Umkehr & Zeitenwende – Die #LaTdH vom 27. März

Die Kirchen als Lobbyisten für den Frieden? Der Ukraine-Krieg provoziert ein Umdenken in der Friedensbewegung. Außerdem: Eine Ausstellung, ein Jubiläum und ein geduldiges Elternteil.

Herzlich Willkommen!

Heute Nacht wurde wieder an der Uhr gedreht, um eine Stunde wurden die Zeitmesser auf die „Sommerzeit“ vorgestellt. Die sonst übliche Debatte über Sinn und Unsinn der „Zeitumstellung“ ist angesichts neuer Inzidenz-Rekorde in der Corona-Pandemie, der Sorge um explodierende Energiekosten und der Bilder des eskalierenden Ukraine-Kriegs diesmal offenbar ausgeblieben.

„Zeitenwende“ – so nannte Bundeskanzler Olaf Scholz den russischen Überfall auf Twitter und in seiner Regierungserklärung. Gravierende Änderungen stünden bevor, in der Verteidigungspolitik und der Energieversorgung. Inzwischen hat der Begriff Kreise gezogen und wird auch in der Diskussion über die Tragfähigkeit bisher grundlegender Positionen von Friedensethik und gewaltfreier Konfliktbewältigung verwendet.

„Umkehr“ – das ist einer der zentralen Begriffe des jüdischen wie christlichen Glaubens, verbunden mit der Verheißung, mit der Hinwendung zu Gott sei auch eine Wende zum Heil verbunden, wie sie im Gleichnis Jesu vom barmherzigen Vater im heutigen Tagesevangelium deutlich wird.

Einen guten Start in die neue Woche wünscht Ihnen
Ihr Thomas Wystrach


Debatte

Pax Christi macht vor, wie Umkehr in der Kirche geht – Thomas Seiterich (katholisch.de)

Der frühere @publikforum-Redakteur Thomas Seiterich findet es „beispielhaft“, wie die deutsche Sektion der römisch-katholischen Friedensbewegung Pax Christi (@pax_christi) mit Fehlern umgeht: Sie gebe falsche Einschätzungen zu und schreibe an ihre Mitglieder. In der Kirche sei das eine Seltenheit, meint Seiterich in seinem Standpunkt bei @katholisch_de:

Für tief überzeugte christliche Friedensbewegte ist das starker Tobak. Das Eingeständnis, viele Jahre in die Irre gegangen zu sein, trotz der Partnerschaften, die Pax Christi seit Jahrzehnten mit Menschen in Russland, der Ukraine und den Ländern Ostmitteleuropas pflegt.

Natürlich wird im Anschluss das Pax Christi konstituierende Bekenntnis zur „Option für die Gewaltfreiheit“ bekräftigt. Zugleich aber auch der Vorsatz, den Partnern im Osten Europas künftig fairer und nicht als eingebildete politische Wahrheitsbesitzer zuzuhören. Beeindruckend finde ich den freien Geist der Selbstkritik. Er ist in der Politik nicht leicht. Doch wo ist er innerkirchlich anzutreffen?

Auch Robert Seither, Gemeindereferent in Frankfurt am Main und langjähriges Mitglied von Pax Christi, rät in einem Leserbrief an das Theologische Feuilleton @feinschwarz_net zu „Reue – Schuldbekenntnis – Umkehr“:

Die Besinnung auf diesen biblischen Dreischritt könnte der christlichen Friedensbewegung helfen, ihre Berufung neu zu entdecken.

Kehrtwende bei der Friedensbewegung – Pascal Beucker (Jungle World)

Abgesehen von manchen unverbesserlichen Putin-Apologeten setze kurz vor den traditionellen „Ostermärschen“ ein Umdenken in der deutschen Friedensbewegung ein, schreibt Pascal Beucker (@PascalBeucker) in der linken Wochenzeitung Jungle World (@Jungle_World).

