Bunte Welt – Die #LaTdH vom 17. Oktober

Ein Blick zurück auf die Themenwoche zum Rassismus in der Kirche. Außerdem: Gehalts-Überschuss in Köln, ein falsches Grab, Protest gegen den Zapfenstreich und Muezzinrufe.

Herzlich Willkommen!

Kardinal Rainer Maria Woelki bekommt auch während seiner Auszeit als Erzbischof von Köln weiterhin sein volles Gehalt. Das sorgt für Unmut und Kritik. Wir berichten über Rassismus in der Kirche. Und eine Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche spricht auf einer Pressekonferenz und in einem Podcast über ihre Erfahrungen.

Außerdem geht es um das Modellprojekt in Köln, das Muezzinrufe zum Freitagsgebet unter gewissen Auflagen erlaubt. Die Caritas startet in die Klimaneutralität und die wohl berühmteste Christus-Statue feiert 90. Geburtstag.

Eine gute Woche wünscht
Jacqueline Bohrmann

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Debatte

Diese Woche haben wir in der Eule einen Schwerpunkt zum Thema Rassismus und zur Sichtbarkeit schwarzer Menschen in der Kirche gesetzt. Darauf möchten wir auch an dieser Stelle noch einmal aufmerksam machen.

Warum in Kirchengesetzen von „Rasse“ und „Abstammung“ gesprochen wird – Philipp Greifenstein (Die Eule)

Philipp Greifenstein (@rockToamna) wirft in seinem Text die Frage auf, ob die Kirche in dieser Debatte nicht eine Vorreiterrolle übernehmen könnte. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags haben in der vergangenen Legislaturperiode nicht darüber abgestimmt, den Begriff „Rasse“ aus dem Grundgesetz zu streichen. Die Evolutionsforschung sei sich aber einig, dass es keine verschiedenen „Menschenrassen“ gebe. Trotzdem ist auch in kirchlichen Gesetzestexten von „Rasse“ und „Abstammung“ die Rede.

„Die Einteilung der Menschen in Rassen war und ist zuerst eine gesellschaftliche und politische Typenbildung“, der dann eine „anthropologische Konstruktion auf der Grundlage willkürlich gewählter Eigenschaften wie Haar- und Hautfarbe“ folgte.

Eine Übersicht, wie häufig und an welcher Stelle Begriffe wie „Rasse“, „Abstammung“ und „Ethnie“ in Kirchengesetzten vorkommen, wurde bisher weder in der evangelischen noch in der katholischen Kirche erstellt. Allerdings beschäftige sich der Rechtsausschuss der EKD-Synode mit der Frage einer Änderung von derartigen Formulierungen, so eine EKD-Sprecherin gegenüber der Eule.

Hörbare Stimmen: Literatur Schwarzer Autor*innen in Deutschland – Daniela Kalscheuer (Die Eule)

Bücher und Texte schwarzer deutscher Autor*innen thematisierten weitestgehend das Schwarzsein, zu diesem Schluss kommt unsere Autorin Daniela Kalscheuer. Die Autor*innen berichten über Rassismus und ihre Erlebnisse als schwarze Deutsche:

Schwarze Deutsche gehören zu Deutschland. Dieser Satz ist leider immer noch keine Selbstverständlichkeit, was sich auch daran zeigt, dass sich ihre Literatur gezwungenermaßen meist mit den Themen Rassismus, Identitätsfragen und Diskriminierungserfahrungen auseinandersetzten muss, einfach deshalb, weil der Literaturmarkt es zum einen fordert das ‚Andere‘ zum Thema zu machen, zum anderen, da es einfach die eigenen Erfahrungen sind, die von den Autor*innen aufgegriffen werden.

Kalscheuer weiß auch, dass es für Weiße oft nicht leicht ist, sich mit solchen Texten auseinanderzusetzen, weil „Frustration und berechtigte Wut“ gegenüber der Mehrheitsgesellschaft in ihnen deutlich werden. Am Ende ihres Artikels findet sich eine ausführliche Liste mit Lesetipps von Werken Schwarzer Autor*innen.

Maï & Philipp erklären die Welt: Rassismus in der Kirche – Maïmouna Obot und Philipp Greifenstein (Die Eule)

In der ersten Ausgabe unseres neuen Podcasts „Maï & Philipp erklären die Welt“ geht es um Rassismus in der Kirche. Philipp Greifenstein (@rockToamna) als ostdeutscher, weißer Mann und Maïmouna Obot (@mai_mit_trema) als schwarze Schwäbin mit rheinischem Akzent kommen miteinander über die leidige Frage „Woher kommst Du eigentlich?“ und Lösungsansätze für Alltagsrassismus in den Gemeinden ins Gespräch.

nachgefasst

Auszeit: Woelki bekommt weiter Gehalt und will Großteil spenden – Frank Piotrowski (WDR)

