Brandmauern – Die #LaTdH vom 26. Mai
Papst Franziskus sagt wieder einmal „Nein“ zur Weihe von Frauen zu Diakoninnen in der katholischen Kirche. Außerdem: Wahlen in Thüringen, Streit in Jena und Pfade nach Erfurt.
Herzlich Willkommen!
Heute wird gewählt! In Thüringen finden heute die Kommunalwahlen statt. Erwartet wird ein starkes Ergebnis für die AfD. Auch hier, wo die Eule ihr analoges Nest hat. Ein „erster Stimmungstest“ für die kommenden Wahlen zum Europäischen Parlament (9. Juni) und für die Landtagswahlen (1. September) soll diese Kommunalwahl sein. Getestet wird nicht allein der Wähler:innen-Wille, sondern auch, ob die demokratischen Parteien zur Rede von der „Brandmauer“ gegenüber der AfD stehen. Bei der CDU muss man da – wie im Osten üblich – ein dickes Fragezeichen dran machen. Nicht nur gibt es einen Kandidaten, der für CDU und AfD bei den Wahlen in diesem Jahr antritt: Vor allem nach den Wahlen wird sich zeigen, wie Christdemokraten und Rechtsradikale zusammenarbeiten werden. Dann womöglich mit komfortablen Mehrheiten.
Wer schert sich schon um Thüringen? Zunächst einmal werden wir beobachten, was die zahlreichen Proteste gegen die AfD von Anfang des Jahres, die auch in kleineren Städten des Freistaats stattgefunden haben, und das Bündnis „Weltoffenes Thüringen“ erreichen konnten. Umfragen sind das eine, Wahlergebnisse das andere. Werden die deutlichen Warnungen vor der AfD, auch durch die Kirchen, einen Effekt zeitigen? In jedem Fall wird das Ergebnis der Kommunalwahl für fünf Jahre die Arbeit in den Gemeinden und Städten vorzeichnen und wenigstens ein paar Tage die Nachrichten des Landes bestimmen.
Am 9. Juni sind wir dann alle dran: Zur Europawahl dürfen dieses Jahr erstmals auch schon Jugendliche ab 16 mitwählen. Damit haben ca. 1 Million junge Menschen ein starkes demokratisches Mitspracherecht, die übrigens gar nicht so rechts ticken, wie es die Berichterstattung über die Studie „Jugend in Deutschland“ vor ein paar Wochen nahelegte (s. „Tagesschau“-Faktenfinder). Auch zur Europawahl kann man seine Wahlpräferenz mit dem Wahl-O-Mat testen. Die Diakonie Deutschland stellt mit dem Sozial-O-Mat ein Werkzeug zur Verfügung, um die Positionen der Parteien „zu den wichtigsten sozialen Themen“ zu vergleichen.
Wer schert sich schon um Thüringen? Ab Mittwoch findet in der thüringischen Landeshauptstadt Erfurt der 103. Deutsche Katholikentag statt. Die Eule wird über den Katholikentag berichten und ich werde an einem spannenden Podium über den (inner-)katholischen Streit teilnehmen: „Katholisch gegen katholisch? – Polarität(en) in der Kirche“ am Freitag, den 31. Mai, 16:30 Uhr in der Predigerkirche. Vielleicht sieht man sich ja dort oder zu einem anderen Anlass auf dem Katholikentag! Melden Sie sich gerne!
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
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Debatte
„Oops!… He Did It Again“, Papst Franziskus hat in einem ausführlichen Interview mit dem US-Fernsehsender CBS (YouTube) nicht nur über Krieg und Frieden und den Klimawandel gesprochen, sondern erneut eine Weihe von Frauen in der römisch-katholischen Kirche ausgeschlossen, berichtet u.a. kath.ch. Nicht zum ersten Mal macht Franziskus mit Medien-Interviews Kirchenpolitik und konterkariert damit seine eigene Agenda der Synodalität.