Der Angriff Russlands auf die Ukraine untergrabe lang gehegte Glaubenssätze der Pazifisten. Ihr bisheriger „Minimalkonsens“ sei die Gegnerschaft zur Nato gewesen, basierend auf einer „fatalen Lebenslüge“, die von den russischen Bomben zerstört worden sei:

Bemerkenswert ist, dass nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Teile der Linken ihr – schon zu Sowjetzeiten falsches – Bild Russlands als vermeintliche Friedensmacht beibehalten haben. (…) Rational ist die allzu lange vorherrschende unkritische Einstellung zu einem rechten Autokraten wie Putin nur schwer erklärbar, der nicht erst seit gestern einer aggressiven großrussisch-zaristischen Ideologie anhängt.

In einer Replik auf den Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander, der in einem Gastbeitrag auf katholisch.de dem Papst und der „Appeasement-Politik“ des Vatikan ins Stammbuch geschrieben hatte, es gebe „derzeit keine gebotene Neutralität und weise Äquidistanz mehr, wie man es mit autoritärer Herrschaft hält“, wittert der Befreiungstheologe Michael Ramminger vom Institut für Theologie und Politik (@ITP_Muenster) in dieser Kritik ein „Freund-Feind-Denken, das in dieser Situation des Krieges Öl ins Feuer gießt“. Er ertrage die „Krokodilstränen“ über das Leiden der Ukraine nicht und werde „für keine Nation Partei ergreifen“.

Wenn nicht die Kirche, wer dann? – Antonia Moser (ref.ch)

In Zeiten des Kriegs habe der Pazifismus einen schweren Stand. Betroffene demonstrieren Kampfeswillen, Politiker fordern Aufrüstung. Wer sich weiterhin für Gewaltfreiheit ausspreche, ernte bissigen Spott und Vorwürfe von Naivität und „Weltfremdheit“.

In dieser Situation könnten die Kirchen eine wichtige Gegenstimme sein, meint Antonia Moser (@moseranto) in ihrem Beitrag im reformierten Nachrichtenportal der Deutschschweiz (@refpunktch). Denn der Einsatz für den Frieden gehöre zu ihren Kernaufgaben:

Während sich Politiker um harte Fakten kümmern müssen, könnte die Kirchen solche „Utopien“ oder neue Realitäten propagieren. Das „Reich Gottes“, worauf Christinnen hoffen, ist ein friedliches Reich. Jesus bringt einen allumfassenden Frieden, weil er die Schuld der Menschen überwindet. Es ist die innerste Bestimmung der Kirche, zum Frieden aufzurufen. Erst recht in Zeiten, wo dies weltfremd scheint.

Ohne diese Stimme besteht die Gefahr, sich zu schnell in Heldenmythen und Rachegedanken zu verlieren. Es braucht eine Instanz, die daran glaubt, dass Frieden möglich ist. Eine Instanz, die Alternativen aufzeigt zum Recht des Stärkeren und eine Instanz, die sich für die Schwachen einsetzt.

Die Kirchen haben zum Gebet aufgerufen, sie haben interreligiöse Friedensgebete organisiert, und sie haben landesweit die Glocken läuten lassen. Kirchgemeinden haben sich solidarisch gezeigt, Geld gesammelt und unkompliziert Hilfe organisiert. Das ist lobenswert, aber zu wenig. Die Stimme der Kirche muss noch lauter hörbar werden, der Ruf nach Frieden muss lauter erklingen. Wenn nicht die Kirche diesen einfordert, wer dann?

In der Sondersitzung des Bundestages vor einem Monat hatte Annalena Baerbock (@ABaerbock) von einer „außenpolitische(n) 180-Grad-Wende im richtigen Moment und bei vollem Bewusstsein“ gesprochen – auch in der friedensethischen Debatte in den Kirchen wird ähnliches angemahnt.

