Menschen, Liebe, Glauben – Die #LaTdH vom 15. April
Evangelische Jugendlichkeit jetzt auch auf Youtube. Außerdem: Streit unter Bischöfen, eine fehlgeleitete Islam-Debatte und linke Fromme.
Debatte
Evangelische Publizistik und Evangelische Jugend starten neuen Youtube-Kanal (EKD)
Der Gemeinschaftsverband der Evangelischen Publizistik (GEP) und die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej) starten mit „Jana“ ein eigenen Youtube-Kanal:
Protagonistin ist die 19-jährige Poetryslammerin Jana Highholder. Im Community-Format „Wir“ spricht die Studentin aus Münster wöchentlich neu über die kleinen und großen Ereignisse im Leben junger Menschen, über Liebe und über ihren Glauben. Zum anderen lässt Jana in ihrem Vlog-Format die Zuschauer an ihrem Leben als Slammerin, Christin und Medizinstudentin teilnehmen. Die Zielgruppe des Youtube-Angebotes sind junge Menschen im Alter zwischen 14 und 29 Jahren. Begleitend zum Youtube-Kanal ist Jana auch auf Facebook und Instagram präsent.
An die jungen Leute willste ran? Dann musste auch medial dahin, wo die sind. Also ab zu Youtube, Facebook und Instagram. Diese Logik lässt sich wunderbar nachvollziehen. Ob es in Zeiten allgemeiner Plattform-Skepsis und Datenskandale nicht anderer digitaler Begegnungsorte bedürfte, darf trotzdem gefragt werden.
Eine öffentlich-rechtliche Bewegtbild-Plattform, auf der auch Non-Profit-Organisationen und gemeinnützige Initiativen veröffentlichen – das wäre doch eine Idee für die Medienpolitik, die kirchliche Lobbyisten gerne unterstützen dürften. So landen Erzeugnisse und Nutzerdaten bei den Konzernen Google (da gehört Youtube dazu) und Facebook (Instagram und Facebook).
Wie Mediakraft das eigene Geschäftsmodell umbaut – Ingo Rentz (Horizont)
Umgesetzt wird der neue evangelische Jugendkanal unabhängig von bereits bestehenden Angeboten des Gemeinschaftswerks (u.a. evangelisch.de) in Zusammenarbeit mit Mediakraft. Dieses Unternehmen ist vor ein paar Jahren durch Knebelverträge mit Youtubern negativ aufgefallen, hat aber seitdem das eigene Geschäftsmodell umgestellt. Nicht mehr das „Artist-Management“ steht im Vordergrund, sondern sogenannte „B-to-B-Dienstleistungen für Unternehmen“.
Mediakraft sieht künftig das größte Potenzial darin, B-to-B-Leistungen für Unternehmen anzubieten und positioniert sich daher nun als Social-Media-Vermarkter und Lösungsanbieter für Brands und Unternehmen. Zu den Kernleistungen der Kölner sollen die Analyse vorhandener Youtube-Kanäle sowie die Entwicklung von Social-Media-Strategien inklusive Optimierungsempfehlungen, Konzeptentwicklung und Umsetzungsmaßnahmen gehören.
So ein „Brand“ (vulg. eine Marke) ist jetzt die evangelische Jugendlichkeit. Funny van Dannen dichtete: „Mit Fanta und mit Butterkeks, wir sind junge Christen unterwegs.“ Jetzt auch bei Youtube. Das ist ganz sicher keine Konkurrenz zum haptischen Unterwegssein in „Reallife“, aber eine notwendige digitale Ergänzung (#digitaleKirche). Darum zum Schluss die Frage: Taugt das was? Entscheidet selbst: Hier entlang.
nachgefasst
Um das „Allerheiligste“ ringen – Stefan Oster (Passauer Bistumsblatt)
Bei den röm.-kath. Geschwistern geht der Streit um die Zulassung von konfessionsverbindenden Ehepaaren zur Eucharistie weiter. Einer der Bischöfe, die sich zwecks Klärung des Sachverhalts an den Vatikan gewandt haben, Bischof Stefan Oster aus Passau, rechtfertigt im hauseigenen Bistumsblatt seine Unterschrift unter das gemeinsame Schreiben von sieben Bischöfen, die sich mit dem Entschluss der Deutschen Bischofskonferenz nicht anfreunden wollen.
