Selbstbestimmt – Die #LaTdH vom 17. Juli

Die aktuelle Abtreibungs-Diskussion ist im deutschen Katholizismus angekommen. Außerdem: Theolog:innen gegen Kyrill, ein guter Freispruch und Durchatmen in den Kirchenämtern.

Herzlich Willkommen!

Vielleicht geht es Ihnen/Euch da ähnlich wie mir: So richtig will sich die Sommerfrische in diesem Jahr nicht einstellen. Allzu sehr eilen die Gedanken schon voraus in den Herbst und Winter. Was wird uns da wohl beschert? Die durch den Ukraine-Krieg hervorgerufene Energiekrise lässt Schlimmes befürchten. Viele Menschen machen sich Sorgen um ihre eigenen Finanzen und um das Wohl derer, die von den explodierenden Preisen übel erwischt werden. Wie werden die Kirchen mit den gestiegenen Kosten umgehen? Das habe ich diese Woche für die Eule aufgeschrieben.

Doch da wäre auch noch die andere Krise, die uns nun schon seit zweieinhalb Jahren beschäftigt: Wie wird sich die Corona-Pandemie erst im Herbst und Winter entwickeln, da wir schon jetzt mit den Folgen der hohen Inzidenzen zu kämpfen haben? Es liegt viel Unsicherheit in der Luft, die das Entspannen in den Ferien schwer macht. Vielleicht finden Sie / findet Ihr ja in den kommenden Tagen trotzdem etwas Ruhe und Erholung, wenn auch nur, um Luft zu holen für das, was kommt.

Die #LaTdH gehen nach diesem Sonntag in eine dreiwöchige Sommerpause. Die nächsten #LaTdH gibt’s wieder am 14. August. Und noch einen anderen Termin können Sie sich / könnt Ihr euch vormerken: Am 18. August laden wir ab 20 Uhr zu einem Online-„Meet & Greet“ mit der Eule-Redaktion. Und wieder haben wir uns einen Gast zu einem aktuellen Thema eingeladen:

Mit Viola Schrenk, Studieninspektorin des Tübinger Stifts und in diesem Frühjahr Bischofskandidatin in der Evangelischen Landeskirche in Württemberg (ELKWUE), werden wir über „Reform oder Schrumpfen?! – Wie geht die Kirche in die Zukunft?“ diskutieren. Den Link zur Online-Veranstaltungen erhalten alle Eule-Abonnent:innen automatisch. Eine gute Gelegenheit also, jetzt ein Eule-Abo abzuschließen!

Zu unserem Finanzierungsziel für dieses Jahr fehlt uns übrigens noch ein gutes Stück! Bisher sind alle unsere Inhalte – auch die #LaTdH als wöchentlicher kommentierter Nachrichten-Überblick – frei zugänglich und werden von den Eule-Abonnent:innen solidarisch für alle interessierten Leser:innen mitfinanziert. Als unabhängiges Magazin für Kirche, Politik und Kultur ist Die Eule auf die Unterstützung ihrer Leser:innen angewiesen. Schon ab 3 € im Monat sind Sie / seid Ihr dabei! Hier geht’s zum Abo.

Eine gute Woche und erholsame #LaTdH-Ferien wünscht
Philipp Greifenstein


Debatte

Recht auf Leben, Recht auf Selbstbestimmung – Irme Stetter-Karp (Christ & Welt)

Mit einem Gastbeitrag in der Christ & Welt hat sich die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK, @zdkonline), Irme Stetter-Karp, in die aktuellen Abtreibungs-Diskussionen eingemischt. Sie begrüßt die Abschaffung des Werbeverbots (§219a StGB, s. #LaTdH vom 26. Juni) durch den Deutschen Bundestag, will aber an der Schwangerschaftskonfliktberatung festhalten und warnt darum:

Bereits die Diskussionen um die Aufhebung von Paragraf 219a zeigte, dass der Schutzaspekt in vielen politischen und gesellschaftlichen Diskussionen zunehmend an Bedeutung verliert. […] Paragraf 218a darf unter keinen Umständen in seiner Substanz angetastet werden!

Paragraf 218a StGB regelt die „Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs“ und hält die Beratungspflicht im Schwangerschaftskonflikt fest. In Paragraf 219 StGB werden die Rahmenbedingungen der Schwangerschaftskonfliktberatung festgelegt, wie sie z.B. von den evangelischen Beratungsstellen und dem katholischen Verein Donum vitae angeboten wird. Dort heißt es u.a.:

Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens.

Wenn Stetter-Karp also an der „Substanz“ von §218a festhalten will, dann ist damit das Prinzip der Straflosigkeit bei erfolgter Beratung gemeint, denn, so schreibt sie, …

… eine verpflichtende, ergebnisoffene, aber zielgerichtete Beratung [ist] die beste Möglichkeit, um Frauen im Konflikt zu erreichen und ungeborenes Leben zu schützen.

