Ein bisschen Frieden – Die #LaTdH vom 17. November

Auf der Synode der EKD wurde sich um den Frieden gestritten. Außerdem: Carsten Rentzing spricht (ohne Möglichkeit der Rückfrage), Feministische Bibellese und Predigt & #digitaleKirche.

In Dresden war was los: Die EKD-Synode tagte an der Elbe und stritt über den Frieden. Die Eule berichtete live und ausführlich. Ebenfalls in Dresden brach der sächsische Ex-Bischof Carsten Rentzing am Freitag sein Schweigen – ob er damit dem Frieden in der sächsischen Landeskirche gedient hat?

Debatte

Wir bleiben aber zunächst friedlich und rekapitulieren die Diskussion um die neue Friedens-Kundgebung der EKD:

Wörterschlacht für den Frieden – Philipp Gessler (zeitzeichen.net)

Darum ging es: Über einen Zeitraum von rund zwei Jahren diskutierten Evangelische Akademien, Landeskirchen, Friedensbeauftragte und brachten den Entwurf in die Synode ein. Dem stellt sich ein Synodaler – ein uniformierter Bundeswehroffizier – in den Weg und übt Grundsatzkritik. Andere Synodale kritisieren die mangelnde Substanz des Kundgebungsentwurfs.

Dabei gehörte es einst zur guten Tradition der Ev. Kirchen in Deutschland, sich „um den Frieden zu fetzen“ – dies zeigt der Blick Gesslers in die jüngere BRD- und DDR-Geschichte.

Die geplante Kundgebung der Dresdner Synode sollte das auffangen – und man sieht dem sechseinhalbseitigen Papier an, dass darin viel Expertise, aber auch viele Kompromisse Eingang gefunden haben. Das mag nicht zuletzt darin liegen, dass die Kundgebung neben dem äußeren Frieden auch dem inneren, also gesellschaftlichen Frieden viel Platz einräumt. Und wer wollte bestreiten, dass beides am Ende zusammen hängt?

Frieden schaffen – mit oder ohne Waffen? – Claudius Grigat (evangelisch.de)

Wie unterschiedlich die Positionen sind, auf welche Weise eine „Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens“ dem Frieden dienen soll! Einigkeit besteht darin, dass die letzte Denkschrift aus dem Jahr 2007 zu überarbeiten ist: Der Klimawandel wurde dort als Konfliktursache nicht berücksichtigt; das Gemeinwesen als Ort der Konfliktlösung übersehen.

Einen der neuen Aspekte kirchlichen Friedenshandelns macht dann Kira Finke vom Potsdam-Institut für Klimaforschung in ihrem Beitrag deutlich. Sie legt eindrücklich dar, wie die Folgen des Klimawandels immer häufiger nicht nur zu Migrationsbewegungen, sondern auch – zumindest als Auslöser – zu bewaffneten Konflikten führen. „Ohne Klimaschutz kein Frieden und ohne Klimaschutz keine Gerechtigkeit“ […].

Lässt sich die Vielfalt der Positionen zusammenbringen– von Bundeswehr-Oberst Mathias Meierhuber bis zum badischen Landesbischof Cornelius-Bundschuh?

Was hat die EKD-Synode 2019 eigentlich beschlossen? – Claudius Grigat, Hanno Terbuyken, Markus Bechtold (evangelisch.de)

Also, was wurde nun beschlossen? Der Text wurde von der Synode angenommen:

Im überarbeiteten und beschlossenen Text bekommt im Vergleich zum ursprünglich eingebrachten Entwurf der einleitende theologische Teil noch mehr Raum. Er folgt im Wesentlichen den Ausführungen von Landesbischof Cornelius Bundschuh und betont als Grundlage der Friedenstheologie und -ethik, dass sich Christinnen und Christen im Gottesdienst und im Gebet in den Frieden Gottes stellen.

Die gesamte „Kundgebung“ der Synode lässt sich hier nachlesen. Renke Brahms, der die Kundgebung als Friedensbeauftragter der EKD eingebracht hat, äußert sich hier im Video dazu, was Frieden für ihn heißt – und für Kirchen bedeuten soll.