Akademiedirektor Jörg Hübner erinnert in seinem Beitrag auf dem Blog der Evangelischen Akademie Bad Boll (@EvAkademieBoll) daran, eine Kehrtwende müsse „im Diskurs und in der Auseinandersetzung“, „im Hören auf unterschiedliche Stimmen und Einsichten“ und „in der vertieften Wahrnehmung biblischer Weisungen“ erfolgen:

Aber in der Konsequenz, dass wir uns für ukrainische Flüchtlinge in den Kirchengemeinden einsetzen. Und, dass wir in unseren Kirchen die friedensförderlichen Mittel für den kirchlichen Entwicklungsdienst nicht auf null setzen, weil wir selbst kein Geld mehr haben.

Alles andere hieße, das (Selbst-)Bewusstsein an den Nagel zu hängen, den Frieden von anderen zu fordern und Gottes Hoffnung auf eine friedliche Welt in den Papierkorb zu werfen. Dann hätte die evangelische Friedensbotschaft erst recht ihre reale Basis verloren.

Was wir jetzt opfern müssen – Philipp Greifenstein (Die Eule)

Philipp Greifenstein (@rockToamna) meldet in seinem Beitrag hier in der Eule „Restzweifel“ an, ob wirklich alle langgehegten Überzeugungen „über den Jordan geführt werden müssen“. Statt des „vielfach beschworenen militärischen Heroismus“ werde es vielmehr darauf ankommen, die humanitäre Krise für hunderttausende Geflüchtete zu bewältigen:

Das wird mehr von uns verlangen als Nachbarschaftshilfe und Zivilcourage, nämlich koordiniertes staatliches Handeln. Und es wird kosten: Geld und die kostbare Währung „gesellschaftlichen Zusammenhalt“.

Es sei daher „ein richtiges Zeichen“, dass der Rat der EKD (@EKD) mit Christian Stäblein (@chrstaeblein) zum ersten Mal einen Beauftragten für Flüchtlingsfragen berufen habe. Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (@ekbo_de), der bei der letzten EKD-Ratswahl ziemlich lange ziemlich chancenlos im Rennen geblieben war, erhält nun ein Amt, das Bedeutung über seine Landeskirche hinaus hat.

Damit schließt die EKD zur römisch-katholischen Kirche auf, die mit dem Hamburger Erzbischof Stefan Heße bereits seit 2015 einen „Sonderbeauftragten für Flüchtlingsfragen“ hat. Flüchtlingsbischof Heße lobte in einem Interview in der vergangenen Woche „die große Hilfsbereitschaft und das Engagement der Kirchen“. Man habe „innerhalb kürzester Zeit Initiativen aus den Jahren 2015/2016 reaktiviert“. Auch Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa (@NYwelskop) zeigt sich in einem Interview beeindruckt von der Willkommenskultur.

Christ:innen waren und sind bei der Flüchtlingshilfe stark engagiert, doch wird unter ihnen immer wieder auch über den richtigen Umgang mit Flüchtlingen und Migranten gestritten, etwa bei der Integration von Vertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg, dem Umgang mit „Gastarbeitern“ oder der Aufnahme von „Boat People“ nach dem Vietnamkrieg. Solchen Kontinuitäten bzw. historischen Abbrüchen geht der Online-Vortrag von Jonathan Spanos nach, der exklusiv für Eule-Abonnent:innen am Dienstag, 5. April, um 20 Uhr, stattfindet.

nachgefasst

Lang erwartet und doch überraschend hat Papst Franziskus am Samstag vor acht Tagen mit der Apostolischen Konstitution „Praedicate Evangelium“ seine neue Kurienverfassung veröffentlicht. Viele Maßnahmen der Reform sind bereits in Kraft. Die wichtigsten Punkte hatte Gudrun Sailer (@gusailer) direkt nach Erscheinen auf der offiziellen Nachrichtenseite Vatican News (@vaticannews_de) zusammengefasst. Andreas R. Batlogg SJ nannte in seiner ersten Analyse für die österreichische Wochenzeitung „Die Furche“ (@diefurche) das Dokument einen „großen Wurf“.

