rechtsradikalen (und zum Teil auch der christdemokratischen) Parteien ist, sie würden für das „christliche Abendland“ und eine an christlichen Werten orientierte Politik eintreten. Wer sich (auch politisch) an Nächstenliebe und Menschenwürde orientiert, wird keine Übereinstimmung mit dem Programm von Freie Sachsen, Die Heimat (ehem. NPD) und AfD finden, die Wohlfahrt nur für Biodeutsche und die Ausgrenzung und Ausweisung von Migrant:innen sowie einen regressiven Kurs in der Klimapolitik wollen. Der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Mitteldeutschland, Oberkirchenrat Christoph Stolte, erklärt den Sozial-O-Mat folgendermaßen:

„Die Diakonie unterstützt Menschen mit sozialen Dienstleistungen. Unsere Angebote sind in einen gesetzlichen Rahmen eingebunden. Wir nehmen Einfluss auf politische Entscheidungen und Politik beeinflusst unser Handeln. Dieser Austausch mit den vielen verschiedenen Optionen für die Zukunft wird im Sozial-O-Mat sichtbar. Für die Wählerinnen und Wähler bieten wir damit wichtige Hinweise und Markierungen.“

Wider die Machtergreifung der AfD – Matthias Meisner (Campact Blog)

Der Vormarsch in der Provinz ist für die AfD strategisch zentral. Was wäre, wenn die Rechtsextremisten tatsächlich in einem Bundesland mitregieren? Über Gefahren und demokratische Gegenwehr schreibt im Blog von Campact der Journalist Matthias Meisner, der sich in mehreren Büchern im Herder-Verlag mit der rechtsradikalen Unterwanderung von Gesellschaft und insbesondere Sicherheitsbehören befasst hat.

[D]ie thüringische Landtagspräsidentin Birgit Pommer (Linke) sagt: „Wenn eine autoritär-populistische Partei eine Mehrheit im Parlament hat, ist natürlich fast alles möglich.“ Es beginne „oft im Kleinen“, sagt der Ostdeutschland-Reporter des Magazins „Stern“, Martin Debes, „nicht in der Hauptstadt, sondern in der Provinz“. Was alles möglich wird, wenn die AfD erst einmal an der Macht ist, muss als plausible Warnung auch dort ankommen.

In diesen Tagen werden zahlreiche Vergleiche mit der Situation kurz vor Ende der Weimarer Republik gezogen, als die NSDAP insbesondere in Sachsen und Thüringen und Jahre vor der Machtübernahme im Deutschen Reich Erfolge feiern konnte. Der Blick in die Provinz ist sicher notwendig. In seinem Artikel spricht Meisner auch die zahlreichen Angriffe auf und Diskriminierung von Menschen an, die sich für die Demokratie als Politiker:innen einsetzen.

(Falscher) Zusammenhalt

Nicht zufällig ist eine Kapitelüberschrift im Sozial-O-Mat der Diakonie Sachsen mit „Zusammenhalt und Gerechtigkeit“ überschrieben. Der vielbeschworene Zusammenhalt wird als Mantra einer bürgerlichen Politik seit jeher beschworen. Ich kann dem bekanntlich wenig abgewinnen, weil zu Gunsten eines solchen homogenisierenden Zusammenhalts persönliche Freiheiten und Vielfalt ins Hintertreffen geraten. Zusammenhalt meint im Osten eben viel zu häufig die Simulation von Einmütigkeit und beinhaltet das Schweigen und Verschwinden derjenigen, die dem Bild einer (ost-)deutschidentitären Mehrheitsgesellschaft widersprechen. Wo ist da die Gerechtigkeit?

Ein schönes Beispiel dafür ist die CSD-Demo gestern in Bautzen. In der Lausitz dominieren seit Jahren rechtsradikale Stimmungsmacher unterschiedlicher Couleur – auch christliche – die politische Auseinandersetzung. Dem kommt man nur durch Solidarität unter den liberalen und progressiven Kräften bei, das hat der CSD bewiesen. Dann wachsen Mut und ein wirklicher Zusammenhalt zwischen Menschen mit ihren ganz individuellen Lebensentwürfen und Identitäten. Die gründen für Christ:innen in aller Vielfalt in der Gottesebenbildlichkeit, wie das Team von theoversity auf Instagram erklärt:

Schon ganz am Anfang der Bibel wird klipp und klar gesagt: Wir sind in Gottes Ebenbild geschaffen. Daraus folgt eine Gleichheit der Menschen vor Gott. Der Anspruch christlicher Theologie sollte daher sein, auch in der Welt eine Gleichheit von Menschen zu behaupten. […] Rechte Politik ist im Kern eine Ideologie der Ungleichwertigkeit: Sie sieht bestimmte Menschen als weniger wert an als andere – sei es, weil sie Schwarz sind, krank, behindert, queer oder weiblich. Eine schöpfungstheologische Begründung der Menschenwürde kann hier ansetzen und für die Pluralität menschlichen Lebens eintreten.

