Schwierige Starts – Die #LaTdH vom 16. März
Die Unabhängigen regionalen Aufarbeitungskommissionen in der Evangelischen Kirche legen einen Stolperstart hin. Außerdem: Ärger um Bonhoeffer-Film und Promis auf dem Kirchentag.
Herzlich willkommen …
… zurück zu den regulären #LaTdH. Am vergangenen Sonntag gab es an dieser Stelle ein Handover anlässlich der feministischen Kampftage. Charlotte Jacobs schrieb darüber, was den Internationalen Frauentag, den Equal Pay Day und den Weltgebetstag verbindet und vor allem über Care. Lesen Sie gerne nach, wenn Sie es bisher noch geschafft haben! (Und wenn Sie sowieso auf Instagram unterwegs sein sollten, dann schauen Sie gerne mal auf dem Eule-Account vorbei: Wir haben die #LaTdH vom vergangenen Sonntag mit insgesamt drei Beiträgen aufbereitet.)
Die Bischöfin kommt! Mariann Budde, Bischöfin der Episkopalkirche in Washington, die beim Amtseinführungsgottesdienst für und zu Donald Trump predigte, wird als Podiumsgästin am Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hannover (DEKT, 30. April bis 4. Mai 2025) teilnehmen. Am Sonnabend, den 3. Mai, wird sie zur Primetime unter dem Titel „Wir können mutig sein“ mit dem ehemaligen EKD-Ratsvorsitzenden und jetzigen Vorsitzenden des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Heinrich Bedford-Strohm, diskutieren. Moderiert wird die Veranstaltung von der ZEIT-Journalistin Elisabeth von Thadden, die auch dem Präsidium des DEKT angehört. Buddes Einladung hatten sich insbesondere auf den Social-Media-Plattformen viele Menschen gewünscht. Schön, dass es geklappt hat! Über ihre prophetischen Worte zu Trump hatte ich im Januar hier in der Eule geschrieben.
Ein ganz klein bisschen weniger prominent nimmt sich das Podium „Intersektionaler Protest in Kirche und Theologie“ aus, auf dem wir bereits am 1. Mai (12:30 Uhr, Messehalle 6, Podcastbühne) ein „Eule-Podcast Q & R Live vom Kirchentag“ aufnehmen. Eule-Kolumnistin Carlotta Israel („Sektion F“) und ich werden interaktiv ganz im Sinne unseres Formats Question and Response (etwa: Frage und Entgegnung) Fragen aus dem Publikum diskutieren. Wir freuen uns über zahlreiche Teilnahme vor Ort!
Gute Nachrichten für alle, die es nicht zum Kirchentag nach Hannover schaffen: Das Podium mit Bischöfin Mariann Budde wird ausweislich des Kirchentagsprogramms auch digital übertragen, womöglich kann es auch zeitsouverän nachvollzogen werden. Und das „Eule-Podcast Q & R Live vom Kirchentag“ werden Sie nur wenige Tage nach dem Kirchentag im Magazin und in den „Eule-Podcast“-Feeds finden können.
Da ich wegen des Live-Podcasts ja ohnehin schon in Hannover bin, werde ich von dort aus (erneut) über den gesamten Kirchentag berichten. Solche Dienstreisen im Auftrag der Eule sind nur möglich durch die Unterstützung unserer Abonnent:innen, denn sie kosten schließlich ordentlich Zeit und Geld. Unterstützen Sie jetzt Die Eule mit einem Eule-Abo! Mit einem Unterstützer:innen-Abo für nur 7 € im Monat helfen Sie dabei, dass wir von wichtigen Ereignissen live berichten können.
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
Debatte
In der Evangelischen Kirche und der Diakonie sollen in den kommenden Wochen die Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen (URAKs) starten, die in der Gemeinsamen Erklärung von Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) und Diakonie mit der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) der Bundesregierung, Kerstin Claus, vom Dezember 2023 verabredet wurden (s. #LaTdH vom 17. Dezember 2023, Erklärung als PDF, Auslegungshilfe als PDF). Seither haben wir die Entwicklung in mehreren Eule-Beiträgen nachverfolgt (z.B. hier, hier & hier).
