Gegen die Resignation in der Krise

Wie können wir die Umwälzungsprozesse des sozial-ökologischen Wandels gestalten, ohne zu resignieren? Tobias Foß über die Verantwortung von Individuen, Wirtschaft und Staat:

Wir befinden uns in einer Zeit der Vielfachkrisen. Machtblöcke stehen sich feindlich gegenüber und globale soziale Schieflagen verstärken sich. Vor allem die Klimakataststrophe stellt unsere Gesellschaft vor immensen Herausforderungen. Schnell stellt sich da ein Gefühl der Ohnmacht ein: Wir können doch sowieso nichts tun! Resignation untergräbt aber alle Hoffnungsversuche einer besseren Welt. Marie Veit, Professorin für Religionspädagogik und Lehrerin von Dorothee Sölle, hat diese Gefahr wie folgt beschrieben:

„Es scheint ja so, als könnten wir nichts machen, als könnten wir warnen, appellieren und demonstrieren so viel wie wir nur wollen, und es käme nichts an. Wenn wir uns von unserer Resignation überwältigen lassen, dann bauen wir uns gewissermaßen einen neuen steinernen Panzer um unser Herz herum. Wir wollen nichts mehr hören und nichts mehr wissen, stecken den Kopf in den Sand und sagen: Genießen wir die Tage, solange wir noch leben; es kommt ja doch, wie es kommen soll. – O nein, meine Freunde, es kommt so, wie es gar nicht kommen soll, wenn wir resignieren.“

Wie können wir der Resignation entgegenwirken? Wie können wir ins politische Handeln kommen – und welche Strategien der Veränderung können wir dabei verfolgen? Wir müssen den Kopf nicht in den Sand stecken – es gibt genügend zu tun! Um die gegenwärtigen Krisen und die Umweltkataststrophe tatsächlich lösen zu können, braucht es vielfältige Umwälzungsprozesse. Christenmenschen haben sich aufgrund ihrer Reich-Gottes-Verkündigung an einer grundlegenden Transformation zu beteiligen.

Unsere vorherrschende wirtschaftliche Grundordnung wird jedoch nicht auf einmal verändert werden können. Es gibt keinen „Masterplan“, der mit einem „Schnips“ die globalen Verflechtungen unserer Wirtschaftsweise auf den Kopf stellen könnte. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass eine andere und bessere Welt unmöglich wäre. Alternativlosigkeit wäre auch unchristlich (denn das würde bedeuten, einen Götzen geschaffen zu haben). Wir müssen an unterschiedlichen Stellschrauben drehen und viele Praktiken ausprobieren, wie man einer klimagerechten Gesellschaft näherkommt und diese aufbaut.

Neue Kolumne „Tipping Point“

In unserer neuen Kolumne „Tipping Point“ schreibt Tobias Foß über die sozial-ökologische Transformation. Welchen Beitrag können Christ:innen und Kirchen leisten? Welche Probleme müssen bewältigt werden? Welche Kipppunkte gilt es in Theologie und Glaubensleben wahrzunehmen?

Mit „Tipping Point“ wollen wir in der Eule an Fragestellungen im Licht der Klimakrise dranbleiben. Dabei stehen nicht allein Klima- und Umweltschutz im Zentrum, sondern auch die Auswirkungen von Klimawandel und Umweltzerstörung auf unser Zusammenleben. Die Klimakrise verändert schon jetzt unsere Gesellschaft(en). In „Tipping Point“ geht Tobias Foß diesen Veränderungen auf den Grund und beschreibt Ressourcen und neue Wege.

Was macht der/die* Einzelne?

Zunächst – und darin sind sich alle parlamentarischen Parteien abseits von der AfD einig – gibt es einen individuellen Verantwortungsbereich im Hinblick auf eine nachhaltige Praxis: Fahre ich mit dem Fahrrad zur Arbeit? Was kaufe ich ein? Bei welcher Bank investiere ich mein Geld? All das hat Einfluss darauf, wie schnell Transformationsprozesse unterstützt und vorangebracht werden.