Sein monatliches Gehalt von 13 700 Euro erhält der Kölner Erzbischof Kardinal Woelki auch während seiner Auszeit weiterhin. Einen Großteil dieses Gehalts wolle Woelki zu Gunsten der von Missbrauch Betroffenen spenden, so das Erzbistum. Der Steuerzahlerbund NRW hat die Zahlung des vollen Gehalts während der Auszeit scharf kritisiert. Weihbischof Rolf Steinhäuser hat diese Woche die Vertretung Woelkis bis zu seiner Rückkehr im März angetreten. Matthias Altmann meint bei katholisch.de (@katholisch_de), dass das Erzbistum Köln nichts aus seinen Kommunikationsfehlern in der Vergangenheit gelernt habe.

Die Debatte wäre sicher nicht so eskaliert, wenn der Kardinal oder das Erzbistum von vorneherein und von sich aus die Spende oder auch einen freiwilligen Verzicht auf einen Teil des Gehalts angekündigt hätten.

Missbrauch: Betroffene kritisiert evangelische Landeskirche (NDR)

Lisa Meyer hat auf einer Pressekonferenz von ihren Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche berichtet. Vor mittlerweile elf Jahren hat sie ihr Schweigen gebrochen und der Landeskirche von den Vorfällen mit einem angehenden Diakon aus den Jahren 1973 und 1974 berichtet. Seitdem sei seitens der Kirche aber nichts weiter passiert, kritisiert die Frau, die unter Pseudonym und per Video auf der Pressekonferenz auftrat.

Als Meyer dann im vergangenen Jahr einen Antrag auf eine Anerkennungsleistung bei der Landeskirche gestellt habe, habe sie das Verfahren als „sehr belastend, absolut intransparent und somit wenig Betroffenen freundlich“ erlebt. Erst durch ihre Initiative sei der aktuelle Aufarbeitungsprozess zustande gekommen, nachdem sie von anderen Betroffenen von einer solchen Möglichkeit erfahren habe.

Die Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers bat Meyer um Entschuldigung und will ihren Fall nun durch eine externe, wissenschaftliche Untersuchung aufarbeiten lassen.

Evangelische Kirche und sexualisierte Gewalt: Konsequente Aufarbeitung? – Florian Breitmeier und Michael Hollenbach (NDR)

Im Podcast „vertikal horizontal. Glaubens- und Gewissensfragen“ beschäftigen sich die beiden Autoren Florian Breitmeier (@breitmeierf) und Michael Hollenbach ausführlich mit der Aufbereitung sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Sie erzählen die Geschichte der oben genannten Lisa Meyer, die unter Pseudonym von ihren Erlebnissen und jahrzehntelanger Vertuschung berichtet.

Buntes

Wahrzeichen und Beschützer: Cristo in Rio wird 90 – und bleibt immer jung (RND)

Seit 90 Jahren thront die Christus-Statue über Rio mit ihren offenen Armen und ist längst zum Wahrzeichen geworden. Diese Woche feierte sie Geburtstag. Seit 15 Jahren mittlerweile ist die Statue auch Heiligenstätte der katholischen Kirche. In einer Kapelle am Fuße der Statue finden Taufen und Hochzeiten statt. Die Einwohner*innen Rios fühlen sich von der Statue aus Beton und Speckstein beschützt und verehren sie sehr.

Aber der Cristo ist nie fertig – er wird immer anders geschmückt und beleuchtet. An Weihnachten etwa bekommt er eine spezielle Illumination, aber auch im Brustkrebsmonat wird er Rosa angestrahlt. Zum Finale der Copa Libertadores – dem wichtigsten südamerikanischen Fußballturniers – „trägt“ er das Trikot des Fußballclubs Flamengo Rio de Janeiro.

Kirche spricht von „Versagen“ – Benjamin Lassiwe (Der Prignitzer)

Henry Hafenmayer wurde auf dem evangelischen Südwestkirchhof in Stahnsdorf bei Berlin begraben. Soweit keine Meldung wert. Allerdings ist Hafenmeyer bekannt als Holocaustleugner, Rechtsextremist und Antisemit. Und in dem Grab, in dem er beigesetzt wurde, ruhte zuvor der Musikwissenschaftlers Max Friedlaender.

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der der Friedhof gehört, spricht mittlerweile klar von einem „Versagen“ der eigenen Kirche. Denn Friedlaender stammte aus einer jüdischen Familie und konvertierte zum Protestantismus. Ursprünglich hatte man die Beisetzung Hafenmayers in einem anderen Grab verhindert, wieso es im Grab von Friedlaender möglich wurde, hat die Kirche bislang nicht klären können. „Ich bin erschüttert und fassungslos über das Geschehen“, sagte Bischof Christian Stäblein am Dienstag bei einem Besuch der Grabstätte.