In dieser Woche nun verkündeten die Ratsvorsitzende der EKD, Bischöfin Kirsten Fehrs (Sprengel Hamburg und Lübeck, Nordkirche), und Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch den Start der URAKs. Die URAKs sollten nicht mit jenen Kommissionen in Landeskirchen (und Verbünden von Landeskirchen und Diakonischen Landesverbänden) verwechselt werden, die für die Vergabe der sog. Anerkennungsleistungen zuständig sind, für die gegenwärtig auch an einer neuen einheitlichen Ordnung gearbeitet wird.
Wie so häufig bei den im Indikativ formulierten Wasserstandsmeldungen zu Fortschritten auf dem Handlungsfeld sexualisierte Gewalt, ist auch bei den Meldungen von dieser Woche Vorsicht geboten. Die Gemeinsame Erklärung hatte festgehalten, dass die URAKs spätestens 15 Monate nach Unterzeichnung der Erklärung ihre Arbeit aufnehmen sollen. Dieser Zeitraum läuft Ende März 2025 aus. Insgesamt werden 9 URAKs in Verbünden gegründet, die (zumeist) über Landeskirchengrenzen hinausreichen und verfasste Kirche und Diakonie in ihren Regionen umfassen.
Die konstituierenden Sitzungen in 7 von 9 URAKs werden tatsächlich in den kommenden Wochen stattfinden. Damit aber beginnt die Arbeit der URAKs erst, die zum Teil seit Monaten von den Geschäftsführer:innen vorbereitet wurde. (In den Verbünden „Ost“ (EKM, Anhalt, Diakonie Mitteldeutschland) und „Sachsen“ wurden die Geschäftsführungen erst Anfang 2025 besetzt.)
Schwierige Suche nach Betroffenen und Expert:innen
Die Kommissionsarbeit darf erst beginnen, wenn alle Mitarbeitendengruppen benannt sind und „mit am Tisch sitzen“. In den Kommissionen sollen Vertreter:innen von Kirche und Diakonie, Betroffene sexualisierter Gewalt aus kirchlichen und diakonischen Kontexten sowie von den Landesregierungen benannte Expert:innen zusammenarbeiten.
Um die Betroffenenbeteiligung zu organsieren, wurden in den Verbünden Betroffenen-Foren eingerichtet, aus denen heraus Betroffenenvertretungen entstehen (sollen), die wiederum Vertreter:innen für die URAKs wählen (sollen). In den Verbünden „Konföderation und Bremen“ und „Sachsen“ kommt es jedoch wegen der Besetzung der URAKs nun zu weiteren Verzögerungen.
In Sachsen konnten weder die Posten der Betroffenenvertreter:innen noch die der unabhängigen Expert:innen fristgerecht besetzt werden. Die Landesregierung in Sachsen wollte erst nach der Landtagswahl im Herbt 2024 ihren Personalvorschlag unterbreiten. Er liegt bis heute nicht vor. Am 5. April 2025 wird ein weiterer Workshop für Betroffene in Meißen stattfinden, bei dem die sächsische Landeskirche (EVLKS) hofft, Vertreter:innen für die URAK zu finden. Bereits im März 2024 hatte ein erstes solches Treffen stattgefunden. Die EVLKS war damals bei der Organisation der notwendigen Betroffenenbeteiligung für die URAKs besonders früh am Start. Mit einer Konstituierung der sächsischen URAK ist meiner Einschätzung nach nicht vor dem Sommer 2025 zu rechnen.
Eine komplizierte Sache
Früh dran zu sein allein, ist angesichts der komplexen Konstruktion der URAKs keine Garantie für eine erfolgreiche Arbeit. Die Suche nach Betroffenenvertreter:innen, die gewillt sind, sich der fordernden Mitarbeit in den URAKs zu stellen, ist nach Informationen der Eule in allen Verbünden eine große Herausforderung (gewesen). Zwar stehen Kirche/Diakonie in der Pflicht, die Betroffenenbeteiligung zu ermöglichen und z.B. zu den Betroffenenforen einzuladen, zugleich will man dem Eindruck wehren, man suche sich genehme Betroffenenvertreter:innen für die Mitarbeit aus.
Auch die von den Landesregierungen benannten Expert:innen fügen sich keineswegs schnell in den anlaufenden Arbeitsprozess ein. Von einzelnen Landesregierungen wurden Personen ohne vorherige Rücksprache mit ihnen benannt, die erst von Kirche/Diakonie über die möglicherweise vor ihnen liegende Tätigkeit aufgeklärt werden mussten. Nicht alle der Kandidat:innen standen tatsächlich für die jahrelange und ehrenamtliche Mitarbeit zur Verfügung.