Damit liegt Stetter-Karp ganz auf der Linie von christlichen Frauenorganisationen hierzulande, die die Abschaffung (oder Reform) des Werbeverbots seit langem gefordert hatten, aber an der Schwangerschaftskonfliktberatung festhalten wollen.

Einige von ihnen setzen sich auch dafür ein, die Abtreibungsgesetzgebung aus dem Strafgesetzbuch herauszulösen. Ein Anliegen, das man(n) gut verstehen kann. Stetter-Karp scheint dafür offen zu sein, solange eben die „Substanz“ aus Beratungspflicht und qualifiziertem Beratungsangebot nicht angetastet wird.

Im Duett mit der Bischofskonferenz

Im Anschluss an Stetter-Karps Debattenbeitrag ergab sich nun ein Duett mit der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), vor allem mit deren Pressesprecher Matthias Kopp. Auslöser dafür war Stetter-Karps Forderung, die medizinische Versorgung von Frauen auch was den Schwangerschaftsabbruch angeht flächendeckend sicherzustellen. In ihrem Gastbeitrag nutzt sie dafür ein gut geöltes Sowohl-als-Auch:

Das ZdK tritt dafür ein, dass ein Schwangerschaftsabbruch nicht als reguläre medizinische Dienstleistung betrachtet wird. Es ist kein regulärer Eingriff und darf auch nicht als solcher behandelt werden! Wir machen uns für ein ethisch verantwortetes Handeln aller Beteiligten stark.

Zugleich ist sicherzustellen, dass der medizinische Eingriff eines Schwangerschaftsabbruchs flächendeckend ermöglicht wird. Das ist derzeit nicht der Fall, weil insbesondere im ländlichen Raum – unabhängig von seiner konfessionellen Prägung – die gynäkologische Versorgung fehlt. Eine Reflexion darüber, wie das Angebot sichergestellt werden kann, steht an – was auch die Schulung von Ärzt*innen in der Ausbildung umfasst.

Das war Kopp oder einem Bischof oder mehreren Bischöfen allerdings schon zu forsch, so dass er ausrichten ließ:

„Die von ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp vorgetragene Position zur Notwendigkeit eines flächendeckenden Angebots von Schwangerschaftsabbrüchen widerspricht der Haltung der Deutschen Bischofskonferenz.“

Das kommt wenig überraschend, weil sich die DBK sogar gegenüber einer Abschaffung des Werbeverbots versperrt hatte. Die Herren Bischöfe sehen in der Abschaffung einen „Türöffner“ hin zu mehr Abtreibungen. In diesem Kontext ist besonders wichtig, was Stetter-Karp über die erfolgreiche Beratungsarbeit von Donum Vitae und der katholischen Beratungsstellen schreibt. Letztere dürfen nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Beratungsschein ausstellen, und werden trotzdem rege genutzt, zunehmend von Nicht-Christ:innen. Außerdem:

Zugleich sank die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche zwischen 2011 und 2021 im Zehnjahresvergleich um 13,1 Prozent. 2021 wurden 94.600 Abtreibungen gemeldet. Seit Beginn der Dokumentation des Bundesamtes für Statistik im Jahr 1996 ist das der niedrigste Wert; damals wurden 130.899 Abtreibungen registriert und damit 28 Prozent mehr als heute.

Im europäischen Vergleich sind vor allem hohe Abtreibungszahlen in Ländern mit restriktivem Abtreibungsrecht auffällig, zum Beispiel in Polen. Dort lagen die offiziellen Angaben im Jahr 2018 zwar nur bei tausend Abbrüchen, aber die Zahl der illegalen und oft im Ausland vorgenommenen wird von Frauenrechtsorganisationen auf jährlich etwa 200.000 geschätzt.

Ein sicherer Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen rettet Leben, nämlich das der Frauen. Er ist Grundbedingung dafür, dass eine erfolgreiche, ergebnisoffene Beratung im Schwangerschaftskonflikt überhaupt stattfinden kann.

Die Beratung erfolgt einerseits mit dem Ziel, Perspektiven für ein Leben mit dem Kind aufzuzeigen. Das gilt insbesondere auch dann, wenn eine Frau ein behindertes Kind erwartet. Andererseits ist die Beratung ergebnisoffen, und die Entscheidung liegt letztlich bei der schwangeren Frau. Auch wenn das ein Widerspruch zu sein scheint: Zielorientierung und Ergebnisoffenheit zu berücksichtigen trägt dazu bei, das Recht auf Leben und das Recht auf Selbstbestimmung gleichermaßen zu garantieren.

