Return to Sender – Die #LaTdH vom 6. Mai

Der Papst sagt im Eucharistie-Streit: „Nu da machd doch eiern Drägg alleene!“ Außerdem: Die #digitaleKirche versammelt sich in Wittenberg und Berlin, Schweigegebote und verschwiegene Tote.

Debatte


Der letzte sächsische König soll der Legende nach mit den Worten „Nu da machd doch eiern Drägg alleene!“ abgedankt sein. Am Donnerstagabend gaben Deutsche Bischofskonferenz und Heiliger Stuhl gemeinsam bekannt, dass sich Papst Franziskus entgegen der Forderung von sieben Diözesanbischöfen einer Entscheidung des hiesigen Eucharistie-Streits enthält. Die streitenden Parteien sollen doch bitte selbst zu einer möglichst enmütigen Lösung gelangen.

Synodalität beim Entstehen zuschauen – Bernd Hagenkord (Laudetur Jesus Christus – Radio Vatikan Blog)

Der leitende Redakteur von Vatican News Bernd Hagenkord (@BerndHagenkord) schreibt auf seinem Blog über diese Nicht-Entscheidung, die sich ganz schlüssig aus dem Anliegen Papst Franziskus‘ ergibt, die Leitung der röm.-kath. Kirche nicht mehr allein der Zentrale in Rom und dem Haupt des Lehramts zu überlassen, sondern bewusst regionale und synodale Wege zu beschreiten. Klar, dieses „Mehr“ an Mitgestaltungsmöglichkeiten sorgt auch für mehr Verwirrung. Die Zeiten des Durchregierens sind vorbei.

Was wir hier sehen ist Synodalität live. Der Papst hatte sich mehrfach geäußert, etwa in Amoris Laetitia und auch schon in Evangelii Gaudium (Stickwort „authentische Lehrautorität“). Aber er hat sich nie so geäußert, dass im Vorhinein schon alles klar wäre. Viele werfen ihm das vor, ich selber halte das für ein gutes Vorgehen. Das gibt Beulen bzw. Briefe und das ist eher mehr Arbeit für die Beteiligten als eine einzige für alle überall gültige Entscheidung als Rom, aber wenn die Synodalität der Weg der Kirche im 21. Jahrhundert ist, wie Papst Franziskus gesagt hat, dann kann man das eben nicht per Ukas umsetzen.

Wo bleibt der Aufschrei der Gemeinden und Pfarrer? – Tilmann Kleinjung (BR)

Für den Bayerischen Rundfunk kommentiert Tilmann Kleinjung (@TilmannKk) den Vorgang und fragt sich, was jetzt kommt: Schon die Handreichung der Bischofskonferenz war ihm zu dogmatisch geraten. Wie könnte ein noch weitergehender Kompromiss mit denjenigen ausschauen, die sich gegen die Einladung konfessionsverschiedener Ehepartner zur Eucharistie verwehren? Müssen die jetzt konvertieren? Kleinjung verweist auf die Realität in vielen Gemeinden, wo die Eucharistie für konfessionsverbindende Ehepaare längst (in den Worten von ZDK-Präsident Thomas Sternberg) „gut funktionierende und wunderbare Praxis“ ist.

Aber ich wundere mich über Bischöfe, die über eine Praxis, die in anderen Teilen der Welt längst gängige Praxis ist, einen Streit vom Zaun brechen. Ich wundere mich über eine Logik, nach der sich die rechtfertigen müssen, die mehr Ökumene wollen und nicht die, die bremsen. Und ich wundere mich, dass Pfarrer und Gemeinden nicht laut protestieren. Wo bleibt der Aufschrei?

Nun kann man berechtigt fragen, was so eine Handreichung denn sonst leisten sollte als eine systematische Orientierung zum Thema und den Versuch, den „Wildwuchs“ in der Gemeindepraxis in geordnete Bahnen (Stichwort: seelsorgliche Begleitung durch einen Priester) zu leiten? Vielleicht bleibt der ganz laute „Aufschrei“ von der Basis ja deshalb aus, weil denen der dogmatische „Überbau“ schlicht wurscht ist? Eine solch egalitäre Haltung aber müssen sich Bischöfe nicht zu eigen machen. Wenn man sich ein Episkopat mit Lehrkompetenz leistet, dann muss man damit rechnen, dass die ihre Aufgabe ernst nehmen.