Außerdem gibt die Gemeinsame Erklärung von Diakonie/Kirche und UBSKM zwar einen Rahmen für die Arbeit der URAKs vor und die Fachstelle Sexualisierte Gewalt im Kirchenamt der EKD hat einen umfangreichen Prozess zur Errichtung der URAKs designed, aber „einheitliche Standards“ gibt es für die tatsächliche Aufklärungs- und Aufarbeitungsarbeit der URAKs gerade noch nicht – auch wenn die Pressemitteilungen dieser Woche das behaupten.
Missbrauch in evangelischer Kirche: Aufarbeitung verzögert sich – Florian Breitmeier (NDR)
Über die Verzögerung im Verbund „Konföderation und Bremen“ berichtet Florian Breitmeier für den NDR: Der URAK sind die zwei bereits benannten unabhängigen Expertinnen nach einer Intervention von Betroffenen wieder abhanden gekommen.
Die frühere grüne Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz und die ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete Thela Wernstedt, die heute Präsidentin der Klosterkammer Hannover ist, […] wollen beide nun nicht mehr in der Aufarbeitungskommission mitarbeiten. Der Grund: Eine Mehrheit der Betroffenenvertretung für Niedersachsen und Bremen hat sich gegen eine Zusammenarbeit mit Thela Wernstedt und Antje Niewisch-Lennartz ausgesprochen. Der Vorwurf lautete: Diese seien zu kirchennah.
Der Verbund „Konföderation und Bremen“ ist der an Landeskirchen und Diakonischen Landesverbänden größte der 9 Verbünde. Er umfasst die Landeskirchen Braunschweig, Hannover, Oldenburg, Schaumburg-Lippe, die Bremische Evangelische Kirche (BEK) und die Evangelisch-reformierte Kirche sowie das Diakonische Werk Bremen, das Diakonische Werk Niedersachsen und die Diakonischen Werke Oldenburg, Schaumburg-Lippe und der Ev.-reformierten Kirche. Allerdings ist es für die Landeskirchen keineswegs die erste Kooperation, die evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen arbeiten in der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen bereits auf vielen Handlungsfeldern – häufig auch mit der BEK – zusammen.
Bereits im Frühjahr 2024 konnte im Nordwesten als erstem aller Verbünde die Geschäftsführung der URAK besetzt werden. Lange Zeit lag man also sehr gut im Zeitplan. Im Herbst benannte die Landesregierung die beiden unabhängigen Expertinnen, gegen die nun von Betroffenen votiert wurde. Beide zogen sich daraufhin von diesem neuen Ehrenamt zurück.
Die Niedersächsische Landesregierung will jedoch keinen Ersatz benennen, die Kritik an den von ihr benannten Expertinnen hält sie für „unhaltbar“: Die „vorab und pauschal von einigen der Betroffenen völlig ungerechtfertigterweise erklärte Ablehnung wirft leider zugleich grundsätzliche Fragen auf“, erklärte die Landesregierung gegenüber dem NDR.
Ist die Kritik der Betroffenen an den beiden Expertinnen denn berechtigt? Die Palliativmedizinerin Thea Wernstedt arbeitet u.a. im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentages (DEKT) mit und die Juristin Antje Niewisch-Lennartz legte erst anlässlich ihrer Berufung in die URAK ihr Mandat in der hannoverschen Landessynode nieder, wo sie auch dem Rechtsausschuss angehört hat. Gerade in der Landeskirche Hannovers wurde insbesondere rund um den Tatkontext Oesede – s. hier & hier in der Eule – über die juristische Handhabung der Missbrauchsfälle diskutiert. Warum benannte die Landesregierung nun ausgerechnet zwei derart profilierte „Kirchenfrauen“?
Die Landesregierung bedauert es sehr, sieht sich aber derzeit außerstande, die Arbeit der Kommission durch Benennung anderer Personen zu unterstützen. […] Völlig offen ist damit, ob und wann die Landesregierung in den Prozess wieder einsteigen möchte. Klar ist: Mit den jüngsten Entscheidungen liegt die Arbeit der Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission in Niedersachsen und Bremen erst einmal auf Eis.