Demgegenüber erklärte nun Matthias Kopp für die Bischöfe und zwar gegenüber dem rechts-katholischen kath.net, wie Die Tagespost berichtet:

„Die von ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp vorgetragene Position zur Notwendigkeit eines flächendeckenden Angebots von Schwangerschaftsabbrüchen widerspricht der Haltung der Deutschen Bischofskonferenz. Statt einer flächendeckenden Möglichkeit für Abtreibungen brauchen wir ein flächendeckendes qualifiziertes Beratungsangebot für Frauen.“

Man nennt das eine Nebelkerze, denn die flächendeckende qualifizierte Beratung ist wohl in keinem Land der Welt so gut aufgestellt wie in Deutschland. In der Tat dürfte es in den von Stetter-Karp angesprochenen ländlichen Räumen ohne gute medizinische Versorgung von Frauen an einer Beratung nicht mangeln, wohl aber an Ärzt:innen, die einen Abbruch auch durchführen können und wollen. Kein Wunder, dass sie sich die Störung durch den Pressesprecher verbat:

In einer heute vom ZdK verbreiteten Pressemitteilung erklärte die ZdK-Präsidentin, die zu den Gründungsmitgliedern des privaten Vereins „donum vitae“ gehört, nun: Entscheide sich eine Frau nach der Beratung „selbstbestimmt für einen Abbruch der Schwangerschaft“, müsse es auch möglich sein, ihn durchführen zu lassen. So sehe es das Gesetz vor. Die ärztliche Versorgung sei in diesem Punkt nicht flächendeckend gesichert. „Alles Recht auf Selbstbestimmung hilft nicht, wenn die Hürden unüberwindlich sind.“ Die gesetzliche Beratung von Frauen in Schwangerschaftskonflikten sei seit „Jahrzehnten bewährt. Sie schließt aber das Selbstbestimmungsrecht der Frau ausdrücklich ein“.

Mit Frauenrechten haben es die römisch-katholischen Bischöfe nicht so. Man kann es also als historischen Glücksfall betrachten, dass im Verbandskatholizismus deutscher Ausprägung wenigstens der Versuch gewagt wird, der Halsstarrigkeit männlicher Machtperspektiven eine differenzierte Sichtweise beizustellen. Dass dies in diesem Falle durch eine Frau geschieht, verleiht dieser Perspektive besondere Glaubwürdigkeit.

Und auch der Fakt, dass Stetter-Karp bereits in den 1990er-Jahren zu den Gründer:innen von Donum Vitae gehörte, ändert daran nichts: Im Gegenteil. Gegenüber den Argumenten und der Lebenserfahrung von Stetter-Karp wirken die Stellungnahmen der DBK („Die katholische Kirche lehnt Abtreibungen grundsätzlich ab.“) dogmatisch, lebensfern und apodiktisch.

Ungeformt, geformt und gesehen – Till Magnus Steiner (In Principio)

Mit der Abtreibung aus biblischer Perspektive – und historischer Sicht – befasst sich Till Magnus Steiner (@TillMSteiner) auf dem In Principio-Blog, dem „Bibel-Projekt des Erzbistums Köln“. Steiner erklärt, wie die Aussagen des katholischen Katechismus sich zu den biblischen Abtreibungs-Regeln und Schwangerschaftsdeutungen verhalten und zieht zum Schluss ein bedenkenswertes Fazit:

Die Bibel kennt kein Abtreibungsverbot und erzählt von keiner gewollten Abtreibung. Die biblischen und altorientalischen Gesetze sehen im Mutterleib heranwachsenden Leben ein Gut, zu dem Gott – gemäß Jeremia 1,5 und Psalm 139,15 – von Anfang an in Beziehung steht und diesem zukünftigen Menschen damit seine Würde verleiht. Und es gibt eine große, zu bedauernde Leerstelle in der Bibel: Die Lebenssituation der schwangeren Frau, ihre Nöte und Sorgen, die zu einer Abtreibung führen können, spielen wie im gesamten Alten Orient und oft bis heute keine Rolle.

Die Lebenssituationen der schwangeren Frauen und Mädchen sind es auch, die durch die neuen Gesetze in einigen US-Bundesstaaten in besonderer Weise missachtet werden. Jill Filipovic (@JillFilipovic) beschreibt diese in ihrem Newsletter (auf Englisch) eindrücklich:

Girls who are raped and impregnated as children are also part of the fabric of life here in the United States. Many of them seek out abortions. That is the truth, even if it’s ugly, and even if it’s inconvenient for people who claim the mantle of “life“.

Europäische Reaktion

In Reaktion auf die US-Diskussion hat das Europäische Parlament sich mit einer Entschließung dafür ausgesprochen, Abtreibungen in die Grundrechtecharta der EU aufzunehmen. Ein Anliegen, das nicht nur mit der gegenwärtigen Abtreibungs-Gesetzgebung in Polen und anderen europäischen Ländern, sondern auch mit der gesetzlichen Regelung in Deutschland über Kreuz liegt.