Helena Jeppesen: „Sehr schwierige Aussage und der Synode nicht dienlich“ – Sarah Stutte (kath.ch)
Papst Franziskus hat im CBS-Interview ausgeschlossen, dass das ordinierte Frauendiakonat jemals Realität in seiner Kirche wird. Ein Schock für die katholischen Frauen, die sich für Gleichberechtigung in der Kirche einsetzen und für jene, die sich zur Diakonin oder Priesterin berufen fühlen, berichtet Sarah Stutte für kath.ch. Im Artikel kommt auch Helena Jeppesen-Spuhler zu Wort, die Delegierte bei der (laufenden) Weltsynode ist:
«Diese Aussage ist ein Affront allen Frauen gegenüber, die sich berufen fühlen. Der Papst hat im Interview gute Antworten zum Thema Frieden und zur Klimagerechtigkeit gegeben. Aber die Frage des Zugangs von Frauen zu den Ämtern in der katholischen Kirche ist ebenfalls eine Gerechtigkeitsfrage. Das scheint er hier vergessen zu haben», gibt Helena Jeppesen zu bedenken. […]
Helena Jeppesen kann sich nicht erklären, warum der Papst eine Kommission zum Thema einsetze und sich dann – bevor darüber an der Synode im Herbst diskutiert werde und die Ergebnisse der Arbeit der Kommission vorliege –, öffentlich zum Frauendiakonat äussere. Der Papst habe selbst entschieden, diese Kommissionen einzusetzen und halte sich jetzt nicht an seine eigenen Abmachungen, so Helena Jeppesen. «Warum wartet er die Kommissionsarbeit und die Diskussionen der Synode nicht ab?», fragt sie.
Zur Erinnerung: Im März 2024 wurde bekannt, dass Papst Franziskus zentrale Streitfragen aus der „Weltsynode“ ausklammert (s. #LaTdH vom 24. März). Schon dieses Vorgehen fanden Jeppesen-Spuhler, aber auch VertreterInnen des Laien-Katholizismus in Deutschland „irritierend“: Markus Demele, Generalsekretär von Kolping International, schrieb bei katholisch.de von einem „Desaster“:
„Arbeits-“ und „Studiengruppen“ sollen auf Wunsch des Papstes die zentralen Themen, die in den vergangenen zwei Jahren aus allen Teilen der Weltkirche nach Rom gemeldet wurden, weiter behandeln und bei der Synodalversammlung im Oktober dieses Jahres lediglich einen Bericht abgeben. Über die Themen der Gruppen wird allerdings durch die Synodalen nicht mehr abgestimmt werden.
Die Tagungen der Bischofssynode (+ GästInnen) im Herbst 2023 und 2024 sind eigentlich die letzte Zündstufe des weltweiten Synodalen Prozesses von Papst Franziskus (hier & hier von Benedikt Heider erläutert in der Eule). Auf der „Synode über Synodalität“ sollte der römisch-katholischen Kirche ein verändertes Antlitz gegeben werden, das stärker kooperativ und weniger autoritär ausschauen sollte. Dass Franziskus nun abermals den Ergebnissen von Beratungen öffentlich vorgreift, steht dazu im Widerspruch.
Die Sinnhaftigkeit des gesamten Unterfangens steht damit mal wieder infrage. Derweil veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) in dieser Woche eine Zusammenfassung der Reflexionsberichte in englischer, italienischer und deutscher Sprache (PDF) zum Zwischenbericht der Bischofssynode zur Synodalität, die von der DBK verabschiedet wurde und zusammenführt, was in „Strukturen und Gremien“ der Ortskirchen zum bisherigen Stand der Beratungen gedacht wird. Die KNA fasst zusammen:
Konkret sprechen sich die deutschen Katholikinnen und Katholiken unter anderem aus für mehr innerkirchliche Teilhabe, eine stärkere Rolle der Frauen sowie Änderungen in der kirchlichen Sexuallehre. Das deckt sich in weiten Teilen mit den Themen, die auf dem 2019 begonnenen Synodalen Weg der katholischen Kirche in Deutschland erörtert wurden. Dazu heißt es in dem Papier: „Deutlich spürbar ist, dass sowohl die Beratungen und Beschlüsse des Synodalen Wegs der Kirche in Deutschland als auch der Synodale Weg der Weltkirche in allen Ortskirchen einen Impuls ausgelöst haben.“ Zugleich wird eine größere Freiheit gegenüber dem Vatikan gewünscht. Das Papier der Bischofskonferenz zitiert dazu eine Einlassung aus dem Bistum Mainz: „Trotz zahlreicher im Verlauf der Synode weltweit identifizierter pastoraler Fragen wäre eine größere Entscheidungsbefugnis der jeweiligen Ortskirchen hilfreich.“
Und die Frauenweihe?