Direktorium zur Ausführung der Prinzipien und Normen über den Ökumenismus (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 110, 1993, S. 98 ff.)

In seinem offenen Brief an Kardinal Marx schlägt Peter Stosiek drei Pfosten ein, von denen einer die Verlautbarung des Apostolischen Stuhls zur eucharistischen Gastfreundschaft von 1993 ist. Auf der Suche nach einem einmütigen Kompromiss wird man sich auf solche Kirchendokumente (zurück-)besinnen müssen. Die Grundlagen sind längst gelegt, und haben herzlich wenig mit einem neuen Zeitgeist oder auch mit einem progressiven Papst zu tun. Nein, sie sind Folgen des 2. Vatikanischen Konzils. Wer hält dem Konzil heut‘ die Treue?

In jedem Fall hat sich ja nun doch noch ein genuin theologisches Thema für den Katholikentag am kommenden Wochenende in Münster gefunden. Glückwunsch, vielleicht muss doch nicht ausschließlich über die AfD gesprochen werden!

nachgefasst

24.04.2018 (istrici.wordpress.com)

Ein biographischer Blick auf die #Kreuz-Debatte (s. #LaTdH von letzter Woche):

Unter einem Kreuz, in dem österliche Zweiglein steckten, schwiegen wir dann einmal zusammen mit unserem Geschichtslehrer eine Stunde lang, nachdem eine Mitschülerin von einem betrunkenen Autofahrer getötet worden war. Bis der Lehrer am Ende der Stunde den unkatholischen Satz sagte: Und lasst Euch nicht einreden, es müsste immer alles einen tieferen Sinn haben. Und in dem Saal, in dem Ignatius von Loyola von der Wand herabschaute, habe ich nicht nur eine Abiturprüfung geschrieben, sondern auch zum ersten Mal eine Häftlingsnummer aus Auschwitz gesehen, sie war auf dem Arm des freundlichen jüdischen Herrn eintätowiert, den die Nonnen jedes Jahr als Zeitzeugen für uns Schülerinnen einluden.

#digitaleKirche

Die #digitaleKirche hat sich in den vergangenen Tagen gleich zwei Mal im Real Life getroffen. Zuerst auf dem Barcamp Kirche (#bckirche) in Wittenberg und unter der Woche auf der re:publica in Berlin.

Christoph Breit (@ChBreit) hat auf seinem Blog elkb2punkt0 Eindrücke von der re:publica aufgeschrieben. Seine kurzen Zusammenfassungen der von ihm besuchten Sessions können auch Daheimgebliebenen als Orientierung dienen, wenn sie sich auf Youtube die ein oder andere Veranstaltung anschauen wollen.

Über ihre re:publica-Eindrücke haben außerdem Sabine Depew auf ihrem Zeitzuteilen-Blog und Felix Neumann (@fxneumann) ausführlich bei katholisch.de geschrieben.

„Von Speedbooten und Guerillachurching“ schreibt Ines Hansla (@Ineshansla) auf ihrem Blog Kirchengezeiten über das Barcamp in Wittenberg, ebenfalls mit vielen angregenden Hinweisen für das nachträgliche Nachvollziehen. So verlinkt sie u.a. auf ein Etherpad, in dem alle Sessions des Barcamps kurz zusammengefasst werden. Da hat sich ein wunderbar breites Potpourri von digitalen Kirchenthemen versammelt.

Aaaah, ich brauche Content! – Klaus Ungerer (hpd)

Für den Humanistischen Pressedienst fällt Klaus Ungerer ein vernichtendes Urteil über Jana, das neue evangelische Youtube-Sternchen (s. #LaTdH vom 15. April). Ungerers zum Teil oberflächlichen Kommentar kann man in vielen Punkten widerprechen, z.B. was das recht eindimensionale Gottesbild des Autors angeht. Allerdings ist (wie fast immer) auch etwas dran an seiner Kritik:

Der Gott, der uns hier von der jungen Youtuberin entworfen wird, ist einer, der keine Gesellschaft begründet, einer ohne Regeln also, ohne wie auch immer geartetes ethisches Programm. Er ist der Helikopterpapa, der ihr jede Sekunde ihres Lebens verschönert: „Immer wieder und in den kleinsten Situationen zeigt mir Gott, hey, ich bin da.“ Gott ist nach dieser Lesart eigentlich nur so eine Art rezeptfreier Stimmungsaufheller. Glaube, was ist das?