Im verlinkten Text sind außerdem alle weiteren Beschlüsse der EKD-Synode (vom Gender*sternchen über den Pfarrberuf zur Digitalisierung bis hin zum Klimapaket) übersichtlich zusammengefasst – für jede*n ist etwas dabei:

Die Ruhestandsgrenzen für Pfarrerinnen und Pfarrer werden flexibilisiert, indem das freiwillige Arbeiten nach Erreichen der Regelaltersgrenze in unterschiedlichen Formen länger ermöglicht wird. Künftig sind sowohl das Hinausschieben des Ruhestands, als auch weiterer Dienst oder eine sogenannte Wiederverwendung im Ruhestand möglich.

Wehrpflicht wieder einführen? – Sigurd Rink und Margot Käßmann (zeitzeichen)

Zurück zum Thema Frieden, zurück zur Wörterschlacht auf zeitzeichen: Ist die Wehrpflicht ein probates Mittel für Frieden? Der Militärbischof der EKD, Sigurd Rink (Kritik seines Friedens-Buches in der Eule), liefert sich mit Margot „Nichts-ist-gut-in-Afghanistan“ Käßmann ein Pro & Contra zur Frage, ob eine Dienstpflicht wieder eingeführt werden soll.

Der Militärbischof befürwortet eine Dienstpflicht für junge Menschen – nicht nur in der Bundeswehr:

„Es gilt, bei jungen Erwachsenen das Bewusstsein für die eigene staatsbürgerliche Verantwortung zu stärken.“

Ob eine solche Pflicht tatsächlich dazu führt, dass die Bundeswehr wieder heterogenere Rekrut*innen bekommt und die „soziale Kontrolle“ zunimmt? Angesichts der immer wieder bekanntwerdenden Skandale um rechtsextreme Umtriebe ist das wünschenswert.

Käßmann hingegen bleibt im Ungefähren:

„Denn ich bin zutiefst überzeugt, dass kein Mensch dazu verpflichtet werden darf, den „Dienst an der Waffe“ zu lernen. Das kann keine Pflicht sein!“

Sie hat ja Recht – aber dafür gab es den Zivildienst. Für viele – auch solche, die ihn anfangs unwillig taten – war dies eine prägende Zeit. Käßmanns Behauptung, dass es mehr FSJ-Bewerbungen als freie Plätze gäbe, kann ich aus der Praxis in einer diakonischen Einrichtung nicht bestätigen.

Ganz im Gegenteil: Es fehlt an jungen Menschen, die trotz anfänglichem Desinteresse spannende Erfahrungen machen und so entdecken, dass in dieser „Branche“  Arbeits- und Karrieremöglichkeiten liegen.

nachgefasst

Bischof Rentzing und die Folgen: Protestantismus im Stresstest – Arnd Henze (feinschwarz.net)

Für treue Leser*innen der Eule bietet Arnd Henze (@arndhenze) – der die Texte aus Carsten Rentzings Studienzeit publik machte – wenig Neuigkeiten. Für alle anderen fasst der Journalist zusammen, was zum Rücktritt des sächsischen Landesbischofs führte; wie schwierig die (politische) Lage der Landeskirche ist; und was das für „progressive“ Mitglieder einer Kirche bedeutet, die viele Konservative unter ihrem Dach versammelt:

Für Liberale, Linke und Reformer in der Evangelischen Kirche bedeutet das, genauer hinzusehen, die menschenfreundlichen Konservativen als unverzichtbare Partner zu erkennen und ihnen Raum zu geben. Manch altes Lagerdenken wirkt angesichts der Angriffe von rechts außen nur noch rechthaberisch und klein kariert.

Und dann sprach Rentzing am 15. November vor der sächsischen Synode:

Persönliches Wort an die Landessynode – Carsten Rentzing (EVLKS)

„Wir konnten unser Glück kaum fassen. Und wir gerieten in einen nationalen Überschwang.“

In seiner Ansprache (Video beim MDR, Text und Audio bei der Landeskirche) berichtet Rentzing aus seiner Biographie. Was ihn politisierte:

„Anfang der 80er Jahre wurde noch als Teenager mein politisches Bewusstsein erweckt.“

Wie es ihn politisierte – mit nationalem Überschwang. Und wie mit seinen damaligen Texten umzugehen sei, und zwar

„wie wir als Kirche immer mit Texten umgehen, nämlich historisch-kritisch“.

