Klimaschutz und Rechtsruck

Zwischen Verharmlosung und „Heimatschutz“: Rechtsradikale Parteien torpedieren den Kampf gegen die Klimakrise. Klimaschutz bedeutet Kritik rechter Parteien – und umgekehrt.

Weltweit sind immer mehr Länder gespalten zwischen bürgerlicher Mitte, mit vereinzelten linkspolitischen Tendenzen, und rechtsradikalen Parteien. Insbesondere im nordatlantischen Raum setzen sich Mehrheiten rechter Parteien immer stärker durch. Das ist ein gravierendes Problem: Ausländerhass wird befördert, Menschenrechte werden ausgehöhlt und ein nationaler Konkurrenz-Kampf um Ressourcen und Wirtschaftsleistungen wird befeuert. Die Klimakataststrophe wird bagatellisiert, erforderliche Maßnahmen werden ignoriert. Die Rechten strecken sich nach einem schönen Leben aus, wie es vermeintlich früher einmal war.

In Frankreich lässt die rechtsradikale Partei Rassemblement National (RN) verkünden, überraschender Weise auch Klimaschutz betreiben zu wollen. Die Partei in ist aktuellen Umfragen die stärkste politische Kraft im Land. Die bekannteste Politikerin der Partei ist Marine Le Pen. Auch der RN meint: Die Folgen der Klimakrise müssten angegangen werden. Das bedeutet jedoch für die Partei, die klimabedingte Massenflucht ernst zu nehmen. Vor ihr bräuchte Frankreich Schutz. Europas Abwehr-Bollwerk gegen flüchtende Menschen müsse noch stärker werden.

Und ja, CO2 könne eingespart werden – und Frankreich habe hier bereits sehr viel Potential: Die Hauptlösung bilde die Atomenergie. Wohin der Atommüll geht und wie mit den Gefahren von Reaktor-Unfällen und Gesundheitsschädigungen im Umkreis der Atom-Meiler umzugehen ist – all das wird nicht weiter eruiert. Und weiter: Massentierhaltung ohne Einschränkungen ist gut, die Französ*innen bräuchten kein Leben mit ökologisch begründeten Einschränkungen. Windkrafträder machen die Umwelt hässlich. Solche Parolen und Ausrichtungen finden sich in Vielzahl im Umfeld der RN.

Ebenso in Italien. Im Wahlprogramm der Fratelli d’Italia (FdI) findet sich nichts zum Klimaschutz. Dementsprechend setzt Parteichefin Giorgia Meloni, die seit dem vergangenen Herbst italienische Ministerpräsidentin ist, das europäische Ziel der Klimaneutralität mit „Klimafundamentalismus“ gleich. Ihr Credo: „Wir können unsere Wirtschaft nicht abbauen, nur um den ökologischen Wandel hinterherzulaufen“. Dabei leidet Italien mehr und mehr unter der Klimakataststrophe. Im Sommer war der größte Teil Italiens von Dürre und Trockenheit beherrscht. Die Wetterextremereignisse im Norden waren heftig: Der großen Dürre folgten Überschwemmungen.

Schauen wir auf die USA, so steht mit Joe Biden ein Mensch an der Spitze des Regierungshandelns, der gewiss eine ambitioniertere Klimapolitik betreibt als sein Vorgänger. Doch das Land ist gespalten und Donald Trump hat durchaus Chancen auf eine Wiederwahl. Dass Trump den Klimawandel leugnet, ihn verspottet und sich über ihn lustig macht, ist bekannt. Während seiner Amtszeit, traten die USA aus dem Pariser Klimavertrag aus. Unter dem Titel „Projekt 2025“ wird Trumps Wiederkehr vorbreitet, die eine Ende der Förderung erneuerbarer Energien und ein neues Aufleben von Öl und Gas mit sich bringen würde. Drastisch ausgedrückt: Wenn Trump wieder als Präsident waltet und schaltet, werden Taten folgen. Die USA würden im Hinblick auf Klimaschutz und Klimagerechtigkeit zurück in die Steinzeit katapultiert werden.