Im gesellschaftlichen Diskurs wird allerdings die Konsumverantwortung unterschiedlich verstanden: Es gibt Stimmen, die dafür votieren, dem vermeintlich freien Markt keine Schranken zu setzen und die gegenwärtige kapitalistische Wachstumslogik mit einer grünen Ummantelung beizubehalten. Mit frohem Mute soll kräftig „grün und fair“ weiter konsumiert werden. Anders ausgedrückt: Alles soll so bleiben wie bisher, eben nur nachhaltiger. Allein der Konsument:in bestimme die Nachfrage und er allein habe die Zügel in der Hand, ob wir nachhaltiger wirtschaften können und wollen.

Im Gegenteil dazu finden sich auch solche Positionen, die eine grundlegende Konsum- und damit Wachstumskritik üben, ganz nach dem Motto: „Alle Räder stehen still, wenn den Ramsch keiner mehr will!“ (Bruno Kern, vgl. der erste „Tipping Point“-Beitrag). Eine solche Ausrichtung mündet in eine Verzichtsdebatte: Brauchen wir das alles für ein gutes und zufriedenes Leben? Mit unserem Kaufverhalten und Lebenswandel hinterlassen wir Spuren in der Umwelt und für andere Menschen, die Inspiration erfahren können. Kirchen pflegen diesen Aspekt in Predigten und Bildungsseminaren, denn es gilt: Jeder einzelne Mensch hat eine Verantwortung inne, seinen ökologischen Fußabdruck zu senken.

Es wäre aber eine Überforderung der Einzelnen an dieser Stelle stehen bleiben zu wollen und die gesellschaftlichen Strukturen auszublenden. In ihnen liegen noch viel größere Potentiale, an Stellschrauben zu drehen und Umwälzungsprozesse zu initiieren.

Was machen die Unternehmen?

Unternehmen haben eine besondere Verantwortung, für Umwälzungen Impulse zu setzen. Sie können z. B. Kreislaufwirtschaftsprozesse antreiben. Die Schaffung eines generellen Pfandsystems für Verpackungen von Lebensmitteln wäre hierfür z. B. ein Beitrag. Auch erste „Unverpackt“-Bereiche in den Supermärkten, die sukzessive ausgebaut werden, haben eine Chance, Kunststoffmüll zu reduzieren und Denken sowie Praxis von Konsument:innen zu verändern. Dass Supermärkte jedoch freiwillig solche Ideen umsetzen, scheint unwahrscheinlich zu sein. Es braucht staatliche Eingriffe, die etwa die herstellenden oder verkaufenden Anbieter bzgl. Verpackungsmüll und dessen Entsorgung besteuern. Zurzeit wird dieser Bereich auf die Steuerzahler abgewälzt.

Weiterhin wäre es dringend nötig in Anbetracht endlicher und knapper werdender Ressourcen, wenn Produkte – besonders im technischen Bereich – auf Langlebigkeit abzielen und der gesamte Reparaturbereich ausgebaut werden würde. Hier darf und soll Wachstum stattfinden! Dafür braucht es ebenso staatliche Förderung, so dass ein solcher Ausbau auch tatsächlich umgesetzt wird. Ein generelles Konzept für unternehmerische Anreize könnte die „Gemeinwohlökonomie“ sein.

Plädiert wird hierbei für eine „Gemeinwohlbilanzierung“, die Folgen für Steuerlast und Kreditvergabe des jeweiligen Unternehmens hat. Wer eine schlechte Gemeinwohlbilanzierung aufweist, muss höhere Steuern bezahlen und erhält Kredite zu schlechteren Konditionen. Der Staat braucht hierfür den politischen Willen. Er selbst hat dabei wenig Verwaltungsarbeit. Ähnlich wie es Wirtschaftsprüfer:innen gibt, bräuchte es dann lediglich „Gemeinwohlprüfer:innen“. Die Debatte um ein ordentliches Lieferkettengesetz ließe sich hier ebenso einordnen: Wer eine unfaire Lieferkette aufweist, erhält finanzielle schlechtere Konditionen oder gar Sanktionen.