Kirchennähe und Expertise
Die Gemeinsame Erklärung von Kirche/Diakonie und UBSKM hatte festgehalten: „Weniger als 50 Prozent der Mitglieder dürfen Beschäftigte der Evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören.“ An diese feste Regel müssen sich die Verbünde halten, prinzipiell darf es jedoch unter den Betroffenenvertreter:innen und Expert:innen Kirchenmitarbeitende geben. Doch was heißt Kirchennähe? Antje Niewisch-Lennartz beklagte gegenüber dem NDR, dass es dafür „keine Definition“ gebe.
Aus der Lektüre der Gemeinsamen Erklärung jedenfalls wird man nicht schlau. Eine Kirchenmitgliedschaft allein begründet sicher noch keine „Kirchennähe“ im Sinne der Erklärung. Bei einer langjährigen, anhaltenden oder gerade erst beendeten ehrenamtlichen Mitwirkung sieht das sicher anders aus. Eine solche aber bedeutet auch „Kirchenexpertise“, die in den URAKs auch jenseits der originär von den Leitungen von Kirche und Diakonie berufenen Mitglieder vorhanden sein sollte. Allein schon, um sich bei der Arbeit in den URAKs nicht ungeprüft auf Voten der Vertreter:innen der verfassten Kirche / diakonischen Verbände verlassen zu müssen.
Allen unabhängigen Expert:innen der 9 URAKs ist ein gewisses Interesse zu eigen, Betroffenen und der Institution Kirche bei der Aufarbeitung zu helfen. Doch in welchem Verhältnis stehen diese beiden Anliegen zueinander? Das ist am Ende eine Frage der Einzelfallprüfung und für die mitwirkenden Betroffenenvertreter:innen und Expert:innen sicher auch eine Gewissensfrage.
nachgefasst I: #digitaleKirche
Zeitenwende in der digitalen Kirche? – Philipp Greifenstein (Die Eule)
Nach „Zeitenwende“, Corona-Pandemie und Trump-Wiederkehr tritt die digitale Kirche in eine neue Phase ein. In den ja nur wenigen Wochen der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump hat eine Spaltung des transatlantischen Bündnisses von Europäischer Union und USA Gestalt gewonnen, die sich in den Jahren 2020 und 2022 kaum jemand hätte vorstellen können. Spätestens diese „Zeitenwende 2.0“ stellt auch die digitale Kirche in Deutschland vor Herausforderungen.
Hinzu kommen Umwälzungen in der Social-Media-Landschaft, die auch kirchliche und christliche Medienschaffende vor neue Herausforderungen stellen. Manche von ihnen reichen unmittelbar in den Bereich unserer (persönlichen) Sicherheit und Daseinsvorsorge. Die Digitalisierung hat längst ihre Anmutung als Hobby oder Orchideen-Fach verloren und ist zum zentralen Schauplatz von Politik, Kulturkampf (Meta-Politik) und Kriegsführung geworden. […]
Es wäre würdig und recht, heilsam und billig obendrein, wenn die digitale Kirche aus ihren Silicon-Valley-Träumen aufwacht. Die Interessen der digitalen Kirche und von christlichen Medienschaffenden sind nicht identisch mit denen der Tech-Giganten.
Digital Tutorial Nr. 6: Digitale Meta-Politik – Philipp Greifenstein (Die Eule)
In einer neuen Ausgabe unseres Eule-Newsletters über Digitalisierung in Kirche und Theologie „Digital Tutorial“ habe ich in dieser Woche über einen Offenen Brief zahlreicher zivilgesellschaftlicher (und kirchlicher) Organisationen an die Sondierer:innen von CDU/CSU und SPD geschrieben, in denen die Unterzeichnenden eine bessere Regulierung von Online-Plattformen und eine gemeinwohlorientierte Digitalisierung fordern. (Zum „Digital Tutorial“-Newsletter können Sie sich hier einfach anmelden.)