Mit seinen Versprechungen zur Synodalität nimmt es Franziskus offenbar nicht so streng. Bei der Frage der Frauenweihe ist er umso strenger: Eine Lockerung der Regelungen für die Weihe von Frauen zum Diakonat oder Priesteramt schließt Franziskus nämlich im Rhythmus weniger Monate immer wieder aus, zuletzt in einem Interview-Buch im Herbst 2023. Wie groß kann angesichts dessen der „Schock“ bei den Reformer:innen eigentlich immer wieder ausfallen?
Dass Frauen zu Diakoninnen geweiht werden können, ist allerdings die Überzeugung der amerikanischen Theologin Phyllis Zagano, die im „Himmelklar“-Podcast von Domradio und katholisch.de vor einem Monat sagte, es gehe in dieser Frage nicht ein „Ob“, sondern um das „Wann“: Zagano erklärt nicht nur die kirchenhistorischen und neutestamentlichen Hintergründe der Diakoninnen-Frage und den Unterschied zur Priesterweihe für Frauen, sondern führt auch in die inzwischen umfangreiche Geschichte der vatikanischen Kommissionen zum Thema ein. Ich zähle derer insgesamt fünf.
Frage: Alles, was Sie sagen, erscheint sehr einfach und plausibel. Es gibt also keine spirituellen oder theologischen Gründe gegen die Weihe von Diakoninnen. Die Frage ist, warum ist es trotzdem noch nicht passiert? Denken Sie das ist eine Machtfrage?
Zagano: Ich mag es wirklich nicht zu verallgemeinern, aber ich glaube wir haben in der Tat eine große Zahl von Priestern und Bischöfen, die geweiht wurden, als ihre persönliche Reife noch nicht ganz abgeschlossen war. Zumindest in den USA gibt es viele Priesterseminare, die sich vollkommen von der Außenwelt abgekapselt haben. Kein Kontakt zu den Menschen, denen sie ja eigentlich dienen sollen. Da ist es ja ganz naheliegend, dass es einige von ihnen gibt, die sich von Frauen bedroht fühlen, bzw. von dem Gedanken, dass sie ihren Dienst mit Frauen teilen sollen. Und ich rede hier noch nicht mal davon, Autorität einzuschränken, oder wie Sie das nennen, die Macht. […]
So eine Organisation kann auf Dauer nicht überleben. Genau das ist unsere Situation als katholische Kirche. Wir haben eine tiefsitzende Infektion des Narzissmus unter den Klerikern, die einfach nicht in der Lage sind, auf andere Meinungen einzugehen. In der Synode geht es viel ums Zuhören, mein Eindruck ist: Viele hören, aber nur wenige hören zu. Das ist ja nicht nur auf den oberen Ebenen so. […]
Man kann das also ganz einfach zusammenfassen: Das Problem des Widerstandes gegen die Diakoninnenweihe ist im Kern das Problem eines inhärent unreifen und unsicheren Klerus. Es fehlt das Verständnis, dass am Ende die Autorität aus den Menschen erwächst, denen die Geistlichen dienen sollen.
Philippa Rath zum Papst-Nein: War es das mit der Diakoninnenweihe? – Interview mit Philippa Rath von Markus Nolte (Kirche + Leben)
Im Interview bei Kirche + Leben reagiert Schwester Philippa Rath, die sich beim Synodalen Weg für die Frauenweihe stark machte, auf das Papst-Interview. Sie empfiehlt, sich „nicht provozieren“ zu lassen, sondern „unbeirrt das Thema Frauenweihe weiter voran[zu]treiben“.
„Meine Geduld ist im Laufe der Jahre gewachsen, aber ich kenne sehr viele Frauen, bei denen der Geduldsfaden inzwischen zerrissen oder zumindest zum Zerreißen gespannt ist. […] Die Frauen sind keine unmündigen Kinder, die mit erhobenem Zeigefinger ermahnt werden müssen. Immerhin warten sie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, also seit 60 Jahren, auf substanzielle Reformen. Viele sind nicht mehr lange bereit zu warten. Wenn es so weiter geht, wird der Exodus der Frauen sich noch verstärken. Und auch die Bereitschaft, eigene Wege zu gehen und Neues zu wagen.