Der hier skizzierte Verantwortungsbereich von Unternehmen macht deutlich, dass es wünschenswert ist, wenn Betriebe „von selbst“ auf die Idee kommen, etwa Kreislaufprozesse und Reparaturserviceleistungen auszubauen und sich für das Gemeinwohl zu engagieren. Es ist aber klar, dass staatliche Weichenstellungen vonnöten sind. Es wird makro-ökonomischer Eingriffe bedürfen, die über das hier Dargestellte hinausgehen.

Was macht der Staat?

Es ist offenkundig, dass reichere Staaten für die Klimakataststrophe aufgrund ihres um ein Vielfaches höheren CO2-Abdrucks eine größere Verantwortung tragen als ärmere Staaten. Gleiches gilt für reichere Bevölkerungsschichten im Vergleich zu ärmeren Klassen innerhalb der einzelnen Länder (vgl. hierzu die Studien von Klaus Dörre).

„Besonders perfide ist die Tatsache, dass die Menschen, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind, am wenigsten dazu beigetragen haben. Das gilt nicht nur im extremen Maße für das globale Nord-Süd-Verhältnis, sondern auch innerhalb der Gesellschaften. Um es in Zahlen auszudrücken: Das reichste Prozent verursacht doppelt so viele CO2-Emissionen wie die ärmsten 50 Prozent der Weltbevölkerung“. (Katja Voigt / David Samuel Williams)

Eine Umverteilung von Vermögen ist daher nötig. Sie zieht diejenigen zur Verantwortung – nämlich Staaten und Einzelpersonen –, die für die Klimaerwärmung eine Hauptlast tragen. Sie schafft dem einzelnen Staat aufgrund höherer finanzieller Einnahmen mehr Handlungsspielräume, bürgt für den sozialen Frieden und gibt ärmeren Staaten auf Grundlage von nun entstehenden Ausgleichszahlungen die Möglichkeit, eine robuste und resiliente Gesellschaft aufzubauen. So können sie sich für die anstehenden Klimaveränderungen besser wappnen. In Deutschland selbst sind die Diskussionen um Vermögenssteuer, Vermögensabgabe und Erhöhung des Spitzensteuersatzes elementar wichtig, um eine klimagerechte finanzielle Umverteilung anzustreben.

Die vom Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK, Weltkirchenrat) initiierte Zachäus-Kampagne geht genau in diese Richtung. Sie fokussiert auf weltweite gerechte Steuersysteme, „die einerseits Beschäftigung, Geschlechtergerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Umverteilung von Einkommen und Vermögen befördern und spekulatives, schadstoffreiches sowie ressourcenintensives Wirtschaften andererseits maßregeln bzw. ahnden.“ (Martin Gück, mehr Informationen hier).

Demokratisierung als Strategie

Auch brauchen wir eine vollständige Demokratisierung unserer Wirtschaftszusammenhänge. Es darf nicht sein, dass, wenn die Ressourcen knapper werden, derjenige „Player“ Zugang erhält und über die Ressourcenverwendung entscheidet, der am meisten Geld hat. Viel eher müssen staatliche Vertreter:innen über die natürlichen Quellen verfügen und demokratische Aushandlungsprozesse stattfinden, in denen gemeinsam entschieden wird, wofür Ressourcen eingesetzt werden. Auch die Vorschläge im Buch „Das Ende des Kapitalismus“ von Ulrike Herrmann – demokratisch gewählte Vertreter:innen geben Rationierungen vor, in welchem Wirtschaftssektor wieviel Ressourcen eingesetzt werden – sind hieran anschlussfähig. In Hinblick auf Demokratisierungsprozesse ökonomischer Entscheidungen schlägt der Soziologe Klaus Dörre die Einführung von Nachhaltigkeitsräten in großen wirtschaftlichen Konzernen vor:

„Die Bildung von Transformations- und Nachhaltigkeitsräten würde den Übergang zu einer dezentralen demokratischen Planung entschieden vorantreiben. Deren Arbeit kann bereits unter kapitalistischen Bedingungen beginnen. Zu den wichtigsten Aufgaben von Transformationsräten würde gehören, die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen zu überwachen.“