Der DBK-Pressesprecher Matthias Kopp hält demgegenüber fest:

Die Entschließung des Europäischen Parlaments, ein sogenanntes „Recht auf Abtreibung“ in die Grundrechte-Charta der EU einzufügen, ist nicht die richtige Reaktion auf gegenwärtige Debatten in den USA und anderen Ländern. Ein sogenanntes „Recht auf Abtreibung“ lässt aber den Schutz des ungeborenen Lebens völlig unberücksichtigt und wird der Komplexität der Situation in keiner Weise gerecht. Dem ungeborenen Kind kommen von Anfang an Menschenwürde, ein Recht auf Leben und ein eigenständiger Schutzanspruch zu. Eine Polarisierung der Debatte in Europa ist unbedingt zu vermeiden.

Seiner letzten Forderung nach einem „sorgsamen und verantwortungsvollen“ Umgang mit dem Thema schließe ich mich gerne an. An US-amerikanischen Debattenverhältnissen kann uns nicht gelegen sein. Allerdings ist auch klar: Man muss nicht über den Atlantik schauen, wenn man Frauen sehen will, die durch repressive Abtreibungs-Gesetzgebung in Illegalität oder Tod getrieben werden.

In einem instruktiven Interview mit ref.ch, dem Portal der Reformierten in der Schweiz, hält der evangelische Ethiker Michael Coors (@einwuerfe) fest:

Ich denke schon, dass die Kirche sehr klar sagen kann und soll, dass Gott ein Gott des Lebens ist, der will, dass Menschen leben. Zugleich aber werden Menschen nicht ohne das Mitwirken von Frauen geboren. Die Theologin Christiane Kohler-Weiss hat darum einmal formuliert, dass Frauen von Gott als Mitschöpferinnen des Lebens berufen sind: Menschen werden nicht an der Entscheidung einer Frau vorbei geboren, sondern nur durch ihr selbstbestimmtes Mitwirken.

Der Staat darf darum auch aus theologischer Sicht nicht einfach über den Körper von Frauen verfügen und sie dazu zwingen, Kinder auszutragen. Das ist meines Erachtens ein Argument, dass auch dann noch gilt, wenn man davon ausgeht, dass der Embryo schon im Mutterleib eine menschliche Person ist.

Wir werden uns in der europäischen Gesellschaft immer wieder neu auf Kompromisse auch bei den schwierigen ethischen Fragen am Lebensanfang und -Ende einigen müssen. Auch die Christen in Deutschland oder gar Europa sind sich keineswegs einig. Gerade auf die Positionen von Christinnen ist in der Debatte allerdings von Männern zu hören.

Grenzwertig. Ethik zwischen Leben und Tod (ARD Audiothek)

In einer fünfteiligen Podcast-Reihe befassen sich die Religionsredaktionen von WDR, RBB, SWR, NDR und BR mit den großen Fragen am Lebensanfang und -Ende. Eine Hörempfehlung für sommerliche Spaziergänge oder das Sonnen am Strand.

nachgefasst I

Missbrauchsbeauftragte: Aus der kirchlichen Aufarbeitung lernen (KNA, katholisch.de)

Die Missbrauchskrise in beiden großen Kirchen nimmt in den #LaTdH viel Raum ein. Zu recht, denn noch immer gibt es viele Probleme: Nicht allein den anhaltenden Skandal des Missbrauchs und seiner Vertuschung selbst, sondern vor allem bei der Organisation der sog. Aufarbeitung. In der Fülle der Meldungen kann leicht die Orientierung darüber verloren gehen, worum es bei dieser Aufarbeitung eigentlich geht. Gereichen die Fortschritte in den Kirchen anderen gesellschaftlichen Akteuren gar zum Vorbild?

Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs der Bundesregierung (UBSKM, @ubskm_de), Kerstin Claus (@kerstinclaus), erklärt in der FAS von heute, wie die KNA (@KNA_Redaktion) berichtet, dass Sportvereine & Co. durchaus von den Kirchen lernen könnten, vor allem auch von ihrem Scheitern.

„Man kann viel aus dem lernen, was nicht geklappt hat, gerade für die Institutionen, die noch am Beginn der Aufarbeitung stehen oder sich dieser noch gar nicht gestellt haben.“

Claus sieht jetzt die Politik in der Pflicht, die „Strukturen aus der Bundesebene zu Aufarbeitung und Bekämpfung von sexuellem Missbrauch auch auf nachgeordnete Ebenen“ zu übertragen und „das Thema sexualisierte Gewalt verpflichtend in allen grundständigen Ausbildungsordnungen“ zu verankern. Ja, das ist auch im 12. Jahr nach dem „Beginn“ der Missbrauchskrise in den Kirchen in Deutschland noch nicht passiert.

