Tschüss X, es war nicht mehr schön
Das Magazin Die Eule verlässt die Mikroblogging-Plattform X, vormals Twitter. Mit dem neuen Kirchenjahr verbindet sich für uns der Abschied von Elon Musks Jammertal.
„Der Abschied von einem digitalen Wohnzimmer fällt schwer“, hat Eule-Redakteur Philipp Greifenstein bereits Anfang September 2023 in einer Trauerrede auf Twitter formuliert. Twitter ist schon länger Geschichte. Die X-Plattform unter Elon Musk ist ein Refugium der Desinformation, der Hetze und des schamlosen Gewinnstrebens. Über die Probleme der Plattform hat Philipp hier in der Eule ausführlich geschrieben und auch die Alternativen beleuchtet.
Die Eule ist seit einigen Wochen auf Bluesky aktiv und bereits seit einigen Monaten auf Mastodon. An beiden Orten haben sich kleine Bubbles um Kirchenthemen gebildet. Dort und auf Facebook und Instagram wird Die Eule weiterhin aktiv posten. Unseren X-Account werden wir mit dem Ablauf des heutigen Tages allerdings stilllegen. Der Account wird bestehen bleiben, schon damit niemand mit damit Unfug anstellt, aber es wird dort keine neuen Posts mehr geben.
X ist nicht Twitter
Dieser Schritt fällt uns als Magazin nicht leicht, weil wir seit der Entstehung unseres Magazins im Jahr 2017 auf Twitter unter allen Social-Media-Plattformen sicher die aktivste Crowd von Leser:innen gefunden haben. Noch heute erzielt unser Account, obwohl wir nicht für Reichweite bezahlen und regelmäßig über die Gefahren von Elon Musk, Social Media und X berichtet haben, im Vergleich zu anderen christlichen Medien hohe Resonanz auf der Plattform. (Das liegt allerdings auch daran, dass deren X-Performance katastrophal ist.) Das Magazin wird durch den Abschied von X an Reichweite einbüßen.
Über viele Jahre hinweg war Twitter für uns tatsächlich ein „Marktplatz der Ideen“, auf dem neue Leser:innen und Gelegenheits-Nutzer:innen Artikel und Podcasts der Eule finden konnten. Über das vergangene Jahr hinweg haben wir aber festgestellt, dass unsere Beiträge im Meer aus Spam, Werbung, Desinfirmation und Hetze zunehmend untergehen. Dass wir die Plattform trotzdem weiterhin durch unsere Anwesenheit unterstützen, verursacht uns seit einiger Zeit Bauchschmerzen. Wir haben auch beobachtet, dass viele treue Eule-Leser:innen längst Abschied von X genommen haben. X ist nicht Twitter und macht definitiv keine Freude mehr.
Braucht’s das?
Wir nehmen uns daher die Freiheit, uns heute mit dem Beginn des neuen Kirchenjahres ganz von X zu verabschieden. Ein weiterer Verbleib ist mit unseren Überzeugungen nicht vereinbar. Wir haben uns vorgenommen, unabhängig und kritisch über Kirchen und Religionspolitik zu berichten. Seit unserer Gründung haben wir für uns formuliert:
„Unsere Beiträge sind anschlussfähig an eine plurale Gesellschaft, einen aufgeklärten christlichen Glauben und wissenschaftliche Theologie. Unsere Autor:innen mischen sich in die aktuellen Debatten in Religionspolitik, Kirchen und Theologie ein. Wir wollen insbesondere jungen Autor:innen eine Plattform geben.“
Keines dieser Ziele können wir mehr auf und mit X verwirklichen.
In den vergangenen Tagen und Wochen verlassen immer mehr Institutionen und Medien die X-Plattform. Zuletzt in der vergangenen Woche die Recherche-Redaktion CORRECTIV (mehr dazu bei Netzpolitik.org). Die Redaktion erklärt ihren Rückzug von X mit ihrem Einsatz für eine „starke Demokratie“ und ihrer Gemeinwohlorientierung. Das wollen wir uns bei der Eule auch gern vornehmen.
In anderem Zusammenhang hat Eule-Redakteur Philipp Greifenstein erklärt, dass christliche und kirchliche Kommunikation im Netz „der fortlaufenden kritischen Überprüfung“ bedarf, „an deren Ende auch die Erkenntnis stehen kann, dass eine digitale Plattform zu toxisch ist, als dass man auf ihr noch sinnvoll kommunizieren könnte“. Für uns ist X längst toxisch genug. Wir wollen durch unsere weitere Anwesenheit auch nicht den Eindruck erwecken, dass der Absturz von X und das dort herrschende Kommunikationsklima irgendwie normal wären. Das sind sie nicht.
Gegen Hass und Hetze Gegenrede zu üben, bleibt auf Social-Media-Plattformen wichtig. Auf X aber erscheint uns dieses ehrenwerte Anliegen aussichtslos. Die Reichweiten für kritischen Journalismus werden eingeschränkt, Sicherheitsmechanismen sind außer Kraft gesetzt, Schwache und Minderheiten geraten unter die Räder. All das wird sich nicht ändern, trotz einiger Atempausen zwischen den skandalösen Äußerungen Elon Musks. Eine Plattform, die von einem antisemitischen Verschwörungsideologen geführt wird, wollen wir nicht weiter durch unsere Anwesenheit beehren.
Allen Eule-Leser:innen empfehlen wir, sich zu unserem „Alle Eule-Artikel“-Newsletter anzumelden. So erhaltet Ihr eine E-Mail, wenn ein neuer Artikel im Magazin erscheint. Außerdem könnt ihr natürlich als Eule-Abonnent:innen, #LaTdH-Leser:innen, Podcast-Hörer:innen und auf einigen anderen Social-Media-Plattformen mit uns in Kontakt bleiben.