Wo kämen wir hin? – Die #LaTdH vom 31. Januar

In Berlin wird ein Bericht zur Aufarbeitung des Missbrauchs im Erzbistum veröffentlicht – zur Hälfte. Außerdem: Streit um den assistierten Suizid und Erinnerungen an Kurt Marti.

Debatte

Am Freitag stellte die Kanzlei Redeker Sellner Dahs das Gutachten „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin seit 1946“ in einer live übertragenen Pressekonferenz vor.

Vorstellung des Gutachtens, nächste Schritte (Erzbistum Berlin)

Genauer gesagt: Der Öffentlichkeit präsentiert wurden lediglich die „Zusammenfassung der Erkenntnisse aus den Akten“ sowie die „Empfehlungen“ der Anwälte aus dem Gutachten. Der umfangreiche Teil C („Zusammenfassender Inhalt der Personalakten beschuldigter Kleriker im [Erz-]Bistum Berlin seit 1946 in zeitlicher Reihenfolge der Zeiträume der Beschuldigungen“) werde „aus Gründen des Persönlichkeitsrechtsschutzes, der Gefahr der Retraumatisierung der Betroffenen und um eine voyeuristische Darstellung zu vermeiden, nicht veröffentlicht“.

In der PDF-Version des Gutachtens auf der Website des Erzbistums Berlin (@ErzbistumBerlin) fehlen dementsprechend die Seiten 44 bis 486 – auf ausdrückliche Anweisung von Erzbischof Dr. Heiner Koch. Dem Inhaltsverzeichnis mit geschwärzten Namen ist lediglich zu entnehmen, dass neben der Funktion des Beschuldigten, dem Zeitpunkt der ersten Hinweise in den Akten und dem Alter der Betroffenen zum Zeitpunkt der Tat jeweils auch Informationen zu kirchlichen und staatlichen Strafverfahren und Reaktionen des Erzbistums gegenüber Betroffenen wie Beschuldigten zusammengestellt wurden.

Das Gutachten war vom Erzbistum Berlin im November 2018 im Anschluss an die Veröffentlichungen der sog. „MHG-Studie“ beauftragt worden und behandelt die in der Diözese aktenkundigen Vorwürfe gegen Kleriker zwischen 1946 und 2020. In diesem Zeitraum seien bisher insgesamt gegen 61 Beschuldigte Vorwürfe im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch aktenkundig geworden. Zusammenfassend stellen die Rechtsanwälte eine „systematische Verantwortungslosigkeit“ fest:

Aus der Untersuchung der Personalakten ergibt sich eine Vielzahl von Missständen, die bereits für sich genommen, insbesondere aber in der Kumulation geeignet sind, die Verhinderung von sexuellem Missbrauch durch Kleriker zu erschweren, die Aufklärung zu verhindern und notwendige Schlüsse für Intervention und Prävention unmöglich zu machen.

Auch die Statements von Erzbischof Heiner Koch (@ErzbischofKoch) und Generalvikar P. Manfred Kollig SSCC stehen als PDF-Dateien zur Verfügung.

Die kirchliche Karriere des Berliner Erzbischofs ist auf das Engste mit dem Erzbistum Köln und seinem jetzigen Oberhirten, Kardinal Woelki, verknüpft: Heiner Koch wurde 1989 Leiter der Abteilung Erwachsenenseelsorge, 1992 Leiter der Hauptabteilung Seelsorge, 2002 stellvertretender Generalvikar, 2006 Weihbischof des Erzbistums Köln (geweiht vom damaligen Kölner Weihbischof Woelki). Nach einer Zwischenstation 2013 als Bischof von Dresden-Meißen (eingeführt durch Kardinal Woelki, inzwischen Erzbischof von Berlin) wurde er 2015 Nachfolger von Woelki – weil der nach Köln zurückbefördert worden war (wie bereits sein Vorgänger Kardinal Meisner).

