Na Logo! – Die #LaTdH vom 10. September

Wird die „Weltsynode“ der katholischen Kirche unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden? Außerdem: Einigkeit unter Protestanten, junges Judentum und heilsnotwendiges Kidnapping.

Herzlich Willkommen!

„Man kann nicht nicht kommunizieren“, lautet eines der fünf pragmatischen Axiome, die der Psychotherapeut und Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick  aufgestellt hat, um menschliche Kommunikation und ihre Paradoxien zu erklären.

„Kommunikation ist ein Ausdruck des Menschseins. Sie gründet in unserer Beziehung zu anderen Menschen und ist die Grundlage von Gesellschaft“, so Reinhard Kardinal Marx in seiner Erklärung zum 57. „Welttag der sozialen Kommunikationsmittel“, den die römisch-katholische Kirche in Deutschland heute begeht. In seiner Botschaft zu diesem „Mediensonntag“ träumt Papst Franziskus „von einer kirchlichen Kommunikation, die es versteht, sich vom Heiligen Geist leiten zu lassen, freundlich und zugleich prophetisch; die es versteht, neue Formen und Wege für die wunderbare Botschaft zu finden, die in das dritte Jahrtausend weiterzutragen sie berufen ist“.

Dass sich die auch auf synodalen Wegen langgepflegten Kirchenträume vom „Dialog auf Augenhöhe“ so lange halten, ist vermutlich auch den kommunikativen Strategien der „communio hierarchica“ zu verdanken. In seinem Beitrag „Kommunikationskontrolle als Heilsdienst“ hat der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke vor ein paar Jahren „Sinn, Nutzen und Ausübung der Zensur nach römisch-katholischem Selbstverständnis“ erläutert.

Die „Exkommunikation“ ist schließlich eine besondere Form des Kommunizierens in der römisch-katholischen Kirche. Im derzeit geltenden Kirchenrecht werden so unterschiedliche Straftatbestände wie etwa Abtreibung, Häresie, Schisma, Regelverstöße beim Konklave, physische Gewalt gegen den Papst oder der Versuch der Weihe einer Frau (!) mit dieser „Beugestrafe“ sanktioniert.

Eine gute Woche wünscht
Ihr Thomas Wystrach

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Debatte

Vom 4. bis 29. Oktober werden im Vatikan rund 370 Synodale über künftige Beratungs- und Entscheidungswege in der römisch-katholischen Kirche diskutieren. Laut dem Instrumentum laboris, dem offiziellen Arbeitsdokument der Weltsynode, geht es unter anderem um die Rolle von Frauen in der Kirche, den Umgang mit Homosexuellen sowie um die Stellung der Bischöfe. Bei den früheren Bischofssynoden gehörte Deutsch zu den offiziellen Sprachen der Versammlung. Nun gab der der Leiter der Kommunikationsbehörde des Vatikans bei einer Pressekonferenz bekannt, dass sich die Arbeitssprachen geändert haben – Deutsch gehört nicht mehr dazu.

Über Strukturen oder über Reizthemen reden? – Interview mit Jürgen Erbacher (Domradio)

Jürgen Erbacher, Leiter der Redaktion „Kirche und Leben – katholisch“ beim ZDF, hat Papst Franziskus bei seiner jüngsten Reise in die Mongolei begleitet und dem Pontifex dabei gut zugehört. Im Interview mit Hilde Regeniter vom Domradio befürchtet Erbacher nun, bei der Weltsynode könnte es zu Missverständnissen kommen:

Der Papst möchte vor allen Dingen über strukturelle Fragen reden. Der Papst sagt, das ist eine Synode zur Synodalität. Das heißt, wie ist Kirche verfasst, dass möglichst viele in Entscheidungsprozesse mit eingebunden werden können.