Verurteilter Missbrauchstäter Ue. Fall hat für Woelki keine juristischen Folgen – Joachim Frank (Kölner Stadt-Anzeiger)

Die Staatsanwaltschaft in Köln hat die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Kardinal Rainer Maria Woelki und den ehemaligen Generalvikar Markus Hofmann trotz zahlreich eingegangener Anzeigen abgelehnt. Joachim Frank berichtet im Kölner Stadt-Anzeiger:

Aus dem Prozess und der Urteilsbegründung gegen Ue., gegen den das Landgericht Köln im Februar eine Haftstrafe von zwölf Jahren verhängt hatte, hätten sich keine „zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten“ ergeben, heißt es in einem Bescheid der Behörde, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegt. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller spricht von einer politischen Entscheidung und wirft der Staatsanwaltschaft „Beißhemmung“ der Kirche gegenüber vor. Woelki selbst sieht sich nach Angaben des Erzbistums „von den erhobenen Vorwürfen vollständig entlastet“.

Bewertungen aus der Entfernung sind immer mit Vorsicht zu unternehmen, aber ein blinder Fleck der Befassung mit den Missbrauchsverbrechen in den Kirchen in Deutschland wird in den vergangenen Monaten immer deutlicher:

Auch staatliche Organe und insbesondere Richter und Staatsanwälte haben an der jahrzehntelangen Vertuschung einen Anteil. Das ist für die USA reichlich belegt: Erinnert sei an die Boston Globe-Recherche, die sogar zum Oscar-prämierten Blockbuster („Spotlight“) verarbeitet wurde. Das muss nicht zwingend heißen, dass heute (noch) „Beißhemmungen“ bestehen, wie Thomas Schüller (@tschueller61) meint, gäbe aber Anlass genug zu historischen Untersuchungen.

Erfolgreicher Lobbyismus?

Gleich zwei religionspolitische Meldungen aus Nordrhein-Westfalen erreichten uns diese Woche, die den Gedanken an eine immer noch reichweitenstarke Lobbykraft der Kirchen nahelegen. Der Leiter des Katholischen Büros warnt davor, das „uralte Privileg“ der Konkordate anzupacken, berichtet das Kölner Domradio. Neben einigen im internationalen Vergleich in der römisch-katholischen Kirche einmaligen Vorrechten der Bistümer im Verhältnis zum Vatikan bewahren die Konkordate allerdings auch unzeitgemäße Vorteile der Kirche gegenüber Gesellschaft und Staat auf.

Und in beiden Kirchen wird das Durchatmen in den Kirchenämtern hörbar gewesen sein, als bekannt wurde, dass der „Kirchenaustritt per Mausklick“ vorerst nicht kommt, wie Felix Neumann (@fxneumann) bei katholisch.de im Anschluss an einen FAZ-Artikel von Daniel Deckers (€) schreibt. Die vom umstrittenen Katholiken Nathanael Liminski (@n_liminski) geführte Staatskanzlei „habe das „Digitalisierungspotential“ der „Leistung Kirchenaustritt“ geprüft und sei zu einem abschlägigen Ergebnis gekommen“.

Die Entscheidung hat bundesweite Konsequenzen, da das Land Nordrhein-Westfalen bei der Umsetzung des 2017 in Kraft getretenen Onlinezugangsgesetzes (OZG) federführend für das Themenfeld „Engagement & Hobby“ zuständig ist, zu dem das „Umsetzungsprojekt Kirchenaustritt“ gehört.

Zur Begründung wird angeführt, dass man (außer in Bremen) seinen Kirchenaustritt persönlich bei einer staatlichen Stelle erklären müsse. „Grundsätzlich hätte das Bundesland die Möglichkeit, die Pflicht zum persönlichen Erscheinen aufzuheben“, sei aber dazu durch das rahmensetzende OZG nicht verpflichtet.

In der Folge habe die Staatskanzlei im März vorgeschlagen, die Digitalisierung der Leistung Kirchenaustritt „aufgrund der rechtlichen Unmöglichkeit“ nicht mehr mit Priorität anzugehen.

Nicht nur ist damit eine Wahlkampfforderung der NRW-Grünen in der neuen schwarz-grünen Landesregierung endgültig abgeräumt, auch die Verabredung im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, das Kirchenaustrittsgesetz zu ändern, „um Austritte im Online-Verfahren zu ermöglichen“, wird, so es dabei bleibt, ein Versprechen bleiben.

In den Kirchen wird man darüber mehr als froh sein, denn wie würden sich die exorbitanten Austrittszahlen wohl erst entwickeln, wenn sich alle desinteressierten Kirchenmitglieder oder diejenigen, die der schlechten Kirchennachrichten überdrüssig sind, mit einem Klick verabschieden könnten?

