Nur ein bisschen blasphemisch

Im Podcast „Pontifacts“ werden von Petrus bis Franziskus die Lebensgeschichten der Päpste erzählt, eingeordnet und bewertet. Ein Podcast mit viel Gossip über katholische Prominente und ein wenig Blasphemie.

Was machen eigentlich die Kardashians gerade? Geht es Alessio, dem Sohn von Pietro Lombardi und Sarah Engels, gut? Nachrichten über Prominente sind recht einfach zu machen: Manche Menschen sind schlicht so bekannt, dass im Grunde alles, was sie tun, ein Ereignis ist. So ist es nicht selten auch bei hohen katholischen Geistlichen. Das bewies zuletzt ein Artikel über den knappwerdenden roten Stoff, aus dem die Gewänder der Kardinäle gemacht werden. Der Mitinhaber eines prominenten Ladens in Rom, der sich auf Kleriker und ihre Bedürfnisse spezialisiert hat, weiß zu berichten: Manche machen in ihren schicken neuen Birett sogar ein Selfie!

Die Boulevardpresse mit Schwerpunkt Vatikan kann dabei auf einen leicht zu erzielenden Effekt bauen. Die „menschliche“ Seite eines ja eigentlich erhabenen Menschen – pardon! – Mannes löst ganz leicht eine gewisse Rührung aus. Sind im Grunde wie wir, diese Bischöfe! Völlig frei sprechen kann sich die Evangelische Kirche wohl auch nicht von diesen Spielchen, auch wenn die Protagonist*innen unserer Menscheleien in der Regel tot, wenn auch mindestens genau sooft Männer sind und Namen wie Barth, Luther oder Ebeling tragen. Kennen Sie schon das Heft mit Witzchen aus dem Nachlass von Rudolf Bultmann?

In dieser Spannung arbeitet seit bereits fünf Jahren der Podcast „Pontifacts“, womit wir wieder auf der römischen Seite des ökumenischen Äquators wären. Pontifices, das sind die Päpste, von denen es zwischen Petrus und Franziskus vielleicht 266, je nach Zählung gar über 300 im Amt gewesen sind. Sie alle vorzustellen, ihre Biografien zu beleuchten und zu ranken, ist die selbstgestellte Aufgabe der Hosts Bry and Fry.

Jedem Papst, der im offiziellen „Annuario Pontificio“ des Vatikans gelistet ist, widmen die beiden eine Folge. Die kann sich nach Bedeutung und vor allem Länge der Amtszeit zwischen einer halben und fast zweieinhalb Stunden erstrecken. In der aktuellsten Ausgabe geht es um Johannes X. aus dem 10. Jahrhundert. Insofern können es gut und gerne weitere fünf Jahre werden, bis das aktuelle Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche und des Vatikanstaates thematisiert wird.

Recall für die coolsten Päpste

Wie, werden da Kenner*innen der unpartheyischen Kirchen- und Ketzer-Historie aufmerken, etwa kein Blick auf die vielen Gegenpäpste? Ist das etwa ein konservativ-verstockter Podcast? Im Gegenteil! „Pontifacts“ ist eine sehr niederschwellige und selbstironische Befassung mit den sogenannten Heiligen. Begleitet von Frys neugierigen und belustigten Fragen berichtet Bry locker und mit bewusst unterhaltender Absicht von den bunten Geschichten, Skandälchen und vielleicht etwas wichtigeren kirchenpolitischen und theologischen Wendungen im Leben der Päpste.

Auch wenn sicher gut vorbereitet und eingelesen, ist der Schwerpunkt von „Pontifacts“ in jedem Fall der Spaß. So ist auch die Vergabe von Punkten zum Ende jeder Folge zu verstehen, die in den Kategorien Heiligkeit, Skandalträchtigkeit, Popularität, Aussehen und Amtszeit vergeben werden. Bonuspunkte gibt es für Heiligsprechung und „Päpstliche Bulle“. Letztere ist wohl – ich habe ehrlich gesagt nicht völlig durchgeblickt – so etwas wie ein Recall für die coolsten Päpste.