Das ist nicht eine Synode, die sich über theologische Themen wie zum Beispiel die Sexualmoral unterhält, auch das Thema Zölibat spielt bei der Frage, wie ist Kirche strukturiert, keine Rolle. Das einzige Thema, das auch hier in Deutschland sehr heiß diskutiert wird, dass vielleicht in diese eher strukturelle Debatte hineingehört, ist das Thema Frauen.

Die „Synode zur Synodalität“ habe ein Kommunikationsproblem und laufe Gefahr, die Kritiker des Papstes zu stärken, meint auch Claire Giangravé in ihrem Beitrag für den Religion News Service (englisch):

Trotz der Anstrengungen, die der Vatikan unternommen hat, um sicherzustellen, dass die Diskussionen auf der Synode auf kollegiale und durchdachte Weise stattfinden, hat die Kirche wenig bis gar keine Kontrolle darüber, wie die Veranstaltung von außen wahrgenommen wird. (…)

Die Geheimniskrämerei, die normalerweise vatikanische Veranstaltungen umgibt, selbst eine so offene wie die Synode zur Synodalität, hat Kritiker des Papstes auf den Plan gerufen, die glauben, der Gipfel sei nichts weiter als ein Deckmantel für den Papst, um eine liberale Agenda umzusetzen. Denn obwohl die Synodenteilnehmer über die Themen abstimmen werden, wird es der Papst sein, der am Ende die Schlussfolgerungen aus der Veranstaltung zieht.

Im Vatikan müssen die Journalisten draußen bleiben – Severina Bartonitschek und Ludwig Ring-Eifel (KNA)

Der jahrelange Vorlauf zur Weltsynode mit kontinentalen Vorbereitungstreffen hat Hoffnungen auch auf eine andere Kommunikationsstrategie geweckt. In der großen Audienzhalle im Vatikan, in der man angesichts der hohen Teilnehmerzahl tagen wird, ist viel Platz – auch für Journalist:innen. Ein Livestream von den Plenarversammlungen wäre technisch kein Problem, meinen Severina Bartonitschek und Ludwig Ring-Eifel. Doch in Rom haben sich die Kräfte durchgesetzt, die „einen geschützten Raum von nicht-öffentlichen Beratungen“ für erforderlich halten:

Dass synodale Debatten unter direkter Medienbeobachtung ähnlich wie Debatten im Parlament mitunter an Schärfe gewinnen und damit einen breiten Konsens erschweren, war bei den Vollversammlungen des deutschen Reformprozesses Synodaler Weg in Frankfurt immer wieder zu beobachten. Ob der Vatikan deshalb aber zu einer komplett gelenkten Mitteilungsstrategie zurückkehren kann? (…)

Letztlich, so die in diesen Tagen oft geäußerte Meinung unter den Vaticanisti, stärke der Vatikan damit den Einfluss inoffizieller Kommunikationskanäle. Eine vierwöchige Versammlung von mehr als 350 Menschen, aus der niemand etwas an vertraute Medienvertreter durchsticht oder über Soziale Medien selbst durchsickern lässt, scheine im 21. Jahrhundert nur noch schwer vorstellbar.

„Was alle angeht, sollte auch für alle transparent erörtert und debattiert werden“, meint Joachim Frank. Der Vorsitzende der Gesellschaft Katholischer Publizistinnen und Publizisten (GKP) ruft den Vatikan auf, die Medien nicht von den Beratungen der Weltsynode im Oktober auszuschließen. Das „Nein“, das Papst Franziskus bei seinem Rückflug aus der Mongolei nach Rom auf die Frage nach möglichen Direktübertragungen aus der Synodenversammlung geäußert habe, sei angesichts der Erwartungen vieler Menschen weltweit und der weitreichenden Bedeutung der Beratungen enttäuschend.

