Sind wir bereit? – Die #LaTdH vom 16. Juli
Katholische Organisationen fordern die Beschleunigung der sozial-ökologischen Wende: Aber sind wir wirklich bereit? Außerdem: Verbrannte Dokumente, ein Predigtnachgespräch und UKA-Kritik.
Herzlich Willkommen!
Das „Buch des Lebens“ enthält nach jüdischer und christlicher Tradition die Namen jener Menschen, die Gott wohlgefällig sind. Davon unterschieden werden muss die Praxis Offener Briefe, wie wir sie verstärkt im letzten Jahr, vor allem wegen des Ukraine-Krieges, erlebt haben. Mit dem eigenen Namen für einen (guten) Zweck einzutreten, verschafft womöglich nicht per se Zugang zum Himmelreich. Auf Erden wird damit der Versuch unternommen, zu tun, was Gott sicher wohl gefällt: Die Schwachen zu schützen und seine Schöpfung zu bewahren.
In diesen #LaTdH geht es gleich um drei Appelle und Protestnoten, die in dieser Woche von christlichen Akteur:innen (mit-)gezeichnet wurden. Ihnen ist gemein, dass sie nur kurz, wenn überhaupt die Aufmerksamkeitsschwelle der Öffentlichkeit überschritten haben. Das hat unterschiedliche Gründe, unter denen der schleichende Bedeutungsverlust der Kirchen noch nicht einmal der wichtigste ist. Am guten Anliegen ändert das gleichwohl nichts. Wie können sich Christ:innen in dieser Zeit für das Gute und Wahre einsetzen?
Ganz zu Beginn zogen die Christ:innen Menschen an, weil sich ihre Gemeindepraxis und ihr Lebensstil von denen ihrer Zeitgenossen unterschieden. An ihren Tischen war man unabhängig vom sozialen Stand, von Herkunft und Geschlecht willkommen. Dabei waren die Christ:innen damals auch nicht einfach nice, die neue Ethik verdankte sich vielmehr einschneidenden Ereignissen in der eigenen (Glaubens-)Biographie (#TodUndAuferstehung) sowie einer beharrlichen Unterweisung durch die Geschwister in Christo. Gut, wenn man uns heute beides ansehen würde!
Mit dieser Ausgabe der #LaTdH verabschiedet sich unser bescheidener Kirchennachrichten-Newsletter in eine kurze Sommerpause. Am 13. August sind wir wieder da!
Ein paar gute Wochen wünscht
Philipp Greifenstein
Debatte
„Die Zauberflöte“ in Regensburg, die Flughäfen von Düsseldorf und Hamburg, viele weitere Orte und nicht zuletzt eine Straße in Stralsund wurden in den vergangenen Tagen von der „Letzten Generation“ blockiert. Die mediale Aufmerksamkeit und Aufregung war den Klimaaktivist:innen gewiss, derweil nicht nur einzelne LKW-Fahrer, sondern zunehmend mehr (konservative) Politiker:innen die Nerven verlieren. Rechtsradikale haben die Proteste der „Letzten Generation“ längst als willkommene Propaganda-Anlässe identifiziert. Viel Bürger:innen schwanken zwischen (heimlicher oder offener) Zustimmung und Empörung.
Vor wenigen Tagen noch richteten sich die Proteste mit Kleber und Farbe vor allem gegen Superreiche, jetzt hat sich der Protest wieder auf die Verkehrswege verlagert. Trifft es die Richtigen, wenn vor allem Kurzstreckenflüge und der Transit- und Pendelverkehr gestört wird? Adressat:innen der Proteste sind am Ende wir alle: Die kritische Menge an Bürger:innen, die der Politik beim Klimaschutz endlich Beine machen soll. Zu dieser critical mass gehören lange schon die Kirchen, die immer wieder mit Appellen und Kampagnen an Öffentlichkeit und Politik herantreten, um auf Klimawandelfolgeschäden und die Not zum Handeln aufmerksam zu machen.