Gutachten sieht 61 Kleriker als schuldig an – Daniel Deckers (FAZ)

Daniel Deckers weist in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (@faznet) darauf hin, dass die Juristen kaum ein gutes Haar an den Akten selbst wie auch an der Aktenführung gelassen – gleichzeitig aber keine Zuordnung von Pflichtverletzungen zu einzelnen Amtsträgern vorgenommen hätten, da sie sich als als „Gutachter, nicht Richter“ verstünden. Das habe Konsequenzen:

Daher ist es auf Basis der veröffentlichten Teile des Gutachtens – große Teile blieben unter Verschluss – weder möglich, die systemischen Defizite oder persönlichen Versäumnisse etwa der verstorbenen Berliner Erzbischöfe Alfred Bengsch und Joachim Meisner zu beurteilen, noch die mutmaßlichen Veränderungen wie die fortbestehenden Defizite in der jüngeren Vergangenheit, etwa während der Amtszeit des heutigen Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki.

Jeder Täter hat einen Namen – Annette Zoch (Süddeutsche Zeitung)

Wieder eine Untersuchung über Missbrauch, und wieder nennt die römisch-katholische Kirche darin keine Täter: Es ist beschämend, wie wenig viele Bistümer in all den Jahren gelernt haben, stellt Annette Zoch in ihrem Kommentar in der Süddeutschen Zeitung fest:

Langsam wäre eine Schautafel hilfreich. Mit Pfeilen, wer mit wem und gegen wen ist, und einer ausführlichen Legende. Ein Heer von Anwälten ist inzwischen involviert in die Aufarbeitung des Missbrauchs in den Bistümern in Deutschland. Im Zentrum des Streits liegt – wie ein dunkles Loch – das Missbrauchsgutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), das auf Geheiß des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki und mit anwaltlicher Schützenhilfe nicht veröffentlicht werden darf. Es gibt das Gutachten und Gutachten über das Gutachten und Gegengutachten, und die Öffentlichkeit blickt allmählich nicht mehr durch. Auch so kann man verschleiern.

Die Entscheidung von Erzbischof Koch, öffentlich keine Namen zu nennen, und dies mit Persönlichkeitsrechten, der Gefahr einer „Retraumatisierung Betroffener“ und der Vermeidung einer „voyeuristischen Darstellung“ zu begründen, lässt Zoch nicht gelten:

Nur einer Untersuchungskommission wird der Teil des Gutachtens mit den Namen zugänglich gemacht. Was die Kommission daraus macht, das kommuniziert am Ende wieder der Erzbischof. Wer mag es den Betroffenen da verdenken, wenn sie keinen echten Aufklärungswillen sehen?

Aufarbeitung ohne Verantwortung – Matthias Katsch (Eckiger Tisch)

Matthias Katsch (@KaMaZhe), Geschäftsführer der Betroffenen-Initiative Eckiger Tisch (@EckigerTisch) und selbst Opfer von Missbrauch am Canisius-Kolleg der Jesuiten in Berlin, kritisiert die Veröffentlichung des Gutachtens, ohne Verantwortliche zu identifizieren, ohne Täter zu benennen und ohne mit Opfern zu sprechen. Die Beschäftigung mit konkreten Informationen solle der „innerkirchlichen Aufarbeitung“ überlassen bleiben:

Tat­sächlich wird auf diese Weise verhindert, dass Betroffene voneinander erfahren, sich austau­schen und vernetzen können. Auch die Öffentlichkeit wird gehindert, sich ein Bild von den empörenden Vorgängen machen zu können, angeblich um Voyeurismus zu vermeiden. Dieses Vorgehen führt das Bemühen um Aufklärung und Aufarbeitung ad absurdum. Eine Kontrolle über das kirchliche Vorgehen durch die Öffentlichkeit ist nicht möglich.

Empörend sei zudem, dass das Gutachten von denselben Anwälten erstellt wurde, die die römisch-katholische Kirche seit über über zehn Jahren dabei beraten, „wie sie möglichst billig aus der Krise kommen“:

Es sind dies dieselben Anwälte, die sich in Köln mit wiederum anderen Anwälten darüber streiten, wer die Verantwortungsträger besser vor unbilliger Kritik schützt. Denn man muss es klar sagen: Anwälte dienen richtigerweise ihren Auftraggebern, nicht der Öffentlichkeit und schon gar nicht den Betroffenen. Von einer inner­kirchlichen Aufarbeitung haben die Betroffenen jedenfalls nichts zu erwarten.