Die AFD zerstört den Klimaschutz

In Deutschland positioniert sich die AfD als Klima-Killer. Die Klimakrise gilt ihr als natürliche Entwicklung – so jedenfalls das Europawahlprogramm 2019. Andersdenkende werden diffamiert und Wissenschaftler*innen ignoriert. Die Politikwissenschaftlerin Janine Patz forscht über „Internationalem Rechtspopulismus im Kontext globaler ökologischer Krisen“. Sie betont, dass Feindbilder geschaffen werden:

„Die basieren stark auf verschwörungsideologischen Erzählungen: zum Beispiel wird Klimaschutzpolitik oder die Energiewende als vermeintlich ideologisches Projekt einer globalen Elite oder Lobby verkauft.“

Die AfD bewege sich daher zwischen Verleugnung und Heimatschutz. Umweltschutz wird dabei als regionaler Heimatschutz verstanden und bereits bekannte Argumentationen werden wiederholt: Windkrafträder zerstören die Umwelt, die Atomkraft sei das Allheilmittel bei der Energieversorgung und eine Änderung von Lebensweise und Wirtschaft sei öko-sozialistischer Schwachsinn.

„Darüber hinaus fordert die AfD das Ende jeglicher Dekarbonisierungsmaßnahmen der Bundesregierung und eine sofortige Kündigung des Pariser Klimaabkommens. Außerdem will sie, dass Deutschland aus Klimaschutzorganisationen austritt und ihnen die finanzielle Unterstützung entzieht. Nichtstun gegen die Krise lautet also das Motto der parlamentarischen Rechten.“

Einseitige Privilegien statt eines guten Lebens für alle Menschen

Inmitten der Ignoranz gegenüber der Klimakataststrophe treibt ein großes Narrativ rechte Parteien um: Das „Alte“ soll bewahrt werden. Früher war es besser. Es geht um die Sehnsucht nach der vermeintlich guten alten Welt. Einer Welt, die angeblich mal da war, aber verloren zu sein scheint. Statt einer Utopie im Sinne es „Noch-nicht-Ortes“, also einer Vorstellung, die bei der Bewältigung der sozio-ökologischen Transformation erforderlich wäre, sprechen AfD & Co. von einer Retrotopie, die alle erforderlichen Umwälzungen und Erneuerungen im Keim erstickt (Zur Unterscheidung zwischen Utopie und Retrotopie ein interessanter Artikel von Hans-Ulrich Gehring).

Vor allem geht es der Rechten um Privilegiensicherung: Ein gutes Leben wird angestrebt, aber nicht für alle, sondern nur für bestimmte Menschen – nämlich im Sinne eines „Deutschland first“, „America first“ usw.. Matthias Quendt, Professor für Soziologie an der Hochschule Magdeburg-Stendal, fasst es so zusammen:

„Klimaschutz bedeutet für [Rechtsextreme] eine Veränderung, die ihre Privilegien gefährden könnte: ihre ganze Lebensweise, ihre Position in der Welt. Rechtsextreme und Rassisten profitieren historisch von der bestehenden Ungleichheit eines globalen Wirtschaftssystems, das den Klimawandel verursacht. Deshalb wollen sie die Ungleichheit verteidigen oder sogar verstärken. Sie wehren sich gegen konsequenten Klimaschutz, weil der auch eine gerechte Verantwortungsübernahme einfordert und somit Ungleichheit und damit einhergehende Privilegien in Frage stellt. Dieser Aspekt der Verteidigung und Verstärkung von Ungleichheit insbesondere gegenüber dem globalen Süden ist aus soziologischer Perspektive zentral.“