Päpstlicher Pressebann zur Weltsynode: Spiritualisierung statt Transparenz – Markus Nolte (Kirche+Leben)

Kritik äußert auch Markus Nolte, Chefredakteur von Kirche+Leben, dem Online-Magazin der gleichnamigen Wochenzeitung im Bistum Münster. Für ihn zeigt sich im Ausschluss der Medien „einmal mehr die Grundhybris kirchlicher Verantwortungsträger vor Kontroll-, also Machtverlust“:

Gewiss, es braucht mitunter den Raum der Diskretion. Doch in einem hierarchischen System wie der Kirche wird Synodalität erst dann umso glaubwürdiger und geistvoller, je mehr sie mit selbstbewusstem Mut zu größtmöglicher Transparenz einherginge.

Autoritäre Überspiritualisierung aber bewirkt das glatte Gegenteil. Sie versagt geradezu den zweifellos geistlichen Prozessen einer Weltsynode oder eines Synodalen Wegs ihr geistliches Potenzial. Nämlich jenes, dem ganzen Volk Gottes die Chance zu eröffnen, als Zeuginnen und Zeugen Beteiligte dieser kirchlichen Selbstartikulation zu sein.

Papst, Medien und Transparenz: Was ist von der Weltsynode zu erwarten? – Benedikt Heider (katholisch.de)

Mit der Ankündigung, keine Presse in der Synodenaula zuzulassen, habe der Papst für Aufsehen gesorgt. Doch für Benedikt Heider zeigt der Blick in die vatikanische Mediengeschichte: Der Schritt ist konsequent! Wenige Wochen vor Beginn der Weltsynode zeige sich das Transparenzproblem der Kirche in allen Schattierungen:

Die bewährte Spiritualisierung-Strategie erlaubt es Papst und Kurie, der Begründungspflicht des öffentlichen Diskurses zu entgehen. Das übernatürliche Wesen der Kirche lasse sich nicht in weltlichen Logiken ausdrücken, ist der Tenor dieser Immunisierung. Das Ausschließen der freien Presse ist bei dieser Abschottungsstrategie nur folgerichtig.

Mit diesen Entscheidungen stellt sich die Weltsynode, die für manche noch immer den Anschein erweckt, eine Öffnung der Kirche zu bedeuten, in unübersehbare Opposition zu einer diskursiven Öffentlichkeit, die Partizipation aller an Einigungsprozessen und Transparenz als wichtige Säulen ihres Miteinanders erkannt hat. Was das Ergebnis dieser Strategie sein wird, bleibt offen: Eine Öffnung der Kirche zur Gegenwart scheint es nicht zu werden.

nachgefasst

„Der Druck für Aufklärung zu sorgen wächst“ – Interview mit Veronika Jehle (ref.ch)

Eine „unabhängige Pilot-Studie“ ist der Beginn eines längeren Forschungsprojekts zur Aufarbeitung der Geschichte des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche in der Schweiz. Die Ergebnisse werden am 12. September 2023 öffentlich publiziert. Diese Forschung sei ein guter Anfang, meint die römisch-katholische Theologin Veronika Jehle im Interview mit Daniel Stehula auf dem Online-Portal der Reformierten Kirche der Schweiz, allerdings überwiege ihre Skepsis, dass sich das System Kirche und seine Mechanismen ändern lassen:

Die aktuelle Vorstudie könnten die Bischöfe als „grossen Lernschritt“ ihrerseits darstellen. Mit Aussicht auf Erfolg, denn: Es gibt immer noch viel Wohlwollen in der Gesellschaft, das den Bischöfen auch abzukaufen. Dabei ändert sich an ihrem Handeln und ihren Strukturen nichts. Das erschreckt mich.