Die Nachhaltigkeitsrät:innen werden gewählt und teils per Losverfahren bestimmt, anerkannte Expert:innen werden berufen. Diese Art von demokratischer Mitbestimmung auf wirtschaftliche Entscheidungen wäre dann nicht nur auf betrieblicher Ebene zu implementieren, sondern könnte auch auf den staatspolitischen Bereich Anwendung finden. Neben Judikative, Legislative und Exekutive wäre demnach eine wirkungsmächtige Konsultative einzuführen (Bürger:innenrat). Solche Räte auf kommunaler, Landes- und Bundesebene haben ein wichtiges Potential, um Druck auf bestehende ökonomische Zwangszusammenhänge aufzubauen und Demokratieprozesse anzustoßen, „da wir Bürger*innen durch sie produktiv repolitisiert werden“ – so der Theologe Jürgen Manemann. Es geht um eine Demokratisierung unseres Zusammenlebens und unserer wirtschaftlichen Entscheidungen. Das demokratische Prinzip der gegenseitigen Kontrolle („checks and balances“) ist in einem solchen System konstitutiv beizubehalten. Bürger:innenräte wie diese gehören zu den Forderungen der „Letzten Generation“.

Auch wird es darum gehen müssen – entgegen einer einseitigen „Staatsmacht“ – Gemeineigentum aufzubauen. Die Schaffung von Allmende, der Ausbau von Genossenschaften, „kollektives Selbsteigentum“ und die Beibehaltung kooperativer Marktwirtschaft im klein- und mittelbetrieblichen Sektor sind Aspekte, die netzwerkartig einer einseitigen Machtakkumulation entgegenstehen und der Gefahr eines totalitären Staatssystems entgegenwirken. Insgesamt geht es um eine Ausrichtung unseres ökonomischen Zusammenlebens, die ihr Zentrum in den Festlegungen der Sustainable Global Goals der Vereinten Nationen hat.

Letztlich wird man nicht daran vorbeikommen, „Wachstum“ jenseits von quantitativen Abbrechungskalkülen zu definieren. Messinstrumente wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) müssen nicht der einzig gangbare Weg sein, um Wirtschaftsentwicklungen und Wohlstand in Gesellschaften zu beurteilen. Statt einer quantitativen Analyse ginge es vielmehr um eine qualitative Beurteilung: Welche Lebensqualität erleben die Menschen (buen vivir)? Sind sie glücklich? Wie stark ist die Solidarität gewachsen? Debatten um eine echte (finanzielle) Aufwertung der Care-Arbeit, Arbeitszeitverkürzung, Grundeinkommen, Entschleunigungsprozesse wie auch Auseinandersetzungen mit einer emanzipatorischen Gestaltung von Zeit ließen sich hieran anschließen.

Für all diese Überlegungen ist jeder einzelne Mensch in der Gesellschaft eingeladen, sich zu engagieren. Für die tatsächliche Umsetzung sind letztlich politische Mehrheiten wichtig.

Strategien für Transformationsprozesse

Mit dem Soziologen Erik Olin Wright lassen sich drei Hauptstoßrichtungen formulieren, die gesellschaftliche Umwälzungsprozesse in Gang bringen können. Sie sind für christliches Handeln inspirierend. Zunächst geht es (1) um Keimzellen, d. h. um punktuelle Zusammenschlüsse und Netzwerke, die bereits ein anderes Zusammenleben in einer Nische, Berufsbranche oder einem institutionellen Rahmen (z. B. in kirchlichen Gemeinschaften) ermöglichen. In einem falschen System strahlen sie dennoch ein Bild von einer anderen Welt aus. Reich Gottes wird so in Seniorenkreisen, Kommunitäten, Gottesdiensten usw. erlebbar. Hierbei sollten diese Netzwerke nicht isoliert für sich leben, Kooperationen, eine nationenübergreifende „globale Solidarität“ sind das Ziel (Alexander Behr) sind nötig.

Die Kirche macht sich so als „Exoduskirche“ auf den Weg in die Welt und sucht nach Genoss:innen, die in die gleiche Richtung aufbrechen und ähnliche Linien der Befreiungsbewegung Gottes verfolgen. Thinktanks, Austauschplattformen und Kristallisationskeime gemeinsamen Engagements (etwa „Lützerath bleibt“) können hierfür wichtige Impulse sein. Auch die Verschmelzung von gewerkschaftlichem Engagement mit Klimaprotestbewegungen, wie zuletzt bei „Fridays for Future“, und Kirchen, wie bei der „Letzten Generation“, bieten Chancen, gemeinsam stärkeren Druck auf politische Entscheidungsprozesse ausüben zu können.