Sowohl im Essay als auch im Newsletter komme ich auf das neue Buch von Ingo Dachwitz und Sven Hilbig „Digitaler Kolonialismus: Wie Tech-Konzerne und Großmächte die Welt unter sich aufteilen“ (C.H. Beck 2025) zu sprechen. Eine wirklich anregende, zuweilen aufwühlende Lektüre! Dachwitz und Hilbig zeigen, auf wessen Kosten wir unser Leben in der Digitalität jetzt schon gestalten. Und man ahnt, welche drastischen Probleme ein data colonialism der US-Techgiganten erst noch generieren wird.
nachgefasst II: Catholica
Vatikan-Experte: Kampf um Franziskus-Nachfolge hat schon begonnen – Interview von Mario Trifunovic mit Marco Politi (katholisch.de)
Der Vatikanexperte und Papstkenner Marco Politi hat ein neues Buch über Papst Franziskus geschrieben („Der Unvollendete. Franziskus‘ Erbe und der Kampf um seine Nachfolge“, Herder 2025). Im Interview bei Mario Trifunovic bei katholisch.de ordnet er die Lage um den immer noch im Krankenhaus befindlichen Papst ein:
„Die Frage wird sein, ob er weitermacht oder ob er sich zurückzieht. Franziskus will auf jeden Fall noch das Jubiläumsjahr leiten und bei den großen Feiern dabei sein, aber am Ende des Jahres wird er 89 Jahre alt sein. Dann muss eine Entscheidung getroffen werden.“
Weitere Meldungen aus der römisch-katholischen Welt: Der Staat Vatikanstadt hat zum ersten Mal eine Frau, die Ordensschwester Raffaella Petrini, als Regierungschefin, berichtet Severina Bartonitschek für die KNA auf katholisch.de. Außerdem gibt es neue Informationen zur „Umsetzungsphase“ der Bischofssynode zur Synodalität, die im vergangenen Herbst zu Ende gegangen war, aber irgendwie doch nicht fertig ist: 2028 soll es wieder eine Kirchenversammlung des weltweiten Synodalen Prozesses in Rom geben, berichtet die KNA. Ist Franziskus dann noch Papst?
Münster: Umstrittener US-Bischof Barron erhält Josef-Pieper-Preis – Louis Berger (Kirche + Leben)
Eine Meldung aus der vorvergangenen Woche reiche ich hier gerne noch nach: Für die Kirche + Leben berichtet Louis Berger über den Preisträger des Josef-Pieper-Preises 2024, der am 27. Juli verliehen werden soll: Bischof Robert Barron (Winona-Rochester, Minnesota (USA)). Der ist bei Leibe kein Unbekannter, denn seine Organisation „Word on Fire“ spielt in den US-Kulturkämpfen immer wieder eine prominente Rolle. Die Laudatio auf Barron soll der Passauer Bischof Stefan Oster halten.
Kritik an der Entscheidung kommt gleichwohl von Thomas Sternberg, einem der drei Stifter und bis 2016 geschäftsführender Vorstand der Josef-Pieper-Stiftung. Der frühere Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Sternberg war zudem von 1988 bis 2016 Direktor der Akademie Franz-Hitze-Haus, an welche die Josef-Pieper-Stiftung bis 2022 angegliedert war. Kirche + Leben sagt er, Pieper sei ein „freier Geist gewesen, der sich in keiner der Schablonen einpassen lassen wollte“. Der Philosoph eigne sich deshalb nicht für „Vereinnahmungen gleich in welche Richtung“. Sternberg treibe die Sorge um, ob sich die Stiftung „jene Freiheit, die dem Namensgeber so wichtig war […], erhalten kann“.
Buntes
Wegen des deutschen Kinostarts ist in den vergangenen Tagen die Debatte um den neuen Bonhoeffer-Film „Bonhoeffer“ (engl.: „Bonhoeffer: Pastor. Spy. Assassin.“) erneut angelaufen (s. #LaTdH vom 27. Oktober & 1. Dezember 2024). Bevor ich zu einigen frischen Einschätzungen komme also eine Erinnerung an die Kritik-Einordnung von Thorsten Dietz von Oktober 2024 beim schweizerischen RefLab und die Offenen Briefe von Bonhoeffer-Expert:innen (DIE ZEIT, €) und der Bonhoeffer-Nachfahren (Berliner Morgenpost) sowie die Filmbesprechung von Hannes Stein in der WELT.
Ein paar Liter Schmalz – Philipp Gessler (zeitzeichen)
Den neuen Bonhoeffer-Spielfilm von Todd Komarnicki könne man getrost verpassen, erklärt zeitzeichen-Redakteur Philipp Gessler in seiner Filmkritik, die ziemlich nah dran an einem Totalverriss ist. Insbesondere beklagt Gessler, dass der Film nicht bei der „historischen Wahrheit“ bliebe, zum Beispiel was die näheren Umstände von Bonhoeffers Hinrichtung angeht.