„Ein Rücktritt bedeutet nicht, dass Aufarbeitung gut weitergeht“ – Interview mit Hans Zollner (kath.ch)

Der Präventionsexperte Hans Zollner SJ hat wegen fehlender Transparenz die Päpstliche Kinderschutzkommission verlassen (s. #LaTdH vom 23. April & vom 28. Mai). Den Schweizer Bischöfen empfiehlt er im Interview mit Jacqueline Straub, nach der Veröffentlichung der Vorstudie zu sexuellem Missbrauch „in der eigenen Reflexion konkrete und effektive Konsequenzen zu ziehen und dies dann zu kommunizieren“. Ein Rücktritt bedeute dabei allerdings nicht automatisch, dass Aufklärung und Aufarbeitung funktionierten:

Es braucht eine Verantwortungsübernahme – auch wenn man selbst nichts unmittelbar zu verantworten hat. Bischöfe, Provinziäle und andere Verantwortungsträger repräsentieren ihre jeweilige Institution auch in ihrer Geschichte. Gleichzeitig gilt: Es braucht einen Struktur- und Mentalitätswandel in der Kirche. Auch ein Rücktritt kann diesen nicht von heute auf morgen herbeiführen.

Fall Karin Weißenfels: Der Schmerz, das Weib und das taktische Verhältnis der Bischöfe zur Wahrheit – Christiane Florin (DLF)

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann (s. #LaTdH vom 27. August) muss an eine Angestellte seines Bistums 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen – das hat am Mittwoch das Trierer Arbeitsgericht entschieden. Die unter dem Pseudonym „Karin Weißenfels“ auftretende Frau war von einem römisch-katholischen Priester geschwängert und später zur Abtreibung gedrängt worden. Weil Ackermann in einer Mitarbeiterversammlung ihren Klarnamen genannt hatte, wurde Weißenfels nach eigenen Angaben retraumatisiert.

Christiane Florin begleitet die Geschichte von „Karin Weißenfels“ journalistisch seit Jahren im Deutschlandfunk:

Wer zum Fall Weißenfels recherchiert, bemerkt das taktische Verhältnis der Hierarchen zur Wahrheit. Nach wie vor wird auf Medienanfragen hin nur zugegeben, was sich nicht bestreiten lässt, das Bistum verstrickt sich in Ungereimtheiten – auch auf Kosten der Betroffenen. Verantwortung verschwindet in diffusen „Fehler“-Bekenntnissen. Die Öffentlichkeit kontrolliert kaum noch.

Buntes

50 Jahre Militärputsch in Chile: Solidarität der Kirchen mit den Opfern – Susanne Babila (SWR 2)

Am 11. September 1973, einem der dunkelsten Tage der Geschichte Chiles, putschte das Militär unter Führung von General Augusto Pinochet gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Salvador Allende – und das offenbar unter Beteiligung des Bundesnachrichtendienstes und der berüchtigten Sekte Colonia Dignidad, wie aktuelle Recherchen des MDR bzw. des WDR über „Pinochets deutsche Paten“ zeigen. In den folgenden fast zwei Jahrzehnten beging das Militärregime unzählige Verbrechen. Bis heute sind viele der Gräueltaten nicht aufgeklärt.

Hunderttausende Chilen:innen wurden von der Militärdiktatur verfolgt. Viele Kirchen und Amnesty International halfen Opfern und ihren Angehörigen zu flüchten – auch nach Deutschland. Hier führten sie ein Leben zwischen Trauma, Heimweh und Solidarität. Gemeinden halfen mit Notunterkünften und Spenden. Susanne Babila ist für SWR 2 einigen dieser Schicksale nachgegangen.

In seinem Blog „Religions-Philosophischer Salon“ weist Christian Modehn in seinen „Erinnerungen anläßlich des 11.9.1973“ darauf hin, während der Diktatur habe auch ein „Krieg von reaktionären Katholiken gegen demokratische Katholiken in Chile“ geherrscht:

Was bleibt als theologische Einsicht nach der Zeit der Pinochet-Diktatur? Eine religiöse Organisation, auch die katholische Kirche, kann in allen staatlichen Formen von Regierung und Herrschaft, selbst in einer Diktatur, nur dann grundlegend und langfristig positiv verändernd wirken, wenn sie selbst, die religiöse Organisation, die Kirche, demokratisch verfasst ist und demokratisch lebt.