Danach endet der Podcast wie er beginnt, nämlich mit einer kurzen Sequenz gregorianischen Gesangs. Richtig witzig ist das natürlich alles nur für jene Hörer*innen, die sich auf das Zusammentreffen von Sakrileg und Gossip einstellen können und auch nach dutzenden Folgen noch Freude daran haben. Ich gehöre wohl dazu.

Heiliges Infotainment auch für nicht-kirchliche Hörer*innen

Naturgemäß kann in der Balance zwischen Information und Witz sicher mal ein Ungleichgewicht auftauchen. Schon beim Auftakt, den in der langen Reihe der Päpste ja Petrus macht, finden sich Ungenauigkeiten. Nach einer völlig unproblematischen Zusammenstellung von Petrus-Passagen aus dem Neuen Testament bekommen wir plötzlich die sehr streitbare Erzählung von der Christenverfolgung unter Kaiser Nero geliefert, der auch Petrus zum Opfer gefallen sei. Leider kommentiert Bry, die sehr häufig gute Relativierungen zur Aussagekraft von Quellen beisteuert, den stark umstrittenen Wahrheitsgehalt dieser Legende nicht.

Demgegenüber sind insbesondere Sonderfolgen zu einigen der Ökumenischen Konzilien oder mit eingeladenen Expert*innen oder Hosts befreundeter Podcasts wirklich sehr informativ. So gut gemachte und zugängliche Hinführungen zum Eingemachten der Christentumsgeschichte haben tatsächlich einen Markt weit über die Kirchenbubble hinaus. Überhaupt ist es eine große Kunst, die mit den Figuren der Papstgeschichte engverbunden historischen Ereignisse und Personen so kurzweilig und verständlich zur Darstellung zu bringen, wie „Pontifacts“ es tut. Der Podcast ist eben keine reine Aneinanderreihung von Heiligenviten, sondern auch eine Einführung in Gestalten wie Polykarp oder Bewegungen wie den Montanismus. Über die schlichte Wiedergabe historischen Gossips hinaus gibt es also ein gewisses Bildungsangebot.

Auch der Wunsch nach Vollständigkeit mag zum anhaltenden Erfolg des Duos beitragen: Wer früher oder heute noch in irgendeiner Form Pokémon gejagt und gesammelt hat, weiß, dass eben nur die vollen 150 oder 151 Pokémon zählen. Daher wird wohl kein Fan der päpstlichen Geschichte damit zufrieden sein, nur über die bekanntesten und größten Gestalten der (mutmaßlich) zweitausendjährigen Historie des Heiligen Stuhls Bescheid zu wissen. Der oftmals schmale Umfang dessen, was über Gestalten wie Eutychian oder Anterus gesagt werden kann, ist dabei kein Hindernis.

Ohne also „Pontifacts“ heilig zu sprechen oder für die kirchengeschichtliche Grundinformation ideal geeignet erklären zu wollen, spricht für mich nichts gegen ein entspanntes und nicht allzu ernstes Mitfibern bei Fry und Bry an einem Sonntagnachmittag.


„Pontifacts“ in englischer Sprache findet ihr auf einer eigenen Website, auf Spotify und weiteren Podcast-Plattformen.


#abgehört: Podcast-Kritiken bei der Eule

In unserer Serie „#abgehört“ stellen wir seit 2017 Podcasts vor: Podcasts zu klassischen Kirchenthemen und solche, die Neuland betreten. Podcasts, die von Theolog:innen gemacht werden und sich um Bibel und Predigt drehen, und Podcasts zu (Rand-)Themen, die mehr Aufmerksamkeit verdienen. Seit 2022 schreibt Frederik Ohlenbusch für uns frische Podcast-Kritiken.

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