Es geht also (2) um eine symbiotische Strategie, die versucht Kooperationen zu schaffen. Eine solche Strategie will die „Mitte“ der Gesellschaft gewinnen, die die dramatischen Folgen des Klimawandels immer deutlicher wahrnimmt. Eine solche Ausrichtung hat vor allen Dingen reformerischen Charakter. Ungeahnte Kooperationen zwischen linken Bündnissen und kirchlichen Einrichtungen ließen sich in diesem Fokus gewinnen. Die oben beschriebene Zachäus-Kampagne ließe sich leicht mit vorhandenen linken Netzwerken zusammenführen. Menschen, die dabei in verschiedenen Zusammenschlüssen involviert sind, können hierfür als Brückenbauer:innen fungieren. Hier denke ich etwa an Pfarrer Thomas Zeitler aus Nürnberg, der sich gleichzeitig bei „Extinction Rebellion“ engagiert und in der Rosa-Luxemburg-Stiftung wirkt.

Schließlich gibt es (3) Momente des Widerstandes, die etwa durch Stellungnahmen, Demonstrationen, Petitionen bis hin zum zivilen Ungehorsam erheblichen Druck auf die bisher gegebenen Rahmenbedingungen gesellschaftlichen Zusammenlebens ausüben können. Sie sind wichtig und fungieren– theologisch ausgedrückt – als prophetisches Sprachrohr, um deutlich zu machen: „Hier ist eine Grenze erreicht.“

Alle drei Impulse sind bedeutsam und haben ihre Berechtigung. Im Zusammenspiel haben sie am ehesten die Chance, fruchtbare Antriebe zum gesellschaftlichen Wandel zu sein.

Vertrauen in die Utopie

Unser Zusammenleben braucht grundlegende Umwälzungsprozesse. Die natürlichen Ressourcen werden aufgrund des Wachstumsdranges neoliberaler Ausuferungen „kannibalistisch“ verschlungen. In allen Bemühungen um Strategien und „Stellschrauben“ braucht es eine tragende Erzählung von einem „Noch-nicht-Ort“ einer besseren Gesellschaft. Es geht dabei um die Ausrichtung auf eine Utopie und die Förderung konkreter Vorstellungen, wie diese aussehen könnte (vgl. hierzu das Paradising-Konzept von „Umkehr zum Leben“).

Vor allem aber geht es um Vertrauen. Um die Gewissheit und die Hoffnung darauf, dass solidarisches und emanzipatorisches Handeln sinnvoll ist. Der christliche Glaube kann hierfür Impulse bieten. Selbstverständlich hat das Christentum oft genug selbst Machtstrukturen stabilisiert und stand emanzipatorischen Bewegungen entgegen. Gleichzeitig gab und gibt es jedoch Menschen, die aus ihrem Glauben Kraft und Gewissheit dafür gezogen haben und ziehen, für eine bessere Welt einzutreten. Die Figur des Reich Gottes und die Gewissheit, dass alles Handeln – auch im Scheitern – nicht verloren geht, können Hoffnung für eine befreiende Praxis geben.

Die Bezugnahme auf das Reich Gottes hilft auch zu einer heilsamen Demut, die eine Art Schutzmechanismus vor totalitären Regimen bilden kann. Der Theologe und Sozialist Helmut Gollwitzer hat dies wie folgt ausgedrückt:

„Darum folgt aus der absoluten Utopie der neuen Gesellschaft im Reiche Gottes eine irdische, relative Utopie als Leitbild für die Umgestaltung der bestehenden Verhältnisse mit dem Maßstab größtmöglichen Abbaus aller Ungerechtigkeit, Unfreiheit und Vergewaltigung.“

Es geht um Aufbau und Pflege von Gewissheit, Vertrauen und Hoffnung, dass befreiende Praktiken möglich und sinnvoll sind. So können Resignation und gefühlte Ohnmacht auch angesichts multipler Krisen und der Komplexität der notwendigen Veränderungsprozesse überwunden werden.