Sparsamer und mit mehr Frauen? – Felix Neumann (katholisch.de)

Für seine detaillierte Einschätzung der Kurienreform hat sich Felix Neumann (@fxneumann) ein paar Tage Zeit genommen. Der Spin der vatikanischen Pressekonferenz, mit dem „neuen Organisationserlass“ (für Neumann „ein treffenderes weltliches Äquivalent als die ebenfalls häufig verwendete Formulierung einer neuen ‚Verfassung'“) wäre eine „Stärkung der Rolle von Frauen in der Leitung von Kirche“ verbunden, sei zunächst aufgegangen. Manche witterten bereits „Morgenluft für Reformanliegen auf diesem Gebiet“. Doch das Dokument scheine „mit heißer Nadel gestrickt“ – und vieles nicht so, wie der erste Blick suggeriere:

Ja, Laien können künftig auch Leitungsfunktionen in der päpstlichen Verwaltung übernehmen – aber ist das primär eine Aufwertung von Laien, oder Ergebnis einer ekklesiologischen Herunterstufung der Kurie?

Erklärtes Ziel, auch in der Konstitution selbst, ist eine Verschlankung der Kurie. Doch gibt es die wirklich – oder wurden nicht eigentlich nur Zuschnitte und Zuständigkeiten geändert und Bezeichnungen vereinheitlicht bei einem im Wesentlichen gleich gebliebenen Arbeitspensum der Kurie? Und kann eine Organisationsreform tatsächlich die Kirche stärker auf Mission und Evangelisierung ausrichten?

Macht wird möglich – Raoul Löbbert (Christ & Welt)

Auch Raoul Löbbert (@RaoulLoebbert) ist in dem 54-seitigen Text „ein Hammer oder genauer: ein katholisches Hämmerchen“ aufgefallen: Wenn die Dikasterien zukünftig auch von Laien geleitet werden könnten, kämen dafür ja auch Frauen in Frage, schreibt er in der ZEIT-Beilage Christ & Welt (@christundwelt):

Doch wie wahrscheinlich ist es, dass es bald die erste Präfektin des Dikasteriums für die Glaubenslehre formerly known as Glaubenskongregation formerly known as Inquisition gibt? Immerhin hat Franziskus vereinzelt und innerhalb des bisherigen Rahmens Frauen in Positionen berufen. (…)

Pope Francis’ „Bottom-up“ Revolution – Christopher Lamb (Go, Rebuild My House, englisch)

Auch Christopher Lamb (@ctrlamb), Vatikan-Korrespondent der englischen katholischen Zeitschrift The Tablet (@The_Tablet), sieht in „Praedicate Evangelium“ einen Wendepunkt erreicht, nicht zuletzt in der „bahnbrechenden Entscheidung“ („bombshell ruling“), dass jeder entsprechend qualifizierte Katholik oder jede Katholikin eine vatikanische Abteilung leiten könne:

Diese Mini-Revolution geht weit über die Frage hinaus, wer die Spitzenposten in Rom bekommt. Es geht darum, das tiefere Problem anzugehen, das dem Mangel an Berufungen zugrunde liegt: mangelnde Beteiligung. Und das wiederum entspricht der dringenden Notwendigkeit, Frauen in Führungspositionen in der institutionellen Kirche zu bringen. (…)

Die größere Herausforderung wird eine kulturelle sein. Wenn das Dikasterium für die Bischöfe von einem Laien geleitet wird, wird dieser einem Bischof sagen können, dass der Papst seinen Rücktritt wünscht?

Buntes

Von Adveniat bis ZdK: Katholische Gruppen machen Lobbyarbeit in Berlin – Steffen Zimmermann (katholisch.de)

Ein neues Lobbyregister soll die Arbeit von Interessenvertreter:innen in Berlin transparenter machen. Kirchliche Einrichtungen sind von der Pflicht zur Eintragung in das Register zwar ausgenommen, viele römisch-katholische Verbände und Werke haben sich trotzdem eintragen lassen, berichtet Steffen Zimmermann – mit einer bemerkenswerten Ausnahme:

Ausgerechnet die wohl mächtigste katholische Interessenvertretung im politischen Berlin geht diesen Weg bislang allerdings nicht mit – das Katholische Büro. Die Einrichtung, die für die Deutsche Bischofskonferenz den Kontakt zu den Organen des Bundes pflegt und deren Leiter Prälat Karl Jüsten über legendär gute Kontakte ins Regierungsviertel verfügt, hat sich noch nicht im Lobbyregister eingetragen. Genauer begründen will das Büro diese Entscheidung auf Anfrage von katholisch.de nicht. Man berufe sich bei der Entscheidung auf die Ausnahmeklausel im Gesetz und wolle erst einmal abwarten, betont ein Vertreter knapp.

