Auf Du und Du mit den Bienen

Von einem neuen Umgang zwischen Mensch und Tier berichtet „Tipping Point“-Gastautorin Nicole Hennecke, die katholische Theologin, Pastoralreferentin und Imkerin ist.

Ende April erschien eine Pressemeldung beim Deutschlandfunk zur Frage, ob Tiere ein Bewusstsein haben. Es ging um die sog. „New York Declaration on Animal Consciousness“ (Text auf Englisch) vom April 2024, die von 50 namhaften Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterschrieben wurde. Darin heißt es, es gebe eine „realistische Möglichkeit für bewusstes Erleben bei allen Wirbeltieren einschließlich der Reptilien, Amphibien und Fische, sowie bei vielen Invertebraten zumindest bei Kopffüßlern, bestimmten Krebsen und Insekten“. Ziel der Erklärung ist es, den Tierschutz zu verstärken bzw. das menschliche Bewusstsein für das Wohlergehen der Tiere zu schärfen und zu fördern.

Die Forschenden berufen sich in ihrer Erklärung auf eine Vielzahl an Studien in den letzten fünf Jahren. Dazu gehört zum Beispiel eine Studie zu Hummeln, die mit kleinen Holzkugeln spielen. Die Hummeln haben keinen Anreiz für das Spielen bekommen, wie zum Beispiel eine Belohnung im Anschluss. Es scheint ihnen also einfach Freude zu machen. Die „New York Declaration“ wirft ein Schlaglicht auf das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren und vor allem darauf, wie Menschen sich in diesem Verhältnis sehen. Naturgemäß rief die Erklärung auch Widerspruch auf den Plan.

Meine persönliche Einschätzung zum Verhältnis zwischen Tier und Mensch ist geprägt von der täglichen praktischen Arbeit mit Honigbienen in meiner Imkerei. Oft werde ich gefragt, ob die Bienen denn wissen, wer ich bin. Also, ob sie mich erkennen. Dazu erschien im Jahr 2022 eine Meldung aus einem Studienversuch zur Gesichtserkennung von Honigbienen. Dabei erhielten Honigbienen auf einem Bild eines menschlichen Gesichts eine Belohnung mit Zuckerwasser. Im zweiten Schritt wurde getestet, ob sie – nun ohne Belohnung – aus einer Reihe von Gesichtsbildern, das erste ausfindig machen würden. Tatsächlich gelang es ihnen in über 80% der Fälle.

Meine Wahrnehmung und mein Bewusstsein in Bezug auf Tiere und speziell die Honigbiene haben sich verändert, seitdem ich im engen Kontakt mit den Honigbienen lebe. Vor allem hinterfrage ich ständig mein eigenes Tun mit und für die Bienen. An erster Stelle steht für mich immer das Wohl der Bienen.

Als Theologin sind die Tiere für mich in erster Linie Mitgeschöpfe. Sie sind genauso von Gott geschaffen wie die Menschen und alle anderen Lebewesen auf diesem Planeten. Die biblischen Schöpfungsberichte geben eine bildliche Idee davon, wie das Verhältnis dieser Geschöpfe untereinander aussehen kann und soll. Dabei wurde allerdings der sog. Auftrag über die Tiere zu „herrschen“ (Gen 1,26) allzu oft missverstanden. Historisch-kritisch ausgelegt und in enger Anbindung an die Gottebenbildlichkeit des Menschen kann sich daraus keine Legitimierung für Unterdrückung und Ausbeutung ergeben.

Die Schöpfung ist Gabe und Aufgabe. Für „sehr gut“ von Gott befunden und dem Menschen anvertraut, besteht die Aufgabe des Menschen darin, sie zu erhalten und auf sie aufzupassen. Nicht ein „Mach damit, was du willst!“, sondern stets rückgebunden und in Verantwortung. In der Gottebenbildlichkeit liegt dabei der Kern der besonderen Verantwortung. Dies schließt konkret die besondere Verantwortung des Menschen gegenüber den Tieren als Mitgeschöpfen ein. Die Theologie selbst steht noch am Anfang einer tiefergehenden fachlichen Beschäftigung mit dem Verhältnis zwischen Tier und Mensch. Daher kommt dem Lehrstuhl für Theologische Zoologie in Münster  in diesem Kontext eine Leuchtturmstellung zu.