Nur weil es gerade um Kirchenmitgliedschaft geht, komme ich noch mal auf die „Promihochzeit des Jahres“ zurück, die mir sonst herzlich am Heiligtum vorbeigeht. Am Montag äußerte sich auch die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus ein wenig verrenkt zum Streit um die Hochzeit des Bundesministers der Finanzen, der am vergangenen Wochenende von Margot Käßmann noch einmal angeheizt wurde und zu dem sich am Dienstag auch Lindner selbst in einem schriftlich geführten Interview bei der Chrismon äußerte. Ansonsten glaube ich, dass im Eule-Artikel von Montag und meiner Glosse vom gleichen Tag alles wirklich Wichtige drin steht.

nachgefasst II

Wenn eine Synagoge zerfällt – Philipp Lenhard (taz)

Die alte Detmolder Synagoge soll Parkplätzen weichen, wenn dem Wunsch eines rechten Anwalts entsprochen wird. Die ganze komplexe Geschichte, die sicher der Aufmerksamkeit der demokratischen Stadtgesellschaft bedarf, hat Philipp Lenhard (@PhilippLenhard) in der taz aufgeschrieben.

[…] der Plan, in der einstigen Synagoge die jüdische Geschichte Detmolds zu vermitteln, scheint auf absehbare Zeit nicht realisierbar zu sein. Zwar will die Stadt das Gebäude kaufen und hat dem Eigentümer auch ein marktgerechtes Angebot unterbreitet, wie Pressesprecher Marius Roll betont, aber Schnelle beharrt auf seiner Parkplatzidee. Immer wieder zieht er vor Gericht, um den Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes einzuklagen. […] Offenbar lässt ihm das Thema keine Ruhe. Wer etwas genauer hinschaut, ahnt warum. Schnelle tummelt sich seit mindestens zwei Jahrzehnten in der rechten Szene.

Nun hat sich der ehemalige Grünen-Politiker Volker Beck (@Volker_Beck), Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, in den Streit eingeschaltet und die NRW-Landesregierung um Hilfe gebeten, berichtet die Jüdische Allgemeine.

Wenn Bilder töten – Andreas Mertin (zeitzeichen)

Eigentlich sind ja alle Antisemitismus-sensiblen Zeitgenoss:innen vor allem mit der diesjährigen Documenta in Kassel befasst. Ich bekenne freimütig, dass ich zwischen all den Meldungen, Stellungnahmen, Rücktritten (nun auch die Generaldirektorin), Einsprüchen und Vorwürfen vollends den Überblick verloren habe. Der von mir sehr geschätzte Andreas Mertin versucht sich in den zeitzeichen (@zeitzeichenNET) an einer Klärung, „wie wir mit der vergifteten Documenta fifteen umgehen sollten“.

Der alltägliche Hass im Klassenzimmer – Christoph Giesa (DER SPIEGEL)

Vielleicht ist ja auch „der alltägliche Hass im Klassenzimmer“ gegenüber Juden zwar nicht losgelöst vom Hochamt des links-liberalen Bildungsbürgertums Documenta zu betrachten, aber doch irgendwie relevanter für das aktuelle jüdische Leben als die neueste Volte in Kassel? Christoph Giesa (@Christophgiesa) schreibt darüber im SPIEGEL: Nicht allein Religionslehrer:innen zur Lektüre dringend empfohlen!

Doch wenn deutsche Jüdinnen und Juden in deutschen Schulen angegriffen werden, die Begründung aber im Konflikt im Nahen Osten liegt, tut man sich schwer, dagegen vorzugehen. Weil man es häufig nicht als Antisemitismus erkennt. Aber auch, weil das Juste Milieu, aus dem sich die Lehrerschaft zu nicht geringem Anteil rekrutiert, ein Herz für die »palästinensische Sache« hat. Das ist an sich nicht verwerflich, führt aber in Kombination mit oberflächlichem Wissen nicht selten dazu, dass man sich schwertut, zwischen legitimen Anliegen und Propaganda zu unterscheiden.

Und zum Schluss dieses nachgefasst mit Antisemitismus-Schwerpunkt, wie es in den #LaTdH ja leider nicht selten ist, noch eine Nachricht aus Lutherstadt Wittenberg: Dort schließt der Kirchenvorstand der Stadtkirchengemeinde „eine Abnahme der judenfeindlichen Schmähplastik von der Fassade der Stadtkirche nicht länger raus“, berichtet der epd.

Der Gemeindekirchenrat habe sich für deutlichere Schritte im Umgang mit der Plastik ausgesprochen, teilte das Gremium am Freitag mit. Der Beleidigung aller Juden und ihres Glaubens müsse ein deutlicher und sichtbarer Ausdruck für die christliche Abkehr von Judenfeindlichkeit entgegengesetzt werden. Im Prozess der Neugestaltung sei dem Gemeindekirchenrat wichtig, wie Juden dieses Schandmal erlebten und wie aus ihrer Sicht eine angemessene Neukonzeption der Stätte der Mahnung aussehen könnte.