Buntes

Wo bleiben eigentlich die 90 Prozent? – Erik Flügge (Christ & Welt, Anmeldung erforderlich)

Ein Ausschnitt aus dem neuesten Einwurf Erik Flügges (@erik_fluegge) zur Reform der (katholischen) Kirche ist auf ZEITonline anzuschauen. Entscheiden Sie selbst, ob sich der Kauf des im Herder-Verlag erschienenen Buches „Eine Kirche für viele statt Heiligem Rest“ lohnt.

Nix darf man mehr! – Markus Barth (markus-barth.de)

Die leidige Diskussion über Sprechverbote der „political correctness“ mag führen, wer Zeit und Kraft übrig hat. Stattdessen kann man es auch mit Markus Barth (@tweetbarth) halten und eine anstandsgrundierte ironische Distanz wahren:

Ich glaube, es gibt keine Diskussion, die mich auch nur annähernd so langweilt, wie die darüber, was man heute „noch sagen darf“ und was nicht. Vermutlich, weil sie immer gleich abläuft: Wir beschweren uns, dass man heute nichts mehr sagen darf, um dann ungefähr drei Stunden nichts anderes zu tun, als das zu sagen, was man nicht mehr sagen darf, ohne zu merken, dass man anscheinend schon noch sagen darf, wovon wir behaupten, dass man es nicht mehr sagen darf. Ja, das sind schlimme Zeiten der Zensur, in denen wir gerade leben!

Die Stille nach den Schüssen – Leo Forell (jungle.world)

Im vergangenen Jahr schoss ein Mann im sächsischen Torgau einem syrischen Flüchtling in die Brust, der Mann überlebte nur knapp. Der Prozess gegen den Schützen begann vergangene Woche. Obwohl beim mutmaßlichen Täter Nazi­devotionalien gefunden wurden, ist das öffentliche Interesse an dem Fall gering. Zeit, hinzuschauen!

Unbesungene Märtyrer – Christoph Strack (katholisch.de)

Christoph Strack (@Strack_C) schreibt über jene christlichen Märtyrer, über die wir in den Nachrichten nie hören. Auch, weil sie nicht Opfer islamistischer Terroristen werden, sondern in Ländern umgebracht werden, die wir Deutschen gerne bereisen. Eine wichtige Erinnerung.

Predigt

Immerhin kenne ich jetzt seinen Vornamen – Caspar Mierau (Leitmedium)

Ich weiß, das ist keine Predigt, sondern ein Bericht. Und keine leichte Kost. Trotzdem: Mich hat dieser Artikel von @leitmedium an ein altes Bibelwort erinnert, das in der langsam aufkommenden (und dringend notwendigen) Einsamkeits-Debatte eine Rolle spielen sollte: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43, 1b)

An der Wohnungstür klebt jetzt ein Polizeisiegel. Ob sie ein neues Schloss eingesetzt haben? Vorm Haus steht immer noch das Auto. Was damit wohl geschehen wird?, überlege ich. Wie lange wird es da noch stehen? Und ob wir jemals erfahren werden, was eigentlich passiert ist? Wahrscheinlich nicht. Niemand wird klingeln und die Geschichte des Nachbarn erzählen. Seine Wohnung wird einfach leer sein. Der Vermieter kann sie endlich sanieren und teuer neu vermieten. Vielleicht ja noch eine AirBnB-Bude. Das Haus wird ihn vergessen. Immerhin weiß ich jetzt seinen Vornamen. Und werde ihn auch nicht mehr vergessen.

Ein guter Satz

Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern

– Karl Marx‘ 11. These über Feuerbach und noch heute revolutionär