Einmal abgesehen davon, dass dieses Vorgehen sein Geschmäckle hat, was die gedeihliche Zusammenarbeit der Bischöfe angeht (s. #LaTdH von letzter Woche und Benjamin Lassiwes Kommentar in der Kölnischen Rundschau), ist Osters Argumentation nachvollziehbar, wenngleich sie ganz innerkirchlich bleibt, d.h. aufs Katholische fixiert. Jedenfalls kommt man gegen solche abgewogenen Argumente nicht mit stumpfer Jetzt-erst-recht-Ökumene an. Vielleicht war der Jubel ob der Entscheidung der Bischofskonferenz in der religiös nur so halb-musikalischen Medienlandschaft ohnehin unangemessen groß (s. #LaTdH vom 25. Februar)?
Bill Hybels Resigns from Willow Creek – Bob Smietana (Christianity Today, englisch)
Wir berichteten über die Missbrauchsvorwürfe gegen Willow Creek-Gründer und -Chef Bill Hybels. Am Dienstag ist er nun von seinen Aufgaben und Ämtern zurückgetreten, nachdem ihm und den Ältesten erneut vorgeworfen wurde, die Geschichten der Frauen – auch in den „Familientreffen“ – falsch wiedergegeben zu haben.
Zu Wort meldeten sich Betty Schmidt, eine ehemalige Älteste der Gemeinde, die der Darstellung durch die Vorsitzende des Ältestenrates Pamela Orr (die im Namen des gesamten Gremiums gesprochen hatte) heftig widersprach, und eine der Frauen, die Hybels belästigt haben soll, Vonda Dyer, die ihre Geschichte noch einmal ausführlich erzählt. Mit seinem Rücktritt wolle Hybels weiteren Schaden von Willow Creek abwenden. Es stellt sich jedoch – so die Vorwürfe zutreffen – die Frage, ob ein Ältestenrat im Amt bleiben kann, der öffentlich gelogen hat?
Pure Perversion? – Reinhard Müller (Einspruch, FAZ)
Der für „alles, was Recht ist“ zuständige FAZ-Redakteur Reinhard Müller (@Reinhard_Mue) spricht sich im Juristen-Blättchen der FAZ „Einspruch“ gegen ein Kopftuchverbot für Mädchen aus. Unter der Woche haben wir über diesen Vorstoß der FDP berichtet. Sein Argument:
Kinder wachsen auch sonst in die Religion ihrer Eltern hinein, ohne gefragt zu werden, ohne selbst entscheiden zu können. Kleinkinder werden getauft; sie dürfen in Deutschland beschnitten werden. Eltern lassen ihren kleinen Mädchen die Ohrläppchen durchstechen – offenbar auch eine Art Weltanschauung. Ja, man muss genau hinschauen, was mit Kindern geschieht. Aber nicht der Staat erzieht die Kinder, sondern die Eltern. Mit ihnen muss gesprochen werden. Ein Kopftuchverbot könnte zu Ausgrenzung und Radikalisierung beitragen.
Die Vorschrift des Kopftuchtragens für die muslimische Frau: Grundlagen und aktueller innerislamischer Diskussionsstand – Rotraud Wieland (DIK)
Die Deutsche Islamkonferenz hat dieses Dokument von Prof. em. Rotraud Wieland zu Verfügung gestellt, das jeder gelesen haben sollte, der sich (einigermaßen) qualifiziert in Kopftuchdebatten einmischen einbringen will.
Buntes
Abgrenzung statt Integration – Tilmann Kleinjung (katholisch.de)
Ein Ausfluss verfehlter Islam-Debatten (s.o.) ist, dass tatsächliche Integrationshilfen für verzichtbar gehalten werden, wenn das Ziel selbst aus dem Blick gerät. Die Logik dahinter: Denen, die nicht dazu gehören sollen, muss auch niemand bei der Integration helfen. Tilmann Kleinjung (@TilmannKk) hat das am Beispiel des in Bayern 2019 auslaufenden Modellversuchs für den islamischen Religionsunterricht beschrieben. Der soll nämlich nicht verlängert werden.
Bisher war es politischer Konsens, dass islamischer Religionsunterricht als ordentliches Schulfach eine Grundvoraussetzung für gelungene Integration ist. Sibler [Kultusminister Bayern] will prüfen, ob ein verstärkter Ethikunterricht nicht dasselbe leisten kann. Dieser Vorschlag zeigt, zu welch absurden Schlüssen diese Debatte führt. Ein Politiker der CSU, die bei jeder Gelegenheit den konfessionellen Religionsunterricht verteidigt, will dem Fach Ethik den Vorzug geben. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Sei ein Heiliger! – Arbeitsanweisung für jeden Christenmenschen – Markus Büning (Paul M. Zulehner)
Markus Büning schreibt auf dem Blog von Paul M. Zulehner, der bekannt für kritische Anmerkungen zum konservativen Katholizismus ist, eine Eloge auf das neueste Papst-Schreiben und will vor allem den rechtsauslegenden Kritikern die Luft aus den Segeln nehmen:
Alles in Allem: Ein großer Wurf! Praktisch, verständlich, aktuell und aufrüttelnd. Ich kann einem jeden nur empfehlen, den Text selbst zu lesen und sich nicht mit den dummen und verfälschenden Urteilen aus dem Netz zu begnügen. Auch das könnte ein erster Schritt zur Heiligkeit sein.