Die Kölner Ereignisse um Kardinal Woelki: Ein Menetekel – Gregor Maria Hoff (Die Furche)

Kardinal Woelki gelobte beim Umgang mit Missbrauch in seiner Erzdiözese einst maximale Transparenz. Mittlerweile ist klar, dass er sein Versprechen nicht gehalten hat, stellt der Salzburger Fundamentaltheologe Gregor Maria Hoff in seinem Gastbeitrag in der Wochenzeitung Die Furche (@diefurche) fest:

Sein Verhalten veranlasst auch kirchentreue Katholiken zum Kirchenaustritt. Was Aufklärung bringen soll, potenziert Unklarheiten. Seine Transparenzabsichtserklärungen lösen sich hinter geschlossenen Akten auf. Wer so agiert, macht nicht nur strategische und kommunikative Fehler in der Bearbeitung des Missbrauchskomplexes der Kirche – er erweist sich als nicht geeignet, diese historische Herausforderung auch nur anzunehmen, geschweige denn zu bewältigen. Wer auf diesem Anforderungsniveau Vertrauen verspielt, setzt mehr als nur seine persönliche Glaubwürdigkeit aufs Spiel: Er riskiert die Grundlage des Glaubens selbst.

Kölner Katholiken rebellieren gegen Kardinal Woelki – Christoph Strack (Deutsche Welle)

Der Streit im Erzbistum Köln eskaliere, berichtet Christoph Strack (@Strack_C) in seinem Beitrag für die @DeutscheWelle. Kardinal Woelki gingen die Gläubigen von der Fahne: Sie hätten genug vom Umgang mit dem Missbrauchsskandal:

Eigentlich gilt Köln als Bastion eines weltoffenen, aber rheinisch-frommen Katholizismus. Das Bistum ist eine der reichsten, wenn nicht die reichste Diözese der Welt. Kirche, Kölsch und Karneval gehören sprichwörtlich zusammen. Und nun? Woche für Woche vermeldet die städtische Verwaltung, bei der man nach deutscher Rechtslage formell seinen Austritt aus der Kirche anzeigen muss, neue und längere Wartefristen für einen Termin. Und immer höhere Zahlen an Kirchenaustritten.

Auch der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung (@ubskm_de) zeigt sich erschüttert über den Kölner Erzbischof. Rainer Kardinal Woelki diskreditiere den gesamten Aufarbeitungsprozess der Kirche, wirft ihm Johannes Rörig vor.

Der Kardinal schweigt. Im Erzbistum rebellieren die Gläubigen.

nachgefasst

Die Debatte über den Umgang von Evangelischer Kirche und Diakonie mit der Frage des assistierten Suizids (vgl. die #LaTdH vom 17. Januar bzw. 24. Januar) ist auch in der vergangenen Woche weitergegangen.

Des Menschen Wille: Die theologischen Hintergründe der Debatte über den assistierten Suizid – Reinhard Bingener (FAZ)

In der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (@faznet) deutet Reinhard Bingener die innerprotestantische Debatte als Auseinandersetzung zwischen „Liberaler“ und „Öffentlicher Theologie“, die um die Pole Individuum / Institution, Gewissen / kirchliches Selbstverständnis und Selbstbestimmung / gesellschaftliche Verantwortung kreise.

Der Vorwurf von Wolfgang Huber (@Prof_Huber) und Peter Dabrock (@just_ethics), bei dem Plädoyer für einen assistierten Suizid handle es sich um einen „in ökumenischer Hinsicht bemerkenswert unsensiblen Vorstoß“, sei durchaus nachvollziehbar:

Zwischen der Gruppe um Lilie/Meister und der Haltung der katholischen Kirche gibt es in der Tat kaum Schnittmengen. Das war aber noch nie die größte Sorge liberaler Theologen, die nicht nur Klerikalismus kritisch sehen, sondern die Kirche in einer solch existentiellen Frage nicht auf eine Position festlegen wollen. Das Augenmerk soll auf der Gewissensentscheidung des Einzelnen liegen.