Klima-Appell „Wir sind bereit“
In dieser Woche waren es katholische Kirchenleute, die sich mit dem Offenen Brief „Klimaschutz: Wir sind bereit“ an die Regierungen von Bund und Ländern richteten. Unterzeichnet wurde der Appell von kirchenpolitisch so diversen ErstunterzeichnerInnen wie Kardinal Rainer Maria Woelki (Erzbischof Köln), dem Bischofskonferenz-Vorsitzenden Georg Bätzing (Bischof Limburg), dem Bischof von Eichstätt, Gregor Maria Hanke, einer Reihe von Führungskräften der Caritas sowie der Präsidentin und dem Vizepräsidenten des Zentralkomittees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp und Thomas Söding. Auch Gregor Podschun, Bundesvorsitzender des Bundes der Katholischen Jugend (BDKJ), ist mit dabei. Der Appell kann von katholischen Akteur:innen im Namen ihrer Organisationen mitgezeichnet werden. Inzwischen haben sich weitere Akademien, Caritas-Verbände, Orden und Laien-Organisationen angeschlossen.
Vergleichweise kurz ist allerdings bisher die Liste der unterzeichnenden Bischöfe geblieben: Nur 4 von 65 Mitgliedern der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) sind dabei. Neben Woelki, Bätzing und Hanke nur noch Weihbischof Rolf Lohmann aus Münster, der DBK-„Umweltbischof“. Ebenso dünn ist die Liste derjenigen Unterstützer:innen aus der Ökumene: Nur sechs eher kleine Organisationen haben bisher unterzeichnet. Wir brauchen auch nicht lange um den heißen Brei herum zu reden: Kommunikativ sind sich die beiden großen Kirchen in Deutschland gerade nicht grün: Was PR angeht, gönnt man dem je anderen nicht das Schwarze unter den Fingernägeln. Einschlägige Beispiele solcher verpassten Chancen der Zusammenarbeit sind inzwischen so zahlreich wie die Gründe dafür vielfältig sind. Hier und heute genügt es einfach festzustellen, dass man sich so aufmerksamkeitsökonomisch einfach selbst amputiert.
Katholische Kirchenleute fordern mehr Klimaschutz – Tobias Schrörs (FAZ)
Einer der wenigen überregionalen Medienbeiträge zum katholischen Appell stammt aus der Frankfurter Allgemeinen. Tobias Schrörs fast die Forderungen der Unterzeichnenden knapp zusammen und weist auch auf den Hintergrund der AutorInnen des Textes hin:
„Verstoßen wir weiter gegen die planetaren Grenzen, nützen wir weiter fossile Energien, versuchen wir weiter, Sachauseinandersetzungen mit Populismus und Ablenkung zu lösen?“ Die gesellschaftspolitische Diskussion gehe in die „völlig falsche Richtung“, auch politische Verantwortungsträger befeuerten eher Emotionen, statt die Sachauseinandersetzung zu schützen.
Verfasst haben den Appell drei Autoren: Astrid Schaffert vom Deutschen Caritasverband, der Umweltbeauftragte des Erzbistums Köln, Christian Weingarten, und der Jesuit Jörg Alt vom Ukamazentrum der Jesuiten für die sozialökologische Transformation. Alt ist dadurch bekannt, dass er Klimaaktivisten unterstützt; er klebte sich auch schon mit ihnen zusammen auf die Straße.
Die Forderungen des Appells sind nicht neu, aber bisher von den Regierungen unerhört geblieben: Die „zeitnahe Einführung einer verbindlichen Energieeffizienz- und Wärmewende“, zügige Sanierungen des Gebäudebestands inkl. „auskömmlicher Förderprogramme für Wohn- und Nicht-Wohngebäude“, eine intensivierte Mobilitätswende inkl. Tempolimit, Subventionen in den Schienen-, Fuß- und Radverkehr, statt weiterhin Autos und Straßen zu fördern, sowie eine beschleunigte Agrar- und Ernährungswende. Das alles bitte soll dann auch „soziale Gerechtigkeit befördern“. In wenigen Sätzen umreißen die AutorInnen also das, was uns als sozial-ökologische Transformation zur Aufgabe gestellt ist.