Könnte zu diesem Neuen nicht gehören, eine Diakoninnenweihe einfach mal zu wagen? Von einer solchen Weihe im orthodoxen Patriarchat von Alexandria haben wir ja erst vor ein paar Tagen gehört (s. LaTdH vom 12. Mai). Im Interview bei Felix Neumann von katholisch.de erklärt Ostkirchen-Experte David Heith-Stade, was es mit dieser Weihe auf sich hat. Alles nur eine Frage der Zeit? Die Suchfunktion der Katholikentags-Website gibt bei den Suchwörtern „Frauenweihe“ und „Diakoninnen“ jedenfalls aus:
„Es konnten leider keine Veranstaltungen zu den angegebenen Suchkriterien gefunden werden.“
nachgefasst
Kampf um Entschädigung: Missbrauchsopfer fühlen sich von der Katholischen Kirche hingehalten – Gabriele Knetsch (BR, ARD-Audiothek, 27 Minuten)
Immer mehr Betroffene melden sich bei den Missbrauchsbeauftragten der römisch-katholischen Diözesen (und evangelischen Landeskirchen) und hoffen auf eine „Zahlung in Anerkennung des Leids“. So nennen die beiden Kirchen Geldzahlungen an Missbrauchsbetroffene, die als „freiwillige“ Leistungen der Kirchen einen Sonderweg der Entschädigung darstellen und zu keinen weiteren juristischen Verpflichtungen führen. Aber fließt das Geld auch? Viele Hürden, so empfinden es die Opfer, sind zu überwinden, Diözesen oder Orden versuchen offenbar, die Höhe der Forderungen zu senken.
Buntes
Reform der NRW-Kirchenvorstände: Wie viel Macht nehmen sich Bischöfe? – Felix Neumann (katholisch.de)
In Nordrhein-Westfalen regelt bisher noch ein staatliches Gesetz, wie Kirchenvorstände das Gemeindevermögen in der katholischen Kirche verwalten. Doch nicht mehr lange: Das alte preußische Gesetz soll verschwinden. Es handele sich „schlicht und ergreifend um einen Akt der Rechtsbereinigung“, sagt Nathanael Liminski (CDU), der Chef der NRW-Staatskanzlei (s. hier & hier & hier in anderen Zusammenhängen in der Eule). Ersetzt wird das staatliche Gesetz durch ein Kirchengesetz. Das aber sieht keine Kontrollmöglichkeiten der bischöflichen Macht mehr vor. Felix Neumann berichtet für katholisch.de:
Dass die meisten Änderungen bloß kosmetisch seien, sieht auch Gangolf Ehlen so. Der Diplom-Kaufmann und ehemalige Beteiligungsmanager bei einer Sparkasse engagiert sich ehrenamtlich im Bistum Aachen und ist der schärfste Kritiker des neuen Kirchengesetzes. Ihn stören am neuen Kirchengesetz vor allem zwei Dinge: Die Genehmigungsvorbehalte der Landesregierung gehen nun an die bischöfliche Behörde über, also die Generalvikariate. Hier fehlt Ehlen eine Kontrollinstanz der bischöflichen Behörde. Im preußischen Gesetz ist für Konflikte der Rechtsweg zum Oberverwaltungsgericht festgelegt. Katholische Verwaltungsgerichte gibt es nicht.
Update für „Kirchenjahr evangelisch“ (VELKD)
App und Website von „Kirchenjahr evangelisch“ nutzen laut der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) wöchentlich im Durchschnitt knapp 60.000 Menschen, die haupt- oder ehrenamtlich Gottesdienste gestalten oder ihr Leben mit Impulsen zum Kirchenjahr bereichern wollen. Das Angebot wird von der Nordkirche, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) und der VELKD betrieben. Vor ein paar Tagen ist nun eine aktualisierte Fassung des Kirchenjahres-Kalenders online gegangen, den es bereits seit 2015 gibt.
Die Website/App bietet zu jedem Sonn- und Feiertag des evangelischen Kirchenjahres sämtliche liturgische Texte, Lieder und Erläuterungen. Neu sind Verlinkungen der Predigttexte zu den Auslegungen der Deutschen Bibelgesellschaft und zu den Monatsliedern des Popinstituts der Nordkirche. Das Angebot ist, laut VELKD, „mit rund 24.000 Seitenaufrufen täglich nach der [EKD-]Homepage das meistgenutzte Webangebot von allen Internetseiten innerhalb der EKD“. Wenn jetzt auch noch beim Pfingstsonntag nicht einfach vom „Geburtstag der Kirche“ gesprochen würde, wäre das Zucker!