Noch haben Ungarns Juden Schonzeit – Joel Berger (Jüdische Allgemeine)
Nach dem Wahlerfolg von Viktor Orbans Fidesz-Partei geht die antisemitische Hetze in Ungarn unvermindert weiter. Rabbiner Joel Berger nimmt darauf Bezug, wenn er meint:
Dass Juden in Ungarn nichts zu befürchten haben, stimmt leider nur kurzfristig. Es gibt noch eine antijüdische Grundströmung im Land, und FIDESZ bedient sie geschickt. Wie, das sieht man an der Kampagne gegen George Soros: Um ihn als anti-ungarischen Strippenzieher zu denunzieren, muss seitens der Regierung niemand mehr erwähnen, dass Soros Jude ist. Das haben ja schon andere gesagt.
Eröffnung der „Woche für das Leben“ mit dem Ratsvorsitzenden Bedford-Strohm und Kardinal Marx (EKD, DBK)
Gestern eröffnete das ökumenische Bromance-Couple gemeinsam die „Woche für das Leben“. Dieses Jahr steht die Pränataldiagnostik im Zentrum. Der Ratsvorsitzende (@landesbischof) dazu im Eröffnunggottesdienst:
Pränataldiagnostik ist zuallererst dem Leben verpflichtet. Sie soll Frauen bei ihrer Schwangerschaft so gut wie möglich medizinisch begleiten und die medizinischen Risiken für die Frau und das werdende Leben begrenzen. […] Niemand darf von einem moralischen Hochpodest aus über die schwierigen Konfliktsituationen hinweggehen, die entstehen, wenn Eltern durch Pränataldiagnostik mit abzusehenden schweren Schäden in der embryonalen Entwicklung konfrontiert werden. Sie brauchen einfühlsame Begleitung und Beratung gerade auch in den damit verbundenen ethischen Fragen.
Wir sind die linken Frommen – Gott und die Welt (kulturradio rbb)
Ein Feature anlässlich des 50. Jahrestages des Attentats auf Rudi Dutschke, der nicht der einzige, wohl aber prominenteste 68er-Revoluzzer mit einem Kirchen-Background war. Die Kirchenredaktion des RBB schaut sich darum mal die Folgen von ’68 für die Kirchen an (zum anhören).
Predigt
Radikale Leidenschaft für Menschen – Beerdigungspredigt für Rudi Dutschke – Helmut Gollwitzer (Lebenshaus Schwäbische Alb)
Diese Woche wurde an das Attentat auf Rudi Dutschke vor 50 Jahren erinnert, an dessen Spätfolgen er an Heiligabend 1979 verstarb. Die Predigt zu seiner Beerdigung wurde von seinem persönlichen Freund, dem Berliner Theologieprofessor Helmut Gollwitzer gehalten. Sie ist heute nicht allein als historisches Dokument lesenswert, sondern als Beerdigungspredigt exemplarisch darin, das Leben des Verstorbenen mit dem Evangelium zu „ver-sprechen“.
Angesichts des Todes werden wir stumm. Es kommt darauf an, daß wir nicht auch taub werden, taub und gefühllos für die Stimmen des Klagens und die Tränen der Verlassenen, aber auch nicht taub und hoffnungslos, wenn Worte des Lebens laut werden, Worte von einer Position des Lebens aus, die dem Tode das letzte Wort bestreiten, die gegen das Nichtigwerden ankämpfen, die Auferstehung proklamieren an den Gräbern, die das Licht Gottes gegen die Nacht des Todes setzen. Solche Worte, die Worte des Evangeliums, machen uns das irdische Leben wieder wichtig und geben so auch unserem politischen Kampf für das Leben gegen die Todesmächte einen Sinn, der bis in die Ewigkeit reicht
Ein guter Satz
„Wir lassen nicht ab, uns an den lebendigen Gott zu wenden.“
– Präses Annette Kurschus (Evangelische Kirche von Westfalen) zur Amokfahrt in Münster (Quelle)