Stephan Ruderer konstatiert in seinem Beitrag „Hybride Erinnerung“ in der Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte, die Bilanz der Vergangenheitspolitik in Chile falle auf den ersten Blick positiv aus. Allerdings habe sich in den fünf Jahrzehnten seit dem Putsch eine Erinnerungskultur herausgebildet, in der die „schlechten“ Seiten der Diktatur häufig mit den „guten“ aufgerechnet werden.

In der taz hat Sophia Boddenberg eine Liste mit zehn Büchern zum Militärputsch zusammengestellt. Mit der Ausstellung „Plakate gegen das Vergessen. Diktatur und Widerstand – Solidarität mit Chile 1973-1990“ erinnert das Institut für Theologie und Politik (ITP) in Münster an die erschütternde Ereignisse vor 50 Jahren, aber an die „außergewöhnlich kraftvolle, kreative und leidenschaftliche Solidaritätsbewegung“.

Wie junges jüdisches Leben in Deutschland aussieht (Deutschlandfunk Nova)

Das Judentum in Deutschland wird oft nur mit der Religion verknüpft, dabei vernetzen sich junge jüdische Menschen mittlerweile oft außerhalb der Gemeinden. Die jüdische Community wird durch junge Menschen diverser. Wie das aussehen kann, davon berichtet Karen Körber, die sich als Soziologin mit jüdischer Gegenwartsforschung und Geschichte beschäftigt, im Podcast „Ab 21“ bei Deutschlandfunk Nova. Und Riv Elinson, jüdische Aktivistin und Bildungsreferentin, erzählt über das säkulare Judentum und alternative jüdische Vernetzung.

Zentralrat will unverzerrte Darstellung des Judentums fördern (Jüdische Allgemeine)

In der vergangenen Woche hat die Arbeitsgruppe „Judentum in Bildungsmedien“ zum ersten Mal getagt. Gegründet von der Kultusministerkonferenz in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Verband Bildungsmedien, soll die Darstellung des Judentums und jüdischer Geschichte sowie weiterer angrenzender Themen in den Bildungsmedien im Mittelpunkt der Arbeit stehen. Die KMK-Präsidentin und Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, Katharina Günther-Wünsch, betonte, man setze eine „langjährige enge Kooperation“ fort und werde den Fokus nun auf Schulbücher und Unterrichtsmaterialien legen:

Noch immer finden sich dort Darstellungen des Judentums und verwandter Themen, die Vorurteile und Stereotype bedienen.

Warum der Kölner Dom auch aus dem Logo des Erzbistums verschwindet – Ingo Schmitz, Michael Fuchs und Sabrina Steiger (Kölnische Rundschau)

„Mer losse d’r Dom en Kölle“ – das vor 50 Jahren in kölscher Mundart geschriebene Lied der Gruppe „Bläck Fööss“ gilt als eine der größten Karnevalshymnen überhaupt, dabei ist das Stück gar keine keine Hommage an Köln, sondern greift die Kritik an der damaligen Politik der kommunalen Stadtsanierung auf. Dass der Dom, das weithin sichtbare und die vom Zweiten Weltkrieg stark zerstörte Silhouette der Stadt prägende Kölner Wahrzeichen, von „singem ahle Platz“ entfernt werden könnte, erscheint damals wie heute als „e unvührstellbar Ding“.

Große Aufregung herrschte daher in der Kölner Lokalpresse, als die Stadtverwaltung 2022 den Markenauftritt behutsam modernisierte und schließlich zusagte, die bisher im Kölner Logo enthaltenen Domspitzen blieben als „ergänzendes Schmuckelement“ erhalten. Gut ein Jahr später ist nun das Erzbistum Köln nachgezogen und hat sein neues Corporate Design vorgestellt – anstelle der bis­herigen Bild­marke des Kölner Doms habe man „eine zeitgemäße Interpretation des historischen Wappens“ versucht, die „für das ganze Erzbistum“ stehen solle:

