Wer erlöst die USA? – Die #LaTdH vom 18. August
Wie bestimmt die Religion den Wahlkampf in den USA? Außerdem: Nonnen in Klausur, Promotionen in Theologie und Abschiebebeobachtung an deutschen Flughäfen.
Herzlich Willkommen!
Ich habe mich in den vergangenen Tagen nach einer weitgehenden Abstinenz während meines Urlaubs wieder vermehrt auf unseren so zahlreichen und widerborstigen Social-Media-Plattformen herumgetrieben. Wie zum Ausgang des letzten Sommers soll es in der Eule wieder einen Social-Media-Report geben, der Akteur:innen in Kirche und Theologie darüber orientiert, wo und wie man digital (gut) kommunizieren kann. Eine Beobachtung teile ich hier schon mal mit:
Es mag am heißen Sommer oder an der (immer noch) anhaltenden Ferienzeit liegen, aber das Leben und Weben der Kirche im Netz ist derzeit doch recht eindimensional. Viele Akteur:innen beschäftigen sich mit Aufgüssen ihrer Greatest Hits. Neues oder gar Überraschendes, sowohl inhaltlich als auch formal, finden sich kaum. Nun kann es sich dabei sicher um eine Phase des Luftholens handeln, die durch viele verschiedene Faktoren induziert ist. Und ganz sicher deutet die Verflachung des Diskurses über Glaubensthemen auch darauf hin, dass die digitale Kommunikation insgesamt durch die Plattformen fast vollständig kommodifiziert ist. Aber trotzdem sollte man das Körnchen an (Selbst-)Kritik der eigenen Formate darin nicht überlesen oder überhören: Was und wie Christ:innen und Kirchen online kommunizieren, haben sie auch selbst in der Hand.
Mit der digitalen Arbeit in Kirchen und Kirchgemeinden werden wir uns in der Eule auch bei unserem zweiten Eule-Live-Abend des Jahres befassen. Am 4. September, 20 Uhr, laden wir diesmal nicht „nur“ die Eule-Abonnent:innen, sondern alle Interessierten ein, gemeinsam mit Hanno Terbuyken und mir über #digitaleKirche nachzudenken und zu diskutieren. Hanno und ich haben im Frühjahr 2024 das Buch „Vernetzt und zugewandt: Digitale Gemeinde gestalten“ im Neukirchener Verlag veröffentlicht. Das Praxishandbuch beschreibt Grundlagen und erfolgreiche Wege der digitalen Arbeit in Kirchgemeinden (mehr Infos auf der Website zum Buch). Digitalisierung hat definitiv mehr Dimensionen als das Bespielen von Social-Media-Plattformen.
Im vergangenen Jahr haben wir den Social-Media-Trends-Report der Eule zweigeteilt: Dem großen Aufschlag haben wir noch eine Analyse der Mikroblogging-Landschaft beigesellt. Welcher digitale Lebensraum verdient es in diesem Jahr, noch einmal besonders unter die Lupe genommen zu werden? Teilen Sie / teile uns Ihren / Deinen Eindruck gerne per E-Mail, per Social-Media-Plattformen oder hier in den Kommentaren mit!
Eine gute Woche wünscht
Philipp Greifenstein
PS: Die #LaTdH und die ganze Eule werden von den Leser:innen selbst ermöglicht! Die Eule ist ein unabhängiges Magazin und erhält keine Unterstützung von Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Werden Sie Eule-Abonnent:in! Schon ab 3 € im Monat sind Sie dabei.
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Debatte
Als „Erlöserin“ mit Fragezeichen sieht der Stern auf seinem aktuellen Titel die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Kann sie die amerikanische Demokratie „wiederbeleben“? (Am Rande bemerkt: Seltsame Definition von Erlösung da bei der Stern-Redaktion.) Aber welche Rolle spielen die Religion und in einem engeren Sinne die Religionszugehörigkeit im US-Wahlkampf?