Das Kopftuch lässt sich auf viele Arten binden – Julia Ley (Quantara)

Auf Instagram präsentieren sich junge Frauen, die zum Islam konvertiert sind unter Namen wie „Hijabi on Tinder“ (@hijabi_on_tinder). Sie wehren sich gegen Klischees – egal, ob die von Glaubensgeschwistern kommen oder von Islamkritiker:innen. Viele Konvertitinnen spürten eine Verantwortung, sich zu positionieren. Die öffentliche Sichtbarkeit habe aber auch Vorteile für die Frauen. Sie erlaube es, sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen und gegenseitig zu unterstützen, schreibt Julia Ley (@ley_julia) auf Qantara.de (@QantaraDE):

Vielleicht ist das auch die beste Erklärung für die neue Sichtbarkeit von Konvertitinnen auf Instagram: Es gibt ein Bedürfnis, Antworten auf Fragen nach der eigenen Identität zu finden. Und gleichzeitig den Wunsch, dabei im Gespräch mit beiden Seiten zu bleiben: mit denen, die einen geprägt haben, und der Gemeinschaft, deren Glauben man angenommen hat.

RACHE – Geschichte und Fantasie (Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt)

Von Gott zu Quentin Tarantino: Eine außergewöhnliche Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt (@jmfrankfurt) mit begleitendem Buch und Podcast nimmt erstmals den Topos „Rache“ in der jüdischen Kulturgeschichte in den Blick. Eröffnet wird eine neue Perspektive, die einen Bogen von biblischen Geschichten über rabbinische Schriften, jüdische Legenden und judenfeindliche Mythen bis hin zu jüdischen Outlaws spannt. Ihren Ausgangspunkt bilden populärkulturelle Erzählungen, ihren Fluchtpunkt letzte Zeugnisse der Ermordeten und die Frage der Gerechtigkeit nach der Shoah.

Die letzten Zeitzeugen der Shoah sterben heute im Wissen, dass die Justiz versagt hat. Sie hat nicht vermocht, eine Form von Gerechtigkeit zu finden und die unermesslichen Verbrechen der Nationalsozialisten nur annähernd zu ahnden. Täter sind en masse davongekommen,

schreibt Andreas Scheiner (@AndreasScheiner) in seinem Beitrag „Vom antisemitischen Stereotyp zur Heldenfigur“ in der Neuen Zürcher Zeitung (@NZZ):

Die Schau in Frankfurt verweigert sich der Vereinnahmung von Juden als Opfern, sie fokussiert „von Gott zu Tarantino“ auf heldenhafte jüdische Rächerfiguren: Simson, der den Tempel der Philister zum Einsturz bringt und seine Feinde mit in den Tod reisst; Judith, die Holofernes enthauptet; der Golem, der für Antisemiten der Inbegriff jüdischer Weltbeherrschungsphantasien ist, während er den Juden als Sinnbild der Selbstermächtigung dient; Lilith auch, die verstossene erste Frau Adams, eine Dämonenfigur, die Ende der 1960er Jahre eine feministische Neuinterpretation erfährt.

Die Ausstellung fordere auch das christliche Gottesbild heraus, schreibt Antje Schrupp (@antjeschrupp) im Magazin Evangelisches Frankfurt und Offenbach (@efo_magazin): Muss Gott nicht nur barmherzig sein, sondern auch strafend und gerecht? „Rache. Geschichte und Fantasie“ gehe auch der Frage nach, was Gerechtigkeit in einer ungerechten Welt bedeutet.