Imkerei ist nicht gleich Imkerei

Aus dem Bewusstsein um diese besondere Verantwortung des Menschen für die Schöpfung und darin eingeschlossen die Tiere, folgt für mich eine Reflexion des eigenen Tuns und die Entscheidung für eine bestimmte imkerliche Betriebsweise. Landwirtschaftliche Betriebsweisen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Das ist bei einer Imkerei nicht anders.

Dabei wird die Frage nach einer Bio-Zertifizierung in der Imkerei oft von Kunden und Kundinnen hinterfragt, da damit die Vorstellung verbunden ist, die Bienen würden dann „Bio-Honig“ sammeln. Zwar sollen die Bienen natürlich nach Möglichkeit nicht an Agrarflächen sammeln, die mit Pestiziden behandelt sind, aber im Kern geht es bei einer Bio-Zertifizierung darum, wie mit den Bienen gearbeitet wird bzw. wie diese gepflegt werden. Also zum Beispiel wie die Bienen wohnen, womit sie gefüttert werden oder wie die Wachsverarbeitung in der Imkerei aussieht. Die Kriterien der Bio-Zertifizierung als Maßstab zu nehmen, drängt sich meiner Meinung nach aus theologisch-ethischer Perspektive auf. Allerdings kann eine Imkerei auch danach arbeiten, ohne zertifiziert zu sein, denn die Zertifizierungskosten sind oftmals recht hoch. Es lohnt sich daher, genau hinzuschauen, wie eine Imkerei arbeitet.

Ein wesentlicher Punkt in den unterschiedlichen Betriebsweisen sind die Eingriffe ins Volk. Ein Beispiel ist das Schneiden von Drohnenrähmchen. Drohnen, also männliche Bienen, gibt es in den Völkern von etwa März bis August. Einzelne Rähmchen, auf denen das Volk ausschließlich Drohnenbrut angelegt hat, werden von April bis Juli etwa viermal ausgeschnitten, also dem Volk entnommen. Die Drohnenlarven sterben dabei. Es handelt sich allerdings nicht um eine vollständige Entfernung der Drohnen aus den Völkern.

Die Maßnahme dient der Bekämpfung der Varroa-Milbe. Die Milbe schädigt die Völker stark und verbreitet Viruserkrankungen in den Völkern. Da die Milbe sich bevorzugt in den großen Zellen der männlichen Bienen vermehrt, entfernt man durch das Ausschneiden von Drohnenbrut automatisch viele Milben aus dem Volk. Durch die Reduzierung des Varroa-Drucks in den Völkern soll gleichzeitig die medikamentöse Bekämpfung des Varroa-Befalls reduziert werden. Aber ein ungutes Gefühl bleibt, da viele Drohnenlarven dafür getötet werden. Letztlich läuft es vor dem Hintergrund einer Haltung den Tieren gegenüber auf ein Abwägen von Vor- und Nachteilen hinaus.

Beute mit Rähmchen (Foto: Nicole Henecke)

Imkerei ist (mehr als) ein Geschäft

Theologischen Überzeugungen und den dazugehörigen ethisch-moralischen Überlegungen in Bezug auf die Haltung von Honigbienen stehen finanzielle Überlegungen oftmals konträr gegenüber. Die Honigbiene ist nach Rind und Schwein das drittwichtigste Nutztier in Deutschland. Der Begriff „Nutztier“ mag dabei an sich problematisch sein, aber natürlich verbinden sich mit der Pflege von Honigbienen finanzielle Fragestellungen. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn die Imkerei als Neben- oder Vollerwerbsimkerei geführt wird und nicht als Hobby.

„Um überhaupt die Arbeitsleistung zu decken, müsste das Glas Honig eigentlich schon seit Jahren 20 Euro kosten. Das zahlt aber natürlich keiner“, erklärte Markus Lay, Sprecher des Imkerverbandes des Saarlandes, im April 2023. In diesem stolzen Preis von 20 Euro sind die Kosten für das benötigte Material für die Bienen und den Honig beinhaltet. Aber vor allem bezieht sich der Preis auf die geleistete Arbeit des Imkers und der Imkerin: Also die Pflege der Bienen, damit es ihnen möglichst gut geht. Hinzu kommt die Arbeit mit dem Honig. Andersherum gerechnet: Wenn das Glas Honig 5 Euro kostet, beträgt der Stundenlohn einer Imkerin oder eines Imkers nur etwa 2 Euro.