Etwaigen Invektiven, die evangelische Publizistik gehe ja gewohnheitsmäßig überkritisch mit kulturellen Artefakten ins Gericht, in denen Kirche und Theologie mal von sonst nicht mit den Thematiken befassten Akteur:innen aufgegriffen werden, entgegnet Gessler proaktiv, dass zwar die Aufregung vom Herbst 2024 etwas übertrieben gewesen sei, man sich aber …
… [d]ennoch über diesen schlechten Film zurecht immer noch genug aufregen [kann]. Er verschenkt die Chance, das in sich schon bewegende Leben von Bonhoeffer, seinen Mut und sein faszinierendes Denken so zu schildern, wie es eben war. Das hätte völlig gereicht. Es wäre immer noch ein hoch dramatischer, spannender und lehrreicher Spielfilm geworden. Todd Komarnicki aber hatte dieses Vertrauen weder in diese wahre Geschichte noch in sein Publikum, das er offensichtlich für blöder hält, als es ist. Wie schade!
Bonhoeffer hatte auch Angst – Frank Muchlinsky im Gespräch mit Christiane Tietz (evangelisch.de, 22 Minuten)
Anlässlich der Deutschlandpremiere hat sich evangelisch.de-Redakteur und Pfarrer Frank Muchlinsky mit der (recht frischen) Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und ausgewiesenen Bonhoeffer-Expertin Christiane Tietz vor der Kamera getroffen. Bis gerade eben noch war die ehemalige Vorsitzende der deutschsprachigen Sektion der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft (2008-2018) Professorin für Systematische Theologie in Zürich.
Das Gespräch ist ganz nett, auch wenn ich mich frage, an wen es sich eigentlich richtet. Junge Menschen, die man irgendwie an die Hand nehmen müsste, wenn es um die Vorstellung von Bonhoeffers Leben und Werk geht? An Theologie interessierte Zeitgenoss:innen, denen man die Kontroverse über den Film begreiflich machen will? Social-Media-Nutzer:innen in einem unbestimmten Sinne, die man anlässlich des Films für Kirche begeistern will? Kannten Sie schon „Von guten Mächten“? Anyway …
Christiane Tietz redet jedenfalls sympathisch über Bonhoeffer und bewertet den Film mit nur 1 von 5 „Sternchen“. Eine wirklich nachvollziehbare Kritik am Film bietet das Gespräch nicht (und der Titel ist, wie Christiane Tietz im Gespräch eigentlich ausführlich erklärt, auch daneben, denn im Film wird Bonhoeffer durchaus als ängstlicher Mensch gezeigt). Ich habe, wie auch Muchlinsky, den Film noch nicht gesehen, insofern gibt’s an dieser Stelle keine Einschätzung von mir.
Sich den Spielfilm von über zwei Stunden Dauer reingezogen hat sich aber – ausweislich des aktuellen Berichts von Gregor Wossilus für den BR / tagesschau.de – Heinrich Bedford-Strohm. Glaubt man dem Instagram-Kanal der Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich, hat HBS gemeinsam mit ihr und Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch die Premiere in Berlin besucht. Er jedenfalls, der noch im Herbst 2024 Co-Autor des Offenen Briefes in der ZEIT war, meint jetzt:
„Es gibt Lücken. Ich würde mir wünschen, dass dieser Einsatz für soziale Gerechtigkeit, für die Schwachen, der Blick von unten in diesem Film deutlicher zum Ausdruck kommt. Es ist ein bestimmter Blick auf Bonhoeffer, und deswegen reicht der Film nicht aus. Aber sich darauf einzulassen, sich auch selbst ein Urteil zu bilden, das macht schon Sinn. Ich würde mir wünschen, dass Menschen diesen Film sehen, aber sich dann auch vertieft mit Bonhoeffer beschäftigen.“
Wann, wenn nicht beim Sujet Bonhoeffer, sollten fromme Wünsche wie dieser erlaubt sein?
Ein guter Satz
„Das Wort kommt nicht zu den Lärmenden, sondern zu den Schweigenden.“
– Dietrich Bonhoeffer, „Gemeinsames Leben“ (1938)
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