Rentzing geht nahe, dass Ex-Kommunist Kretschmann ein Bundesland regieren darf, während er als Ex-national-Überschwungener nun nicht mehr seiner Kirche vorstehen kann. Dass Kretschmann ganz anders mit seiner Biographie umging als er es tut, übersieht er.

Später macht er deutlich, unter welcher Belastung seine Familie durch die öffentliche Aufmerksamkeit steht. Dazu zitiert er auf ihren Wunsch hin seine Töchter.

Was soll man davon halten?

In einem Punkt schließe ich mich Rentzing gerne an:

„Christus ist treu, so fehlbar und schwach wir Menschen auch sein mögen. Er segne und schütze die sächsische Landeskirche. Er bewahre ihre Einheit“

Buntes

Und das nächste Barcamp folgt sogleich (Ev. Landeskirche in Württemberg)

Erstaunlich ruhig ist die Blogosphäre der digitalen Kirche nach dem Barcamp Kirche, das am vergangenen Wochenende in Stuttgart stattfand. Aber auch der „offizielle“ Bericht der Ev. Landeskirche in Württemberg bietet eine gute Übersicht und verlinkt zu den Vorträgen des Fachtags.

Detaillierter lässt sich auf der Wall nachvollziehen, was die Teilnehmer*innen beschäftigte: LaTeX, die AI von GPT-2 (s. #LaTdH von letzter Woche) und andere nerdige IT-„Lösungen“. Das klang jetzt zynischer als es gemeint war, denn außerdem gab es einen schillernden Vortrag von Gunter Dueck (@wilddueck), sehr vielfältige Themen in den Sessions und vieles mehr.

Nur: Dass mit Diakonie nicht nur eine Dachorganisation für soziale Einrichtungen gemeint ist, sondern eine Dimension kirchlichen Handelns, scheint in den Überlegungen für die #digitaleKirche übergangen zu werden.

Das liegt dann aber nicht am Thema Digitalisierung, sondern an der analogen Vorstellung von Kirche, die ins Netz übertragen wird. Naja – gute Ideen gegen Hasskommentare und Unterstützung für die Betroffenen ist irgendwie doch #digitaleDiakonie. Mehr davon! Vielleicht beim nächsten Mal?

Reformation: Noch Bock auf Luther? – Interview von Hannes Leitlein mit Sabrina Hoppe und Malte Detje (Christ & Welt)

In der #DigitalenKirche auf Twitter bezeichnet sich Malte Detje (@MDetje) als „orthodoxer Lutheraner“ und wirft gerne ein konservatives Wort in die Runde. Im von Hannes Leitlein (@hannesleitlein) moderierten Gespräch soll er nun mit Sabrina Hoppe (@Sabrinella_Hope, hier in der Eule) streiten.

Aber: Anders als angekündigt, kommt es nicht zum Streit „über die rechte Lehre und die Zukunft des Luthertums“. Stattdessen zeigen beide wie es aussehen kann, wenn Lagerdenken zurücktritt:

Hoppe: Der Punkt, auf den wir rauswollen, ist doch derselbe: Menschen sind auf sich selbst zurückgeworfen und sehnen sich so sehr danach, gnädig mit sich selbst sein und sich einen gnädigen Gott vorstellen zu können.

Detje: Das ist unser gemeinsamer Punkt, ja.

Die „liberale Pfarrerin“ Hoppe bringt Verständnis auf für die Überzeugungen ihres Amtsbruders, wertet dessen Orientierung an Bekenntnistexten nicht ab und wünscht sich mehr Offenheit innerhalb der EKD – theologisch, ethisch, politisch.