Ge­rade in die­ser he­raus­for­dernden Zeit ist es ent­schei­dend, die viel­fäl­tigen guten Sei­ten der Kirche nach außen hin deut­licher sicht­bar zu machen. Mit dem neu­en Er­schei­nungs­bild möch­ten wir dazu bei­tragen, die Wahr­nehmung der kirch­lichen An­gebote vor Ort und des viel­fälti­gen En­gage­ments der Men­schen zu för­dern, …

… er­klärt Amts­leiter Frank Hüppels­häuser. Die Begründungen für den „Etikettenwechsel“ überzeugen die Redakteur:innen der Kölnischen Rundschau auch diesmal nicht. Doch während der Zentral-Dombau-Verein (ZDV) im letzten Jahr deutliche Worte der Kritik dafür fand, dass die Stadt Köln den Dom aus dem Logo werfen wollte, halte sich der „Schmerz“ des ZDV-Präsidenten Michael Kreuzberg beim Redesign des Erzbistums in Grenzen:

Ich erhoffe mir, dass der ein oder andere merkt, dass wir unabhängig von der katholischen Kirche sind.

Erzbistum Köln erhält neues Corporate Design – Achim Schaffrinna (Design Tagebuch)

Lobende Worte für den kirchlichen Logowechsel findet hingegen der Kommunikationsdesigner Achim Schaffrinna in seinem Blog Design Tagebuch:

Angesichts der wieder einmal heiß laufenden Berichterstattung rund um dieses Redesign – manch Medienakteur stilisiert den Logowechsel gar als Ausdruck einer „Cancel Culture“ – möchte ich mich zunächst direkt an die verantwortlichen Entscheider, Konzepter, Kreativschaffenden und Hürden-aus-dem-Weg-Räumer wenden: Gut gemacht! Ein wirklich überzeugendes visuelles Erscheinungsbild und eine feine Überarbeitung / Neuinterpretation des historischen Wappens. Chapeau.

Um eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung gehe es in der medialen Berichterstattung nur selten, so Schaffrinna. Die „Redundanzmaschine“ laufe auf Hochtouren, das „Framing“ der „Cancel Culture“ diene nicht der Versachlichung, sondern wolle „die da oben“ an den Pranger stellen.

Nun ist insbesondere das Erzbistum Köln aufgrund der mit sexuellem Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland verbundenen strittigen Äußerungen seines Bischofs zu einem legitimen Ziel von Kritik geworden, Negativkritik versteht sich. (…) Es wäre tragisch, wenn sich kreative Köpfe dieses Landes von einer solch eingleisigen, eindimensionalen, teils plumpen und lediglich auf größtmögliches Erregungspotenzial ausgerichteten Berichterstattung in ihrer Arbeit im Negativen beeinflussen ließen.

Auch das Bistum Limburg hat seit diesem Monat ein neues Logo – setzt dabei jedoch auf Kontinuität. Es zeigt wie zuvor den Limburger Dom, dieser ist nun allerdings aus Dreiecken in rötlichen Farben zusammengesetzt dargestellt. „Mit Blick auf die neue Struktur im Bischöflichen Ordinariat und den Transformationsprozess der Diözese“ sei ein verändertes Erscheinungsbild notwendig geworden, heißt es in der Mitteilung des Bistums.

Theologie

Veränderung von oben – Siegfried Hermle (Evangelische Landeskirche in Württemberg)

Dass Gemeinden mit langer reformierter Tradition in eine lutherische Landeskirche integriert werden, sei alles andere als selbstverständlich, schreibt der evangelische Kirchenhistoriker Siegfried Hermle zum 200. Jahrestag der Eingliederung der Reformierten und der Waldensergemeinden in die Evangelische Landeskirche in Württemberg.