„Wir sind bereit“, ist der Appell deshalb überschrieben, weil er neben den Forderungen an die Politik ein Bekenntnis zum eigenen Handeln enthält:
Wir, die Unterzeichnenden, sind bereit, die Wende zur Klimaneutralität zu vollziehen und zum schnellst möglichen Zeitpunkt frei von fossilen Energieträgern zu werden. Daran arbeiten wir bereits intensiv. Um dies effektiv umsetzen zu können, brauchen wir verlässliche finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen. Und wir wissen: Auch in der Wirtschaft wartet man auf diese Klarheit und Planungssicherheit. Wir haben keine Zeit mehr für destruktive Rückzugsgefechte, die lediglich das fossile Zeitalter verlängern.
Sind wir bereit?
Beim katholischen Klimaappell handelt es sich um eine (konfessionell typische?) Bitte an die politischen Verantwortungsträger:innen, den Menschen guten Willens durch verstärkte Förderung und gesetzliche Rahmensetzung in ihrem Engagement für den Klimaschutz beizuspringen. Klima- und Umweltschutz sind notwendig, auch wenn sich keine gesellschaftliche Mehrheit für sie begeistern kann. Manchmal reicht ja auch eine kritische Menge an Engagierten. Aber: Alle Umfragen der letzten Monate deuten darauf hin, dass wir (im Sinne von „wir alle“) zwar prinzipiell sehr für den Klima- und Umweltschutz sind, nur halt bitte nicht auf unsere situativen und persönlichen Kosten.
Die Unterzeichner:innen fordern weniger Populismus und eine Politik, die klare Regeln vorgibt und weniger Unsicherheit schafft, sie fordern vor allem mehr Geld und Tempo für das Ziel der Klimaneutralität. Alles richtig und wichtig. Warum wird mir, vor allem in der Passage zur internationalen Verantwortung gegenüber dem Globalen Süden, trotzdem schummrig zu Mute? An keiner Stelle des Appells – außer bei der Forderung, im Auto weniger auf die Tube zu drücken – ist von Verzicht, vom notwendigen (grünen) Schrumpfen unserer Ansprüche und Wirtschaft die Rede. Das ganze Dokument atmet den Geist derer, die verkünden, mit „Technik, Ideen und Geld“ allein würden wir uns aus der Klimakrise energetisch heraussanieren können.
Tobias Schrörs stellt in der FAZ angesichts der Beteiligung kirchenpolitisch so unterschiedlicher AkteurInnen wie Woelki, Bätzing und Stetter-Karp fest, dass „beim Thema Umweltschutz Einigkeit zu herrschen“ scheint. Das ist auch mein Eindruck! Solaranlagen auf Gemeindedächer, eine nachhaltige Bodenwirtschaft, Elektromobilität, Tempolimit und energetische Sanierungen – darauf können sich pietistische Wirtschaftsliberale, grüne StädterInnen und konservative Landwirte in beiden Kirchen eigentlich einigen. Das Anliegen, diese Gemeinsamkeit herauszustellen, ist lobenswert. Nächstes Mal vielleicht ja auch über Konfessionsgrenzen hinaus.
nachgefasst I
„Die Ängste der Menschen müssen ausgesprochen werden“ – Interview mit Landesbischof Tobias Bilz (Die Eule)
In einem ausführlichen Eule-Sommerinterview habe ich den Landesbischof der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (EVLKS), Tobias Bilz, zur Demokratie im Osten, zur Stärke der AfD, zu LGBTQI* in der Kirche und zur historischen Verantwortung der Kirche befragt. Allen, die jenseits von Katastrophenmeldungen nach den Gründen für die Autoritarismus-Begeisterung in den „neuen“ Bundesländern fragen, sei das Gespräch ans Herz gelegt.