Die Öffentliche Theologie meint dagegen, dass ein zu großer Binnenpluralismus in der evangelischen Kirche und ein Verzicht auf den Schulterschluss mit der katholischen Kirche den gesellschaftlichen Einfluss des Christentums insgesamt schmälert.

Zu der „Gruppe um den hannoverschen Landesbischof Ralf Meister und Diakonie-Präsident Ulrich Lilie“ gehören auch die von Bingener nicht genannten TheologieprofessorInnen Reiner Anselm (München) und Isolde Karle (Bochum). Ein Gespräch mit Karle ist diese Woche hier in der Eule erschienen.

Paternalismus vs. Selbstbestimmung – Roderich Barth (zeitzeichen)

Auf @zeitzeichenNET findet sich inzwischen auch eine Polemik des Leipziger Dogmatikprofessors Roderich Barth: Bei der „paternalistischen Antwort“ von Huber & Dabrock störe ..

.. nicht nur die auch gegenüber der geballten diakonischen und seelsorgerischen Lebenserfahrung der Kritisierten unangemessen anmutende Oberlehrerhaftigkeit, die der ganzen Gegenrede einen unschönen Beigeschmack verschafft, sondern eben auch der damit verbundene Versuch, das eigene Eintreten für einen unbedingten und strafgesetzlich bewährten Lebensschutz mit fragwürdigen Mitteln als alternativlos darzustellen.

Den Initiator:innen der aktuellen Debatte um Suizidbeihilfe wünscht Barth:

[…] angesichts der zum Teil heftigen Reaktionen Gelassenheit und Ausdauer im Ausloten von diakonischen und seelsorgerlichen Handlungsmöglichkeiten für diesen schwierigen Grenzfall christlicher und humaner Verantwortung.

„Sorge und Seelsorge für Sterbende“ stehen auch im Zentrum der diesjährigen „Ökumenischen Woche für das Leben“ (17.-24. April 2021). Im gemeinsamen Vorwort des soeben erschienenen Themenheftes „Leben im Sterben“ beziehen der der Limburger Bischof Bätzing, Vorsitzender der römisch-katholischen Deutschen Bischofskonferenz, und der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm  auch Position in der aktuellen Diskussion:

In dem von der Coronakrise geprägten Wahljahr dürfte auch außerhalb der Kirchen die Debatte an Schärfe zunehmen. Möglicherweise wird der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode ein neues Gesetz beraten. Mit der Frage, wie ein zukünftiger Umgang mit der Suizid-Beihilfe aussehen könnte, hat sich Philipp Greifenstein (@rockToamna) hier in der Eule beschäftigt.

Buntes

Ein Jahr Corona in Deutschland: Große Herausforderung für Kirche – Christian Moser (MK-online)

Genau ein Jahr ist es her, dass der erste Corona-Fall in Deutschland aufgetreten ist. Seitdem sei nicht nur unser Leben ziemlich aus den Fugen geraten, auch Kirche und das Glaubenspraxis hätten sich verändert, stellt Christian Moser (@radmoser) in seinem Beitrag für das Online-Portal der römisch-katholischen Münchner Kirchenzeitung (@mk_redaktion) fest.

Trotz aller Unzulänglichkeiten durch die Herausforderungen der Coronakrise habe sich gezeigt, dass die Kirche den Menschen nach wie vor eine starke Stütze sei:

Sie muss nur wieder lernen, die Sorgen und Nöte ernst zu nehmen und vor allem die Angebote auf die Lebenswirklichkeit der Menschen abzustimmen. Das ist in erster Linie Aufgabe der Amtskirche, die dafür die Strukturen bereitstellen, Seelsorger fortbilden und auch Offenheit für Neues zulassen muss. Aber es ist auch Aufgabe von uns allen, die wir Kirche sind, mit offenen Worten, konstruktiver Kritik und ernst gemeinter Unterstützung Kirche zu Hilfe zu kommen und Glauben zu leben.