Dass sich diese Frage heute stellt, liegt laut Kurator und Ideengeber Max Czollek (@rubenmcloop) auch daran, dass die Verbrechen der Shoa auf juristischem Weg nicht zufriedenstellend gesühnt wurden. Sowohl die verhängten Gefängnisstrafen als auch die finanziellen Entschädigungen seien angesichts der Verbrechen ungenügend.

Czollek kritisiert auch, dass die deutsche Erinnerungskultur nach dem Zweiten Weltkrieg in erster Linie nach „Versöhnung“ verlangte. Die Opfer bräuchten aber auch einen „Raum der Untröstlichkeit“.

Theologie

Personalia

Kurz nach seinem 70. Geburtstag ist der evangelische Pfarrer und Buchautor Andreas Ebert nach längerer Krankheit am letzten Sonntag gestorben. @sonntagsblatt-Chefredakteur Helmut Frank erinnert in seinem Nachruf an sein Leben und Wirken.

Der griechisch-orthodoxe Metropolit von Deutschland und Exarch von Zentraleuropa, Augoustinos, feierte gestern sein Goldenes Bischofsjubiläum. Dazu gratulierte ihm der Vorsitzende der (römisch-katholischen) Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing (Limburg), und Benjamin Lassiwe (@lassiwe) porträtierte den Jubilar für den Bonner Generalanzeiger:

Blickt man zurück, ist es der große Verdienst des Theologen, die griechisch-orthodoxe Kirche in Deutschland etabliert und damit auch massiv zur Integration seiner Landsleute beigetragen zu haben. Nahezu überall im Land haben die rund 500 000 Griechen, die in Deutschland leben, heute eigene Kirchen.

Eine Ära geht zu Ende: Knapp ein Vierteljahrhundert lang wirkte Norbert Lüdecke als Professor für römisch-katholisches Kirchenrecht in Bonn – und veröffentlichte dabei durchaus provokante Thesen (vgl. Interviews mit ihm hier und hier in der Eule). Am 31. März scheidet er aus dem Amt, will sich aber auch künftig öffentlich äußern. Nachfolgerin wird die Bochumer Kirchenjuristin Judith Hahn (44).

Im Essener Moltkeviertel heißt eine Grünfläche jetzt nach Uta Ranke-Heinemann. Bei der Einweihung des Uta-Ranke-Heinemann-Platzes am ersten Todestag erinnerten ihr Sohn und ihr Enkel mit humorvollen und sehr persönlichen Worten an die mit 93 Jahren verstorbene Theologin.

(Statt einer) Predigt

Streit um den verlorenen Sohn – Thomas Söding (MThZ)

Im heutigen Tagesevangelium (Lk 15,1-32) reagiert Jesus auf die Kritik, er gebe sich mit „Sündern“ ab, mit dem Gleichnis vom barmherzigen Vater, früher meist „vom verlorenen Sohn“ genannt.

Thomas Söding (@ThomasSoeding), Professor für Neutestamentliche Exegese an der Ruhr-Universität Bochum und inzwischen Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hat in der Münchener Theologischen Zeitschrift auf die kontroverstheologische Bedeutung dieses Textes in der Auseinandersetzung zwischen Johannes Eck und Martin Luther über Gnade und Freiheit in der Leipziger Disputation 1519 hingewiesen, „ein Musterbeispiel, wie eine akademische Auseinandersetzung auf höchstem Niveau stattfindet, die Frieden stiften soll, aber ökumenisch nichts mehr bewirkt, weil politische Faktoren stärker gewesen sind“:

Weil in Leipzig die unterschiedlichen Prämissen einer (anachronistisch gesprochen) evangelisch-lutherischen und einer römisch-katholischen Theologie so deutlich hervorgetreten sind, wie es sich die Kontrahenten kaum vergegenwärtigt zu haben scheinen, wird auch die heutige Exegese stimuliert, ihr wirkungsgeschichtliches Problembewusstsein einschließlich ihrer konfessionellen Prägungen offenzulegen, um beides diskutabel zu machen.

Ein guter Satz