Buntes

Kirchenasyl: Ordensschwester im Berufungsprozess freigesprochen – Pirmin Breninek (BR)

Das Landgericht Würzburg hat in einer Berufungsverhandlung Schwester Juliana Seelmann aus dem Kloster Oberzell vom Vorwurf der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt freigesprochen, berichtet Pirmin Breninek (@PirminBreninek) für den Bayerischen Rundfunk. Das Amtsgericht Würzburg hatte die Ordensfrau noch zu einer Geldstrafe verurteilt.

Schwester Juliana konnte mit einem Lächeln auf dem Gesicht den Gerichtssaal verlassen. In einer Stellungnahme äußerte sie sich erleichtert über den Freispruch: Kirchenasyl sei eine christliche Tradition, um besondere humanitäre Härten zu vermeiden. Es gehe darum, besonders verletzliche und schutzbedürftige Migranten vor einer Abschiebung zu bewahren. „Wir haben uns an alle Vorgaben gehalten, wie es zwischen der Kirche und dem Bundesamt abgesprochen war. Daher bin ich erleichtert, dass das zum Freispruch geführt hat.“

Im Sog der Wunder: Awakening Europe – Merlin Pratsch (MedWatch)

Als der Ukraine-Krieg beginnt, kommt es an der Grenze zu Polen zu verwunderlichen Szenen: Mitglieder der Vereinigung Awakening Europe sprechen Flüchtlinge an. Angeblich geschehen Wunderheilungen. Was war da los? Merlin Pratsch (@MerlinPratsch) hat das für MedWatch recherchiert:

Die Menschen, die hier in Gottes Namen Wunder vollbringen wollen, tragen rote Warnwesten. Auf deren Rücken steht „VOLUNTEER“. Darüber, in kleinerer Schrift „Awakening Europe“. Journalist Knipping beobachtet, wie sie sich vor allem an den Orten aufhalten, an denen sich flüchtende sowie in die Ukraine reisende Menschen stauen: am Bahnhof, an den Grenzübergängen. Sie singen und beten, tanzen vor einer langen Warteschlange mit zwei als Plüschtiere verkleideten Menschen vor Kindern, verteilen Bibeln und Flyer.

Marx und die Diakoninnen: Zelebration und Imagepflege – Norbert Lüdecke (Theosalon)

Im Theosalon kontextualisiert und kritisiert der emeritierte katholische Kirchenrechtler Norbert Lüdecke das „Ja“ von Kardinal Reinhard Marx zur Weihe von weiblichen Diakoninnen in der römisch-katholischen Kirche. Er sieht eine gewaltige Doppelmoral am Werk: Der Kardinal gebe sich zwar in der Öffentlichkeit reformwillig, unterlasse aber die notwendigen und möglichen Schritte, wirklich auf dem Weg voranzukommen.

Wer sich vor diesem Hintergrund mit dem „Die Zeit ist Reif“-Spruch vor Frauen in Szene setzt, deren Zustimmung er sich so sicher sein kann, wie „Froh über Diakoninnen“-Worte reichen, „um in der katholischen Kirche Kardinal auf liberal zu reimen“, und mit der wahrscheinlich schon bereitliegenden Pressemitteilung die entsprechende Schlagzeile vorgibt „Kardinal Marx spricht sich für Öffnung des Diakonats von Frauen aus“, zelebriert nur sich selbst, instrumentalisiert die Predigt in der Eucharistiefeier für reine Imagepflege und verspottet nicht nur die Frauengemeinschaft, zu deren Feier er gebeten war.

Australiens Plenarkonzil endet mit Kompromiss bei Frauen-Frage (KNA, katholisch.de)

Wie es – nicht nur in dieser Frage – mit dem Synodalen Weg in Deutschland und seinen Forderungen weitergehen könnte, zeigte in diesen Tagen das Schicksal des australischen Plenarkonzils. Dort mussten zuletzt herbe Kompromisse geschlossen werden, weil die Zustimmung der Bischöfe zu tatsächlichen Reformen ausblieb. Übrig geblieben sind Forderungen an den Vatikan. Nun denn.

Inside the ‘school’ for men caught paying for sex – Elle Hardy (The Guardian, englisch)

Die Journalistin Elle Hardy (@ellehardy) befasst sich vor allem mit der charismatischen Bewegung (s. hier in der Eule) und hat für ein neues Buch in Texas bei Vereinen recherchiert, die verurteilte Freier im Sinne evangelikaler Moral umerziehen wollen. Das Engagement der Christen gegen die Prostitution hat auch Schattenseiten, was den Umgang mit den Persönlichkeitsrechten der Freier angeht. Und – wie so häufig – geht es nicht nur um den lieben Gott, sondern auch ums Geschäft.

