Raus aus dem Apokalypse-Modus!

Wir brauchen mehr faktenbasierte Risikoeinschätzung und weniger reißerische Superlative, erklärt Daniela Albert. Der Glaube an den Weltuntergang zerstört die Zukunft unserer Kinder.

Zugegeben: Wir leben in bedrückenden Zeiten. Seit zwei Jahren hangeln wir uns durch eine Pandemie, und noch immer ist völlig offen, in welche Richtung sich diese weiterentwickelt. Dazu kommt nun seit bald zwei Monaten der Krieg in der Ukraine, der unsere friedliche Europa-Blase hat platzen lassen. Anders als der Krieg im ehemaligen Jugoslawien trägt der Angriff Russlands auf die Ukraine das Potential für einen Flächenbrand in sich. Viele befürchten sogar, dass dieser nuklear sein könnte. Nicht vergessen dürfen wir bei alledem die Herausforderung, die uns schon länger begleitet: den Klimawandel.

Kein Wunder, dass Untergangsszenarien Hochkonjunktur haben. Man braucht nur eine halbe Stunde auf Twitter verbringen und schon bekommt man ernsthafte Zweifel an der Sinnhaftigkeit des ganz normalen Alltagslebens. Denn dort erfährt man aus erster Hand, was uns droht. Ein paar Beispiele gefällig?

Long-Covid gäbe es in einem bisher noch ungeahnten Ausmaß, selbst unter dreifach Geimpften könnte die Dunkelziffer viel höher sein, als wir vermuten. Andere beobachten den russischen Luftraum und vermelden ungewöhnlich viele Flugzeuge, die sich von Moskau in Richtung Ural aufmachen. Ein klares Anzeichen für eine Evakuierung der russischen Hauptstadt – und ein erster Hinweis auf einen unmittelbar bevorstehenden Atomkrieg. Was den Klimawandel angeht, so haben die derzeit in den Medien präsentesten Aktivist:innen den Untergang schon im Namen: Die „Letzte Generation“ ist sich sicher, dass diese Welt nur noch mit radikalen Mitteln zu retten ist.

Nun ist die Art des Aktionismus, den die „Letzte Generation“ betreibt, nicht meine. Ich trage nicht nur eine tiefe Abneigung gegen Radikalität in mir, mir ist auch das apokalyptische Framing fremd, in dessen Rahmen sich diese Menschen bewegen. Ich vertraue lieber den einfachen und alltäglichen Handlungen und Menschen, die aus Optimismus und Hoffnung heraus die Welt besser machen wollen. Weil sie wissen, dass immer noch was geht.

Wenn Gott der Erde ein Ende setzen will, tut er es

Allerdings sind mir Menschen, die aufstehen und radikale Veränderungen suchen, immer noch lieber, als so manche Christ:innen, deren Glauben an den bevorstehenden Untergang in die andere Richtung führt. Angeblich apokalyptische Vorboten haben schon immer dazu geführt, dass gläubige Menschen ihr Engagement in dieser Welt heruntergefahren haben und sich nur noch auf ihr zukünftiges, jenseitiges Leben konzentrierten. Auch daraus resultiert eine allzu einfache Weltsicht:

Klimawandel? Können wir sowieso nicht aufhalten, und wenn Gott dieser Welt ein Ende setzen will, tut er es. Corona? Eine Frage des Schicksals, denn wer kann sein Leben schon selbst verlängern? Wenn Gott will, dass wir es kriegen, bekommen wir es. Wenn er uns schützen möchte, tut er es auch, wenn wir in Massen ohne Maske singen. Waffen für die Ukraine? Wehret euch nicht, wenn euch jemand etwas Böses tut! Gerechtigkeit gibt es in dieser Welt sowieso nicht. Erst Jesus wird alle Tränen abwischen.

An all diesen Stellen möchte ich klar widersprechen. Ich glaube, dass wir in diese Welt gestellt sind, um sie zusammen mit Jesus ein bisschen gesünder zu lieben: Unperfekt, mehr taumelnd als nachfolgend und oft mit schmerzhaften Kompromissen – nicht selten geradezu trotzig.  Alles ist besser, als die Hände in den Schoß zu legen.

Wir sind uns den hoffnungsvollen Blick schuldig

Das sich Überschlagen in Superlativen bringt uns dabei in jeder Richtung mehr Probleme als Lösungen. Selbstverständlich ist es wichtig, zu benennen, dass wir es mit Corona noch nicht flächendeckend mit einem harmlosen Erkältungsvirus zu tun haben. Es wäre fahrlässig, die Gefahr, die der Krieg in der Ukraine für ganz Europa, ja die ganze Welt, birgt, kleinzureden, denn sie ist sehr real. Und die Auswirkungen des Klimawandels weiterhin zu ignorieren, das wäre nicht nur Verrat an der nächsten Generation, sondern auch an den Menschen, deren Leben schon heute massiv geschädigt wird.

