Ist der Synodale Weg am Ende?
Während die letzten Beratungen für die nächsten Stufe der Synodalität in Deutschland laufen, kritisieren Theologen einen Mangel an Theologie auf dem Synodalen Weg. Und in den Bistümern zünden die Reformen nicht.
Liebe Eule-Leser:innen,
einmal im Jahr findet in Rom eine Art Einführungsveranstaltung für die vom Papst neu ernannten Oberhirten der römisch-katholischen Bistümer statt. Der so genannte „Baby-Bischofs-Kurs“ im Vatikan böte „eine hervorragende Möglichkeit für weltkirchliche Begegnungen“, meint Bischof Klaus Krämer von Rottenburg-Stuttgart im Interview mit Vatican News.
Die Fragestellerin spricht zutreffend von einer „Full Immersion“, also einem Eintauchen in ein möglicherweise noch nicht ausreichend verinnerlichtes Mindset. Das Treffen sollte man sich also weniger als einen freien Austausch unterschiedlicher Erfahrungshintergründe vorstellen, sondern eher wie das „Einschwingen“ von neuen Filialleitern auf den von der Konzernleitung gewünschten und top-down kommunizierten einheitlichen Kurs.
Auf der Website des vatikanischen Dikasteriums für die Glaubenslehre wurde nun die Ansprache „Synodalität: Warum nicht und warum ja?“ veröffentlicht, die der Präfekt, Kardinal Víctor Manuel Fernández, am vergangenen Samstag an die neuen Bischöfe gerichtet hatte. Darin bekräftigt der noch von Papst Franziskus ernannte oberste Glaubenshüter die Bedeutung der „wahren Synodalität“ und warnt gleichzeitig vor „Karikaturen“ dieses Prinzips, etwa wenn es missverstanden werde:
„Zu dieser verzerrten Form der Synodalität, die eine demokratische Änderung der Lehre will, müssen wir Nein sagen und erkennen, dass es sich nur um den Anspruch einiger ideologischer Minderheitsgruppen handelt. (…) An einigen Orten gibt es Gruppen von Laien, die allen anderen Laien ihren Stil und ihre Entscheidungen aufzwingen wollen.“
Statt sich im Streit um Reformforderungen zu verzetteln, gehe es …
„… einfach darum, das in den Hintergrund zu stellen, was nicht unmittelbar dazu dient, alle mit der primären Verkündigung zu erreichen.“
Synodale Beiträge, Beiträge zur Synodalität
Einziges deutsches Mitglied des Glaubensdikasteriums ist derzeit der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer, der – zusammen mit seinem Kölner Amtsbruder Kardinal Woelki – schon 2019 einen „Alternativen Satzungsentwurf“ für den gerade startenden Synodalen Weg in Deutschland präsentiert hatte, der von einem „Primat der Neuevangelisierung“ geprägt sein sollte. Auf seiner unironisch „Synodale Beiträge“ genannten Website ist der beharrliche Kampf der Oberhirten von Eichstätt, Köln, Passau und Regensburg gegen die Mehrheitsbeschlüsse der Synodalversammlungen dokumentiert, bei dem man sich immer wieder des Rückhalts in Rom versichert hat.
Der Versuch des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und einer Mehrheit der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), den Synodalen Weg zu verstetigen, ist spätestens mit dem im Februar 2024 von Papst Franziskus approbierten Schreiben zum „Synodalen Ausschuss“ ins Stocken geraten. Verfasser waren Kardinalstaatssekretär Parolin, Glaubenspräfekt Fernandez und der damalige Präfekt des Dikasteriums für die Bischöfe, Kardinal Robert F. Prevost, inzwischen als Papst Leo XIV. tätig. Der vorgesehene „Synodale Rat“ sei „vom geltenden Kirchenrecht nicht vorgesehen“ eine Approbation des Satzungsentwurfs des vorbereitenden „Synodalen Ausschusses“ stünde „im Widerspruch zu der im besonderen Auftrag des Heiligen Vaters ergangenen Weisung des Heiligen Stuhls“, so das Urteil aus Rom.