Stiftungsmodell für Islam-Unterricht am Ende? – Rüdiger Soldt (FAZ)

Baden-Württemberg wollte beim islamischen Religionsunterricht Neuland betreten. „Jetzt kommt das Modell an seine Grenzen“, berichtet Rüdiger Soldt (@r_soldt) für die FAZ über die aktuellen Entwicklungen um den Islam-Unterricht im Südwesten:

Ob das Stiftungsmodell eine dauerhafte Lösung zur Organisation des islamischen Religionsunterrichts sein wird, darf bezweifelt werden. Die Landesregierung hatte es damals unter hohem Zeitdruck eingeführt, weil sonst zahlreiche Modellprojekte zur Erprobung des islamischen Religionsunterrichts nicht hätten fortgeführt werden können. Auch der Konflikt zwischen traditionellen Verbandsvertretern in der Stiftung und den ausgesprochen liberalen Islamwissenschaftlerin an den Hochschulen war vorhersehbar.

Surely There Must Be Someone Out There In All That Space – Jaime Green (Slate, englisch)

Viele Menschen waren in den vergangenen Tagen wie ich beeindruckt von den neuen Bildern unseres Universums des James Webb Space Telescope. Jamie Green (@jaimealyse) schreibt bei Slate darüber, was die Bilder bei ihr auslösen und vor allem über die Suche nach außerirdischem Leben.

The question of life in other galaxies will probably never be truly answered, not in our lifetime nor humanity’s. We may find microbes on another planet, or not. We may, with JWST or another powerful telescope, see the traces of life in an exoplanet’s atmosphere, or we may not; this kind of evidence would hardly be conclusive of anyone running around out there. […] But humans will never travel to the far reaches of the universe on display in JWST’s images, will never know them with our own eyes or our feet on their ground. We can gaze at the images captured by our telescopic emissaries, and we can treasure life on Earth and be awed by the cosmos all the same.

Theologie

Theologischer Frontalangriff auf Patriarch Kyrill – Katja Dorothea Buck (WELT-SICHTEN)

Im Magazin für globale Entwicklung und ökumenische Zusammenarbeit WELT-SICHTEN (@weltsichten) schreibt Katja Dorothea Buck über die „Erklärung zur Lehre von der ‚Russischen Welt‘ (Ruskij Mir)“ (deutsche Fassung hier) von orthodoxen Theolog:innen, die inzwischen von über 1500 Theolog:innen und Kirchen-Akteur:innen unterzeichnet wurde.

„Wir wollten deutlich machen, dass diese Ansichten den Prämissen der orthodoxen Theologie diametral widersprechen“, sagt Georgios Vlantis, Mitarbeiter der Volos-Akademie und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Bayern, der an dem Text mitgewirkt hat. „Es ist eine Irrlehre, vom heiligen Rus als einer kirchlich unbedingt zu unterstützenden Einheit russischer Völker zu sprechen.“ Aber das werde in den Kirchen in Russland gepredigt. „Nationalismus ist ein Krebsgeschwür der gesamten Orthodoxie“, sagt Vlantis.

Das Papier richte sich deswegen nicht allein an die ROK, sondern an die – von den Kirchenoberen meist tolerierten – nationalistischen Strömungen innerhalb vieler orthodoxer Kirchen. Es stehe auch dem ukrainischen Nationalismus kritisch gegenüber. Man hoffe, dass es zu einer kritischen und selbstkritischen Diskussion innerhalb der weltweiten Orthodoxie führe.

Noch mehr Lesestoff zur Erklärung gibt es hier.

Neue Handlungsspielräume in der Ukrainischen Orthodoxen Kirche – Andriy Fert (G2W)

Beim Ökumenischen Forum für Glauben, Religion und Gesellschaft in Ost und West findet sich diese von Regula Zwahlen angefertigte Übersetzung eines Textes von Andriy Fert, Doktorand der Geschichte an der Nationalen Universität Kyjiw-Mohyla Akademie in Kyjiw, über das Gegen- und Miteinander der beiden ukrainischen orthodoxen Kirchen (s. #LaTdH vom 29. Mai).

Der Krieg und die Passivität der Bischöfe im März und April haben die Priester an der Basis bedeutend gestärkt. Unmittelbar konfrontiert mit den Kriegskonsequenzen – entweder weil Bomben auf ihre Kirchen fielen oder durch unzählige Begräbnisse von Soldat:innen und Zivilist:innen – konnten viele Priester ihre geistliche Bindung an Russland nicht mehr mit dem Krieg vereinbaren. Die Mehrheit von ihnen lehnte den Patriarchen ab. Viele unterzeichneten Petitionen an ihre Bischöfe mit Autokephalie-Forderungen. Manche spürten eine Entfremdung von ihren Bischöfen und schufen informelle Kanäle, um ihre Visionen der kirchlichen Zukunft zu skizzieren. Aber eine Mehrheit von ihnen ist nicht bereit für einen Übertritt zur OKU.

Das alles mag aus deutscher katholischer oder evangelischer Perspektive verwirrend sein. Das macht eine Befassung mit der Lage der Christen in der Ukraine allerdings umso dringlicher, gerade im Vorfeld der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Karlsruhe Ende August / Anfang September.

Ein guter Satz