Dass einseitige Privilegien für Staaten der nördlichen Halbkugel historisch und gegenwärtig im hohen Maß für die weltweite Klimakatastrophe und globale Ausbeutungsprozesse verantwortlich sind, unter denen die ärmeren Länder zu leiden haben, wird ausgeblendet. Eine wirkliche Transformation unseres Zusammenlebens ist mit rechtsextremistischen Parteien nicht zu haben. Mehr zu diesem Thema im Buch von Matthias Quendt „Klimarassismus – Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende“. Das europäische Ziel der Klimaneutralität bis 2050 wird mit dem rechtspopulistischen Machtzuwachs stark gefährdet, wie auch eine Studie von Stella Schaller und Alexander Carius zeigt. Die Schöpfung wird so weiter zerstört, das Leben auf der Erde kaputt gemacht und die Klimaungerechtigkeit verschärft. Mit dem Machtzugewinn der rechtspopulistischen Parteien werden Bemühungen für mehr Nachhaltigkeit und Klimagerechtigkeit unterminiert. Auf der Homepage der AfD heißt es kurz und bündig:

„Wir wollen das Projekt der Dekarbonisierung über die ‚Große Transformation‘ beenden und den „Klimaschutzplan 2050“ der Bundesregierung aufheben.“

Kirche – bezieh Stellung!

Angesichts dieser Entwicklung ist es wichtig, Bürger*innen diese große Gefahr deutlich zu machen. Auch die Kirche hat dazu klar Stellung zu beziehen. Das Referat für Nachhaltigkeit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und auch die Einrichtungen für Entwicklungs- und Umweltfragen der Landeskirchen stehen hier in Verantwortung. In ihren Publikationen und Aktionsprogrammen sollten sie den Rechtsruck in Deutschland, Europa und anderen Nationen grundlegend – eben aus Klimaschutzgründen – kritisieren.

Das Klima ist im höchsten Maße gefährdet durch unsere Wirtschaftsweise. Der Juli 2023 gilt als heißester Monat seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Umso problematischer ist es, wenn politische Kräfte an die Macht kommen, die wissenschaftliche Erkenntnisse ignorieren und ein christliches Engagement für Schöpfungsbewahrung, Frieden und Gerechtigkeit torpedieren. Die Kirche muss daher den Klimaschutz als Thema der politischen Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen Parteien, allen voran der AfD, in Angriff nehmen. Sie muss zeigen, dass die AfD gegen Nachhaltigkeit, Klimaschutz, den nötigen Umbau unseres (ökonomischen) Zusammenlebens und „das christliche Menschenbild und den christlichen Glauben“ (Friedrich Kramer) steht. Ihr Gedankengut darf keinen Platz in Kirche und Gesellschaft haben.

Natürlich: Eine Demokratie ist plural. Sie hat aber gerade da klare Kante zu zeigen, wo die Fundamente eines solidarischen Zusammenlebens angegriffen werden und unser Weiterleben bedroht wird. Gerade die Liebe zu allen Menschen und die christliche Verantwortung, die Gesellschaft in Ausrichtung an das Reich Gottes zu gestalten, verlangt hier klare Positionen und ein engagiertes Verhalten. Klimaschutz bedeutet Kritik rechter Parteien und umgekehrt.


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Kolumne „Tipping Point“

In unserer Kolumne „Tipping Point“ schreibt Tobias Foß über die sozial-ökologische Transformation. Welchen Beitrag können Christ:innen und Kirchen leisten? Welche Probleme müssen bewältigt werden? Welche Kipppunkte gilt es in Theologie und Glaubensleben wahrzunehmen?

Mit „Tipping Point“ wollen wir in der Eule an Fragestellungen im Licht der Klimakrise dranbleiben. Dabei stehen nicht allein Klima- und Umweltschutz im Zentrum, sondern auch die Auswirkungen von Klimawandel und Umweltzerstörung auf unser Zusammenleben. Die Klimakrise verändert schon jetzt unsere Gesellschaft(en). In „Tipping Point“ geht Tobias Foß diesen Veränderungen auf den Grund und beschreibt Ressourcen und neue Wege.

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