Der Synodale Weg hat eine Menge von Grundlagen- und Handlungstexten beschlossen, deren Umsetzung ist aber eher dürftig geblieben (bis auf einige Änderungen in der „Grundordnung“, dem kirchlichen Arbeitsrecht). Björn Odendahl, Redaktionsleiter des Portals katholisch.de, gesteht in seinem Kommentar: „Der Reformstau in der Kirche in Deutschland macht mich ratlos“. Zweieinhalb Jahre nach der fünften und kurz vor der sechsten und letzten Synodalversammlung, die die Ergebnisse des Kirchenreform-Prozesses evaluieren soll, macht sich deshalb beim ZdK, unter Theolog:innen und auch bei einigen Bischöfen Ernüchterung breit.
Vom „Nullum“ zur Gegenmacht?
Im neuen „Vorwort zur Studienausgabe“ seines 2018 in erster Auflage erschienenen Buches „Dogma im Wandel. Wie Glaubenslehren sich entwickeln“ konstatiert Michael Seewald, Direktor des Seminars für Dogmatik und Dogmengeschichte und Sprecher des bisherigen „Exzellenzclusters Religion und Politik“ an der Universität Münster, dem Synodalen Weg …
„… ein beachtlich geringes Interesse an der für einen solchen Reformprozess nicht nebensächlichen Frage, wie die instabile Gleichzeitigkeit von Kontinuität und Diskontinuität im Rahmen synodaler Prozesse zu fassen sei. (…)
So sehr ich mit vielen einzelnen Anliegen, die auf dem Synodalen Weg vorangetrieben wurden, sympathisiere, so schwer fällt es mir zu glauben, dass die dort vorherrschende Spielart geschichtsentwöhnter und allgemeinplatzorientierter Theologie die Zukunft der Kirche zu prägen vermag.“
Um die Rezeption seiner Kritik über das theologische Fachpublikum hinaus zu erleichtern, erschienen Auszüge aus dem neuen Vorwort auch als eigenständiger Beitrag unter der Überschrift „Vernachlässigte Geschichte“ in der Herder-Korrespondenz und wurden über eine Meldung der KNA verbreitet.
„Der gesamte Prozess steht momentan auf der Kippe“, schätzt Seewalds Fakultätskollege Thomas Schüller die Situation im Interview mit kirche + leben ein. Der Münsteraner Kirchenrechtler hatte den Synodalen Weg zu Beginn im Advent 2019 als „Nullum“ bezeichnet: „Man spielt Synode, aber es ist keine Synode. Das, was als Beratungs- und Beschlussergebnis am Ende steht, bleibt unverbindlich.“ Mittlerweile ist Schüller zum Mitglied im Synodalen Ausschuss berufen worden und beteiligt sich dort als Experte an der Abfassung der Satzung für das „synodale Organ auf Bundesebene“. Sein Resümee fällt jedoch negativ aus:
„Die Bischöfe wollen augenscheinlich dieses Gremium als reines Beratungsgremium ohne Beschlusskompetenz. Das fällt hinter das zurück, was für den Synodalen Weg bisher galt, was zudem auf der Bischofssynode 2024 beschlossen wurde – und was zudem im Kirchenrecht längst bestimmt ist. Insbesondere beim Geld wollen sich die Bischöfe nicht in die Karten schauen lassen.“
Gefragt, was der Einsatz von Lebenszeit und Herzblut, von theologischer Expertise und viel Geld der Kirchensteuerzahler, verändert habe, antwortet Schüller offenherzig:
„Die meisten Bischöfe sind geistlich ausgebrannt und müde. Sie sind es leid, synodaler – das heißt, partizipativer – wesentliche Fragen mit Gläubigen erörtern oder gar gemeinsam mit ihnen entscheiden zu müssen. Bei den anderen Synodalen ist eine Ernüchterung festzustellen, weil Beschlüsse nicht umgesetzt werden, Reformanliegen versanden und die Veränderungsbereitschaft verpufft. Das führt zu Frust und Resignation.“