Hoppe: […] Hätte es in den letzten Jahren eine Atmosphäre der größeren theologischen und politischen Offenheit innerhalb der EKD gegeben, wer weiß, vielleicht wären wir dann heute nicht so zerrissen.

Malte Detje ist ein Beweis, dass sich diese Offenheit lohnt um „die menschenfreundlichen Konservativen als unverzichtbare Partner“ in der Kirche zu halten, wie es sich Arnd Henze (s.o.) wünscht. Gleichzeitig nimmt er das eigene „Lager“ in die Pflicht:

Detje: Ich gebe dir recht, dass wir da als theologisch Konservative nachbessern müssen. Wir werden skeptisch, wo eine dem Evangelium fremde Ideologie in die Kirche getragen wird. Auf der linken Seite sind wir da sehr aufmerksam. Den gleichen Ansatz müssen wir auf der politisch rechten Seite verfolgen. Ich kann nicht gleichzeitig Christ und Rassist sein. Wenn ich zuerst Deutscher bin und erst dann Christ, bin ich kein Christ. Es gibt gewichtige konservative Argumente, um gegen eine Faschistisierung der Kirche zu argumentieren. Wer den Zeitgeist anprangert, muss auch sagen: Rassismus ist Zeitgeist!

Den Tod studieren – Gabriele Ingenthron (evangelisch.de, epd)

An der Universität Regensburg kann man ab dem Wintersemester 2020/21 „den Tod studieren“ – im Masterstudiengang „Perimortale Kompetenz“. Seelsorgende, Sozialarbeitende und andere Interessierte setzen sich mit dem Thema Tod und Begleitung von Sterbenden auseinandersetzen. Hier gehts zur Ausschreibung des Studiengangs an der Universität Regensburg. Auch wenn’s komisch klingt: Das ist ein Zukunftsthema. Anders gesagt:

Sterben ist ein wichtiger Teil des Lebens, nicht der beste, „aber er gehört zum Leben dazu“, sagt der evangelische Theologe Michael Fricke, der ebenfalls an der Entwicklung des Studiengangs mitgearbeitet hat.

Bibel

Von Theologie, Bibel und Feminismus – Eva Puschautz (y-nachten.de)

Es gibt viele Theolog*innen, die schon beim Hören des Begriffs „feministische Bibelwissenschaft“ hauptsächlich Negatives damit assoziieren.

Ich kenne zwar kaum ernstzunehmende Theolog*innen, die das so offen zugeben würden – trotzdem stimmt Eva Puschautz zurecht ein Plädoyer für feministische Theologie an. Denn:

Das wirklich Schockierende jedoch ist, dass dort, wo feministische Exegese im letzten Jahrhundert einen Aufschwung erfahren hatte, sie sich mittlerweile oft in eine Nische zurückzieht, um den universitären, patriarchalen Strukturen zu entsprechen. Abgesehen davon gibt es laute Stimmen, die meinen, Gleichberechtigung der Geschlechter sei schon erreicht und der Feminismus möge sich nun wieder zurückziehen.

Die Autorin weist darauf hin, dass das theologische Bemühen um Gleichstellung nicht nur Geschlechterfragen gelten darf, sondern jeglicher Form von Unterdrückung. Die Vokabeln dazu – z.B. Malestream oder Kyriarchat – liefert der Text gleich mit. Gibt es jemanden, der/die diese Begriffe in einer Predigt gehört hat?

Predigt

Die Stuttgarter Prälatin Gabriele Arnold verwendet zwar weder „Malestream“ oder „Kyriarchat“ – und redet in ihrer Predigt über Joh. 8 trotzdem darüber. Übrigens: Arnold übernahm 2017 die Schirmherrschaft für den CSD Stuttgart. Als idea spektrum davon Wind bekam und heiße Luft machte, erhielt sie Morddrohungen. Eine Gemeinsamkeit mit der Frau, die im Mittelpunkt des Predigttextes steht.

Ein guter Satz

„Sterben ist das große Zukunftsthema einer alternden Gesellschaft“

– Rupert Scheule, katholischer Theologe und Initiator des Masterstudiengangs „Perimortale Kompetenz“ an der Universität Regensburg (s.o.)