In den kommenden Tagen werden die Parteien ihren Wahlkampf intensivieren, auch die Aktivist:innen von #WirSindDieBrandmauer werden – wie zu Beginn des Jahres – wieder aktiv werden und nicht zuletzt finden sich in Kirchgemeinden, Kirchenkreisen und im Netz eben auch Dialog- und Bildungsangebote der Kirchen, die zum Mitmachen einladen. Für all das kann man sich beim CSD in Bautzen eine Scheibe abschneiden: Das Eintreten für die Demokratie kann kämpferisch und zugleich tänzerisch sein.

nachgefasst

Veränderungen in Führung der Evangelischen Kirche – Benjamin Lassiwe (Weser-Kurier)

Auf der kommenden Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im November in Würzburg stehen wichtige Themen auf der Tagesordnung. In einem Schwerpunkt will sich die EKD-Synode mit Migration und Flucht befassen. Außerdem stehen natürlich die Ergebnisse der Beratungen der kirchlichen Gremien (Beteiligungsforum (BeFo), Rat und Kirchenkonferenz) im Nachgang der „ForuM-Studie“ auf der Tagesordnung. Für genügend Gesprächs- und Arbeitsstoff ist also gesorgt.

Der Rücktritt von Annette Kurschus vom Amt der Ratsvorsitzenden im vergangenen Jahr (wir berichteten) macht außerdem eine Neuwahl des Ratsvorsitzes und eine Nachwahl in den Rat nötig. Außerdem ziehen sich zwei weitere Ratsmitglieder im Herbst 2024 zurück. Der Kirchenpräsident der Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, wird sein Mandat, wie bereits zu Beginn der Legislatur angekündigt, aus Altersgründen abgeben. Auch Jacob Joussen, im Brotberuf Juraprofessor in Bochum, zieht sich zurück, berichtet Benjamin Lassiwe:

„Eine Reihe persönlicher Gründe“ hätten zu dem Entschluss geführt, das Leitungsgremium der EKD verlassen zu wollen, sagte Joussen dem Weser-Kurier. Der Jurist, der als Experte für kirchliches Arbeitsrecht gilt, strebt unter anderem den Posten des Dekans seiner Fakultät an, […]. „Dazu kommt aber auch der Umgang der EKD mit der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs“, so Joussen. „Die Art und Weise, wie die Landeskirchen und wie wir alle mit den Ergebnissen der im Januar vorgestellten Forum-Studie umgehen, entspricht nicht meiner Art, Verantwortung wahrzunehmen.“

Das Beteiligungsforum, in dem Betroffene und Kirchenvertreter über die Aufarbeitung diskutieren, mache eine gute Arbeit. Aber es sei mühsam, wie mit dessen Ergebnissen umgegangen werde. „Die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs muss externalisiert werden“, betonte Joussen. „Eine Institution wie die EKD kann sich nicht selbst aufarbeiten.“ Das sei aber in der Kirche nicht vermittelbar. „Die Beharrungskräfte sind zu groß.“

Es werden nun also gleich drei von insgesamt 15 Ratsposten nachgewählt werden müssen. Das gibt der EKD-Synode zur Mitte der laufenden Legislatur auch die Möglichkeit zu sanften Kurskorrekturen. So hat sich der Mangel an Kirchenleitenden in dem Gremium als eher kontraproduktiv herausgestellt sowohl was die Repräsentanz der Evangelischen Kirche in der Öffentlichkeit als auch die Verzahnung mit den Landeskirchen angeht.

Für die Nachwahlen in das Leitungsgremium legt der Ratswahlausschuss, der auf der Synode im Mai 2021 eingesetzt worden ist, der Synode und der Kirchenkonferenz einen Wahlvorschlag vor. Anschließend werden diese Kandidaten durch die Präses der EKD-Synode bekannt gegeben. Erwartbar ist, dass anstelle von Kurschus und Jung zwei weitere leitende Geistliche in den Rat der EKD gewählt werden: Oft genannt werden etwa die Kirchenpräsidentin der Evangelisch-Reformierten Kirche, Susanne bei der Wieden, und der rheinische Präses Thorsten Latzel. Als wichtigste Kandidatin für das Amt der Ratsvorsitzenden gilt weiter die das Amt derzeit bereits kommissarisch ausübende Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs.

Buntes

Niederschwellige Angebote für einen positiven Zugang zu Kirche – Pia Dyckmans (katholisch.de)

In ihrem „Standpunkt“ auf katholisch.de zieht Pia Dyckmans, Pressesprecherin und Stabstellenleiterin Medien und Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Eichstätt, Schlüsse aus der hohen Beteiligung und Begeisterung von jungen Menschen bei der Ministrant:innenwallfahrt nach Rom. 50.000 Ministrant:innen waren bei der internationalen Wallfahrt dabei und feierten in Rom ihren Glauben. Für Dyckmans ein Zeichen dafür, dass die Kirche auch in der Arbeit mit traditionellen Zielgruppen neue Wege suchen muss.