Theologie
Mutig Neuland betreten – Katharina Bracht (zeitzeichen)
Seit kurzem bietet die Universität Jena den Masterstudiengang Pioneer Ministry an. Mit den schillernden englischsprachigen Begriffen können vielleicht nicht alle gleich etwas anfangen: Im Kern geht es um eine kontextuelle Theologie, die neue Formen von Kirche sucht, personifiziert in Theolog:innen, die zwar gerne im kirchlichen Dienst, aber mit einem Entrepeneur-Mindset unterwegs sein sollen. Der Masterstudiengang soll auf eine solche Berufstätigkeit vorbereiten. Gestaltet wird er in Kooperation mit den „Erprobungsräumen“ der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), d.h. kirchlichen Projekten, in denen „fresh X“-Ideen erprobt werden, und in Zusammenarbeit mit freikirchlichen Ausbildungsstätten.
In einem äußerst kritischen Beitrag in den zeitzeichen hatte Johannes Greifenstein (mit mir weder verwandt noch bekannt) den Studiengang auseinander genommen. Greifenstein hat gerade seine erste Professur angetreten, jene für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät Jena. Auf seine Kritik antwortet an gleicher Stelle nun Katharina Bracht, Studiendekanin der Theologischen Fakultät. In ihrem Beitrag erklärt Bracht die Kooperationen und Zielrichtung des neuen Studiengangs. Koordiniert wird der neue Studiengang von Miriam Schade, die bereits 2019 in der Eule beschrieben hat, wie Manfred Josuttis‘ Theologie heute für angehende Geistliche fruchtbar gemacht werden könnte.
Wie die anderen Berufe bringt auch der Pioneer Minister ein besonderes Profil an Kompetenzen und Zuständigkeiten in die gemeinsame kirchliche Arbeit zur Verkündigung des Evangeliums ein. „In Jena geht es uns darum“, betont Miriam Schade, Dozentin und Koordinatorin des MA Pioneer Ministry, „engagierte junge Menschen, die bereits vielfältige berufsqualifizierende Hochschulabschlüsse mitbringen, für einen gleichermaßen christlich begeisterten wie wissenschaftlich reflektierten Einsatz heranzubilden, der Kirche auch außerhalb von Kirchenmauern entstehen lässt“.
Was mir in beiden zeitzeichen-Beiträgen deutlich zu kurz kommt: Ein Blick auf die tatsächliche Notlage der universitären Theologie. Die Studierendenzahlen für die Studiengänge, durch die man sich u.a. auf den Pfarrdienst in einer evangelischen Landeskirche vorbereitet, sind in den letzten Jahren in den Keller gerauscht. Schon heute können die Landeskirchen ihren Bedarf an neuen Pfarrer:innen nicht mehr durch die Absolvent:innen der klassischen Studiengänge decken. Pastorale Berufsbilder sind in einem dramatischen Wandel begriffen.
An vielen Orten – wie z.B. in Wuppertal (s. #LaTdH von vergangener Woche) – wird nicht nur über die Zukunft des Pfarramts, sondern über die Zukunft der akademischen Theologie gestritten. Auch anderswo (z.B. in Württenberg) werden darum Kooperationen mit freikirchlichen Partnern versucht, die noch vor wenigen Jahren kaum denkbar waren. Ich bekenne, dass ich da – wie offenbar auch Johannes Greifenstein – äußerst skeptisch bin. Dem Pfarrer:innenmangel wird man nicht durch die Einstellung von ein paar bibeltreuen Fanatiker:innen abhelfen können. Aber ist das nicht auch ein überholtes Vorurteil, das den Wandel innerhalb der jüngeren Generationen in der evangelikalen Bewegung völlig außer Acht lässt?
„fresh X“ jedenfalls war schon immer „fromm“. Und „fromm“ in diesem Sinne werden auch die großen Kirchen auf dem Weg zur Minderheitenkirche wieder werden. Das bedeutet auch für die akademische Theologie sicher einen Paradigmenwechsel. Wo sich die Theologie an staatlichen Universitäten, wie in Jena und anderswo, vor allem der Ausbildung von Religionslehrer:innen verdankt, wird man Theologie als Reflexion auf Glauben und Kirche auch in neuen Formen erproben müssen, wenn sie dauerhaft einen Platz an den Unis behaupten will.
Ein guter Satz
„Im finstren Wald, bei’m Liebesblick der Sterne,
Wo ist mein Pfad, den sorglos ich verlor?
Welch seltne Stimmen hör’ ich in der Ferne?“
– „Ilmenau“ (Thüringen) von Johann Wolfgang von Goethe