Ein Thema, das im Gespräch keine Rolle spielt, ist die Aufarbeitung von Missbrauchsverbrechen in der sächsischen Landeskirche. Zwei bedeutende Tatkomplexe spielen derzeit eine Rolle: Zu den Missbrauchsfällen in der Kirchgemeinde Pobershau ist vor wenigen Tagen ein Untersuchungsbericht (PDF) erschienen, der auf einer Gemeindeversammlung vorgestellt wurde (s. #LaTdH vom 2. Juli). Die Sächsische Zeitung berichtet ausführlich:
Am Ende richtete die Kommission auch den Blick nach vorn und sprach 22 Empfehlungen aus. Sexualisierte Gewalt müsse als Teil kirchlicher und gesellschaftlicher Realität wahrgenommen und enttabuisiert werden, heißt es. Konkret empfiehlt die Kommission die proaktive Aufarbeitung der in der Landeskirche bereits bekannt gewordenen Fälle.
„Wir stehen ganz am Anfang“, sagt Christiane Hentschker-Bringt. „Pobershau kann bei der Aufarbeitung in Sachsen nur ein Fall 0 sein.“ Der Fall des früheren Chemnitzer Kirchenwarts Kurt Stroer, der in den vergangenen Monaten ebenfalls Schlagzeilen machte, sei beispielsweise von ganz anderer Dimension. Mit derzeit 33 Opfern sexueller Übergriffe in den 60er- und 70er-Jahren ist der Fall Stroer der größte bislang bekannte in der Evangelischen Kirche in Sachsen.
Landesbischof Bilz war bei der Vorstellung anwesend. Was er und die Kommission zu den Bemühungen zu sagen hatten, gilt nach meinem Empfinden auch über die Grenzen der sächsischen Landeskirche und des Freistaates Sachsen hinaus:
Landesbischof Bilz hatte bereits bei der Einsetzung der Kommission Fehler eingeräumt: „Wir haben lange gebraucht, bevor wir als Landeskirche richtig handlungsfähig waren“, sagte er damals. Strukturell gebe es nun noch viel zu tun, so die Kommission. „Im Bereich der Prävention ist auch das Land Sachsen aufgefordert, mehr Engagement zu entwickeln“, heißt es. „Es braucht flächendeckend und mit ausreichenden Ressourcen ausgestattete Beratungsangebote für Betroffene, deren Angehörige, aber auch für Fachkräfte, die mit dem Thema sexualisierte Gewalt konfrontiert sind“, sagt Christiane Hentschker-Bringt. Auch an Präventionsangeboten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mangele es bislang.
Nachgespräch Kirchentag und Black Theology mit Quinton Ceasar und Thorsten Dietz – Thea Hummel, Sarah Vecera (Stachel und Herz)
In ihrem Podcast „Stachel und Herz“ bei der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) empfangen Thea Hummel und Sarah Vecera Pastor Quinton Ceasar und den Theologieprofessor und Podcaster Thorsten Dietz zu einem Predigtnachgespräch zu Ceasars Schlusspredigt auf dem Kirchentag in Nürnberg (z.B. hier & hier in der Eule). Normalerweise empfehlen wir hier in den #LaTdH ausschließlich Beiträge, die wir zuvor gelesen, gehört und gesehen haben, hier mache ich aber aufgrund der anstehenden #LaTdH-Ferien davon eine Ausnahme. Das Gespräch ist gestern erschienen und ich lege es uns allen ans Herz, auch ohne dass ich diese Podcast-Episode bisher selbst abhören konnte.