Darüber, welcher Religionsgemeinschaft die prominenten Vertreter:innen der Parteien angehören, wird nach wie vor routiniert berichtet. Während Donald Trump von seinen Anhänger:innen auch als Verkörperung des alttestamentlichen persischen Herrschers Kyros der Große gesehen wird (wir berichteten), ist die religiöse Assoziation der demokratischen SpitzenkandidatInnen Kamala Harris (Baptistin) und Tim Walz (Lutheraner) deutlich weniger, nun ja, weird.
Während Trump ein durch und durch instrumentelles Verhältnis zur Religion zu eigen ist, lohnen sich Blicke in die religiöse Biografie und Herkunft von Harris und Walz. Bernd Tenhage hat das für die KNA / kath.ch für Harris unternommen und über den religiösen Background von Tim Walz informierten bereits die #LaTdH von vergangener Woche. Im Artikel von Clemente Lisi bei Religion Unplugged (auf Englisch) kommen auch die guten Beziehungen von Walz zur muslimischen Minderheit in seinem Bundesstaat zur Sprache.
Biografie und Wähler:innen
Die Tickets, also Gespanne aus KandidatInnen für PräsidentIn- und VizepräsidentIn-Ämter der großen Parteien, werden nach vielfältigen Proporzen gebildet. Der Woman of Color Harris müsse zwangsläufig ein alter, weißer Mann beigesellt werden, erklärten nahezu alle Analyst:innen und Kommentator:innen – und so ist es auch gekommen. Im Vergleich zu Identitätsmarkern wie Race, Gender und sozio-ökonomischen Milieus scheint die Religionszugehörigkeit an Bedeutung auch in den USA eingebüßt zu haben. Eine aktuelle Umfrage des Pew Research Centers ergibt, laut epd, folgende Prognose:
Weiße Protestanten und besonders weiße Evangelikale bleiben […] Donald Trump treu. […] 77 Prozent der weißen Evangelikalen und 55 Prozent der nicht-evangelikalen weißen Protestanten [bekundeten] ihre Unterstützung für Trump. 78 Prozent der schwarzen Protestanten sprachen sich für seine Kontrahentin Kamala Harris von den Demokraten aus. Katholiken sind zu 49 Prozent für Trump und zu 44 Prozent für Harris. Mehrheitlich für Harris äußerten sich Menschen ohne einen bestimmten Glauben (55 Prozent) und Juden (65 Prozent).
Dass der republikanische Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance Katholik ist, sorgt heute beispielsweise nicht mehr für so viel Aufsehen wie noch der Katholizismus von John F. Kennedy in den 1960er Jahren. Annika Brockschmidt hat sich in der Christ & Welt (€) mit Vances Konversion zu einem reaktionär gefärbten Katholizismus und ihren Implikationen für die politische Religionslandschaft befasst. Ich sage ja immer: „Vorsicht vor den Konvertiten!“ Radikale Veränderungen der eigenen (religiösen) Überzeugungen im Erwachsenenalter können zwar auch von Phantasie und Flexibilität zeugen, aber sind gelegentlich Zeichen für Fanatismus und unbarmherzige Prinzipienreiterei. Eine Weltgeschichte der Konvertiten muss dringend geschrieben werden und beim Apostel Paulus kann man dafür ganz gut einsetzen.
Eine Erscheinung wie Tim Walz, der einer liberalen und LGBTQI+ affirming Gemeinde angehört, kann man gut als letztes und ein wenig kontradiktorisches „Hallo!“ des weißen Mainline Protestantismus in den USA lesen. Wie Ryan Burge in seinem stets interessanten Newsletter „Graphs about Religion“ darstellt, gibt es in den USA kaum eine „Liberalizing Religion“, d.h. umso fleißiger Menschen zur Kirche gehen, desto konservativer (nach europäischen Maßstäben: reaktionärer) sind sie. Burge sieht daher auch ein „Aussterben des weißen, christlichen Demokraten“ voraus.