Ähnlich wie Seewald fehlt auch Schüller die fundierte Auseinandersetzung:
„Es reicht nicht aus, mit ein paar frommen Bibelzitaten, einer oberflächlichen Bezugnahme auf die Zeichen der Zeit und einer westlich-bürgerliche Lesart des Konzilsdokuments ‚Gaudium et spes‘ Grundlagentexte zu schreiben. Diese Art der Mainstreamtheologie geht nicht in die Tiefe.“
Wie aber überhaupt eine wirkliche Kirchenreform gegen „Gerontokraten mit Deutungsmonopol“ durchgesetzt werden soll, bleibt auch bei den theologischen Kritikern aus Münster schleierhaft. Der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke hatte schon kurz nach dem Start des Synodalen Weges festgestellt, wieder einmal sei es gelungen, die Laien mit einer „Partizipationssimulation“, dem „Stille-Post-Spiel guter Katholik:innen“, ruhig zu stellen, und sich gefragt:
„Warum opfern Laien also kostbare Lebenszeit auf einem solchen Weg? Warum erarbeiten sie Bitten an die Bischöfe und überwiegend nur über diese an den Papst und bauen somit an Artefakten ihrer Ohnmacht mit? Weil ihnen der klare Blick auf die real existierende katholische Kirche verstellt wird? (…) Oder leidet man zwar an dieser Kirche, versucht aber nicht einmal etwas Gegenmacht zu entwickeln …? Manche ahnen vielleicht, dass bei klarem Blick eine Entscheidung anstehen könnte.“
Aktuell im Magazin:
Eule-Live-Abend am 15. Oktober: Du sollst dir kein Bild machen!
Der Hype um „Künstliche Intelligenz“ (KI) ist das Thema der digitalen Gesellschaft. Mit unserem nächsten Eule-Live-Abend am 15. Oktober wollen wir einen Beitrag zur Aufklärung leisten: Wie stellt generative KI Bilder her? Welchem ästhetischen Programm folgen die Bilder – und warum? Was sagen sie über uns als Produzent:innen und Konsument:innen aus? Konzeptkünstler und KI-Experte Nils Pooker wird über KI-Bilder als Fetische und Götzen und die Tugend der Unterlassung angesichts digitaler Bildproduktion sprechen.
Re:mind (2): Wer verteidigt heute die Willkommenskultur?
War der „Flüchtlingssommer“ von 2015 ein „Kontrollverlust“ oder ist die Willkommenskultur ein historischer Höhepunkt von Zivilcourage und Bürger:innensinn? Wer verteidigt heute, was in den zehn Jahren seither geschafft wurde? Diesen Fragen ist Philipp Greifenstein letzte Woche im „Re:mind“-Newsletter der Eule nachgegangen.
In den vergangenen Tagen wird in den USA und in Deutschland, in den Nachrichten und auf Social-Media-Plattformen über die tödlichen Schüsse auf den US-amerikanischen Politik-Influencer und -Aktivisten Charlie Kirk und seinen Werdegang diskutiert. Die Einordnung seines Wirkens fällt offenbar vielen Kommentator:innen schwer, evangelikale Influencer:innen und Gesinnungsgenossen sprechen Donald Trump nach, wenn sie Kirk einen „Märtyrer“ nennen. Bereits im Sommer war Lukas Hermsmeier für die ZEIT bei Kirks „Turning Point“-Konferenz in Florida dabei. Was er über Kirk aufgeschrieben hat, ist vielleicht nicht erschöpfend umfänglich, aber präzise.
Ein schönes Wochenende wünscht
Thomas Wystrach
Ein guter Satz
„Viele Frauen, die in der Aufbruchszeit der Würzburger Synode Träume von Gleichberechtigung hatten, sind längst gegangen oder still geworden. Wenige ziehen immer neue lila Hoffnungsschleifen, auf der neusten steht der Name Leo.“
– Christiane Florin, Impuls zum „Weiberaufstand“ im Domschatz Essen
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