Den im 17. Jahrhundert aus dem Piemont vertriebenen Waldensern war ebenso wie den aus Frankreich nach Württemberg geflohenen Hugenotten zunächst das Privileg zugestanden worden, ihre religiösen Angelegenheiten selbstständig zu regeln, d. h. unabhängig vom lutherischen Konsistorium. Doch Anfang des 19. Jahrhunderts wurde durch einen vom König ernannten Dekan Veränderungen von oben angeordnet, die dazu dienten, die in der reformierten Tradition übliche Partizipation der Laien weitgehend auszuschalten. Im Januar 1823 wurde schließlich eine letzte Synode der reformierten Gemeinden einberufen, die letztlich unter subtilem Druck die zentralen Forderungen – deutsche Sprache, Verzicht auf das Wahlrecht – akzeptierte.

„50 Jahre Leuenberger Konkordie: Das ist ein europäisches Jubiläum.“ – Annette Kurschus (EKD)

Vor 50 Jahren wurde mit der Leuenberger Konkordie die Kirchengemeinschaft zwischen lutherischen, reformierten und unierten Kirchen erklärt. Dieses Jubiläum hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am vergangenen Mittwoch gemeinsam mit der Union Evangelischer Kirchen (UEK) und der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche (VELKD) mit einem gemeinsamen Abendmahlsgottesdienst gefeiert. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus würdigte 50 Jahre Leuenberger Konkordie als ein europäisches Jubiläum:

Wir feiern das Gründungsdokument der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Diese Gemeinschaft ist Teil des Wunders, das die Einigung Europas ist. (…) Ein Gradmesser für diese Einheit ist, wie Europa mit denen umgeht, die aus eigenen Kräften kaum in der Lage sind, ihre Menschenrechte durchzusetzen. Wir europäischen Kirchen müssen unerschütterlich für die elementaren Schutzrechte geflüchteter und verfolgter Menschen eintreten. Lasst uns darin einig und eins sein – bei allem, was unter uns vielgestaltig und verschieden bleiben soll und darf.

Entführung im Namen des Heils? – Jan-Heiner Tück (Die Presse)

Bereits im Juni haben der Oberrabbiner von Rom, Riccardo Di Segni, und einige Intellektuelle Italiens einen Appell an Papst Franziskus gerichtet, er solle das Kirchenrecht ändern. Can. 868 § 2 CIC sieht vor, dass Kinder in Todesgefahr auch gegen den Willen ihrer Eltern getauft werden können. Das weckt im kollektiven Gedächtnis von Juden beklemmende Erinnerungen an Zwangstaufen und Kindesentführungen, besonders spektakulär ist der Fall des sechsjährigen Edgardo Mortara aus Bologna, der 1858 seiner jüdischen Familie entrissen wurde. Der Wiener Theologe Jan-Heiner Tück sieht den Papst vor ein theologisches Dilemma gestellt:

Auf der einen Seite steht eine jahrhundertealte Lehrtradition, die unter Rückgriff auf einige Stellen der heiligen Schrift die Heilsnotwendigkeit der Taufe einschärft. (…) Auf der anderen Seite provoziert er, wenn er den Paragrafen des Kodex irritationsresistent beibehält, jüdischerseits die Rückfrage, ob seine Ablehnung des Proselytismus wirklich ernst gemeint bzw. seine judenfreundliche Haltung nicht letztlich nur kosmetisch ist.

In seinem Beitrag „Kidnapping aus Heilssorge? Der lange Schatten des Edgardo Mortara“ hatte sich der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke bereits 2010 dem Fall Mortara als „Herausforderung des christlich-jüdischen Dialogs“ aus kanonistischer Sicht gestellt:

Für römisch-katholische Christen kann er Anlass sein, sich wieder besser einzustimmen in ihre ganz spezifische Erinnerungskultur. In ihr wird autoritativ im Namen Christi festgelegt, was erinnerungswürdig ist, und so die Basis verfügt, von der aus auch ein christlich-jüdisches Gespräch zu führen ist.

Ein guter Satz

Bei uns wird auf dem Platz wenig gesprochen. Das könnte an der Kommunikation liegen.

Erich Ribbeck, ehemaliger deutscher Fußballspieler und -trainer