In jedem Fall sacken Kandidat:innen heute nicht automatisch ihre Glaubensgeschwister ein, wenn es an die Wahlurne geht. Vom frommen Katholiken Joe Biden haben sich zahlreiche Katholik:innen in den USA und eine Reihe kulturkämpferischer und trumpistischer Bischöfe beherzt abgewendet. Die katholische Soziallehre war ihnen deutlich weniger wichtig als ein Verbot von Abtreibungen und der Kampf gegen LGBTQI+. Im Magazin Commonweal beschreibt Massimo Faggioli (auf Englisch) allerdings eine spannende „Gegenbewegung“: Konservative Katholik:innen folgen Trump nicht mehr so bedingungslos wie es weite Teile des US-Evangelikalismus weiterhin tun.
The fact is that there is no moral, intellectual, and theological center of gravity anymore, in either our political or our ecclesial system. Many Catholics seem to be reconsidering their relationship with the pivotal figure of the last three election cycles. This is especially true for those who clearly do not identify with or support Joe Biden and the Democratic party. Trump’s continued grip on the GOP is more and more of a problem for conservative religious leaders who have realized that any hope of domesticating or “baptizing” him is futile.
Konservative Katholik:innen hat Trump durch seine Berufungen von konservativen RichterInnen an den Supreme Court und die damit verbundene Aufhebung des gesetzlichen Rechts auf Schwangerschaftsabbrüche (Roe vs. Wade) im Jahr 2022 bereits zufriedengestellt. Wenn man ihn nicht wirklich für den Messias hält, hat man von ihm deutlich weniger zu erwarten als noch 2016. Inzwischen stürzen sich rechtsradikale Kulturkämpfer und Katholiken statt auf die Abtreibung auf Gender und insbesondere Transsexualität als hot topic.
Faggiolis Artikel, das sei hier noch bemerkt, ist vor dem Rückzug von Biden als Kandidat der Demokraten erschienen. Unter jungen Katholik:innen erhalten die Demokraten dank des Wechsels zu Harris / Walz wegen ihrer sozialpolitischen Positionierung stärkeren Zuspruch, berichtet der National Catholic Reporter (auf Englisch).
Allerdings geht es hier vor allem um weiße, junge Katholik:innen – eine zunehmend kleine Gruppe. Sorgenvoll schauen Beobachter:innen auf einen Rechtsruck bei jungen konservativen katholischen Hispanics und jungen evangelikalen schwarzen Männern. Aufgrund des US-Wahlsystems kann eine Mobilisierung in dieser Gruppe durchaus Auswirkungen haben, auch wenn junge People of Color insgesamt deutlich zu den Demokraten tendieren.
Der Elefant im Raum
Die eigenen politischen Positionen präfigurieren religiöse Überzeugungen stärker als umgedreht. Das zeigt nicht zuletzt Ryan Burge in seinen Nachforschungen immer wieder. Insbesondere die politische Rechte nutzt das Christentum instrumentell und als Identitätsmarker einer Weißen, sich von der Welt bedrohten „Mehrheit“ (die eigentlich natürlich eine Minderheit ist). Insofern sollte man mit Labeln wie „Christlicher Nationalismus“ vorsichtig sein: Sie können Phänomene zutreffend beschreiben, sind aber selbst Teil rechter Propaganda.
Viel stärker als irgendwelche religiös-politischen Strömungen ist die Auswanderung der US-Amerikaner:innen aus der (institutionalisierten) Religion – und damit auch aus einer korporativen politischen Handlungsfähigkeit. Für ihre politische Neigung spielt die eigene Religionszugehörigkeit für zunehmend mehr US-Bürger:innen eine weniger bedeutsame Rolle. Ein Wahlkampfthema aber ist ganz deutlich auch eine Frage der Religionszugehörigkeit:
Der Nahost-Konflikt und insbesondere die US-Unterstützung für Israel im aktuellen Gaza-Krieg polarisiert stark insbesondere innerhalb der Wähler:innenschaft der Demokraten. Linke und links-liberale Jüdinnen und Juden stehen der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu und ihrer Kriegsführung ausgesprochen kritisch gegenüber. Unter Muslim:innen ist die Solidarität mit den Palästinensern natürlich viel größer als in der „christlichen Mehrheitsgesellschaft“. Und nicht zuletzt ist die Positionierung zum Gaza-Krieg auch eine Generationenfrage.