Stäblein werde nun alles daran setzen, die Schändung des Grabes von Max Friedlaender aufzuarbeiten und auch rechtliche Schritte prüfen, berichtet Benjamin Lassiwe (@lassiwe).

Großer Zapfenstreich: „Jesus würde nicht teilnehmen“ – Anna Lutz (Pro Medienmagazin)

Am Mittwochabend ehrte die Bundeswehr Soldat:innen, die im Afghanistaneinsatz waren, mit einem Großen Zapfenstreich. Auch der evangelische Militärbischof war dabei. Mehrere TheologInnen kritisierten im Vorfeld die Teilnahme von Kirchenvertreter:innen scharf, berichtet Anna Lutz im @pro_magazin.

Die Zeremonie überhöhe und weihe militärische Einsätze und sie grenze Menschen ohne Religions- oder Kirchenzugehörigkeit aus, weshalb sie unvereinbar mit dem religiösen Neutralitätsgebot der Verfassung sei. Statt sich am Zapfenstreich zu beteiligen, solle die Kirche Afghanistan-Soldaten seelsorgerlich begleiten und sich kritisch mit dem Afghanistan-Einsatz auseinandersetzen.

Klimaneutral bis 2030: Caritas startet mit Kick-Off-Workshop – Martin Herceg (Caritas Klimablog)

Die Caritas (@Caritas_web) will bis 2030 klimaneutral werden und setzt diese Ziel jetzt in die Tat um. Die entsprechenden Punkte und das geplante Vorgehen wurden in einem Kick-Off-Workshop vorgestellt. Zuletzt hatten die „Christians for Future“ die Kirchen aufgefordert, bis 2030 klimaneutral zu werden. Den Vortrag der Klimaagentur KATE, die die Caritas auf ihrem Weg unterstütz, gibt’s unter dem Link im Video zu sehen.

Nur durch entschiedenes Handeln und Transformation könne es gelingen, das Tempo der Erderwärmung zu drosseln. Auch Caritas-Präsident Peter Neher machte deutlich, dass der Weg hin zur Klimaneutralität nicht nur „nice-to-have“ sei, sondern ein Prozess, der unumgänglich werde – für alle Bereiche der Sozialwirtschaft.

Theologie

Reker verteidigt Muezzinruf: „Für mich steht nicht Erdogan im Vordergrund, sondern die Musliminnen und Muslime in Köln“ (DLF)

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (@HenrietteReker) hat das Modellprojekt ihrer Stadt zum islamischen Gebetsruf verteidigt. Sie sehe darin keine Werbekampagne für den türkischen Präsidenten Erdogan. Die größte Moschee der Stadt wird vom Islamverband Ditib betrieben, der wiederum wegen seiner Nähe zur türkischen Regierung in der Kritik steht.

Reker betonte, bei dem Modellprojekt stehe für sie nicht Erdogan im Vordergrund, sondern die Musliminnen und Muslime, die in Köln lebten. Man müsse zwischen den Menschen und dem Regime in der Türkei unterscheiden.

Bisher gab es aber noch keinen Antrag auf die Durchführung eines öffentlichen Muezzinrufs, so die Stadt Köln. Gemeinden können während des Modellprojekts unter Auflagen einmal in der Woche zum Gebet rufen.

Islamkritiker hält Muezzinruf in Köln für verfassungswidrig (Domradio)

Mit der Erlaubnis zum Muezzinruf in Köln werde eine Minderheit verfassungswidrig bevorzugt, meint hingegen der Publizist und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad (@hamed_samad) im Domradio.

„Atheisten, Hindus und Veganer dürfen das nicht. Nur die Minderheit der Muslime darf jetzt an 35 Orten in Köln jeden Freitag fünf Minuten ihre Ideologie herausposaunen.“ Ihn störe diese Bevorzugung, die aus seiner Sicht verfassungswidrig sei, da niemand aufgrund seiner Religion privilegiert werden dürfe.

Für Abdel-Samad ist der Ruf auch nicht vergleichbar mit dem Geläut von Kirchenglocken, denn sie würden keine Propaganda verbreiten, im Gegensatz zu einem Muezzinruf. Er sei für mehr Säkularisierung und nicht für mehr Privilegien für den Islam, so Abdel-Samad weiter. Auch Kirchenglocken seien in seinen Augen nicht mehr zeitgemäß.

Norbert Lüdeckes „Die Täuschung“ auf der Frankfurter Buchmesse (wbg)

In wenigen Tagen findet die Frankfurter Buchmesse statt, auf der auch Norbert Lüdecke, Kirchenrechtler an der Universität Bonn, sein aktuelles Buch „Die Täuschung“ über die „Beteiligungssimulation“ Synodaler Weg noch einmal vorstellen wird (Eule-Interview hier). Moderiert wird die Veranstaltung, die auch als Livestream im Netz übertragen wird, von Eule-Autor Thomas Wystrach (@wystrach)

Ein guter Satz