Asyl in Europa: Droht Wildwest an Europas Außengrenzen? – Ursula Rüssmann (FR)
Gerade erst haben die sich die Regierungen der Europäischen Union darauf verständigt, das europäische Flüchtlingssystem zu verschärfen (GEAS, Hintergrund hier in der Eule), da steht die nächste Radikalisierung ins Haus. Über die geplante „EU-Krisenverordnung“ und den Protest von Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen gegen sie berichtet die Frankfurter Rundschau. Über den European Council on Refugees and Exiles (ECRE) sind auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie Mitunterzeichner eines gemeinsamen Appells (PDF).
Und gegen die Kürzungen im Kinder- und Jugendplan (KJP) des Bundes (s. #LaTdH von vergangener Woche) spricht sich eine breite Allianz von Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe mit einem weiteren Appell (PDF) aus. Zu den Unterzeichnenden gehören auch katholische, muslimische und evangelische Organisationen – wie z.B. die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend (aej).
Wir stehen damit faktisch vor der Wahl zwischen dem Abbau von Leistungen für Kinder und Jugendliche oder der untertariflichen Vergütung der Fachkräfte. Einige bundeszentrale Träger werden gar in ihrer Existenz bedroht sein.
nachgefasst II: Missbrauch katholisch
Anerkennungsleistungen
Seitdem das Kölner Landgericht unlängst dem Missbrauchsbetroffen Georg Menne ein Schmerzensgeld von 300.000 Euro zugesprochen hat, wird verstärkt über die Zukunft der sog. Anerkennungsleistungen debattiert, die von einer Unabhängigen Kommission (UKA) bei der Deutschen Bischofskonferenz an Missbrauchsbetroffene in einem bundesweit einheitlichen Verfahren zugesprochen werden. Ich erwähne das hier nochmal, weil es eine vergleichbare Institution in der evangelischen Kirche nicht gibt. Trotzdem das Verfahren sich in den vergangen zwei Jahren eingespielt hat, häuft sich die Kritik.
„Es muss sich Grundlegendes ändern!“ ist sich der Interventionsbeauftragte des Bistums Münster, Peter Frings, sicher. In einem ausführlichen und informativen Beitrag auf dem Blog der Zeitschrift für kanonisches Recht erklärt er, was schief läuft, besonders bei der Zusammenarbeit zwischen diözesanen Interventions- und Meldestellen und der UKA. Leidtragende sind wieder die Missbrauchsbetroffenen.
Keinesfalls kann es so weitergehen wie bisher. Es wird zwingend eine grundlegende und drastische Veränderung des Systems der Anerkennungsleistungen geben müssen.
Die kirchenpolitischen Hintergründe der Anerkennungsleistungen erklärt im Interview bei der Rheinischen Post der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke, wie üblich sehr pointiert. Allein: Welchem seiner Urteile kann man gut begründet widersprechen? Er stellt die Anerkennungsleistungen und die (noch kommenden) Schmerzensgeldzahlungen auch in den Kontext der Verwendung von Kirchensteuereinnahmen, über die die Bischöfe fast alleine verfügen.
Wurden im Missbrauchsfall Dillinger Beweismittel vernichtet? – Frank Scheuer (SWR)
Ein ungeheuerlicher Vorgang hat sich bei den saarländischen Ermittlungsbehörden im Falle des Missbrauchstäters Dillinger ereignet. Offenbar wurden Dokumente aus dessen Nachlass, die der Staatsanwaltschaft übergeben worden waren, verbrannt. In einem Land, in dem sonst alles Mögliche aufbewahrt oder erst nach ellenlangen Fristen geschreddert wird, ein mehr als erstaunlicher Vorgang. Auch wenn sich aus dem Inhalt der Dokumente keine weiteren staatlichen Ermittlungen ergeben hätten, so wären sie doch sicher nützliche Quellen für die kirchliche und wissenschaftliche Aufklärung gewesen.
An dieser Stelle muss an die jahrzehntelange Praxis des Wegschauens und Beschwichtigens erinnert werden, die auch an weltlichen Gerichten und nicht nur in der Kirche vorgeherrscht hat. Sexualisierte Gewalt konsequent zu verfolgen und zu bestrafen, hat in Deutschland keine lange Tradition. Auch die Staatsanwaltschaften und Gerichte haben bei diesem Thema ein Glaubwürdigkeitsdefizit.