All das hat wohl auch dazu beigetragen, dass sich Harris nicht für den Gouverneur von Pennsylvania, Josh Shapiro, als ihren Running Mate entschieden hat. Shapiro ist praktizierender Jude, ein außenpolitischer Falke in der Tradition Hillary Clintons und bei den vielfältigen Israel-Lobbygruppen hoch angesehen. Harris selbst positioniert sich in Bezug auf Israel und den Gaza-Krieg im Grunde wie Präsident Joe Biden, sendet aber auch Signale an die kriegskritischen, jungen, linken jüdischen und muslimischen Wähler:innen aus: Der Rede von Benjamin Netanjahu im US-Kongress blieb sie – wie viele andere Demokraten – demonstrativ fern. Und statt Shapiro wählte sie sich Tim Walz, einen Gegner des letzten Irak-Kriegs, zum Vizepräsidentenkandidaten.
Dass die jungen linken, jüdischen und muslimischen Kriegskritiker:innen zu den Republikanern abwandern, ist nahezu ausgeschlossen. Aber im Kontext des eskalierenden Kulturkampfes um die Universitäts-Campus in den USA und mit der Aussicht auf eine zweite Amtszeit von Joe Biden bestanden große Zweifel an ihrer Mobilisierung für die Demokraten am Wahltag. Ohne diese Stimmen aber stünde es in wichtigen Wahlbezirken für die Demokraten schlecht.
Gänzlich irrelevant ist die Religionszugehörigkeit von Kandidat:innen für den Wahlkampf also auch in den USA nicht geworden, wenngleich man hoffen darf, dass es für die allergrößte Mehrheit der Bürger:innen nicht um die Erwählung eines neuen Messias, sondern um die Wahl vernünftiger Politiker:innen geht. Weniger Religion im Betrieb bedeutet in diesem Sinne durchaus auch weniger weird.
nachgefasst
Wofür ich lebe: Würde – Birgitta Söling, Christina-Maria Purkert (HR, ARD Audiothek, 29 Minuten)
Die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände engagieren sich mit zahlreichen Instrumenten für geflüchtete Menschen: Unterbringung und Begleitung in kircheneigenen Wohnungen und Kirchgemeinden, Beratungsangebote bei Diakonie und Caritas, Wohngemeinschaften für unbegleitete Jugendliche, Tafeln und Patenprogramme, Hilfen für Familien mit Kindern, natürlich auch das Kirchenasyl und die Seenotrettung. Ein Arbeitsfeld, das ziemlich unter dem Radar der Öffentlichkeit fliegt, ist die Abschiebebeobachtung, die von Mitarbeiter:innen von Diakonie und Caritas inzwischen an mehreren Flughäfen geleistet wird.
Hier bricht der Vulkan aus, könnte man sagen“. Finn Dohrmann und Melissa Ergül-Puopolo sind dabei, als Abschiebe-Beobachter im Auftrag von Diakonie und Caritas. Sorgen für Kleidung, wenn jemand in der Nacht abgeholt wurde, im Schlafanzug. Zahlen Handgeld aus, wenn jemand mittellos ist. Verleihen ihr Diensthandy, damit sich Rückzuführende wenigstens kurz verabschieden können. Und legen jährlich einen Bericht darüber vor. Wofür sie leben: Würde.
Im Radiofeature von Birgitta Söling (Redaktion beim HR: Christina-Maria Purkert) geht es um die fordernde Arbeit der Abschiebebeobachter:innen, in schwierigen Lagen christliche Nächstenliebe zu üben und Leid zu dokumentieren und zu mindern. In den Fokus geraten so auch die Härte und Grausamkeit, mit der Deutschland geflüchteten Menschen begegnet. Wenn Politiker:innen mal wieder von „zügigen Rückführungen“ sprechen oder von „konsequenten Ausweisungen“, dann sehen wir hier die Folgen.
Buntes
Gender-Gap hinter Klostermauern – Isabelle Jonveaux (feinschwarz.net)
Für Nonnen ist die Klausur strenger geregelt als für Mönche. Die Religionssoziologin und Religionswissenschaftlerin Isabelle Jonveaux, Leiterin des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts Suisse Romande, erläutert bei feinschwarz.net problematische Strukturmerkmale der päpstlichen Klausur – und warum offenbar es immer noch Unterschiede zwischen Frauen- und Männerorden geben soll.