Das Erzbistum München und Freising (@ebmuc) hilft Corona-Patienten mit einer „Einsatzgruppe Seelsorge für Menschen mit Covid-19“ (EGrpS), berichtet die Süddeutsche Zeitung (@SZ_Muenchen) – ein bundesweit einmaliges Angebot. Seit April 2020 stehen rund 50 Seelsorger:innen für Sondereinsätze bereit.

Der Würzburger Bischof Franz Jung und Prof. August Stich vom Missionsärztlichen Institut Würzburg (@mimedbox) nehmen den Jahrestag zum Anlass für einen gemeinsamen „Zwischenruf“ – und erweitern die Perspektive:

Die Pandemie zwingt uns alle zum Handeln, weil sie spürbar ist und unmittelbare Gefahren birgt. Darüber hinaus sind Klimawandel, Verlust der Artenvielfalt und Armutsspirale die direkte Konsequenz dessen, was wir Globalisierung, Weltwirtschaftsordnung und Ressourcennutzung nennen, aber die Folgen werden erst für zukünftige Generationen in aller Dramatik spürbar sein. Unser aktuelles Verhalten gefährdet die Existenz vieler Menschen und Mitlebewesen nicht nur irgendwo auf der Erde, sondern auch direkt bei uns.

Coming-In – Matthias Albrecht (evangelisch.de)

Bahnt sich in der „frommen Welt“ eine Kehrtwende an, was die Akzeptanz von Homosexualität und Varianten der Geschlechtsentwicklung angeht? Genau dafür sprechen sich prominente Vertreter:innen aus der evangelikalen Szene auf der kürzlich gestarteten Website Coming-in.de aus.

Im Interview mit dem  @evangelisch_de-Blog „kreuz & queer“ erklärt Benjamin Pölloth vom Verein Zwischenraum (@zwischenraum.ev), wer hinter der Homepage steht und warum sie für den Kampf um Gleichheit so bedeutsam ist:

Es sind ganz viele Menschen, die sich da teilweise seit Jahren für uns engagieren. Das darf man nicht vergessen. Das sind zum Beispiel Pastor*innen, Lehrende an Bibelschulen, oder auch Menschen, die im Vorstand von wichtigen christlichen Netzwerken sitzen. Und deren Anliegen ist es zu sagen:

„Es kann nicht sein, dass Menschen, weil sie sind, wie sie sind in christlichen Gemeinden nicht willkommen sind. Das ist nicht nur ein kleines Problem, sondern es ist ein grundlegendes Problem, weil es dem Anliegen Jesu widerspricht“.

Theologie (und Sprache)

„Auf Schönheit wird in unserer Kirche kein Wert gelegt“ – Heimito Nollé (ref.ch)

Seine Dialektgedichte machten ihn zum Erneuerer der Schweizer Mundart-Literatur, wegen seiner politischen Einmischungen war er für viele ein rotes Tuch: Am 31. Januar wäre der Schriftsteller und reformierte Theologe Kurt Marti 100 Jahre alt geworden.

Auf dem Portal der Reformierten @refpunktch würdigt Heimito Nollé (@HeimitoN) den „Dichter-Pfarrer“ mit einer Zitaten-Sammlung aus Kolumnen, die dieser über vierzig Jahre lang für die Schweizer Zeitschrift „Reformatio“ verfasst hat. Neben Wohnungspolitik und Ärztemangel, Waffenhandel und Entwicklungspolitik befasste sich Marti immer wieder auch mit Literatur, Theologie und Kirche:

Die Subtilität und genau kontrollierte Begrifflichkeit der Theologie zeitigt nicht selten einen ähnlichen Effekt wie der peinlich auf korrekte Repetition bisheriger Glaubensaussagen achtende, mehr oder weniger fundamentalistisch geprägte Konservativismus: die Sprache wird steril! Wissenschaftlichkeit dort und Bekenntniskonformität hier werden zu einer Gedanken- und Sprachzensur verinnerlicht, die die Sprache mehr und mehr entweltlicht, entfremdet, entfleischlicht und ausdörrt.