Buntes
Was die Kirchenaustritte mit den katholischen Verbänden machen – Matthias Altmann (katholisch.de)
Matthias Altmann von katholisch.de hat bei einigen katholischen Verbänden nach den Folgen der Kirchenaustrittswelle nachgefragt. Sie verzeichnen im Gegensatz zur „verfassten Kirche“ weniger Schwund, aber sorgen sich sehr um die Zukunft. Außerdem ist eine Abnabelung von der „verfassten Kirche“ im Gange, die doch zu Denken geben sollte.
Für die Verbände ist klar: Kirche ist nicht nur die „verfasste“ Kirche – und Menschen, die ausgetreten sind, haben oftmals ihren Glauben nicht verloren. Ihnen möchten kfd, BDKJ, Kolping und Co. eine religiöse und spirituelle Heimat bieten. Ein Ankerpunkt für Menschen werden, die sich von der Institution Kirche abwenden – darin könnte ihre Zukunft liegen, hoffen Vertreter der Verbände.
Theologe Christian Bauer: Spiritualisierung von Macht muss beendet werden – Markus Nolte (Kirche + Leben)
Ein lesenswertes Interview mit dem neuen Professor für Pastoraltheologie und Homiletik an der Katholisch-Theologischen Fakultät Münster, Christian Bauer, hat Markus Nolte von der Kirche + Leben geführt. Es geht um „Küchentisch-Theologie“, Synodalität und die Radikalisierung der katholischen Rechte.
Es gibt eine Stammesbildung vor allem bei Rechtskatholik:innen, die sich gerade immer weiter radikalisiert. Inzwischen werden Dinge über Papst Franziskus gesagt, die eher reformkatholisch ausgerichtete Menschen unter den restaurativ ausgerichteten Vorgängerpontifikaten nie gesagt hätten. Diese asymmetrische „Tribalisierung“ und ihre Überschneidungen mit der extremen gesellschaftlichen Rechten gälte es, in allen theologischen Disziplinen näher zu untersuchen.
EHRENSACHE (15): Kirche gestalten für kleine Leut‘ – Lisa Menzel (Die Eule)
In dieser Woche ist Justus Kühbacher (21) in unserem „EHRENSACHE“-Podcast zu Gast. Er arbeitet ehrenamtlich u.a. im Kindergottesdienst-Team seiner Kirchgemeinde mit. Wie er da reingerutscht ist und was ihn an seinem Ehrenamt begeistert, erzählt er Podcast-Host Lisa Menzel.
Wir haben uns schon lange auf die Episode über den Kindergottesdienst gefreut, denn in den Kirchen setzen sich außerordentlich viele Menschen für den Gottesdienst für kleine Leute ein. In den vergangenen Jahren hat sich das Angebot an Kindergottesdienstformaten ausdifferenziert, aber auch der „klassische“ Kigo während des Sonntagsgottesdienstes wird nachgefragt. Andere gesellschaftliche Akteure denken viel über Barrierefreiheit und Vereinbarkeit für Familien nach, in den Kirchen wird das seit Jahrzehnten gelebt. Und hängt am ehrenamtlichen Engagement!
Unseren „EHRENSACHE“-Podcast finden interessierte Hörer:innen hier im Magazin, im eigenen Feed sowie bei Spotify und Apple Podcasts.
Ein guter Satz
„Wir wollen eine Zukunft ohne Kriege und Trennungen zwischen den Menschen, egal wer sie sind und woher sie kommen.“
– Kinder der Gemeinschaft Sant’Egidio in einem Appell vor dem 37. Internationalen Friedenstreffen der Weltreligionen der Gemeinschaft, das vom 10.-12. September 2023 in Berlin stattfindet