Die Frauen, die heutzutage in Europa ins Kloster eintreten, sind im Durchschnitt um die 30, haben oft studiert, gearbeitet, alleine gewohnt oder hatten sogar eine Beziehung. Außerdem hat sich die Wahrnehmung der Frauen in der Theologie entwickelt. An diesem Punkt muss die Frage gestellt werden: Macht die päpstliche Klausur noch Sinn, wenn sie erstens dem heutigen Frauenbild nicht mehr entspricht und zweitens potenziell zu mehr Missbrauchsformen führen kann?
Theologie
So viele Doktoranden in Katholischer Theologie gibt es in Deutschland (KNA, katholisch.de)
Die Nachwuchssorgen in der Theologie haben uns in der Eule und in den #LaTdH in jüngster Zeit bereits ein paar Mal beschäftigt (z.B. hier & hier). Marius Retka sieht in seiner Auswertung der Studierendenzahlen „die katholische Theologie in Bedrängnis“. Auch an evangelischen Fakultäten und Instituten gehen die Studierendenzahlen zurück. Und wie bei den katholischen Priesteranwärtern verändern sich auch die Milieus, denen heutige Theologiestudent:innen entstammen (oder entkommen), auch wenn es hier sicher Unterschiede gibt. Auch die Diskussion um die Zukunft der Kirchlichen Hochschule Wuppertal (hier, hier & hier in der Eule) hat unmittelbar mit dem Schrumpfen der Nachfrage an der Theologie als Studienfach zu tun.
Die KNA hat nun einmal die Zahl der Doktorand:innen der Theologie in Deutschland herausgesucht:
In der Fächergruppe Katholische Theologie und Religionslehre gab es 2023 insgesamt 1.053 Promovierende, davon 641 Männer und 412 Frauen. Das teilte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am Freitag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. In der Fächergruppe Evangelische Theologie und Religionslehre waren es den Angaben zufolge 1.048 Promovierende – davon 531 Männer und 517 Frauen.
Zunächst einmal war ich von den Zahlen recht angetan, weil sie mir doch groß genug erscheinen, um den Nachwuchs für theologische Lehrstühle zu sichern. Marius Retka hatte beschrieben, dass in den kommenden Jahren „pro frei werdender Professur nur gut ein:e qualifiziert:e Kandidat:in für die Besetzung zur Verfügung stehen“ würde.
Dann aber sind 2.100 Promovierende auch schrecklich wenig für eine theologische Landschaft, die aus zahlreichen universitären, kirchlichen, publizistischen und zivilgesellschaftlichen Refugien besteht. Klar, an vielen Stellen kann man auch ohne Doktortitel arbeiten. Nimmt man aber den Doktortitel als Marker für Exzellenz und die Nachfrage nach ihm zugleich als Zeichen dafür, dass es sich auch (berufs-)biographisch lohnt, lange an (detaillierten) Sachfragen dranzubleiben, sehen 2.100 auf 82 Millionen schon ziemlich dünne aus.
Ein weiterer bemerkenswerter Umstand ist, dass die Zahl der promovierenden Männer in der katholischen Theologie die der Frauen (noch immer) deutlich übertrifft. Ein Missverhältnis, das in der evangelischen Theologie (fast vollständig) verschwunden ist. Dass es trotzdem deutlich weniger evangelische Theologieprofessorinnen als Professoren gibt, hat noch andere Gründe. Als große Probleme bei der Nachwuchsgewinnung hat auch Marius Retka in seiner Analyse den Umgang mit Diversität und Geschlechtergerechtigkeit beschrieben.
Ein guter Satz
„Die Menschen in der Moderne, werden noch immer von den Fragen bewegt die sie schon vor zweitausend und mehr Jahren bewegt haben: die Frage nach der Schuld, die Frage nach der Liebe, nach der Gerechtigkeit in der Welt, nach dem Sinn des Lebens, nach dem Tod.“
– Paul Tillich