Gleichzeitig brauchen wir allerdings mehr denn je Hoffnung. Wir müssen den Menschen um uns herum klarmachen, dass immer noch was geht, und zwar selbst dann, wenn wir uns nicht in blindem Aktionismus überschlagen. Wir müssen darüber sprechen, dass die meisten Corona-Erkrankungen im Moment tatsächlich vergleichsweise harmlos verlaufen und folgenlos abheilen. Es ist wichtig, dass wir uns immer wieder rational mit der atomaren Bedrohung aus Moskau auseinandersetzen und begreifen, dass wir uns in einer kritischen Situation befinden, die aber zum momentanen Zeitpunkt nicht apokalyptisch zu eskalieren droht. Auch angesichts des Klimawandels geht es darum, auf das zu schauen, was wir in Gang setzen können und welche Chancen wir haben, ihn und seine Folgen abzumildern.

Wir sind uns diesen hoffnungsvollen Blick selbst schuldig, weil nur Menschen, die sich diese bewahren und sich eine gute Mischung aus Rationalität und Optimismus erhalten, gut durch solche aufwühlenden Zeiten kommen. Wir brauchen mehr faktenbasierte Risikoeinschätzung und weniger reißerische Superlative. Denn letztere lähmen die Einen und schicken die Anderen in die falsche Richtung los – beides wird uns am Ende nicht helfen.

Doch wir sind nicht nur uns selbst den Verzicht auf Superlative in der Bewertung der Weltlage schuldig: Erst recht müssen wir diese unseren Kindern zuliebe unbedingt vermeiden. Denn zwar treiben sich die meisten von ihnen glücklicherweise nicht auf Twitter herum, doch dass sie nichts von der Lust an Apokalypse von Teilen der Erwachsenengesellschaft mitbekommen, brauchen wir uns nicht einzubilden.

Kleine Tropfen auf heiße Steine verteilen

Spätestens wenn Kinder und Jugendliche ein eigenes Smartphone haben, lesen auch sie jede noch so reißerische Überschrift, oft ohne sie gut in einen Kontext setzen zu müssen. Darüber hinaus fangen sie aber auch die Stimmung in unserem Haushalt auf, selbst dann, wenn wir sie nicht in unsere Überlegungen einbeziehen.

Als kürzlich im Rahmen der Kampfhandlungen in der Ukraine ein Schulungsgebäude auf dem Gelände eines Atomkraftwerkes brannte, schrieben einige Menschen auf Twitter, sie haben sich nun Notfallkoffer gepackt. Nur lebten diese nicht etwa in Kiew oder wenigstens in Polen, sondern gut 1 500 Kilometer von der Unglücksstelle entfernt. Was für eine Atmosphäre schaffen solche Handlungen in einem Haushalt, in dem Menschen von solch irrationaler Panik getrieben sind? In denen sich Öl- und Mehlvorräte im Keller türmen und Erwachsene bei jedem Hubschrauber am Himmel zusammenzucken?

Ähnliches lässt sich während der Pandemie beobachten: Immer mehr Familien erwischt das Virus mittlerweile, denn mit dem Wegfall aller Maßnahmen geht natürlich gerade bei den Kleinsten eine Explosion der Fallzahlen einher. Früher oder später erwischt es offenbar jede:n. Sich mit einem Virus infiziert zu haben, vor dem wir zwei Jahre lang gewarnt wurden, ist gerade für Kinder mit großen Ängsten verbunden. Umso wichtiger, dass wir Erwachsenen souverän bleiben und eben nicht in Panik verfallen. Auch wenn Twitter etwas anderes suggeriert, ist nämlich der momentane Stand, dass die allermeisten immunkompetenten Personen das Virus gut überstehen.

Was die generelle Vorstellung vom Ende aller Dinge angeht, so war es nie die Aufgabe von uns Christ:innen, sich diesem einfach nur zu ergeben. Vielmehr sollten wir gerade jetzt Samen in die Erde legen, kleine Tropfen auf heiße Steine verteilen, fünf Brote und zwei Fische bereitstellen und Kinder optimistisch und hoffnungsvoll in eine Welt schicken, in der noch viele Generationen nach uns an Gottes Reich weiterbauen werden.