Die Kirche bzw. ihr Bodenpersonal muss nur mutig genug sein, Neues zu wagen, dabei eine konstruktive Fehlerkultur zu entwickeln und Kritik von Altgedienten auszuhalten. Damit könnte Kirche nicht nur neue Zielgruppen erreichen, sondern auch ihre traditionellen Mitglieder auf neue Weise ansprechen.

Hier stellt sich jedoch eine grundlegende Frage: Handelt es sich wirklich um neue Zielgruppen oder sind es nicht eigentlich die bisherigen, die sich lediglich weiterentwickelt und andere Bedürfnisse haben? Diese Frage könnte der Schlüssel zum Verständnis sein, wie die Kirche sich zukunftsfähig aufstellen kann. Es geht nicht nur darum, neue Menschen zu erreichen, sondern auch oder vor allem darum, bestehende Mitglieder relevante und erfüllende spirituelle Erfahrungen zu bieten.

Dass eine kontinuierliche, begleitende, liturgienahe und im besten Sinne traditionelle Arbeit wie die unter und mit Ministrant:innen dabei auch eine Rolle spielt, ist bemerkenswert. Ebenso wie die vielen jungen Bläser:innen beim Evangelischen Posaunentag in Hamburg oder auch die Mitwirkung von vielen Pfadis bei Evangelischen Kirchentagen weist die Ministrant:innen-Wallfahrt darauf hin, dass „Event“ und Alltag sich eben nicht ausschließen, sondern sehr gut ergänzen können.

Das sollte allen, die an der kontinuierlichen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sparen wollen (auch durch die Schließung von christlichen Schulen und Kitas), zu denken geben. Gerne weise ich an dieser Stelle noch einmal auf Episode 10 unseres Podcasts „EHRENSACHE“ mit der Ministrantin Stephanie Schweiger aus Niederbayern hin. Aber eben auch jenen, die frische Kirche partout an bereits bestehenden Formen kirchlicher Zielgruppenarbeit vorbei entwickeln wollen.

VP Pick Walz A Lutheran With Connections To Minnesota’s Muslim Community – Clemente Lisi (Religion unplugged, englisch)

Der Kandidat der Demokraten für das Amt des Vizepräsidenten, Tim Walz, begeistert in diesen Tagen die eigene Parteibasis und vermittelt durch Memes und wirklich witzige Sprüche („weird“) viele Menschen, die sich vom rechten Kulturkampf nicht weiter einschüchtern lassen wollen. Er ist der erste lutherische VP-Kandidat der US-Geschichte. Seine Wurzeln hat Walz nicht zuletzt im (historisch deutschen) Luthertum des Mittleren Westens der USA. Er gehört einer „LGBTQI affirming“-Gemeinde an, also einer lutherischen Gemeinde, die offen für queere Menschen ist. Außerdem hat er hervorragende Beziehungen zur großen muslimischen Community in Minnesota.

Clemente Lisi geht in seiner Analyse für Religion unplugged auch darauf ein, warum Kamala Harris, die (mutmaßliche) Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, auf ein Ticket mit Josh Shapiro verzichtet hat. Shapiro wäre nach Joe Lieberman (2000) der zweite jüdische Vizepräsidentschaftskandidat in der Geschichte der USA gewesen.

Theologie

tà katoptrizómena wird 150

Seine 150. Ausgabe feiert in diesen Tagen das Magazin für Kunst, Kultur, Theologie und Ästhetik tà katoptrizómena, herausgegeben von Andreas Mertin, Wolfgang Vögele und Karin Wendt. Herzlichen Glückwunsch! In der Jubiläumsausgabe blicken die Herausgeber intensiv auf Geschichte und Funktion ihres Magazins. Als eine frühe Online-Publikation in der deutschsprachigen evangelischen Publizistik war Theomag.de ein Pionier und ist nach wie vor ein fester Anlaufpunkt für mich und viele Leser:innen. Auch und gerade, weil man mit den streitbaren Positionierungen von Andreas Mertin & Co. nicht d’accord gehen muss, um durch die Lektüren hinzuzulernen.

In der aktuellen Ausgabe befasst sich Mertin u.a. wieder mit der „Schlagertheologie“. Die Diskussion um „Heidschi Bumbeidschi“-Theologie nahm einmal bei einer zeitzeichen-Kolumne von mir ihren Ausgang, die Mertin herzhaft kritisiert hat (ausgehend von diesem Blog-Artikel von mir kann man das gut nachvollziehen). Die Eule und ihre Autor:innen werden in tà katoptrizómena immer wieder zum Objekt kritischer Betrachtung. Das tut der Vielfalt der geschrumpften evangelischen Publizistik nur gut. Mit der Charakterisierung der Eule als Gig im Rahmen von Mertins nautischer Typologie von evangelischen Publikationen können wir gut leben – hier wird eben Handarbeit geleistet. Immerhin sind wir keine AIDA.

Ein guter Satz

„In schwierigen Lagen soll man keine Sündenböcke suchen, sondern einen Ausweg.“

Hanna Suchocka, erste Ministerpräsidentin der Republik Polen (1992-1993) und engagierte Katholikin