Neben der Frage der Haltung zu den Tieren und dem Umgang mit ihnen, geht es also zumindest im betrieblich-landwirtschaftlichen Kontext um die Frage: Was ist jeder und jede bereit für ein Produkt zu zahlen? Auch hier sind stets Kompromisse zu suchen und zu finden. Oder es braucht neue Ideen und Ansätze. Dazu gehören die sog. SoLaWis, Solidarische Landwirtschaftsprojekte. In Trier gehören zur SoLaWi auch Honigbienen, die auf dem Gelände leben. Im Jahreshaushalt, der von den Mitgliedern gestemmt wird, wird jeweils ein Anteil für die Imkerei miteingeplant. Dieses Budget ist sicher und zwar auch dann, wenn kein Honig geerntet werden kann, weil die Bienen zum Beispiel aufgrund der Wetterlage nicht sammeln können.

Die Frage der „Nützlichkeit“

Arbeitet man erst einmal mit Bienen, ergeben sich fast zwingend Fragen nach Wildbienen, Hornissen und anderen Wespen. Viele der über 500 Wildbienen-Arten in Deutschland sind in ihrem Bestand bedroht. Sie profitieren von der positiven Lobby der Honigbienen. Diese sind scheinbar unlösbar mit Biene-Maja-Erinnerungen aus Kindheitstagen verknüpft.

Allerdings hat bereits bei Biene Maja die Wespe ein negatives Image verpasst bekommen – und daran hat sich bis heute nichts geändert. Belegen Honigbienen Platz 1 auf der Beliebtheitsskala, folgen auf Platz 2 die Wildbienen mitsamt den immer gern gesehenen Hummeln. Dann ist allerdings auch Schluss. Denn mit Hornissen und anderen Wespen möchte niemand so recht etwas zu tun haben.

Schnell wird als Argument dafür die „Nützlichkeit“ vorgeschoben. Honigbienen produzieren Honig. Die anderen produzieren nichts. Also sind sie nicht nützlich und damit nicht schützenswert. Dass Wespen, wie andere Insekten, auch bestäuben, ist selten bekannt. Zudem bilden sie die Gesundheitspolizei. Im Mai sterben bei einem Honigbienenvolk allein etwa 2.000 Bienen am Tag. Diese werden von Wespen eingesammelt und verwertet. Und Hornissen und Wespen verdrücken zum Beispiel jede Menge Fliegen und Läuse. Ein Wespenvolk fängt etwa 250g und ein Hornissenvolk sogar 500g Insekten pro Tag, also so viel wie vier bis fünf Meisenfamilien im gleichen Zeitraum an ihre Jungtiere verfüttern.

Aus theologischer Perspektive wiederum ist das Konzept „Nützlichkeit“ zudem grundsätzlich zu hinterfragen. Ist „Nützlichkeit“ überhaupt die passende Kategorie, mit der man den Wert von Mitgeschöpfen bestimmen kann? Sie entspringt dem doch oft begrenzten menschlichen Fokus, dem das ganzheitliche Zusammenspiel aller Akteure und Akteurinnen auf diesem Planeten – in der Schöpfung – verborgen bleibt. Prägnant zusammengefasst hat diesen Gedanken Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si“: „Der letzte Zweck der anderen Geschöpfe sind nicht wir.“ (Laudato si, 83)


Alle Eule-Beiträge zum Themenschwerpunkt „Klimakrise“.


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Kolumne „Tipping Point“

In unserer Kolumne „Tipping Point“ schreibt Tobias Foß über die sozial-ökologische Transformation. Welchen Beitrag können Christ:innen und Kirchen leisten? Welche Probleme müssen bewältigt werden? Welche Kipppunkte gilt es in Theologie und Glaubensleben wahrzunehmen?

Mit „Tipping Point“ wollen wir in der Eule an Fragestellungen im Licht der Klimakrise dranbleiben. Dabei stehen nicht allein Klima- und Umweltschutz im Zentrum, sondern auch die Auswirkungen von Klimawandel und Umweltzerstörung auf unser Zusammenleben. Die Klimakrise verändert schon jetzt unsere Gesellschaft(en). In „Tipping Point“ geht Tobias Foß diesen Veränderungen auf den Grund und beschreibt Ressourcen und neue Wege.