„Kurt Marti wollte den Himmel anzetteln auf Erden“, schreibt Manfred Papst in seiner Würdigung in der NZZ am Sonntag (@NZZaS). Die Sendung „Kontext“ im Schweizer Rundfunk macht sich in ihrem Beitrag „Kurt Marti – Poet und Prediger“ auf die Suche nach der Modernität des Sprachakrobaten, Skeptikers und Zeitdiagnostikers.

Warum es sich lohnt, Kurt Marti (wieder) zu lesen, erklärt Hans Ulrich Probst in der Wochenzeitung (@Wochenzeitung):

Neben dem Lyriker gab es früh auch den kühnen Erzähler und den kühlen Essayisten Marti, der um sein Christsein ebenso rang wie um seine Zeitgenossenschaft und der dem Modewort „Engagement“ einen konkreten Sinn gab. Pathos war ihm fern, Ironie und Humor aber nahe – überhaupt wahrte er zu fast allem eine feine Distanz.

Gott hat es nicht gefallen … Gedanken und ein Gedicht zum hundertsten Geburtstag von Kurt Marti – Isolde Karle (zeitzeichen)

Kurt Marti befreite dogmatische Sätze von ihrer Vorhersehbarkeit und konnte den Glauben in einer aufrüttelnden und zugleich poetischen Sprache fassen – so Isolde Karle in ihrem Beitrag in zeitzeichen:

Marti hat die Unabhängigkeit des Denkens und Dichtens genossen. Seine Poesie wusste die Wirklichkeit pointiert zu beschreiben und zugleich zu transzendieren. Nicht wenige seiner Gedichte wurden vertont, einige haben Eingang ins Gesangbuch gefunden wie zum Beispiel „Der Himmel, der ist, ist nicht der Himmel, der kommt“. Auch Martis bekanntes Gedicht „Das könnte den Herren der Welt ja so passen“ wurde zu einem Osterlied und auf Ostermärschen und Kirchentagen gesungen – Ostern als Protest.

Persönliche Erinnerungen an den Menschen Kurt Marti und an dessen Gedichte wünschte sich Franziska Loretan-Saladin vom Theologischen Feuilleton @feinschwarz_net. So entstand ein Interview mit dem Theologen Markus Friedli  – er leitete die Fachstelle „Kirche im Dialog“ in Bern, als Kurt Marti dort Pfarrer an der Nydeggkirche war.

Ein Online-Studientag der Universität Bern am 1. März bietet eine Annäherung an diese wichtige Dimension von Martis Werk: mit Vorträgen und Workshops, Erinnerungen und einer Lesung ausgewählter Texte. Und die Kurt-Marti-Stiftung (@MartiStiftung) veröffentlicht seit Anfang des Jahres jeden Tag ein Zitat auf Twitter.

Predigt

Schnee: Predigt zu Mt 17,1-9 am Letzten Sonntag nach Epiphanias – Kathrin Oxen (Reformierter Bund)

Kathrin Oxen greift in ihrer Predigt über die „Verklärung Jesu“ aus dem Matthäus-Evangelium – veröffentlicht auf der Website des Reformierten Bundes (@reformiertinfo) – ein Gedicht von Kurt Marti auf:

Es könnte doch mal schneien. Ja, es könnte alles schöner sein. Aber es ist, wie es ist. Du kannst gerade nichts machen. Und wenn du es versuchst, ist das meiste davon bloß Hüttenzauber. […]

Wir gehen jetzt zusammen wieder herunter von diesem Berg. Der Abstieg ist leicht, der Weg kommt uns entgegen. Und genau so gehen wir weiter, hört ihr? Als gingen wir immer nur bergab. Auch wenn der Weg im Tal dann lang wird. Ich bin bei euch, in den harten Wochen, die vor uns liegen, in Kämpfen und Verzicht. Fürchtet euch nicht.

Ein guter Satz